Zentrum kirchlichen Lebens

Theophil Schubert

Wer heute den Meierhof sieht, freut sich seiner schönen Form. Ist er eine Konkurrenz zu unserer alten Martinskirche? Sicher nicht. Wir haben ihn nötig. Um das zu verstehen, blicken wir kurz in das Leben der Gemeinde.

Als der christliche Glaube zu uns kam, waren seine Bekenner eine Minderheit. An wichtigen Punkten wurden Kirchen erbaut. Hier wurde das Evangelium gepredigt, Gottesdienst gehalten, gebetet. Die Kirche war der Sammelpunkt der Gemeinde. Die Ortsgemeinde mit ihrem Pfarrer hatte ihren Mittelpunkt. Diese Grundform hat etwa tausend Jahre gedauert. Die Gestalt der Gesellschaft hat sich gewandelt. Die Kirche ist geblieben. Immerhin hat auch die Ortsgemeinde den Wandel im Laufe der Zeit mitgemacht. Heute zeigt sich, dass der Gottesdienst vielen nicht genügt. Unser Dorf hat sich geweitet. Der Kirchgang ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Kirche steht geographisch noch mitten im Dorf, aber nicht erlebnismässig. Das Bedürfnis nach Aussprache, nach Information über Fragen des Glaubens ist da. Viele Probleme sind nicht in einmaligem Anlauf zu lösen, sondern erfordern beharrliches Bemühen. Vor allem aber kann man voneinander lernen. Das führt Menschen verschiedenster Auffassung und Herkunft zusammen, fügt sie in Gruppen.

Ein Beispiel: Man wird älter. älter werden bedeutet für viele: einsamer werden, aus seiner gewohnten Welt herausmüssen, umziehen in ein Heim. Man kann abends nicht mehr ausgehen und wird am Morgen liegen bleiben. Radiopredigt, das Fernsehen, die Telebibel bieten Ersatz, aber die Gemeinschaft vermisst man. Hier kann geholfen werden. Unsere Altersnachmittage, der Mittagsclub bieten Möglichkeiten der Geselligkeit. Dieses Bedürfnis nach Gemeinschaft kennen Menschen jeglichen Alters. Die Gruppe gibt ihnen das Gefühl der Geborgenheit, des Angenommenseins, des Sich-Verstehens und auch der nötigen Auseinandersetzung und damit Anregung. Wer den Weg in eine Gruppe gefunden hat, erlebt immer wieder die freie, offene menschliche Begegnung.

Damit vollzieht sich für uns, was Jesus gesagt hat: «Geht hinaus auf die Strassen und Gassen der Stadt und führet sie herein.» Im Meierhof sollen die verschiedensten Gruppen, Dienste und Arbeitszweige den Ort der Sammlung finden und an ihm ihr Profil gewinnen, die Fähigkeit, als Christen in ihren Berufen zu leben. Dazu kommt die Aufgabe, Menschen Heimatrecht und Geborgenheit anzubieten. Ein Raumangebot hat nur Sinn, wenn Menschen da sind, die bereit sind, etwas von ihrer Zeit, ihren Gaben, ihren Kräften zu investieren, die bereit sind, nicht nur zu empfangen, sondern zu geben.

Dass das alles nicht Theorie ist, beweisen schon bestehende Gruppen. Für sie sind verschiedene Räume vorhanden. Für die Jugendlichen ist das Unterrichtszimmer, das einen Arbeitsstil erlaubt, bei dem nicht nur intellektuell gearbeitet wird, sondern auch das Gefühl zu seinem Recht kommt. Sehr oft kann man schwierige Probleme — vor allem persönliche — nur in einer gelockerten Atmosphäre besprechen. Sie ergibt sich, wenn man miteinander um einen Tisch sitzt, isst und trinkt. Die Küche schafft das Nötige herbei, die Tischgemeinschaft das Vertrauen. Dieser Raum wird auch von anderen Gruppen benützt werden: Sonntagsschule, Sitzungen, aber auch Familienfeste sind hier möglich.

Das Foyer empfängt die Besucher. Ein Cheminée lädt zum Verweilen ein.

Eine Treppe führt in den quadratischen, grossen schönen Zehntenkeller hinab. Eine alte Balkendecke, schöne, unregelmässige Bruchsteine sind sein Schmuck, besonders aber eine Steinhauerarbeit, die Aufmerksamkeit erheischt. Der Keller ist gemütlich, lädt die Jungen und die älteren zu Geselligkeit ein.

Der Saal beeindruckt durch seine Einfachheit und Klarheit. Die Wände aus alten Steinen gefügt, die grosse Holzdecke, die sich weit hinauf zieht, das Licht, die Betonmauern, schön gestaltet, lebendig gemacht, ein grossartiges Spiel der Formen. Dafür dankt man dem Architekten. Hier treffen sich grössere Gruppen zu Vorträgen, zu Musik, zu Theater, aber auch zu Festen. Die Theologie hat neu entdeckt, dass das Fest für die Gemeinde und das christliche Leben wichtig ist. So wie Jesus mit Menschen zu Tisch gesessen ist, mit ihnen fröhlich war und Gemeinschaft erlebt hat, möchten wir ungezwungene Fröhlichkeit im Meierhof wünschen.

Die Altersnachmittage der Frauen und Männer, der Mittagsclub, der Witwenkreis, aber auch Mitglieder der Ehepaarkreise werden sich hier treffen. Die Aussprache unter Frauen, mit Eltern oder Jugendlichen oder Berufsgruppen wird hier stattfinden. Vereine können ihre Mitglieder zusammenrufen. Eine gute Küche gehört zum Saal.

Im Nebengebäude ist ein Bastelraum. Mütter und Kinder kommen zusammen und basteln — nicht nur im Advent. Die Töpferkurse mit Férnand Barth haben den Sinn für das Schöne gefördert und befreiendes Schaffen ermöglicht. Hier ergeben sich Kontakte, ein Mittragen und Verstehen.

Auch der Nähverein des Frauenvereins hat hier Hausrecht. Er hat sich gewandelt: vom Sockenstricken zu einem Kreis, der hübsche praktische Sachen näht, die an jedem Bazar rasch verkauft werden.

Solche Arbeit wird von vielen getragen. Unsere Gemeinden haben vollzeitliche Mitarbeiter. Zu ihnen gehören Pfarrer, Gemeindehelferin, Sigrist. Auch sie gehören zum Meierhof. Hinter der Kirche, durch einen runden Torbogen, gelangt man zur Gemeindehelferin, Fräulein E. Arnold. Man kennt sie bei uns in Riehen. Sie hat schon vielen in ihren Sorgen und Nöten geholfen. Sie wird es auch in diesem neuen, hellen Raum tun.

In das Wohnhaus des Meierhofes teilen sich Pfarrer und Sigrist. Die Räume des Hauses zeichnen sich durch klare Grundformen aus. Nach Norden geben sie den Blick ins Weite frei. Es finden sich schöne Balkendecken, teilweise Malerei. Die Gestalt des Meierhofes macht es leicht, sich hier zuhause zu fühlen. Die Pfarrerwohnung ist im zweiten und dritten Stock, der neu ausgebaut und geplant worden ist.

Damit weder Pfarrer noch Sigrist mit der Verwaltung zu tun haben, besteht eine Hauskommission. Sie ist für die Belegung und den technischen Betrieb zuständig.

1969 haben wir geschrieben: «Der Meierhof soll ein Ort sein der Gemeinschaft: Diskussion — Besinnung — Begegnung — Weiterbildung — Geselligkeit — Hilfe — kurz, hier soll die Menschlichkeit Raum haben.» Das gilt auch heute noch. Dass es Wirklichkeit wird, liegt aber nicht nur an unserer Arbeit, sondern dazu bedürfen wir des Geistes Gottes. Er baut Gemeinde, schenkt Liebe, ermöglicht, dass der Meierhof wirklich ein Zentrum werden wird.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1975

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