Von der Spezereihandlung zum Haushaltcenter

Sibylle Meyrat

Einblicke in die 200-jährige Firmengeschichte des Haushaltcenters Wenk.

Noch heute bietet das Haushaltcenter Wenk seinen Kunden ein aussergewöhnlich breites Warensortiment. Der Heimwerker, der eine spezielle Schraube braucht, wird ebenso fundig wie die Liebhaberin von edlen Porzellankollektionen, die Hobbygärtnerin kann zwischen einer Vielzahl von Blumentöpfen aussuchen und die Vielfalt von Küchengeräten ist kaum zu überblicken. Rund 30000 Artikel stehen in den Regalen.

Bis 1992 waren die Bereiche Haushalt, Garten und Handwerk nur eine Abteilung neben andern. Seit den 1840er-Jahren wurden hier auch Lebensmittel, Merceriewaren, Brennmaterial und Futtermittel verkauft. Bis zur Eröffnung der ersten Apotheke in Riehen 1911 gingen auch Kräutertee, Salben und Tinkturen über den Ladentisch. Ebenso Brillen, Tabakdosen, künstliche Blumen, Kleider, Schuhe, und Schindeln. Sogar mit Schiess- und Sprengpulver konnte man sich bei Wenk eindecken.

Rund zehn so genannte «Tante-Emma-Läden» gab es noch vor siebzig Jahren in Riehen. Mit dem Aufkommen der Grossverteiler - Coop (damals ACV) eröffnete seine erste Filiale 1891, Migros folgte 1945 - brach für diese Läden eine harte Zeit an. Das Familienunternehmen Wenk trotzte mit steter Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen auch dieser Herausforderung.

Seit seiner Gründung trug das Geschäft drei verschiedene Namen. Dies, weil es zwei Mal an eine Tochter weitergegeben wurde. Die Inhaber, die ihm den Namen gaben, waren jedoch allesamt Männer. Mit einer einzigen Ausnahme: Elisabeth Unholz-Gysin führte den Laden nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahr 1849 bis zu ihrem eigenen Tod im Alter von 72 Jahren. Sämtliche Inhaber konnten aber auf die tatkräftige Hilfe ihrer Ehefrauen zählen. Für die Wollwaren, Mercerie und Stoffe waren ausschliesslich Frauen verantwortlich. Auch der grösste Teil des Verkaufspersonals war und ist weiblich.

Wenn der private Detailhandel zurzeit gegen Billiganbieter aus dem nahen Ausland und gegen die sinkende Kaufkraft der Bevölkerung zu kämpfen hat, so zeigt ein Blick ins Archiv Wenk, dass auch die früheren Zeiten nicht immer rosig waren. Zum Beispiel, was die Arbeitszeiten betrifft. Heinrich Bührer, der im April 1890 eine dreijährige kaufmännische Lehre im Detailgeschäft Weber-Unholz begann und in späteren Jahren Direktor der Chemiefabrik Schweizerhalle wurde, schreibt in seinen Erinnerungen: «Um 5 Uhr 30 wurde im Sommer der Laden geöffnet und abends geschlossen, wenn keine Kunden mehr kamen; dies war aber selten vor halb zehn der Fall. Auch an gewöhnlichen Sonntagen war das Geschäft nach der Kirche bis abends halb neun Uhr geöffnet. Unsere freien Sonntage beschränkten sich somit auf Weihnachten, Ostern, Pfingsten und Bettag.»

Während der strengen Arbeitszeiten hatten die Lehrlinge ein grosses Pensum zu bewältigen. Sie wischten den Laden, putzten die Petrollampen, füllten die Schubladen mit Reis, Mehl und Bohnen nach, sägten Zuckerstöcke, holten die Petrolfässer aus dem Keller und mussten zum Teil sogar die Papiertüten für den Verkauf selber falten. Die Fahrt mit dem Zweispänner nach Basel, um Waren abzuholen und Rechnungen zu begleichen, beschreibt Heinrich Bührer als willkommene Abwechslung. Nicht zuletzt, weil dabei oft etwas Trinkgeld herausschaute.

Im zweiten Jahr wurden die Lehrlinge auch im Büro beschäftigt. Die detaillierten Rechnungen und Lieferscheine auszufüllen, war zeitraubend und aufwändig. Viel schwieriger als heute war für die Geschäftsleute bis Mitte des 19. Jahrhunderts der Umgang mit verschiedenen Währungen, Massen und Gewichten. So kompliziert, dass zur Orientierung spezielle Handbücher gedruckt wurden. Bis zur Einführung des schweizerischen Münzgesetzes im Jahr 1850 konnte mit unzähligen verschiedenen Währungen bezahlt werden. Fast jeder Kanton hatte sein eigenes Geld, ebenso das Elsass und das Markgräflerland. Auch die verschiedenen Masse für Länge und Gewicht wirken aus heutiger Sicht kompliziert. Längen wurden in Fuss und Zoll gemessen, wenn es sich um Stoff handelte hingegen in Ellen. Als Hohlmass diente der Malter à zehn Sester. Wein wurde per Saum verkauft. Erst die 1875 eingeführten metrischen Masse und Gewichte brachten hier eine Vereinfachung.

In den vergangenen 200 Jahren hat sich das Einkaufsverhalten massiv verändert. Bis weit ins 19. Jahrhundert war ein Grossteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig und produzierte die Güter des täglichen Bedarfs nach Möglichkeit selbst. Johann Jakob Unholz-Müry bestritt seinen Lebensunterhalt nicht allein mit dem Handel, sondern war daneben als Schuhmachermeister und als Landwirt tätig. Bei gutem Ertrag seiner Rebberge führte er eine Straussenwirtschaft, in der er seinen Wein ausschenkte. Diese verschiedenen Standbeine waren nötig, um übers Jahr zu kommen.

Sein Nachfolger, der von der Basler Obrigkeit zum Salzauswäger ernannt wurde, konzentrierte sich mit seiner «Salzund Spezereyhandlung» auf Lebensmittel, die nicht auf einheimischen Feldern wuchsen. Auf seinem Firmenschild posiert er als Mann von Welt. Pfeife rauchend, an ein Fass gelehnt, im Rücken das Meer. Vor ihm stapeln sich Tabakwaren, hinter ihm liegen grosse Schiffe im Hafen, die mit Gütern aus fernen Ländern beladen sind. Exotische Gewürze, Kaffee, Tee, Raucherwaren Zuckerstangen. 1841 verlegte Johann Jakob Unholz-Gysin das Geschäft in eine neu gebaute Liegenschaft an Stelle der heutigen Baselstrasse 48. Nach seinem Tod ging es an seine Frau Elisabeth UnholzGysin über, nach deren Tod 1874 an den Schwiegersohn Karl Weber-Unholz.

Dieser hatte bei seinem Vater ins Reigoldswil das Handwerk des Bäckers gelernt. Um das Geschäft seiner Schwiegermutter, in dem er selbst mitarbeitete, nicht zu konkurrenzieren, eröffnete er in der 1862 erworbenen Liegenschaft Ecke Baselstrasse/Schmiedgasse eine Bäckerei. Im Parterre befanden sich damals noch das Postbiiro und das Zollamt. Erst nachdem diese an einen anderen Ort zogen, konnte Karl Weber sein Geschäft vergrössern. Den Landwirtschaftsbetrieb verlegte er ins Haus der verstorbenen Schwiegermutter, wo er ausserdem eine Bierwirtschaft einrichtete. Zirka 1880 eröffnete er an der Ecke Lörracherstrasse/Weilstrasse eine Filiale - das erste Grenzgeschäft in Riehen.

In der vierten Generation kam das Geschäft mit Jonathan Wenk-Weber, Schwiegersohn von Katharina und Karl Weber-Unholz, zu seinem heutigen Namen. Bevor der gelernte Kaufmann den Laden 1894 übernahm, löste er den landwirtschaftlichen Betrieb auf und erweiterte das Ladenlokal zur Schmiedgasse hin. Die Tramlinie, die seit 1908 Riehen mit Basel verbindet, brachte viele neue Kunden aus der Stadt, erhöhte aber auch die Mobilität der Riehener Konsumentinnen.

In der folgenden Periode, in der Paul Wenk-Löliger, der Grossvater des heutigen Inhabers, das Geschäft führte, wuchs die Bevölkerung Riehens enorm. 1930 zählte sie rund 7000 Einwohner, 1954 waren es bereits 14000. Eine wichtige änderung, die das Geschäft stark zu spüren bekam, war die Umstellung von Kohle auf Heizöl. Zu Spitzenzeiten wurden in den Nachkriegsjahren bis zu 15 Tonnen Kohle pro Tag ausgeliefert. Auch das Heizöl war ein rentables Geschäft. «So etwas kommt nicht wieder», sagt Johannes Wenk-Madoery mit etwas Wehmut in der Stimme.

1960 traten er und sein Bruder Nikiaus Wenk die Nachfolge des Vaters an. Dieser widmete sich fortan vor allem der Pflege des Geschäfts- und Familienarchivs. Bevor er den Laden seinen Söhnen übergab, liess er die Liegenschaft 1955 abreissen und an der gleichen Stelle, um einige Meter zurückversetzt, einen Neubau errichten. 1992 folgte der bisher letzte Generationenwechsel. Die Lebensmittel- und Mercerieabteilung wurde geschlossen, an ihrer Stelle befindet sich seither eine Filiale des Damenmodegeschäfts «Modeva».

Doch wie sieht bei einer derart langen und gut dokumentierten Firmengeschichte der Blick in die Zukunft aus? Wird es eine achte Generation geben? «Wenn ich meinen neunjährigen Sohn anschaue», sagt Johannes Wenk-Balsiger, so würde es mich natürlich freuen, wenn er eines Tages das Geschäft übernähme. Aber wer kann schon sagen, wie sich das Einkaufsverhalten bis dahin entwickelt? Ich kann höchstens für die nächsten fünf Jahre Prognosen machen. Vielleicht gibt es das Einkaufen, wie wir es kennen, in zwanzig Jahren gar nicht mehr.»

Die Treue zu einem bestimmten Geschäft habe nachgelassen, ergänzt sein Vater. Den jungen Leuten sei es wichtiger, ihr Geld in die Freizeitgestaltung, in Computer und Handy zu investieren als in den Haushalt. Die Brautpaare, die zur Hochzeit mit einem kostbaren Porzellanservice, einem kompletten Pfannenset und tausend anderen Dingen für den gemeinsamen Haushalt beschenkt werden wollen, sind selten geworden. «Aber wir können zufrieden sein», sagen Vater und Sohn übereinstimmend. Sie hätten immer noch eine grosse Kundschaft, mehrheitlich treue Stammkunden, die es schätzen, wenn Beratung und Qualität stimmen.

Und wo kaufen sie selber ein? «Einkaufen tut meine Frau», sagt Johannes Wenk-Balsiger. «Sie berücksichtigt verschiedene Geschäfte, grosse und kleine. Natürlich geht sie manchmal auch zu Migros und Coop, das ist mit Kindern gar nicht anders möglich, wenn man in Riehen wohnt.» Anders Johannes Wenk: «Meine Frau und ich kaufen nur im privaten Detailhandel ein, auch wenn das mehr Zeit in Anspruch nimmt. Bis jetzt war ich ein einziges Mal in der Migros-Filiale am Webergässchen Vor der Eröffnung vor sechzig Jahren fragte mich der Besitzer, ob ich mal reinschauen möchte. Das tat ich dann auch, aber seither nie mehr. Man kann nicht über die Grossen schimpfen und sie dann doch unterstützen. Man muss konsequent sein im Leben. Vielleicht sind wir auch nur deshalb noch da, weil wir immer konsequent waren.»

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2005

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