Waldnutzung im Wandel


Arlette Schnyder


Waldordnungen gab es in Basel schon im 17. Jahrhundert. Ging es zunächst noch 
um die Sicherung des Brenn- und Bauholzbedarfs, erhielt der Wald in den 
1970er-Jahren die Funktion eines Erholungsraums. Das Privatarchiv von Johannes Wenk-Madoery gibt Einblick in den Wandel der Nutzung von Waldbesitz 
in Riehen.


Stolz steht das Mädchen neben der Eiche. In seiner Familie wusste man: Auch wenn sich dieser Baum weder auf Riehener Boden noch im privaten Wald der Familie befand – mit 31 Metern Höhe und einem Stamm, der noch einen Meter über dem Boden einen Umfang von 5,4 Meter hatte, war ein Bild dieses Baumriesen von historischem Wert. Die 13-jährige Tochter stand Modell, Vater Paul Wenk-Löliger entwickelte das Foto, klebte es auf ein Blatt und hielt darunter akkurat mit Schreibmaschine die genauen Masse des Baumes für sein Archiv fest. Das Verständnis für den Wert eines solchen Bildes hatte der passionierte Familien- und Heimatforscher nicht zuletzt deshalb, weil er selbst alte Waldbestände besass. Sein Sohn Johannes Wenk-Madoery setzte das Privatarchiv fort, auf dem dieser Text aufbaut.


Von Baumriesen und früher Waldnutzung

Heute sind die ältesten Bäume im Kanton rund 200 Jahre alt. Die gewaltige Eiche in den Langen Erlen fiel 1967. Wer mochte sie gepflanzt haben? – In frühen Waldordnungen war das Pflanzen von sogenannten ‹Eichsprüngen›, Schösslingen von Eichen, klar geregelt. So hiess es in der Basler Waldordnung von 1758: «Es sollen auch nach bisheriger Ordnung und Übung ein jeder Burger und Eingesessener aller Gemeinden alljährlichen zwey schöne gerade und gesunde Eichsprüng […] setzen».1 Das Gesetz, das auch Neuvermählte und Neubürger in die Pflicht nahm, zeigt, dass der Waldbestand für ein Gemeinwesen existenziell war. Nicht nur als Brenn- und Bauholz, auch für Küfer und Winzer, für Gerber und Schreiner, für Schindelmacher und Wagner war Holz unentbehrlich. Den Erlass der oben zitierten Waldordnung begründeten der Kleine und der Grosse Rat der Stadt Basel «in Erwegung des zu unserem besonderen Missfallen auf unserer Landschafft seit geraumer Zeit sich äussernden höchst schädlichen Missbrauchs des Bau- und Brennholzes, wodurch die Waldungen in mercklichen Zerfall gerathen».2 Um den dadurch entstandenen akuten Holzmangel zu beheben, mussten die Gesetze der Jahre 1667 und 1697, die gänzlich missachten worden seien, erneuert werden.


Die Verordnungen waren streng: Zwischen Fasnacht und Simonis-Judä Ende Oktober durfte kein Holz geschlagen werden, Bäume durften nur nach Bewilligung und Anzeichnung durch die Beamten gefällt und mussten immer ersetzt werden, Haushaltungen durften keine offenen Herdstätten, sondern nur noch sogenannte «Kunstöfelein» verwenden, die mit weniger Holz auskamen. Junger Wald musste mit Gräben oder Hecken – und keinesfalls mit Holzzäunen – vor eindringenden Tieren geschützt werden und Vieh durfte nicht auf Waldgrundstücken weiden. Das Bauholz war für die verschiedenen Handwerker kontingentiert, Stangen für Baugerüste sollten in jeder Gemeinde wiederverwendet, die Häuser nach Möglichkeit aus Stein gebaut und entlang Bächen und Weihern möglichst viele Weiden und Erlen gepflanzt werden. Auf Holzfrevel oder andere Übertretungen des Gesetzes standen harte Strafen.3 Diese Ordnung von 1758 wurde leicht überarbeitet und 1781 erneut erlassen.4 Dass sich die Menschen oft nicht an diese Vorschriften hielten, machen unzählige Dokumente zu Holzfrevel und Klagen über Frassschäden in jungen Waldungen deutlich. Bereits im Januar 1783 wurde die revidierte Waldordnung erneut ergänzt und von da an immer nach Ostern in allen Gemeinden öffentlich verlesen.5 


Veränderte Bedürfnisse im Spiegel privaten Waldbesitzes

Holz war in der Schweiz bis in die Nachkriegszeit des letzten Jahrhunderts einer der wichtigsten Rohstoffe. Erst in den 1970er-Jahren wurde der Wald vermehrt als Erholungsraum und als Regulator eines natürlichen Gleichgewichts verstanden.6 Wie die Gesetze aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigen, können in Basel schon früh Vorläufer einer geregelten Forstwirtschaft festgestellt werden.Die Anleitungen zum Umgang mit dem Wald verweisen auf das wachsende Bewusstsein, dass dieser nur bei einer reglementierten Nutzung den Bedarf an Brenn- und Bauholz decken kann. Mit der Gründung des Bundesstaats wurde 1876 das erste Bundesgesetz der Forstpolizei erlassen, das jedoch zunächst vor allem die Nutzung im Hochgebirge regelte. Mit der Streichung dieser Einschränkung wurden die Bundesvorschriften 1897 auf die ganze Schweiz ausgedehnt und 1902 im neuen Forstpolizeigesetz festgelegt.


Besonders in Zeiten der Rohstoffknappheit wurde die Nutzung des einheimischen Waldes intensiviert. So nahm die Bedeutung von Waldbesitz in der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu – 
hatte man doch keinen Zugang mehr zu den vor allem aus der deutschen Nachbarschaft gelieferten Brennstoffen Holz und Kohle. Gestützt auf den Bundesratsbeschluss über die Holzversorgung vom 5. März 1940 verordnete das Basler Departement des Innern am 13. Oktober 1941, dass sämtliche Waldbesitzer zu einem Holzschlag in der Höhe des doppelten durchschnittlichen jährlichen Hiebsatzes verpflichtet seien. Zudem konnte in Privatwaldungen wie bisher freiwillig Holz schlagen, wer zuvor termingerecht eine Bewilligung angefordert hatte. In Riehen reagierte das Familienunternehmen Wenk-Löliger auf die veränderten Verhältnisse. Das Geschäft im Dorfzentrum handelte 1937 unter anderem mit Kolonialwaren, Zigarren und Tabak, Merceriewaren, Haushaltartikeln, Eisenwaren, Feld- und Gartengeräten, Kohlen, Koks und Briketts.8 Um den Bedarf an Brennholz während der Kriegszeit decken zu können, beschäftigte Paul Wenk-Löliger im Kriegswinter 1941 die sonst für ihn Kohle führenden Männer in seinem Wald. Da das Holz aus dem eigenen Wald aber nicht ausreichte, kaufte er weiteres dazu, unter anderem an der Holzgant der Gemeinde Riehen: Dort erwarb er im Jahr 1941 16 Ster Holz für 428 Franken. Insgesamt hatte das Unternehmen jeweils rund 200 bis 300 Ster Holz auf Lager.9


Die Nutzung des Waldes wurde mit dem revidierten Forstgesetz von 1966 neu geregelt. Die Holznutzungen in Privatwäldern wurden strenger überprüft und Waldarbeiten mussten auch im Privatwald fachmännisch durchgeführt werden – vernachlässigte jemand seinen Wald, führte das Kantonsforstamt die notwendigen Arbeiten durch und stellte sie in Rechnung.10 Für die privaten Waldbesitzer machte nicht nur die zunehmende Reglementierung, sondern auch das Aufkommen des günstigen Brennstoffs Öl den Waldbesitz zunehmend unrentabel. Um 1970 konnten die Rüst- und Transportkosten durch den Holzerlös kaum mehr gedeckt werden. So brachte ein Ster Eiche als Brennholz 25 Franken ein, genauso viel, wie die anfallenden Kosten betrugen. Der Verkaufspreis für einen Kubikmeter Eiche als Sägeholz von 
40 Zentimetern Durchmesser betrug 200 Franken und die Rüst- und Transportkosten beliefen sich auf 20 Franken, sodass immerhin ein Gewinn von 180 Franken gemacht werden konnte.11 Das Forstgesetz von 1966 schrieb zudem fest, dass alle Waldparzellen an einen befahrbaren Weg stossen und die Mindestgrösse von 18 Aren aufweisen müssten. Diesen Bestimmungen entsprachen die Verhältnisse in Riehen und Bettingen nicht. In die 308 Hektaren Wald der beiden Gemeinden teilten sich 259 Eigentümer mit 834 Parzellen, 352 waren grösser als 18 Aren, 482 jedoch kleiner und 188 sogar kleiner als 10 Aren.12 Das machte die Pflege des Waldes schwierig, denn nur ein Bruchteil der Parzellen lag an einem Waldweg. Musste ein Waldeigentümer Holz transportieren, richtete er Schleifschäden in fremdem Wald an. Eine Waldzusammenlegung, das heisst, eine Umverteilung der vereinzelten Grundstücke zu grösseren Flächen, sollte diesem Übel Abhilfe leisten. Im Antrag zur Einleitung der Waldzusammenlegung in Bettingen und Riehen schrieb das Vermessungsamt Basel-Stadt im Oktober 1970, das mangelhafte Wegnetz sei ein Grund, dass der Wald schlecht gepflegt und der Baumbestand überaltert sei. «Dazu kommt, dass viele Waldbesitzer auf den Ertrag ihres Waldes nicht angewiesen sind und ihn deshalb vernachlässigen.»13 Nun sollte der zumeist alte Baumbestand, in dem Buchen vorherrschten, durch Verjüngung und neue Baumsorten aufgefrischt werden. Ziel war es, Linden, Eichen, Eschen, Kirschbäume, Ahorne, Hagebuchen und andere Laubhölzer nachzuziehen. Zudem sollten gezielt auch Nadelhölzer angepflanzt werden. Damit hoffte man, das geschlossene Kronendach, das den Buchenwald charakterisiert, durchbrechen zu können und so den Waldboden des Laubmischwaldes durch direkte und indirekte Lichtquellen zu beleben.


Umverteilung des Waldes

Am 18. Februar 1972 hatte die «Grossratskommission betreffend Gewährung eines Staatsbeitrages an die Waldzusammenlegung Bettingen und Riehen» einen langen Sitzungsmorgen vor sich. Zur Aussprache eingeladen war unter anderen auch Johannes Wenk-Madoery, privater Waldbesitzer aus Riehen. Dieser hatte sich gut vorbereitet und seine Gedanken auf vier maschinengeschriebenen Seiten festgehalten. Falls sich die Kommission bis dahin wenig mit dem Riehener Wald beschäftigt haben sollte, war sie nun im Bild: Der geschichtliche Abriss führte von Waldverordnungen aus dem 18. über Holzfrevel im 19. bis hin zu Debatten um Waldwege und Naturschutz im 20. Jahrhundert. Johannes Wenk-Madoery schloss mit den Worten: «Nie hatte ich den Wald als ein Geschäft betrachtet, sondern aus Liebe zur Natur und Heimat. Sind doch mehrere Parzellen schon über 200–300 Jahre in der Familie […]. Meine erste Parzelle kaufte ich als 21-Jähriger von meinem ersparten Welschlandlohn. Nun sind es über 20 Jahre her, dass ich den Wald pflege und hege, das heisst, den aussterbenden Baumarten und Waldblumen den nötigen Lebensraum gebe. Nun müssen wir in die Zukunft schauen, dass sich unsere Nachkommen auch noch an einem schönen und gesunden Wald erfreuen können.»14 Wenks Worte hatten Gewicht, war er doch der bedeutendste private Waldbesitzer Riehens und ein kritischer Befürworter der Zusammenlegung. Zudem kannte er seinen Wald gut: Er hatte zusammen mit dem Gemeindeförster Walter Schmid seine Parzellen durchforstet, darauf geachtet, dass Eiche, Tanne, Lärche und Buche darin gleichermassen vertreten sind, hatte Waldkäufe getätigt und seine Grundstücke arrondiert.15


Die Waldzusammenlegung fand 1974 statt. Die privaten Waldbesitzer konnten gewünschte Parzellen angeben, die bei der Verteilung nach Möglichkeit berücksichtigt wurden. Wenk erhielt drei Parzellen; eine am Britzigerberg, eine am Nollenbrunnen und eine im Haid.


Zeitzeichen

Die kleine Riehener Waldgeschichte aus dem Privatarchiv von Johannes Wenk-Madoery zeigt drei Dinge besonders deutlich: Erstens gibt es in Basel schon seit dem 17. Jahrhundert Gesetzgebungen, die eine reglementierte Anpflanzung in die Holzproduktion einbeziehen und schädliche Waldnutzungen verbieten. Das sind keine Erfindungen der Moderne. 


Zweitens scheint es, dass erst, als Holz nicht mehr der Energieträger Nummer eins war, die Idee entstehen konnte, den Wald zum Erholungsraum zu deklarieren. In ihrer Einleitung zur Waldzusammenlegung schreibt die zuständige Grossratskommission 1974: «Der Wald muss die von ihm verlangten Wohlfahrtsfunktionen dauernd erbringen können. Dazu ist er aber nur in der Lage, wenn an seinem Aufbau alle Altersphasen und verschiedene Baumarten beteiligt sind.»16 Der Wald hat also eine «Wohlfahrtsfunktion», er soll uns frische Luft und Erholung bescheren, uns Spiel- und Freiraum gewähren. Diese ‹Aufgabe› kommt dem Wald erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu und ist ein Zeichen des Wohlstands. Wie sehr dies dem Wandel unterworfen ist, zeigt die zurzeit wieder intensivierte Waldnutzung im Zusammenhang mit neuen Technologien der Wärmeproduktion.17


Zum Dritten lässt sich anhand solcher Waldgeschichten aufzeigen, dass das Reden über Wald und Bäume immer weit in die Vergangenheit und/oder in die Zukunft reicht. Im Frühjahr 2012 fiel eine 200 Jahre alte Eiche beim Nollenbrunnen/Zwischenbergen, einer Waldung im Familienbesitz, dem Sturm ‹Joachim› zum Opfer. Die Vorstellung, dass dieser Baum um 1810 möglicherweise von einem Vorfahren als Eichschössling gesetzt worden ist, nährt ein enormes Geschichtsbewusstsein. So ist es naheliegend, dass Johannes Wenk-Madoery die Grossratskommission zur Waldzusammenlegung daran erinnerte, «dass das, was wir heute im Wald tun, erst unsere Nachkommen in 50 bis 100 Jahren ernten».18
 

1 Waldordnung, Actum & Decretum in Unserer Grossen Raths-Versammlung den 13ten Tag Merzens im Jahr 1758, S. 7, Privatarchiv
Johannes Wenk-Madoery, Riehen (PAWM).
2 Ebenda, S. 1.
Ebenda, S. 2ff.
4 Vgl. Erneuerte Waldordnung, also in beyden Räthen erkannt den 3. Mayens 1781, PAWM.
5 Anhang zur Waldordnung von 1781, also erkannt von Unseren Gnädigen Herren beyden Räthen den 22ten Jänners 1783, PAWM.
Vgl. Urs Amstutz: Die Waldpolitik des Bundes und ihre Auswirkungen auf die schweizerische Waldwirtschaft, in: Forum für Wissen 2004,
S. 99–102, www.wsl.ch/dienstleistungen/publikationen/pdf/6215.pdf, Zugriff: 2.7.2012.
7 Vgl. Anton Schuler: Forstwirtschaft, in: Historisches Lexikon der Schweiz, Internet-Ausgabe, www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D13802.php, Zugriff: 2.7.2012.
8 Vgl. Paul Wenk-Löliger: Kurzer Rückblick auf die Entstehung und Entwicklung der Firma, Riehen 1937, PAWM.
Gespräch mit Johannes Wenk-Madoery, Riehen, 12.6.2012.
10 Vgl. Kantonales Forstgesetz, 28. Januar 1966,
S. 3, PAWM.
11 Vgl. Bericht der Grossratskommission zum Ratschlag Nr. 6842 betreffend Gewährung eines Staatsbeitrages an die Waldzusammenlegung Bettingen/Riehen. Dem Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt vorgelegt am 30. Januar 1974,
S. 10, PAWM.
12 Vgl. ebenda, S. 16.
13 Vermessungsamt Basel-Stadt: Antrag auf Einleitungsbeschluss des Regierungsrates Basel-Stadt für eine Waldzusammenlegung der Gemeinden Bettingen und Riehen, Oktober 1970, PAWM.
14 Protokoll der 5. Sitzung der Grossratskommission betreffend Gewährung eines Staatsbeitrages an die Waldzusammenlegung Bettingen/Riehen (Ratschlag Nr. 6842), Freitag, den 18. Februar 1972, PAWM.
15 Vgl. Johannes Wenk-Madoery: Gedanken zur Waldzusammenlegung, Anhang zum Protokoll der 5. Sitzung der Grossratskommission vom 18. Februar 1972, PAWM.
16 Bericht der Grossratskommission zum Ratschlag Nr. 6842, 30. Januar 1974, S. 11.
17 Vgl. den Beitrag von Milena Conzetti in diesem Jahrbuch.
18 Protokoll der 5. Sitzung der Grossratskommission, 18. Februar 1972.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2012

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