Vom alten Gemeindehaus zum Haus der Vereine

Martin Christ

Schon bevor das alte Gemeindehaus seiner Funktion enthoben war, machte sich der damalige Gemeinderat Gedanken über die spätere Verwendung des Gebäudes, wobei er auch an dessen Stelle einen Neubau ins Auge fasste. Im Weiteren Gemeinderat wurden allerdings schon 1958 und 1959 Anzüge zur Erhaltung des alten Gemeindehauses überwiesen. 1961, im gleichen Jahr als das neue Gemeindehaus bezogen wurde, lieferte ein Basler Architekturbüro im Auftrag des Gemeinderates entworfene Projektideen für ein gesellschaftliches Zentrum ab. Es wurden Varianten vorgelegt mit Zurücksetzung der Berri-Fassade kombiniert mit einem Neubau, verschiedene reine Neubauvarianten, ja sogar eine «Nullösung» mit parkähnlicher Gestaltung des Areals. Die Architekten sprachen sich für eine Zurücksetzung der Fassade des Berri-Baus aus.

Es bedurfte mancher Jahre der Abklärungen, bis zur eigentlichen Projektierung geschritten werden konnte, doch überliess der Gemeinderat in der Zwischenzeit das alte Haus zur Benützung den Riehener Vereinen. Diesen fehlte es bekanntlich an mancherlei Lokalen zur Entfaltung ihrer Aktivitäten. Um keine Verwechslung zu schaffen mit dem Vereinshaus am Erlensträsschen, wurde der Begriff «Haus der Vereine» eingeführt; doch weil das im Dialekt unschön klingt, wurde später in Anlehnung an die frühere Funktion des Hauses der Name «Alte Kanzlei» als definitive Bezeichnung gewählt. Zur Bildung eines gesellschaftlichen Zentrums mit Einbezug des Meierhofs kam es bekanntlich nicht, weil dieser von der Gemeinde nicht erworben werden konnte. Von Gutem war aber, dass die Gemeinde 1970 die Liegenschaft Erlensträsschen 5 erwerben konnte, allerdings mit der damaligen Absicht, das Haus der Korrektion des Erlensträsschens zu opfern. Lange Diskussionen entstanden in allen zuständigen Gremien über das Schicksal des Berri-Baus. Zum Glück setzte sich bald die Erkenntnis durch, dass das wertvolle Haus zu erhalten sei und dass auch eine Zurücksetzung um des Verkehrs willen dem sogenannten Dorfplatz seinen geschlossenen Charakter nehmen würde. In diesem Sinn sprach sich auch der Regierungsrat aus, als er nach einem Augenschein im Dorf seiner Erwartung Ausdruck gab, das alte Gemeindehaus möge an seinem Ort bestehen bleiben. Die Staatliche Heimatschutzkommission und die öffentliche Denkmalpflege schlössen sich dieser Ansicht an. Leider konnten aber schon damals wie auch später die zuständigen kantonalen Instanzen zur Lösung des Verkehrsproblems wie auch im besonderen zur Lösung des Problems der Fussgänger im Bereich Alte Kanzlei und Tramstation, wie es die Gemeinde sah, nicht Hand bieten. Bedingung dazu war und ist das Erstellen einer Um fahrungsstrasse. Der Gemeinderat setzte 1974 eine Kommission für das Haus der Riehener Vereine ein mit dem Auftrag, ein Raumprogramm aufzustellen, nachdem die Bedürfnisfrage vorher durch die Verwaltung abgeklärt worden war. Von Anfang an wurde klar, dass nur ein Anbau am Flügel Erlensträsschen dem Programm genügen konnte. Vorsorglicherweise war dazu mit dem Nachbarn, dem Besitzer der Liegenschaft Erlensträsschen 7, ein Landabtauschvertrag abgeschlossen worden. Auf Grund des endgültigen Raumprogramms bewilligte der Weitere Gemeinderat am 19. November 1975 einen Projektierungskredit in der Höhe von Fr. 131 000.—. Der Gemeinderat liess zwei Architekturbüros in einer Vorprojektierung ihre Ideen vorlegen und erteilte dann am 14. Januar 1977 dem Architekten Hans Roduner den definitiven Auftrag.

Das Projekt

Als Spezialist für Renovationen und Umbau von historischen Bauten nahm Hans Roduner mit viel Eifer und Gewissenhaftigkeit seinen Auftrag in Angriff. Er hatte von Anfang an die Absicht, jedem Bauteil seinen seiner Entstehungszeit gerecht werdenden Ausdruck zu belassen, den Berri-Bau herauszustellen, ihn aber weder durch die Anbauten zu konkurrenzieren noch nachzuahmen. Dass dabei unendlich viel Geduld in Verhandlungen mit der öffentlichen Denkmalpflege aufzubringen war, lag in der Natur der Sache. Das Baubegehren für den Um- und Anbau sowie für die Renovation der Alten Kanzlei wurde bereits am 8. Juli 1977 eingereicht, und es bestand die Hoffnung, noch im gleichen Jahr den Weiteren Gemeinderat um die Bewilligung des Ausführungskredites ersuchen zu können. Leider kam es anders. Die Staatliche Heimatschutzkommission stimmte dem Baubegehren zu. Sie konnte sich damit abfinden, dass das Haus Erlensträsschen 5 weichen musste, weil sie dem bestechenden Projekt mit der Erhaltung des Berri-Baus grössere Bedeutung beimass. Der Denkmalpfleger nahm aus verschiedenen Gründen, auf die noch eingegangen werden wird, eine ablehnende Haltung zum Projekt ein. Aus diesem Grund kam es zur Ablehnung des Baugesuches durch das Bauinspektorat. Der Gemeinderat hat dagegen Rekurs erhoben, indem er dem Denkmalpfleger die Legitimation absprach, da es sich nicht um ein geschütztes Baudenkmal handle und der Denkmalpfleger auch keine Beeinträchtigung der geschützten Bauten der Umgebung feststellen konnte. Die Baurekurskommission hat nun aber daraufhingewiesen, dass bei einer Differenz in der Vernehmlassung zwischen zwei staatlichen Instanzen zunächst ein Verständigungsverfahren einzuleiten sei. An den darauf folgenden Besprechungen haben von Anfang an der Architekt und die Verantwortlichen der Gemeinde teilgenommen. Von allen Seiten mussten Konzes sionen gemacht werden: vom Denkmalpfleger, weil er einsehen musste, dass durch zu weit gehende Forderungen das Ganze gefährdet war, das Raumprogramm nicht einzuhalten war und vor allem auch, weil die Erhaltung des BerriBaus mit dem ganzen Projekt zusammenhing. Vom Architekten und der Gemeinde musste eingesehen werden, dass ohne Nachgeben in gewissen Punkten das Projekt gar nicht oder nur mit enormer Verzögerung zu realisieren gewesen wäre.

Was waren nun die strittigen Punkte zwischen Denkmalpfleger einerseits und Architekt und Bauherrschaft anderseits? Die ursprüngliche Forderung der Denkmalpflege, das Haus Erlensträsschen 5 dürfe nicht abgerissen werden, stand nicht mehr zur Diskussion, nachdem bewiesen worden war, dass das Haus keinerlei schützenswerte histori sehe Substanz enthielt. Ebenfalls hatte der Denkmalpfleger schon früher auf die Forderung nach niedrigen alemannischen Giebeln der Seitenflügel einsichtsvoll verzichtet. Die Ablehnung des Baugesuchs geschah vielmehr wegen der Forderung nach anderer Gestaltung der Seitenflügel. Diese sollten nach Denkmalpflege offene Giebel erhalten, damit der Komplex Alte Kanzlei die ehemalige Kirchenburg nicht konkurrenziere. Hier konnte, allerdings erst im Verlauf der Bauausführung, ein tragbarer Kompromiss gefunden werden. Im weitern kam die Gemeinde der Denkmalpflege entgegen in der Offenhaltung des Eingangs vom Kirchhof her, allerdings unter Opferung von Innenraum, sowie im Verzicht auf Arkaden beim Eingang Erlensträsschen. Beides waren Konzessionen, die dem Projekt nicht abträglich waren. Weitere Einwendungen der Denkmalpflege wie Zurückversetzung der Fassade des Neubaus und Vereinfachung der Fassade am Südflügel wurden fallengelassen.

Nachdem feststand, dass dem ausgehandelten Kompromiss von keiner Seite mehr Opposition entstehen werde und nachdem auch der Gemeinderat das so bereinigte Projekt verabschiedet hatte, wurde das abgeänderte Baubegehren diesmal mit Erfolg eingereicht.

Am 25. Juni 1980 hat der Weitere Gemeinderat den Ausführungskredit in der Höhe von Fr. 5 395 000.— bewilligt. Diese hohe Summe liegt mehr als zwei Millionen Franken über der ursprünglichen Schätzung, welche zum Projektierungskredit geführt hatte. Die Erhöhung des Baukubus von den angenommenen 8 000 m3 auf 9 196 m3, die detaillierten Unternehmerofferten und nicht zuletzt die Forderungen der Denkmalpflege haben die Kostenerhöhung bewirkt.

Für die Bauausführung hat der Gemeinderat dem Architekten eine Baukommission zur Seite gestellt, in welcher auch Mitglieder des Weiteren Gemeinderates wertvolle Arbeit geleistet haben. Die Hauptlast bei dem äusserst komplizierten Bauvorhaben lag aber auf dem Architekten, der während des ganzen Bauvorgangs auch immer wieder Detailfragen mit dem Denkmalpfleger zu klären hatte. Zum guten Gelingen des Baus haben aber auch alle Handwerker und die Mitarbeiter der Hochbauabteilung der Gemeindeverwaltung beigetragen. Sie alle haben einen enormen Einsatz gezeigt. Am 10./ II. September 1983 konnte die «neue Alte Kanzlei» schliesslich eingeweiht werden.

Der fertige Bau

Zur Orientierung sei dem Leser vor allem empfohlen, den Bau an Ort und Stelle zu besichtigen. Im Vordergrund steht der in alter Schönheit wiedererstandene Berri-Bau. Er hat wieder sein Glockentürmchen und die von Berri stammende Farbgebung. Wegen der zweimaligen Absenkung der Strasse steht der Bau erhöht. Und obwohl durch Anhebung des Erdgeschosses auf das ursprüngliche Niveau die Freitreppe nun wieder elegant in die Eingangshalle hineinführt, führt sie nun eben auch auf das Trottoir hinaus. Die Seitenflügel ordnen sich unter Einhaltung ihres alten Charakters dem Hauptbau unter und sind auch in der Farbgebung bewusst anders gehalten. Der Neubau, am Erlensträsschen beginnend und dann quer zum Flügel Kirchhof verlaufend, ist schlicht gehalten.

Das Innere des Hauses hat sich wesentlich geändert. Im Kopfbau sind im Erdgeschoss (EG) und im Obergeschoss (OG) hinter der Eingangshalle bzw. der Veranda je ein Foyer, daran anschliessend unten im Norden die Garderobe, im Süden ein sogenannter Vorbereitungsraum, entsprechend oben eine Küche bzw. ein Spiel- und Bastelraum. Im Untergeschoss (UG) findet sich das Kellertheater. Im Flügel Kirchhof ist im EG der grosse Saal, welcher aber zusätzlich auch noch die ehemalige Lücke zwischen den Seitenflügeln beansprucht. Das Lüscherbild mit den bekannten Dorfgestalten, ein Geschenk des Kantons zum 400-Jahrjubiläum, ist zu seinem Vorteil an die Nordwand versetzt worden. Im OG finden sich je ein grosses übungs- und Sitzungszimmer, im UG eine Garderobe für das Kellertheater, WC-Räume und eine Werkstatt für den Abwart. Die Kellermauer eines ehemaligen Speichers wurde auf Wunsch der Denkmalpflege freigelegt. Im Flügel Erlensträsschen, der eine Niveaudifferenz zum Hauptbau aufweist, finden sich im EG Vereinssekretariate, wobei dasjenige des Verkehrsvereins von der Strasse direkt zugänglich ist. Im OG finden sich Sitzungszimmer, im UG ein Vereinskeller sowie ein Modellbauraum. Im neuen Querbau sind vor allem Abstellräume, Toiletten, Garderoben und das grosse Treppenhaus untergebracht. Die vorher erwähnte ehemalige Lücke hat jetzt über dem Saal eine gedeckte Dachterrasse, im UG das Foyer zum Kellertheater und die dazugehörige kleine Küche. Im Dachgeschoss finden sich in den Seiten fliigeln und im Neubau Archivräume, am Erlensträsschen die Gasheizung. Im Berri-Bau findet sich lediglich ein grosser Estrich. Die Gänge im Flügel Erlensträsschen haben eingebaute Fahnen- und «Trophäenkästen». Das ganze Haus wird erschlossen durch die schon erwähnte Haupttreppe im Westen sowie durch eine Wendeltreppe im BerriBau. Ausserdem findet sich ein Lift im Berri-Bau. Auf vielfach angebrachten Wunsch wurde der ganze Bau - entgegen dem Projekt - bei der Bauausführung doch invalidengerecht erstellt, was die Anbringung von drei Treppenliften erforderte. Ein Invaliden-WC im Keller, über den normalen Lift erreichbar, war von Anfang an geplant.

Die Materialien für den Innenausbau sind erlesen, zweckmässig, aber nicht luxuriös. Es finden sich je nach Funktion der Räume keramische, textile oder hölzerne Bodenbeläge, in den Foyers des Berri-Baus Steinplatten. Uber all wurde der Akustik und Schalldämmung besondere Beachtung geschenkt. Eindrücklich ist deswegen die schöne Holzdecke im Saal sowie das neu erstandene Gewölbe des Kellertheaters. Das Glasbild von Charles Hindenlang, Johann Rudolf Wettstein und die Riehener Bürger darstellend, gelangte aus dem neuen Gemeindehaus wieder an seinen angestammten Platz im Berri-Bau.

Schliesslich ist quasi als Erinnerung an die alten Schöpfe um die Kirche auch der alte Schopf an der westlichen Fassade des Südflügels wieder zu Ehren gekommen. Allerdings dient er im Erdgeschoss jetzt als Velounterstand, im Dachgeschoss beherbergt er die Lüftung.

Die Benützer

Die Riehener Vereine haben mit Sehnsucht auf ihr Haus gewartet. Sie haben bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder Vorstösse zur Renovation der Alten Kanzlei unternommen. Was sie jetzt erhalten haben, darf als etwas Einmaliges bezeichnet werden, etwas, was es in dieser Art wohl kaum irgendwo in der Schweiz gibt. Die Vereine können nun ihre Aktivitäten in einem gediegenen und intimen Rahmen ausüben und müssen sich nicht mehr um die zu spärlichen Lokale in den zu spärlichen Riehener Gaststät ten streiten. Sie müssen auch nicht mehr ihre Akten und andern Schriftstücke in ihren Wohn- und Schlafzimmern stapeln. Die Gemeinde hat sich dieses Haus der Vereine etwas kosten lassen, in der gewollten Absicht, durch die Förderung des Vereinslebens den Zusammenhalt innerhalb der Riehener Bevölkerung zu fördern. Dass nun aber dieses Haus auch die berüchtigten Folgekosten verursachen wird, dürfte klar sein, da die Vereine ihre Lokale unentgeltlich benützen dürfen. Die Kosten sind im Interesse der Vereine so niedrig als möglich zu halten. Um dies zu erreichen, wurde auf Anregung der Gemeinde eine Interessengemeinschaft Haus der Vereine Riehen (IG) gegründet, welche das Haus führen wird. Die IG ist für den Betrieb verantwortlich, nimmt die Raumzuteilung vor, stellt den Abwart an und kann das Haus, wenn es durch die Vereine nicht belegt ist, auch an Aussenstehende vermieten. Die IG stellt ein Budget auf, auf Grund dessen die Gemeinde einen jährlichen Beitrag in ihr Budget aufnimmt. Die IG muss also dafür sorgen, dass ihr Budget eingehalten wird, da sonst der Gemeindebeitrag nicht ausreicht. Für 1984 ist ein Budgetbetrag von Fr. 220 000.— eingesetzt worden. Von den ursprünglich für die Hausbenützung angefragten über 50 Vereinen haben sich bis jetzt an die 30 der IG angeschlossen. Es ist klar, dass nicht jeder Verein ein Lokal für sich allein kriegt. Die übungslokale werden nach einem genauen Turnus vergeben und auch in die Sekretariatsräume müssen sich die Vereine, mit Ausnahme des Verkehrsvereins, teilen. Zur Belebung des Hauses vor allem tagsüber wie auch zur Entlastung des Budgets der IG ist es erwünscht, dass auch andere Kreise sich um die Benützung der Alten Kanzlei bemühen. Das Haus eignet sich glänzend für die Abhaltung von Seminarien, Kursen für Erwachsenenbildung, kleine Konzerte sowie auch für private Anlässe und vieles andere. Die Verantwortlichen der Gemeinde glauben mit Zuversicht, der schöne Bau werde seine Aufgabe zur Zufriedenheit zahlreicher Riehener erfüllen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1983

zum Jahrbuch 1983