Wolfgang Wenk zum Gedenken
Gustaf Adolf Wanner
Fassungslos stand die ganze Bevölkerung von Riehen der erschütternden Botschaft gegenüber, die am 10. Oktober des letzten Jahres das Dorf durcheilte, alt Gemeindepräsident Wolfgang Wenk-Kuhn habe im Monte Rosa-Gebiet den Fliegertod gefunden. Dass ihm der Wunsch, einem amerikanischen Freund die Schönheit der geliebten Bergwelt aus dem äther zu zeigen und damit ein unverlierbares Erlebnis zu schenken, zum tragischen Verhängnis werden musste, bewegte jedermann aufs tiefste.
Wolfgang Wenk kam am 10. September 1906 zur Welt als Spross einer Familie, die mit seinem direkten Ahnen Philipp Wenckh, dem Hufschmied von Homburg, schon 1608 das Riehemer Bürgerrecht erlangt hatte und stets das besondere Vertrauen ihrer Mitbürger genoss. Bereits unter der Herrschaft der «Gnädigen Herren» in der Stadt dienten ihnen Wolfgang Wenks Vorfahren als Weibel, Bannbrüder, Mitglieder des Gescheids, Geschworene, Kirchmeier und Untervögte. Während ganzen 29 Jahren bekleidete dann sein Vater Otto Wenk-Faber die höchsten Würden, welche das Dorf zu vergeben hatte, das Präsidium des Gemeinderates und des Bürgerrates, und ein volles Vierteljahrhundert lagen diese ämter hernach in den sicheren Händen seines ältesten Sohnes.
Wolfgang Wenks beruflicher Weg war klar vorgezeichnet: Nach dem Besuch der Primarschule in Riehen sowie der Untern und Obern Realschule in Basel, des heutigen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Gymnasiums, durchlief er ein Praktikum im väterlichen Architekturbureau und Baugeschäft und bildete sich hierauf in den Jahren 1928— 1932 in Berlin und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris zum Architekten aus. Die Erkrankung des Vaters bedingte seinen frühzeitigen Eintritt in dessen Firma Burckhardt Wenk & Cie. im schönen Berri-Haus an der Malzgasse in Basel. 1934 wurde ihm die Prokura verliehen, und nach dem Tod des Vaters im Jahre 1935 wurde er unbeschränkt haftender Teilhaber des seit 1951 als Wenk & Cie. firmierenden Baugeschäfts, das er seither zusammen mit seinem Bruder Siegfried leitete. Als ausserordentlich tüchtiger, mit hervorragendem technischem und handwerklichem Können begabter Fachmann schenkte er der Firma fast vier Jahrzehnte lang seine grosse Kraft und Energie wie seinen Reichtum an Ideen und war so massgeblich beteiligt an der glücklichen Lösung zahlreicher bedeutender öffentlicher, industrieller und privater Bauaufgaben, u. a. beim Geigy-Hochhaus an der Schwarzwaldallee, beim Landgasthof und Gemeindehaus in Riehen, beim Neubau des «Storchen» und vielen Einfamilienhäusern.
Kurz nach dem Hinschied des Vaters erfolgte der Eintritt Wolfgang Wenks in die Riehemer Dorfregierung. Ohne dass er zuvor Mitglied des Dorfparlaments gewesen wäre, gelangte er 1936 in einer Kampfwahl, bei der man ihm, wie er selbst oft erzählte, keine Chancen gegeben hatte, überraschend in den Gemeinderat und in den Bürgerrat, und 1945 übertrugen ihm die Riehemer, wiederum in einer Kampfwahl, als Nachfolger von Primarlehrer Eugen Seiler das Gemeindepräsidium und das Präsidium des Bürgerrates. 25 Jahre lang, bis zu seinem Eintritt in den «politischen Ruhestand» im Frühling 1970, bestimmte er so an vorderster Stelle die grosse und stürmische Entwicklung Riehens entscheidend mit, vor allem in den beiden letzten Dezennien, wo sich mit der raschen Zunahme der Einwohnerschaft und dem entsprechenden Anstieg der Bautätigkeit das Tempo dieser Entwicklung unaufhaltsam steigerte. 7640 Einwohner zählte das Dorf anno 1945, als Wolfgang Wenk an die Spitze des Gemeinderates trat, weit mehr denn 20 000, als er das Präsidium niederlegte. Dass Riehen, das schon zweimal Stadt sein könnte, dennoch in seinem Kern das Dorf geblieben ist, das es seit Jahrhunderten war, ist wesentlich das Verdienst Wolfgang Wenks, der unablässig und konsequent darauf bedacht war, die wichtigsten Parzellen und historischen Bauten für die Gemeinde zu sichern und damit die charaktervolle Dorfmitte vor der Entstellung durch unerwünschte moderne Eingriffe zu bewahren. Er hat so, wie sein Nachfolger im Gemeindepräsidium an seinem Grab sagte, Riehen das Schicksal anderer Gemeinwesen im Einzugsbereich von Großstädten, welche in die Anonymität abzusinken drohen, erspart.
Von 1949 bis 1968 vertrat Wolfgang Wenk Riehens Interessen mit Nachdruck auch im kantonalen Parlament und seit 1960 ebenso im Verfassungsrat. Seiner Couleur nach Liberaler, war er indessen, namentlich im Gemeindepräsidium, ernsthaft bemüht, über den Parteien zu stehen. So kam er, wie er es bei seinem Abschied aus der Politik selbst bezeugte, in den 34 Jahren seiner Mitarbeit im Gemeinderat, in der er nur Schönes erlebt habe, ohne jeden ernsthaften Streit über die Runden.
Seinen Militärdienst schloss Wolfgang Wenk gleich seinem Vater als Geniemajor ab, nachdem er den Aktivdienst als Kommandant der Pont Kp III/2 absolviert hatte und in der Folge zum Geniechef der Réduit Brigade 21 aufgerückt war. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte er mehrere Jahre lang auch den Basler Genie-Verein präsidiert.
Schwer fällt es uns, von dem begeisterten Flieger zu sprechen, der, schon zu Beginn der 1930er Jahre Mitglied des Verwaltungsrates der Aviatik beider Basel, 1935 bei Direktor Charles Koepke die damalige Fliegerschule auf dem alten Sternenfeld durchmachte und am 21. Februar 1936 das Fliegerbrevet Nr. 684 errang; dazu erwarb er in den 1950er Jahren noch die seltenen, beschränkten Führerausweise für Berufspiloten und Bordtelephonisten. Mit seiner prächtigen, fast wie ein Verkehrsflugzeug ausgerüsteten Maschine überflog er ganz Europa, und vor allem traversierte er immer wieder die Alpenwelt. Fliegen bildete für Wolfgang Wenk eine Art Erfüllung. So war er eigentlich prädestiniert für das Präsidium der Sektion Basel des Aero-Clubs der Schweiz, das er von 1948 bis 1953 mit Auszeichnung bekleidete, für die Mitarbeit und das Vizepräsidium im schweizerischen Direktionskomitee des Clubs in den Jahren 1950—1962 und für die Mitwirkung im Verwaltungsrat der Baiair AG, zu deren Gründern er zählte. Seine Liebe zum Flugsport wuchs nicht zuletzt heraus aus der Freude an technischen Dingen, die er zeitlebens bewahrte. Sein Dorado blieb die Werkstätte im selbsterbauten Haus an der Wettsteinstrasse. das seine Lebensgefährtin zum prächtigen Heim zu gestalten verstand.
Verehrung, Dankbarkeit und Liebe begleiten die Erinnerung an Wolfgang Wenk, den unvergesslichen Menschen und treuen Freund, der in seiner liebenswerten Bescheidenheit so grosses geleistet und für viele viel gewesen ist. Sein Name wird in Riehen stets in hohen Ehren gehalten werden.