Von der Privatsammlung zur Fondation Beyeler

Dominik Heitz

Wer denkt angesichts des vollendeten Bauwerks noch an alle Phasen seines Entstehens? Der Weg zum Beyeler-Museum war lang, und die Vorgeschichte ist es wert, festgehalten zu werden.

Der vom italienischen Stararchitekten Renzo Piano entworfene Museumsbau steht, und seit dem 21. Oktober dieses Jahres ist die Fondation Beyeler an der Baselstrasse 77 der öffentlichkeit zugänglich. Bis es soweit war, vergingen fast zehn Jahre.

Ein langer Weg

Begonnen hatte die ganze Museumsgeschichte Ende der achtziger Jahre, als das in Riehen wohnhafte Kunsthändlerehepaar Ernst und Hildy Beyeler seine über Jahrzehnte aufgebaute und 1982 in die Beyeler-Stiftung überführte Kunstsammlung erstmals öffentlich präsentierte: In Madrid konnte sie von Mai bis Juli 1989 im Centro de Arte Reina Sofia besichtigt werden. Dieses «going public» nährte schnell sorgenvolle Gerüchte, wonach die BeyelerSammlung in Madrid bleiben könnte. Als dann einzelne spanische Zeitungen solche Spekulationen gar als Tatsache verkauften, begann man sich in Basel ernsthaft Gedanken zu machen und setzte schliesslich alles daran, die Sammlung in Basel zu halten. Verschiedene mögliche Orte für eine permanente Präsentation der Sammlung wurden gesucht. Sollte ein «Beyeler-Flügel» im Kunstmuseum geschaffen werden? Könnte die Sammlung auf den «Schönenberg»-Sitz ob Frenkendorf gehen? Kämen die Räumlichkeiten der Nationalbank am St. Alban-Graben in Frage? Und wie stünde es mit einem Museumsneubau in Riehen?

 

Berowergut als Favorit

Auf eine Interpellation von Einwohnerrat Peter A. Vogt mit dem Titel «Sammlung Beyeler: Warum nicht in Riehen?» äusserte sich Gemeinderat Fritz Weissenberger im November 1989 noch mit den Worten: «Es darf festgehalten werden, dass der Gemeinderat es begrüssen würde, wenn für die Sammlung Beyeler ein sinnvoller Standort im Kanton Basel-Stadt gefunden werden könnte. Er unterstützt die diesbezüglichen Bemühungen nach seinen Kräften. Gleichzeitig ist er aber überzeugt, dass ein sinnvoller Standort in der Nähe der anderen, international bekannten Kunstinstitute des Kantons Basel-Stadt zu suchen ist... Für Basel wäre damit eine Steigerung der Attraktivität als Kunstmetropole verbunden. Riehen aber wäre mit der Unterbringung und Pflege der Sammlung Beyeler überfordert.»

Doch noch Ende desselben Jahres nahm ein favorisiertes Neubau-Projekt in Riehen mehr und mehr konkrete Formen an. Als dann allerdings im Januar 1991 publik wurde, dass sich Ernst und Hildy Beyeler tatsächlich mit der Idee trugen, auf dem Berowergut einen Museumsneu bau von Architekt Renzo Piano bauen zu lassen, wurden dem Sammlerehepaar zahlreiche neue Standorte unterbreitet, die es nochmals ernsthaft abzuklären galt. Doch nach eingehenden Gesprächen mit der Basler Regierung und der Gemeinde Riehen hatten die Stifter am 1. April 1992 entschieden: Die Sammlung sollte nach Riehen in einen Neubau auf dem Berowergut kommen. Das 1934 errichtete Herrschaftshaus «Im Byfang», das seit 1982 das Katzenmuseum beherbergte, sollte deswegen abgerissen werden.

Legislative sagt ja zum Museum

Die politische Arbeit begann. Für den Basler Grossen Rat und den Riehener Einwohnerrat wurden Vorlagen ausgearbeitet: Danach würde der Kanton zusammen mit der Gemeinde während zehn Jahren dem Museum jährlich indexierte Betriebssubventionen von 1,75 Millionen Franken zukommen lassen; davon würde die Gemeinde jährlich 179 716 Franken leisten. Im weiteren würde Riehen das Nutzungsrecht für das Berowergut unter Verzicht auf einen Mietzins von 130 000 Franken und ebenso das Baurecht für den neu zu erstellenden Museumsbau im Wert von 367000 Franken gewähren; ferner käme die Gemeinde für den gärtnerischen Unterhalt von 73 000 Franken auf. Die Gesamtleistungen von Riehen würden sich damit jährlich auf 750 000 Franken belaufen.

Als erster nahm der Einwohnerrat Riehen Stellung zur Vorlage: Er stimmte 1993 in seiner Februar-Sitzung mit 36 gegen zwei Stimmen dem Begehren deutlich zu. Einen Monat später folgte der Grosse Rat; auch er unterstützte - mit 78 gegen drei Stimmen - die Vorlage grossmehrheitlich.

Referendum gegen «einmalige Chance»

Doch die Freude hielt bei den Museumsbefürwortern nur kurze Zeit, denn in Riehen wurde erfolgreich das Referendum ergriffen: Am 30. März 1993 deponierte ein Komitee bei der Gemeindeverwaltung Unterschriften von 1126 Bürgerinnen und Bürgern, die sich aus finanziellen Gründen gegen den Museumsneubau auf dem Berowergut wandten. Die politische Arbeit begann von neuem. Ein Komitee «Riehen sagt ja!» wurde gegründet, und die Leserbriefspalten in der Riehener-Zeitung und der Basler Zeitung wurden rege genutzt - vor allem von den Referendumsgegnern: Von einem «Jahrhundertentscheid» und einem «unverständlichen Referendum» war die Rede, von einer «einmaligen Chance» und einem Museum von «Weltformat» wurde geschrieben.

Am Wochenende des 4./6. Juni 1993 kam es zur Abstimmung. Das Resultat: Bei einer Stimmbeteiligung von 67,4 Prozent sprachen sich die Riehenerinnen und Riehener mit 6042 gegen 3889 Stimmen klar für das Museum aus. In der Basler Zeitung hiess es anderntags: «Riehen hat gewonnen. Die Stiftung hat gewonnen. Basel hat gewonnen. Eine ausserordentliche Sammlung kann bleiben, wo sie in Jahrzehnten zusammengetragen worden ist.» Ernst Beyeler selber zeigte sich erfreut: «Es ist ein eindeutiges Ja, eine eindeutige Mehrheit. Also kann ich jetzt eigentlich sagen: Ich bin froh, dass es die Abstimmung gab.»

Standhaftes Katzenmuseum

Mit dem Abstimmungsresultat war die wichtigste Hürde für den Museumsbau genommen. Innerhalb eines Jahres folgten die Baubewilligung sowie die Umzonung des Berowergut-Areals in die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen. Ebenfalls genehmigt wurden die für den Bau notwendigen Bau- und Strassenlinien. Doch als es Anfang Juli 1994 endlich daran gehen konnte, das Areal für den Neubau vorzubereiten und das Herrschaftshaus «Im Byfang» abzureissen, zeigte das Katzenmuseum seine Krallen. Zwar hatte die Museumsbesitzerin Rosmarie Müller von der Gemeinde schon 1991 formell das Kündigungsschreiben erhalten mit der Begründung, das Areal solle dereinst der Beyeler-Stiftung zur Verfügung gestellt werden. Doch damit war die Sache nicht erledigt. Rosmarie Müller bat um eine Mieterstreckung, während die Gemeinde der Museumsbesitzerin zwei Liegenschaften als Ersatz anbot: das Haus Bahnhofstrasse 34 und die Liegenschaft Baselstrasse 30. Beide Angebote schlug Rosmarie Müller aus, selber fand sie indes trotz langer Suche nichts Neues. Im April 1994 lehnte das Dreiergericht das Mieterstreckungsverfahren ab und bestätigte den Ablauf des Mietvertrags auf den 30. Juni 1994. Rosmarie Müller stellte ein zweites Erstreckungsgesuch, doch auch dieses wurde abgelehnt. Am 26. Juli musste schliesslich zur Zwangsräumung geschritten werden.

Anfänglich gingen die Bauarbeiten unter der Koordination der Architekurfirma Burckhardt + Partner zügig voran: Im August 1994 konnte das l:l-Modell vorgestellt werden, und knappe zwei Monate später erfolgte die Grundsteinlegung des auf 50 Millionen Franken veranschlagten Baus. Dann kam es zu zeitlichen Verzögerungen. Eigentlich war geplant gewesen, das Museum im Frühling 1996 zu eröffnen, ungelöste Dachkonstruktionsprobleme liessen hingegen diesen Termin in die Ferne rücken. Als nächstes Eröffnungsdatum wurde grob die Internationale Kunstmesse «Art 97» im Juni bekanntgege ben; doch auch dieser Termin erwies sich als verfrüht. Ganz ausser acht gelassen wurde die «Art 97» indes nicht: In der Rundhofhalle der Messe Basel bat Ernst Beyeler während der Kunstmesse zu einer internationalen Medienorientierung, an der definitiv der 21. Oktober als Eröffnungstag der nunmehr 55 Millionen Franken teuren Fondation Beyeler genannt wurde. Inzwischen war die Kunstsammlung von Ernst und Hildy Beyeler aus dem australischen Sydney zurückgekehrt, wo sie für mehrere Wochen in der Art Gallery of New South Wales gezeigt worden war. Zuvor hatte 1993 eine ebenso vielbeachtete Präsentation der Sammlung in der Neuen Nationalgalerie von Berlin stattgefunden. Jetzt ist die Sammlung endlich an ihrem Ursprungsort zu besichtigen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1997

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