Zum Wandel der Riehener Vogelwelt

Marc Tschudin, Willipeter Fischer, Christoph Katzenmaier

- Welche Vögel brüten in Riehen?
- Veränderungen in den letzten 20 Jahren

 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Riehener Avifauna stark verändert. Im Gemeindebann sind 13 Brutvogelarten verschwunden, und der Bestand von 7 weiteren Arten hat deutlich abgenommen. Das Verschwinden und die Abnahme einiger Arten sind auf das Zusammenwirken verschiedener, teilweise noch ungeklärter Einflüsse zurückzuführen. Der folgende Bericht soll einen kurzen Überblick über die Brutvögel des Riehener und Bettinger Gemeindebanns von 1961 bis 1984 geben und eventuelle Ursachen für deren Abnahme ergründen.

Um Überleben zu können, braucht ein Vogel Nahrung, Brutmöglichkeiten und Deckung. Jede Art stellt an ihren Lebensraum ganz bestimmte Ansprüche. Die Reichhaltigkeit der Vogel weit hängt somit direkt von der Vielfalt der Umgebung ab.

Die Riehener Landschaft hat sich in den letzten vierzig Jahren, besonders von 1960 bis heute, entscheidend verändert. So wurde der Schlipf, ehemals ein naturnaher, buschiger Südhang, zunehmend mit Teerstrassen erschlossen. Dichtes Gebüsch, reiche Heckenpartien, Obstgärten und Rebland mussten neuen Wochenend- und Gartenhäusern weichen. Auch das Kulturland im Gebiet der Langen Erlen hat sich stark gewandelt. Die moderne, mechanisierte Landwirtschaft erlaubt auf Kosten von Hecken, Grasnarben und ungepflegten Wegböschungen eine grossflächigere Bewirtschaftung. Neben der für Vögel wichtigen Dekkung ging für einige Arten zudem die Nahrungsgrundlage verloren. Viele Insekten und Ackerunkräuter wurden durch Pestizide und Dünger vernichtet. Auch der vermehrte Anbau von Mais beispielsweise entzog mancher Art die Nahrung. Der Wandel der Landwirtschaft zeigt sich aber auch beim Grasland, wo heute dank «besserer» Grassorten die Wiesen etwa alle vier Wochen gemäht werden können. Doch wenn das Gras so oft geschnitten wird, ist die Zeitspanne für bodenbrütende Arten zu kurz, um Junge aufzuziehen.

Am Rande der Langen Erlen befinden sich noch kleinere Obstgärten, die früher zusammen mit denen der Niederterrasse den eigentlichen «Baumgarten» Riehens bildeten. Wie die anschliessenden Lösshügel, so ist heute auch die Niederterrasse beinahe vollständig überbaut. Die wenigen grösseren Obstanlagen liegen inselhaft in Wohngebieten, gewerblich genutzten Flächen und Sportanlagen eingeschlossen. Da sich Riehen vom Bauerndorf zur Wohn- und Schlafsiedlung entwickelt hat, fehlen auch hier für manche, früher typische Vogelart Nahrungsgrundlage und Nistmöglichkeit. Hätte man zum Beispiel den Schwalben nicht durch Anbringen künstlicher Nistgelegenheiten geholfen, so könnten ihre Brüten an einer Hand abgezählt werden.

Die Zunahme der Bevölkerungsdichte belastet auch die nicht überbauten Gebiete immer mehr (Erholung, Sport, Freizeit), besonders die Langen Erlen und die nahen Waldgebiete. Generell aber scheinen sich die Wälder weniger stark als das Kulturland gewandelt zu haben, doch durch die intensivere Waldwirtschaft und die langfristigen Folgen des Waldsterbens sind Veränderungen im Gange, deren Auswirkungen heute noch nicht abzuschätzen sind, die aber ganz bestimmt auch die Vogelwelt beeinflussen werden.

Über die in den letzten 20 Jahren nicht mehr im Riehener Bann brütenden oder in ihrem Bestand deutlich abnehmenden Vogelarten geben die nachfolgenden Aufstellungen Auskunft. Eine Liste der Riehener und Bettinger Brutvögel (Stand 1984) beschliesst den Bericht. In den Zusammenstellungen wurden die in der Schweizerischen «Roten Liste der gefährdeten und seltenen Brutvogelarten» verzeichneten Vögel besonders vermerkt.

Gefährdete und verschwundene Arten

Der Zusammenhang von Veränderung der Vogelwelt und Wandel der Umwelt wird offensichtlich, wenn man die rückläufigen und verschwundenen Arten ihren Lebensräumen zuordnet:

 

Offenes Gelände Hecken

Turmfalke, Rebhuhn (Rote Liste!), Fasan, Schleiereule (Gebäudebrüter), Feldlerche

 

Hecken

Dorngrasmücke, Neuntöter (Rote Liste!), Goldammer, Zaunammer (besonnte Hänge)

 

Obstgärten

Steinkauz (Rote Liste!), Wiedehopf (Rote Liste!), Wendehals (Rote Liste!), Rotkopfwürger (Rote Liste!)

 

Wald und Feldgehölz

 

Kuckuck, Schwarzspecht, Nachtigall, Gelbspötter (Rote Liste!), Dohle (auch Gebäudebrüter)

 

Gewässer

Zwergtaucher, Höckerschwan

 

Von diesen, für die erwähnten Biotope charakteristischen Vogelarten wurden folgende als Brutvögel nicht mehr festgestellt:

 

Zwergtaucher

In den Jahren 1961 bis 1968, 1971 und 1972 brütete ein Paar auf dem Entenweiher in den Langen Erlen. Seit 1973 ist dieser Brutplatz verwaist. Zwergtaucher sind hier jedes Jahr als Wintergäste anzutreffen.

 

Höckerschwan
1961 wurde auf dem Entenweiher eine Brut begonnen, jedoch nicht zu Ende geführt. 1970-1973 brütete wieder ein Paar. Seit Herbst 1984 halten sich erneut zwei Höckerschwäne auf dem Weiher auf.

 

Sperber

Im Herbst und im Winter können oft einzelne Individuen gesehen werden. Eine Brut auf Riehener oder Bettinger Gebiet wurde in den letzten 20 Jahren nicht beobachtet, ist jedoch denkbar. 1984 ist keine Brut festgestellt worden.

 

Rebhung (Rote Liste!)
Auf den Feldern zwischen den Grendelmatten und dem Eisweiher wurden 1961 7-8 Rebhühner gesehen. 1962 haben vermutlich 2 Paare gebrütet. Aus dem Jahre 1971 liegen aus diesem Gebiet nur noch vereinzelte Beobachtungen vor. 1974 letzte Beobachtung auf Riehener Boden (Bachtelenweg). Zur Bestandesverminderung und zum völligen Verschwinden dieser Vogelart dürften wohl der Verlust an Deckungsmöglichkeiten (Hecken, Büsche und Grasnarben), wie auch die Zerstörung der Nahrungsgrundlage (Ackerunkräuter, Insekten) durch Pestizide und die sehr intensive Begehung auf dem dichten Wegnetz beigetragen haben.

 

Kuckuck
Zur Durchzugszeit, Mitte April bis etwa Mitte Mai, können vereinzelte Rufe in Riehen und Bettingen vernommen werden. Zu Brüten dürfte es jedoch seit Jahren nicht mehr gekommen sein.

 

Schleiereule
In den 50er und 60er Jahren waren in Riehen verschiedene Brüten festgestellt worden: auf dem Maienbühlhof, dem Spittelmatthof und den Grendelmatten. Im Spittelmatthof brütete auch 1978 und 1979 ein Paar. Nachforschungen führten jedoch weder 1980 noch 1984 zu einem positiven Befund. 1982 bis 1984 wurde im Niederholzquartier verschiedentlich ein rufendes Exemplar beobachtet.

 

Wiedehopf (Rote Liste!)
In den letzten 20-30 Jahren hat der Wiedehopf in der ganzen Schweiz stetig abgenommen. Im Riehener Bann war diese Art bereits seit den 50er Jahren als Brutvogel verschwunden. Erstaunlicherweise brütete jedoch 1972 ein Paar im Autal. Hie und da können in den Obstgärten um Riehen einzelne Durchzügler gesehen und gehört werden. Zum starken Rückgang des Wiedehopfs haben das mangelnde Angebot an Grossinsekten, der Verlust von Nistmöglichkeiten und wahrscheinlich klimatische Gründe beigetragen.

 

Schwarzspecht
Diese Art benötigt ausgedehnte, ruhige Waldgebiete mit altem Baumbestand. Sie ist seit etwa Ende der 60er Jahre als Brutvogel im Maienbühl und Ausserberg verschwunden. Es wurden seither in Riehen und Bettingen nur noch Einzelvögel ausserhalb der Brutzeit beobachtet.

 

Nachtigall

Auf Basler und Riehener Gebiet der Langen Erlen wurden 1961 mehrere Brüten vermutet. In den Jahren 1968 bis 1973 konnten hier verschiedene Paare festgestellt werden. Die letzte Brut in Riehen wurde 1981 am Steingrubenweg auf einer jetzt überbauten Fläche beobachtet.

 

Gelbspötter (Rote Liste!)
Auf Basler und Riehener Gebiet der Langen Erlen brüteten 1962 insgesamt acht Paare. 1967 konnte nur noch eine missglückte Brut festgestellt werden. Vom Gelbspötter sind starke Bestandesschwankungen bekannt. Der Rückgang dieser Vogelart wird zum Teil mit Klimaveränderungen erklärt und fällt mit der Ausbreitung des Orpheusspötters zusammen. 1982 wurden Orpheusspötter (Rote Liste!) in der Basler Regio als Sommergäste beobachtet. 1983 gelang es auch, zwei Brutnachweise bei Weil (D) zu erbringen.

 

Dorngrasmücke
Anfangs der 60er Jahre wurden im Gebiet der Langen Erlen mehrere Paare festgestellt. Auch 1964 und 1965 konnten verschiedene Sänger beobachtet werden, so am Tüllinger Hügel, beim Entenweiher, beim Eisweiher und bei den Grendelmatten. 1975 brütete möglicherweise ein Dorngrasmückenpaar am Steingruben weg. Ursachen für den Rückgang dieser Art dürften der Verlust des Lebensraumes (Hecken, buschige Waldränder, ungepflegte Strassenböschungen) und die seit den 70er Jahren auftretende Dürre im Winterquartier (Sahelzone) sein.

 

Neuntöter (Rote Liste!)
1961 soll in den Langen Erlen eine Brut stattgefunden haben. 1962 wurden hier keine Neuntöter mehr festgestellt. 1972 Brüten im Schlipf, im Brühl und im Lenzen (dicht an der Landesgrenze). Der Neuntöter ist auf dichte Dornhekken angewiesen. Sein Verschwinden kann, nebst dem Verlust günstiger Heckenpartien, auch mit dem starken Rückgang des Nahrungsangebotes (Grossinsekten) erklärt werden.

 

Rotkopfwürger (Rote Liste!)
1960 und 1961 hat ein Paar im Gebiet «Zwischen Teichen» gebrütet. Auch 1962 sind beim Eisweiher Junge aufgezogen worden. 1964 wurde bei den Feldern in der Nähe des Niederholzes ein Junges beobachtet. 1974 soll ein Paar auf der deutschen Seite des Schlipfs gebrütet haben. Im Brühl hat 1978 ein einzelnes er ein Nest gebaut. Ein 9 war jedoch nie anwesend. Rotkopfwürger benötigen vorwiegend alte und reich strukturierte Obstgärten mit grossem Angebot an Bodeninsekten. Viele der günstigen Lebensräume in Riehen wurden jedoch umgestaltet. Auch die Nahrungsgrundlage ist durch Spritzen der Bäume, durch häufigeres Mähen und intensiveres Düngen der Wiesen unter den Obstbäumen zerstört worden.

Dohle 

Auf Riehener Gebiet der Langen Erlen ist es wahrschein lich nur selten zu Brüten gekommen, so z.B. 1962 im Wald beim Spittelmatthof. Die fehlenden Nistmöglichkeiten (Baumhöhlen in alten Bäumen) dürften ein Grund für die Abnahme und das Verschwinden der Dohle aus den Langen Erlen sein.

 

Es wäre sinnvoll, die Bestandesaufnahme der Brutvögel von Riehen und Bettingen in regelmässigen Abständen durchzuführen. Nur so können Entwicklungen im Zusammenhang von Landschafts- und Biotopsveränderungen aufgezeigt und gedeutet werden.

Aufzeichnungen von Beobachtungen erhielten wir von: Dr. M. Blattner, Dr. G. Preiswerk, M. Tschudin.

Weiteres Beobachtungsmaterial entnahmen wir: Basler Natur-Atlas 1984; E. Fuchs/Chr. Imboden: Ornithologische Beobachtungen in den Langen Erlen 1962, 29 S., vervielfältigt; R. Wehrlin: Die Langen Erlen, Riehener Jahrbuch 1963, S. 38-52. Exkursions- und Jahresberichte: Gesellschaft für Vogelkunde und Vogelschutz Riehen, Ornithologische Gesellschaft Basel.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1985

zum Jahrbuch 1985