Vom Altarraum in der Katholischen Kirche in Riehen

Albert Schilling

Der Grundstein der katholischen Kirche in Riehen, Sankt Franziskus, im Pfaffenloh, wurde im Jahre 1949 gelegt. Im Jahr darauf wurde die Kirche geweiht. Es war dies eine Zeit, wo die Bemühungen um eine Erneuerung der gottesdienstlichen Liturgie bereits stark im Gange waren, hatte doch schon in den zwanziger Jahren die sogenannte Liturgische Bewegung bestrebt, auch die Laien intensiver am liturgischen Tun teilnehmen zu lassen. Sie machte Vorschläge, wie dieser Kontakt praktisch gefördert werden könnte. Einer durchgreifenden Erneuerung standen aber eine Reihe eindeutiger Vorschriften entgegen, die, im Laufe vieler Jahre entstanden, den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprachen. Die Kirche St. Franziskus trägt den ausgesprochenen Charakter dieser übergangsperiode. Sie gehört zu den besten und fortschrittlichsten Kirchen ihrer Zeit. Sie wurde vielfach als vorbildliche Lösung besonders in liturgischen Fachschriften publiziert. Aber erst vierzehn Jahre später wurden durch das Zweite Vatikanische Konzil eine Reihe kirchenbaulicher Vorschriften aufgehoben oder den neuen Bedürfnissen angepaßt.


Worin besteht nun die spezifische Eigenart der Franziskuskirche einerseits im Vergleich zu früheren Kirchenbauten und andererseits zu den Bestrebungen, denen das Konzil die Tore geöffnet hat? Der normale Kirchentypus vor dem Beginn der liturgischen Bewegung war im Wesen das mittelalterliche Schema eines Langschiffes mit eingezogenem, erhöhtem Chor. Der Haupt- oder Hochaltar stand am Ende des Chores, angelehnt an die Apsis oder an die Abschlußwand. An die Stirnseiten des Chores wurden ein oder mehrere Seitenaltäre gelehnt. Eine im kirchlichen Rechtsbuch verankerte Vorschrift gebot, den Tabernakel in der Mitte des Hauptaltares aufzustellen. Nur in bestimmten Bischofs- oder Klosterkirchen konnten Ausnahmen von dieser Regel gemacht werden. Die Kirchen hatten also eine ausgesprochene Längsform, deren Abschluß der Altar mit dem Tabernakel zu bilden hatte. Der Gottesdienst, d. h. die Meßfeier, fand im Chor, der durch mehrere

Stufen und meist durch einen Chorbogen vom Schiff der Laien getrennt war, in Richtung auf die Apsis oder die Chorwand statt. Die Gesänge der Messe aber sang der Kirchenchor auf der meist über dem Eingang gelegenen Empore. Die Kirchenbesucher befanden sich also gleichsam eingespannt zwischen diesen beiden aktiven Polen als passive Zuschauer und Zuhörer.


In der vorausschauenden überzeugung, daß bald verschiedene Vorschriften geändert würden, war man beim Bau der Franziskuskirche bestrebt, eine Lösung zu finden, die es später gestatten werde, die Messe gegen das Volk hin zu feiern und den Tabernakel nicht mehr auf dem Hauptaltar aufzustellen, sondern an einem anderen, durch seine Stellung ausgezeichneten Ort. Man rückte deshalb den Altar in die Mitte des quergelagerten Chores und bereitete eine erhöhte Nische in der Rückwand für eine spätere Deponierung des Tabernakels vor. Aber auch das Volk bemühte sich schon damals, intensiv am Meßgeschehen teilzunehmen. Die meisten Kirchenbesucher hatten ein Missale bei sich, das heißt ein Meßbuch mit sämtlichen Texten in lateinischer und deutscher Sprache. Dies legte es nahe, helle Kirchen zu bauen, eine ungestörte Sicht auf den Altar zu gewähren und diesen in die Nähe des Volkes zu legen.


Die Franziskuskirche gehört zu den ersten Kirchenbauten, bei denen auf alle diese Bedürfnisse Rücksicht genommen wurde. Das übliche Langschiff wurde ersetzt durch ein breitgelagertes Dreieck, dessen Spitze auf den Altar ausgerichtet ist. Der Chor wurde mit breiter öffnung nicht längs, sondern als quergelegtes Oval vor das Schiff gelegt. So erhielt die Kirche einen damals neuartigen Grundriß, der es gestattete, alle Bankreihen verhältnismäßig nahe beim Altar anzuordnen. An Stelle einer Kanzel wurden für die Verkündigung von Evangelium und Epistel in unmittelbarer Nähe der Bänke zwei geeignete Stellen (Ambonen) hergerichtet (die noch ihrer Vollendung durch ein Lesepult oder eine andere Form harren). Einen architektonisch bestimmten, unverrückbaren Ort erhielt der Altar durch die Aufstellung zwischen den beiden Brennpunkten des ovalen Chores.


Wenn heute der ganze Altarraum noch ein nüchternes Aussehen hat, so vor allem deshalb, weil verschiedene Intentionen des Architekten (Fritz Metzger, Zürich) noch der Realisierung harren. So ist zum Beispiel ein großer farbiger Akzent geplant, nicht gegenüber dem Volke an der Rückseite der Chorwand, sondern als Kuppelbemalung über dem Altar. Diese Lösung gibt ihm ein noch größeres Gewicht, ohne das

Interesse der Gläubigen vom Altare weg an die Chorwand zu lenken. Auch der mit einem großen weißen Tuch verhüllte Altar ist nur in seinen für die liturgische Weihe notwendigen Teilen fertig. Die äußere Steinhülle fehlt noch. Diese ist teilweise farbig geplant. Sie soll damit eine deutliche Beziehung zum Deckengemälde erhalten. In die Nische der Chorwand darf heute auch der noch auf dem Altar stehende Tabernakel eingefügt werden. Das in der alten Kapelle aufgestellte Kruzifix wurde seinerzeit in die Kirche übernommen und über dem Altar als «bleibendes Provisorium» aufgehängt. An dessen Stelle soll ein neues, passendes Vortragskreuz an anderem Orte aufgestellt werden. Dann dürfte auch die jetzt noch neben dem Altar aufgestellte Madonna wieder ihren vorgesehenen Platz im vordersten Feld an der linken Wand des Kirchenschiffes einnehmen.


Alle diese Ergänzungen und änderungen sollen beitragen, daß die Intentionen der liturgischen Konstitution, die als erste am Konzil verabschiedet werden konnte, deutlich werden: Kirche ist nicht das Gebäude, sondern die Gemeinschaft der Gläubigen. Alles sei darauf angelegt, daß den Gläubigen eine möglichst große Teilnahme am Gottesdienst möglich wird. Der Priester vollzieht seine Handlungen zum Volke hin gewendet. Dabei wird weitgehend die Landessprache verwendet und das Latein nur noch für wenige Stellen reserviert. Die festen Texte werden zum großen Teil vom Volke mitgesprochen und die veränderlichen vom Ambo (Lesepult) aus vorgelesen. Nach der Feier wird die Heilige Schrift an passender Stelle aufgelegt. Die Tischfläche des Altares wird fast ausschließlich für die Patene und den Kelch reserviert. Da in der Franziskuskirche schon bei der Planung lange vor dem Konzil auf diese Dinge Rücksicht genommen wurde, sind jetzt keine wesentlichen Veränderungen im Altarraum notwendig geworden. Um so mehr ist zu wünschen, daß die endgültige Ausstattung des Altarraumes in absehbarer Zeit verwirklicht werden kann.


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1965

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