Vom Kinderzirkus zum Olympiatraum

Rolf Spriessler

Die 19-jährige Beachvolleyballerin Menia Bentele, U21-Schweizermeisterin und U20-Vizeeuropameisterin 2020, erhielt den Sportpreis der Gemeinde Riehen nicht nur für ihre sportlichen Erfolge, sondern vor allem auch im Sinn eines Förderpreises im Hinblick auf eine kommende Profikarriere auf der World-Tour. Es war bereits das 25. Mal, dass der Sportpreis vergeben wurde.

Der Jahrgang 2020 war für den Sportpreis der Gemeinde Riehen in mehrfacher Beziehung ein etwas spezieller. Coronabedingt fand die öffentliche Preisverleihung wie schon im Vorjahr recht spät statt, nämlich erst am 16. August 2021, und zum zweiten Mal nacheinander geschah dies unter freiem Himmel auf dem Sportplatz Grendelmatte. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass die Schutzbestimmungen so einfacher einzuhalten waren als im Lüschersaal oder im Bürgersaal, wo die ersten 23 Sportpreisfeiern stattgefunden hatten, es passte ganz einfach auch hervorragend zur Sportart der Preisträgerin. Gleich neben dem Hartplatz, wo das Publikum sass, befindet sich nämlich ein Beachvolleyballfeld und dort zeigten, eingebettet in die Laudatio, vier Juniorinnen einige attraktive Ballwechsel, die von Menia Bentele gekonnt kommentiert wurden und dem Publikum die Sportart näher zu bringen vermochten. 

Erst zum fünften Mal in der nun 25-jährigen Geschichte des Riehener Sportpreises wurde eine einzelne Person geehrt – nach dem Leichtathleten Nicola Müller (2002), dem Ruderer Mathias Lampart (2006), der Mountainbikerin Katrin Leumann (2010) und der Orientierungsläuferin Ines Brodmann (2012).

SILBERMEDAILLE AN DER U21-EUROPAMEISTERSCHAFT
Diesmal fiel die Wahl also auf Menia Bentele. Mit ihren 181 Zentimetern hat sie zwar eine stattliche Grösse, doch für eine typische Blockspezialistin im Beachvolleyball ist das nicht besonders gross. Die grosse Stärke der 2001 geborenen Riehenerin liegt darin, dass sie sehr vielseitig ist und im Beachvolleyball problemlos alle Rollen übernehmen kann. Das macht sie zu einer Spielerin, die sich mit neuen Partnerinnen jeweils sehr schnell zurechtfindet. Was ihr zugutekam, als sie in der Saison 2020 nach dem Gewinn des U21-Schweizermeistertitels, den sie zusammen mit Shana Zobrist erobert hatte, nicht mit ihrer Partnerin an die U20-Europameisterschaft gehen konnte, weil Shana Zobrist für die U20 ein Jahr zu alt war. Da U21-Vizeschweizermeisterin Annik Stähli vor demselben Problem stand – auch ihre Standardpartnerin war für die U20 ein Jahr zu alt – taten sich Menia Bentele und Annik Stähli kurzfristig zusammen und spielten sich im tschechischen Brno mit lauter Siegen sensationell bis in den Final, den sie gegen ein lettisches Duo verloren. Die U20-EM-Silbermedaille ist das bisher wertvollste Resultat für Menia Bentele und ausschlaggebend dafür, dass die Jury sie als Preisträgerin des Riehener Sportpreises für das Jahr 2020 ausgewählt hat. Die Jury wollte den Sportpreis allerdings nicht nur als Würdigung einer herausragenden sportlichen Leistung im Jahr 2020 verstanden wissen, sondern vor allem auch im Sinne eines Förderpreises im Hinblick auf eine mögliche Profikarriere. Denn nach dem Abschluss der Matur in der Sportklasse des Gymnasiums Bäumlihof im Sommer 2021 setzt Menia Bentele voll auf den Sport, will sich auf der Beachvolleyball-World-Tour etablieren, wo auch um Preisgelder gespielt wird, an Europa- und Weltmeisterschaften teilnehmen und sich für die Olympischen Spiele qualifizieren. Sollte sich der Olympiatraum erfüllen, wird sie sich auf Weltklasseniveau befinden und mit einer Medaille liebäugeln können, denn im Beachvolleyball sind die Schweizer Frauen im Moment ausserordentlich stark. An den Olympischen Spielen in Tokio holten Anouk Vergé-Dépré und Joana Heidrich Anfang August 2021 die Bronzemedaille und wenig später wurden Nina Betschart und Tanja Hüberli, die die Olympiaqualifikation verpasst hatten, in Wien Europameisterinnen. 

Eine Sportlerin, die sich so hohe Ziele setzt, läuft oft Gefahr, ihre Ziele mit einer gewissen Verbissenheit zu verfolgen und sich selbst zu sehr unter Druck zu setzen. Diesen Eindruck gewinnt man allerdings nicht, wenn man mit Menia Bentele spricht und sie im Sand spielen sieht. Ihre Fröhlichkeit ist ansteckend und die Lockerheit beeindruckend, die sie auch unter Druck an den Tag legt.

«NICHT DIE SPORTLICHE IN DER FAMILIE»
Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass Menia Bentele eine Spitzensportkarriere eigentlich gar nicht aktiv angestrebt hat. «Ich war nie die Sportliche in unserer Familie», erzählt sie. Während der ältere Bruder Leichtathlet und eine Zeit lang «fast schon sportsüchtig» gewesen sei, die Mutter als ehemalige Leistungssportlerin die kräftigsten Oberarme der Familie habe, der Vater besonders im Skifahren glänze, der Mann ihrer Mutter jede Woche zu joggen pflege und der jüngere Bruder ganz einfach ein schlanker, sportlicher Typ sei, habe sie es als die Mollige mit dem «Baby-Speck» beim Sport lange eher gemütlich genommen, so Bentele. Sie ging ins Kinder-Ballett und schloss sich der Zirkusschule ‹Rägeboge› im Gundeldingerquartier an, wo sie Bodenturnen lernte, Luftakrobatik, Jonglieren, Einradfahren und auf einer Kugel zu laufen, zum Beispiel. Und nach einem Abstecher ins Synchronschwimmen meinte ihre Mutter dann einmal, da sie für ihr Alter ja recht gross sei, solle sie es doch einmal mit Volleyball versuchen. Also schloss sich Menia Bentele dem KTV Riehen an, trainierte einmal pro Woche und spielte bei den Juniorinnen, auch dort vorerst ohne Ambitionen.

Dies änderte sich erst, als eine Einladung für ein Sichtungstraining im Hinblick auf das Sportgymnasium ins Haus flatterte. Auch das nahm Menia nicht wirklich ernst und staunte, als man ihr Talent bescheinigte, ihre gute Athletik lobte und ihr den Besuch des Sportgymnasiums nahelegte. Sie liess sich überreden, trainierte von da an sieben bis acht Mal pro Woche und spielte beim KTV Riehen nicht mehr nur bei den Juniorinnen, sondern auch in den Frauenteams in der 2. und 3. Liga, wo sie dann plötzlich mit ihren Juniorinnentrainerinnen auf dem Feld stand. Das belustigt sie noch heute.

ERSTES BEACHVOLLEYBALLTRAINING AUF TENERIFFA
Dann ging es schnell aufwärts. Sie wechselte zum Nationalliga-A-Verein Sm’Aesch Pfeffingen, wo sie im Erstligateam zum Einsatz kam und mit den Juniorinnen um den Schweizermeistertitel spielte. Und dann kam die Anfrage ihrer Sportklassenkollegin Xenia Frauchiger, ob sie mit ihr Beachvolleyball spielen wolle. Ihr erstes Beachvolleyballtraining überhaupt absolvierte Menia Bentele auf Teneriffa im Rahmen eines Trainingslagers der Basler Nachwuchsfördergruppe im Sommer 2017. Sie sei damals noch sehr scheu gewesen, erinnerte sich Dorothea Hebeisen, unter der Menia Bentele bis heute Beachvolleyball trainiert, an der Preisübergabe des Sportpreises. Menia habe einfach versucht, möglichst wenig Fehler zu machen. Was Menias Erfolgsrezept sei? «Sie nimmt es nicht so schwer wie andere», antwortet Dorothea Hebeisen. Und was sie noch besser machen könne? Sie habe die Tendenz, alles aufs Mal besser machen zu wollen. Sie müsse sich auf einzelne Dinge konzentrieren. Und ihre Stärke? «Sie gibt niemals auf!», so die Trainerin. Ja, das sei wahr, bestätigt Menia Bentele mit einem Lächeln. «Man hat uns schon die ‹Comeback-Queens› genannt.»

Gleich nach ihrem ersten Erlebnis im Sand war für Menia Bentele klar: Beachvolleyball war das, was sie machen wollte. Es machte ihr so richtig Spass – und die ersten Erfolge liessen auch nicht lange auf sich warten. In ihrer ersten gemeinsamen Saison wurden Menia Bentele und Xenia Frauchiger auf Anhieb Fünfte an der U17-Schweizermeisterschaft, im Jahr darauf Vierte bei den U19 und im Jahr 2019 in Baden folgte der U19-Schweizermeistertitel. 2019 hatte Menia Bentele auch ihre ersten internationalen Auftritte: Zusammen mit Anna Lutz durfte sie an die U20-Europameisterschaft in Göteborg (Schweden) und an die U22-Europameisterschaft in Antalya (Türkei) und belegte dort beide Male den neunten Platz. 

ZWEI ALLROUNDERINNEN MIT GROSSEM REPERTOIRE
Seit 2020 ist Shana Zobrist die Standardpartnerin von Menia Bentele. Shana Zobrist kommt aus Schafisheim im Kanton Aargau und ist ausbildungsbedingt in eine WG in Basel gezogen. Die beiden Spielerinnen passen vom Typ und von der Spielart her hervorragend zusammen. Beide sind vielseitig, lernwillig, haben viel Potenzial und strahlen eine grosse Fröhlichkeit und Lockerheit aus. Dass die beiden Spielerinnen fast gleich gross sind, ist relativ ungewöhnlich für ambitionierte Teams. Üblich sind Teams mit einer grossgewachsenen Angriffs- und Blockspezialistin und einer eher kleingewachsenen Abwehrspezialistin, die sich auch eher auf das Passspiel konzentriert. Dass dem bei Zobrist / Bentele nicht so ist, sieht Menia Bentele durchaus als Vorteil: «Unser Spiel ist für die anderen Teams nicht so leicht auszurechnen.» Der harte Smash ist nicht die typische Angriffsvariante von Zobrist / Bentele. Sie punkten oft mit eher langsam gespielten, aber gut platzierten Bällen in den freien Raum oder spielen ihre Angriffe so schnell, dass die Gegnerinnen mit dem Blockspiel gar nicht nachkommen. Deshalb legen die beiden Spielerinnen auch grossen Wert auf ein variantenreiches Spiel und auf hohe Präzision. Das Repertoire an Spielzügen und Schlagvarianten ist deshalb auch entsprechend gross. 

Der erste grosse gemeinsame Erfolg von Menia Bentele und Shana Zobrist war der Gewinn des U21-Schweizermeistertitels 2020. In der Saison 2021 folgten die ersten Auftritte auf der World-Tour. Gleich bei ihren ersten beiden Einstern-Turnieren in Leuwen (Belgien) und Budapest (Ungarn) gelang die Qualifikation fürs Hauptturnier. Auf der World-Tour gibt es fünf Turnierkategorien von Einstern- bis Fünfsternturnieren, wobei fünf Sterne die höchste Kategorie bezeichnen. In Genf gelang auf der höchstdotierten Schweizer Tunierserie, der auch mit internationalen Teams besetzten Coop-Beachtour, im August 2021 mit Platz 3 der erste Podestplatz.

Menia Bentele und Shana Zobrist trainieren, wie auch einige weitere Nachwuchstalente, unter der Regie von Dorothea Hebeisen, die selbst eine erfolgreiche Volleyballerin und Beachvolleyballerin war, und Athletiktrainer Erwin Sebestyen im Trainingszentrum Uptown Basel, das seine Trainingsbasis in Arlesheim hat. Menia Bentele ist auch Mitglied des Schweizer Nachwuchskaders. 

25 Jahre Sportpreis Riehen
Der Sportpreis der Gemeinde Riehen wurde im Jahr 2021 zum 25. Mal verliehen. Die Einführung eines Sportpreises, analog zum seit 1982 jährlich vergebenen Riehener Kulturpreis, geht auf eine Anregung des damaligen Einwohnerrats und langjährigen Sportfunktionärs Ernst Dänzer zurück, der dann auch während der ersten zehn Jahre Mitglied der Jury war. Der erste Sportpreis der Gemeinde Riehen, damals noch mit 5000 Franken dotiert, wurde für das Jahr 1996 verliehen und ging je zur Hälfte an den Bobsportler Daniel Giger und an die Juniorenabteilung des FC Amicitia Riehen. Die erste Preisverleihung fand am 1. Dezember 1997 im Lüschersaal der Alten Kanzlei statt.

Die zweite Preisverleihung fand dann bereits am 4. Mai 1998 statt, als die Basketballabteilung des CVJM Riehen mit dem Sportpreis für das Jahr 1997 ausgezeichnet wurde. Seither wird der Preis in der Regel im ersten Halbjahr in einer öffentlichen Feier übergeben, jeweils durch das für den Sport zuständige Gemeinderatsmitglied. Dies war zu Beginn Maria Iselin-Löffler, danach Irène Fischer-Burri und heute ist es Christine Kaufmann. Die Laudatio hält ein Mitglied der siebenköpfigen Jury. Bis auf die Laudatio auf Daniel Giger, die von Ernst Dänzer gehalten wurde, war dies bis jetzt ausnahmslos Rolf Spriessler, der der Jury als einziges Mitglied seit Beginn angehört. Aktuell ist der Sportpreis mit 10 000 Franken dotiert. 

Jurymitglieder Sportpreis Riehen
Arnim Weinhardt 1997–2006
Ernst Dänzer 1997–2006
Helmut Benthaus 1997–2006
Brigitte Demenga 1997–2006
Urs HobI 1997–2006
Marco Obrist 1997–2006
Rolf Spriessler seit 1997
Christian Klemm 2006–2009
Patrick Künzle 2006–2013
Dominik Faber seit 2006
Katrin Leumann seit 2006
Andreas Cenci seit 2006
Hedi Nyikos seit 2006
Verena Aeberli seit 2010
Nicola Müller seit 2014

Sportpreisträgerinnen und -träger 1996–2020
1996 Daniel Giger (Bobsport)  &  Juniorenabteilung des FC Amicitia
1997 Basketballabteilung des CVJM Riehen
1998 Pascal Joder (Leichtathletik, Speerwerfen)  &  Werfergruppe des TV Riehen
1999 Erste Frauen-Volleyballmannschaft des KTV Riehen
2000 Gianna Hablützel-Bürki (Degenfechten)  &  Fechtteam Riehen-Scorpions
2001 TV Riehen
2002 Nicola Müller (Leichtathletik, Speerwerfen)
2003 Rita Faber (Bogenschiessen)  &  Katrin Leumann (Mountainbike)
2004 Ines Brodmann (Orientierungslauf)  &  
Deborah Büttel (Leichtathletik, Langstreckenlauf)
2005 Lea Schwer (Beachvolleyball)  &  Tobias Messmer (Degenfechten)
2006 Mathias Lampart (Rudern)
2007 Theresia und Laszlo Földy (Tischtennis)  &  Rolf Bürgin (Bikejöring)
2008 UHC Riehen  &  Ernst Dänzer (Sportfunktionär)
2009 FC Amicitia Erste Mannschaft
2010 Katrin Leumann (Radsport)
2011 Schachgesellschaft Riehen
2012 Ines Brodmann (Orientierungslauf)
2013 Simone Werner (Leichtathletik, Langsprint)  & Silvan Wicki (Leichtathletik, Sprint)
2014 Adrian Faber (Bogenschiessen)  &  Florian Faber (Bogenschiessen)
2015 Velo-Club Riehen
2016 Basler Ruder-Club
2017 Taekwondo-Schule Riehen
2018 Bogenschützen Juventas Basel-Riehen
2019 Jugendriege TV Riehen
2020 Menia Bentele (Beachvolleyball)

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2021

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