Wald im Klimawandel – wohin führt die Reise?

Luzius Fischer und Andreas Wyss

Der Klimawandel ist eine historische Herausforderung und seine Auswirkungen sind auch im Riehener Wald deutlich spürbar. Der zukünftige Wald unserer Region wird sich durch neue Baumarten und einen anderen Aufbau von den heute gewohnten Waldbildern unterscheiden. Für die langfristige Sicherstellung der von der Bevölkerung verlangten Waldfunktionen wie Erholung, Schutz vor Naturgefahren, Trinkwasserproduktion und Biodiversität müssen langjährige Erfahrungen mit neuen Modellen verknüpft werden.

Für die Schweiz prognostizieren die Forscher bis Ende des 21. Jahrhunderts eine Erwärmung des Klimas um durchschnittlich 5 Grad; es wird wärmer und trockener. Die Schweiz wird als Alpenland vom Klimawandel besonders betroffen sein: Der Temperaturanstieg wird doppelt so hoch sein wie im weltweiten Durchschnitt. Sonneneinstrahlung und Verdunstung werden zunehmen, gleichzeitig wird das für die Bäume lebensnotwendige Wasser im Boden fehlen, was zu einem frühzeitigen Absterben führt. Unsere Buchenwälder werden deshalb etwa 500 bis 700 Meter hoch in montane Lagen wandern. In tiefen Lagen wird die Buche zunehmend durch trockenheitsangepasste und wärmebedürftige Baumarten abgelöst. Dies sind düstere Aussichten und grosse Herausforderungen. Störungen, mit denen weder unser Wald noch wir als Waldbewirtschaftende Erfahrungen haben. Den Umgang mit diesen Problemen, insbesondere mit dem schnellen Ablauf der Veränderungen, müssen wir erst noch planen und lernen.

SCHLEICHENDE VERÄNDERUNGEN WERDEN PLÖTZLICH SICHTBAR
Das Ökosystem Wald ist einem gewaltigen Stresstest ausgesetzt. Speziell in der Region Basel wird es wärmer und im Sommer trockener. Der vom Menschen verursachte Klimawandel – aufgrund erhöhter Treibhausgas-Emissionen – ist dafür verantwortlich. Die sommerliche Trockenheit dürfte in jenen Regionen am stärksten zunehmen, die bereits heute relativ trocken sind. Die Region Basel ist mit 778 Millimeter Jahresniederschlag eine der trockeneren Regionen der Schweiz. Als Folge des Klimawandels verändern sich die Wachstumsbedingungen und die Konkurrenzverhältnisse der Waldbäume. Langfristig führt das zu einer anderen Baumarten-Zusammensetzung. Nur durch eine gezielte Unterstützung dieser Anpassungen können unsere menschlichen Ansprüche an die Waldleistungen wie Erholung, Schutz vor Naturgefahren, Biodiversität oder Energieträger beziehungsweise Rohstoffträger gewährleistet werden. Denn der Klimawandel dürfte so rasch ablaufen, dass der Wald diese Leistungen ohne gezielte Massnahmen nicht mehr in gefordertem Mass zu erbringen vermag. Die Jahresmitteltemperaturen in der Schweiz sind in den vergangenen drei Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Insbesondere in Basel lag die Abweichung von der langjährigen lokalen Jahresmitteltemperatur 2019 ganze 2,9 Grad Celsius darüber – und deutlich über der weltweiten Abweichung, die 2019 genau bei 1 Grad Celsius lag (siehe Grafik 1 im Beitrag ‹Das Klima von Riehen›). Dass die Erwärmung in der Schweiz und insbesondere in der Region Basel stärker ist, hat mehrere Ursachen. Die meerferne Lage mit wenig Luftfeuchtigkeit sowie die grossen Gesteinsmassen der Alpen als Wärmespeicher sind hauptsächlich dafür verantwortlich. Dieser Effekt wird in der Region Basel im Wind- und Regenschatten zwischen Schwarzwald, Jura und Vogesen noch verstärkt. Der Temperaturanstieg sowie die Zunahme von Extremereignissen als Folge davon – beispielsweise lang anhaltende Trockenphasen im Sommer – bringen den Riehener Wald an seine Belastungsgrenzen und teilweise darüber hinaus. Bereits heute ist ein Trend zu mehr und intensiveren Hitze- und weniger Frosttagen zu beobachten. Wie sich das Klima bei uns entwickeln wird, ist nicht ganz einfach vorherzusagen. Mittels verschiedener Modelle lässt sich aber ein Trend feststellen: In einem ‹mittleren› Szenario beträgt die Erwärmung bis Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu 5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Gleichzeitig verändert sich auch die Saisonalität der Niederschläge. Im Sommer dürfte die Schweiz in den Einflussbereich der sehr trockenen mediterranen Klimazone geraten, weshalb eine Abnahme der sommerlichen Niederschläge zu erwarten ist. In der Region Nordwestschweiz und damit auch in der Gemeinde Riehen dürften die Niederschläge um bis zu einem Viertel abnehmen. Extreme Trockenperioden, wie wir sie bereits in den Jahren 2003, 2011, 2015 und 2018 erlebt haben, werden noch häufiger vorkommen. Generell werden Extremereignisse wie Stürme, Starkniederschläge mit Überschwemmungen oder lange sommerliche Hitzewellen wegen der aufgeheizten Erdatmosphäre spürbar zunehmen.

EINFLUSS AUF DAS WALDWACHSTUM UND DIE WALDBESTÄNDE
Verschiedene Faktoren wie Klima, Bodenzusammensetzung und Topografie bestimmen massgeblich, welche Baumarten und Waldgesellschaften (Gemeinschaft von Pflanzen) an einem Ort überhaupt vorkommen und gedeihen können. Mit dem Klimawandel verändern sich somit auch diese Standortfaktoren. Bis Ende dieses Jahrhunderts dürfte den Bäumen in der Vegetationszeit, wenn sie am meisten davon benötigen, weniger Wasser zur Verfügung stehen. Neben dem Rückgang der Sommerniederschläge wirkt sich auch die steigende Verdunstung im Zuge der Erwärmung negativ auf das Wachstum aus. Der Baum reagiert mit einem Schutzmechanismus, indem er kleinste Blattöffnungen, sogenannte Spaltöffnungen, an der Blattoberfläche schliesst, über die er Sauerstoff abgibt beziehungsweise CO2 aufnimmt. Er kann sich somit nicht mehr durch Photosynthese ernähren. Entweder verdurstet er also an Wassermangel oder er verhungert. Berechnungen zeigen, dass die Wasserverfügbarkeit im Riehener Wald Ende des 21. Jahrhunderts derjenigen von Wäldern in den Walliser Trockentälern heute entsprechen könnte. Das Bild des Riehener Waldes wird sich mit den Voraussetzungen für das Wachstum der Baumarten verändern. Wer verliert und wer gewinnt? Die Fichte, die in Riehen immer nur eine untergeordnete Rolle spielte, wird bald vollständig verschwinden und sich in die höheren Lagen des Juras und der Alpen zurückziehen. Die grössten Lebensraumverschiebungen werden bei der Buche erwartet, der häufigsten Baumart im Riehener Wald. Für die tieferen Lagen wird ein Klima vorausgesagt, das die Buche hier bei ungenügender Wasserversorgung zum Verschwinden bringt, insbesondere auf Böden mit steinigem Untergrund. In Riehen wird das Risiko für die Buche also deutlich zunehmen, wegen Trockenheit abzusterben. Vom Klimawandel profitieren dürfte hingegen die Traubeneiche, die in Riehen bereits seit einigen Jahren stark gefördert wird. Grundsätzlich wachsen Bäume schneller, wenn es wärmer wird – aber nur, solange genügend Wasser verfügbar ist. Sinkt dessen Verfügbarkeit, wird das Baumwachstum in den tieferen Lagen in der Schweiz zunehmend eingeschränkt. Das bedeutet, dass der Zuwachs an Holzmasse längerfristig zurückgehen dürfte. In den höheren Lagen (Voralpen) ist mit stärkerem Wachstum zu rechnen, weil die Wasserverfügbarkeit meist ausreichen dürfte. Ausgeprägte Trockenheit kann auch zum Baumtod führen. Bislang war die trockenheitsbedingte Mortalität (Absterben) in niederen Lagen bei den meisten Baumarten gering. In Zukunft ist von einer Zunahme auszugehen, weil lang anhaltende Trockenperioden deutlich öfter auftreten dürften und viele Schadorganismen, zum Beispiel der Borkenkäfer, von den steigenden Temperaturen profitieren. Wie Bäume auf steigende Temperaturen und zunehmende Sommertrockenheit reagieren, ist von Art zu Art unterschiedlich. ‹Verlierer› unter den Baumarten wachsen langsamer oder sterben ab, ‹Gewinner› profitieren aufgrund der geringeren Konkurrenz durch andere Baumarten. Die Konkurrenzverhältnisse verschieben sich, was langfristig die Baumartenzusammensetzung verändert. Die Buche zeigt bereits heute ein rückläufiges Wachstum. Andere, trockenheitstolerante Arten wie zum Beispiel die Eiche werden sich in Zukunft besser durchsetzen können.

Störungen beschleunigen die Veränderung
Der Klimawandel beeinflusst auch Störungen im Wald wie Waldbrände, Stürme oder die Massenverbreitung von Schädlingen. Das Risiko steigt, durch ein solches Ereignis betroffen zu werden. Diese Veränderungen werden meistens als Kombination von klimabedingter Trockenheit, die Stress für den Waldbaum bedeutet, und Folgeschäden sichtbar. Die häufigsten Folgeschäden neben dem trockenheitsbedingten Absterben sind im Riehener Wald Pilzschäden wie Rindennekrose, Russrindenkrankheit oder Borkenkäferbefall. Borkenkäfer wie der Buchdrucker oder der Kupferstecher haben im Riehener Wald allerdings aufgrund des kleinen Fichtenanteils nur eine geringe Bedeutung.

ZWANGSNUTZUNGEN BESTIMMEN DEN FORSTLICHEN ALLTAG IN RIEHEN
Die Bewirtschaftung von Wäldern erfolgt langfristig und wird mit Waldentwicklungs- und Betriebsplänen gesteuert. Planungszeiträume von bis zu 15 Jahren sind in der Forstwirtschaft normal. In Gesetzen, Verordnungen und Plänen werden Holzvorrat, Zuwachs, Betriebsart, die jährliche Nutzungsmenge (Hiebsatz) sowie die Naturnähe der Wälder beschrieben und verbindlich festgelegt. Die Auswirkungen des Klimawandels haben heute schon einen grossen Einfluss auf diese Planungen und die täglichen Arbeiten im Wald. Sie beeinflussen auch die langfristigen, auf Nachhaltigkeit und stabile Walderhaltung ausgerichteten Absichten. Die vielen Zwangsnutzungen von abgestorbenen Bäumen, vor allem in stark besuchten Erholungswäldern wie in Riehen, wo grosse Sicherheitsanforderungen bestehen, verursachen hohe Kosten und erschweren die Arbeitsplanung und Budgetierung der Massnahmen. Es braucht ausserdem zusätzliche Baumkontrollen und die Bevölkerung muss immer wieder in unterschiedlicher Form auf ihre Eigenverantwortung bei Waldbesuchen hingewiesen werden. In den vergangenen Jahren mussten im Riehener Wald entlang von Waldstrassen, bei Erholungseinrichtungen und den Infrastrukturanlagen für die Grundwasseranreicherung der Industriellen Werke Basel (IWB) aus Sicherheitsgründen Hunderte Kubikmeter Holz unplanmässig entfernt werden. Dabei ist das Fällen von abgestorbenen Bäumen gefährlicher und viel aufwendiger als das Fällen von gesunden Bäumen. Vertrocknetes Holz ist für die Verarbeitung minderwertig und kann nur als Industrie- oder Energieholz verkauft werden.

EICHENFÖRDERUNG IM RIEHENER WALD
Zur Risikominimierung wird eine möglichst grosse Vielfalt an trockenheitsresistenten Baumarten angestrebt. Traubeneiche und Stieleiche gehören zur natürlichen Baumartenzusammensetzung des Riehener Waldes. Die Traubeneiche bevorzugt wärmere und trockenere Lagen, sie braucht auch weniger Feuchtigkeit und Nährstoffe als die Stieleiche. Die trockenheitstolerante Traubeneiche gilt deshalb als eine der Nutzniesserinnen des Klimawandels. Heute beträgt der Eichenanteil am Vorrat (stehende Holzmenge) im Riehener Wald knapp 15 Prozent. Dieser Anteil soll wegen der Veränderungen durch den Klimawandel erhöht werden. Bis 2034 soll die Eiche einen Anteil von mehr als 20 Prozent am Vorrat einnehmen. Neben der guten klimatischen Anpassungsfähigkeit hat die Eiche auch ökologische Vorteile. Viele einheimische Tier- und Insektenarten sind von diesen Baumarten abhängig. Da im Riehener Wald geeignete Samenbäume meistens fehlen, kann die Eiche nur mit künstlicher Verjüngung (gepflanzte Bäume) und in einer eingezäunten Kultur langfristig und wirtschaftlich vertretbar gefördert werden. In den vergangenen Jahren wurden daher auf einer Fläche von rund 10 Hektaren ungefähr 32 000 junge Eichen gepflanzt. Die Neuanlage einer Kultur von der Grösse einer Hektare kann den Waldeigentümer, die Waldeigentümerin mehr als 35 000 Franken kosten. Eichen brauchen viel Licht und Wärme und eine intensive Pflege in der Jugend. Ohne Wildschutzmassnahmen (Zaun, Einzelschutz) würde die nur langsam wachsende Eiche in den ersten fünf bis sieben Wachstumsjahren vom Rehwild verbissen und ausfallen. Zudem wird auf den gut wüchsigen Waldböden in Riehen die Eiche aufgrund ihrer Lichtbedürftigkeit und ihres langsameren Wachstums von der schattenertragenden Buche stark konkurrenziert. Ohne regelmässige Kultur- und Jungwaldpflege fällt die Eiche aufgrund des Lichtmangels aus. Die gepflanzten Bäume müssen deshalb regelmässig vor der Konkurrenzvegetation (andere Baumarten, Brombeeren) geschützt werden. Die kostenintensiven Pflegemassnahmen für die Erhaltung der Eiche werden vom Bund, dem Kanton Basel-Stadt und den Gemeinden Riehen und Bettingen mit Beiträgen unterstützt.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2020

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