150 Jahre Hoffnung

Brigitta Kaufmann

Mit einem legendären Fünffrankenstück wurde vor 150 Jahren das Sonderschulheim «Zur Hoffnung» gegründet: Das Geld ist mehr geworden, die Hoffnung geblieben.

Freunde um den Basler Medizinprofessor Karl Gustav Jung (1794-1864) haben in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts einen ersten Versuch unternommen, in Basel eine Schule für so genannte «Schwachsinnige» zu gründen. Zwar wurden im improvisierten Klassenzimmer an der Rebgasse erfreulich schnell gute Resultate erzielt, aber der Tod des Lehrers sowie Nachfolge- und Geldprobleme Hessen diesen ersten Versuch scheitern. Doch Jung war überzeugt, dass für diese armen Kinder dringend etwas unternommen werden musste, worauf er eines Abends im Mai 1857 im Freundeskreis ein Fünffrankenstück auf den Tisch legte mit den Worten: «Mit diesem Fünffrankenstück gründe ich auf Hoffnung eine Anstalt für schwachsinnige Kinder, für das Weitere wird auch jemand sorgen!» Er sollte Recht behalten, wenn die Geschichte der «Hoffnung» auch immer wieder eine entbehrungsreiche und sorgenvolle war.

Räumliche Verhältnisse Die «Hoffnung» war während der ersten 48 Jahre ihres Bestehens in Basel domiziliert, zuerst in Wohnungen an der Grenzacherstrasse und am Petersgraben, die sich aber wegen fehlender Gärten bald als nicht geeignet erwiesen und auch zu klein waren. 1867 konnte dank grosszügigen Unterstützungsbeiträgen von wohlhabenden Basler Mäzeninnen und Mäzenen an der Elsässerstrasse ein eigens für diesen Zweck gebautes Heim bezogen werden, welches 25 Kindern Platz bot. Damals noch auf freiem Feld vor der Stadt gelegen, war das Heim bald von anderen Gebäuden umgeben, unter anderem auch vom Schlachthof, was die Anstaltsleitung wenig freute.

Als 1903 an der Riehener Mohrhalde ein Grundstück von rund 10 000m2 zum Verkaufstand, war der Entschluss gefasst, die Stadt zu verlassen und in Riehen in einem neu zu bauenden Heim die Arbeit fortzusetzen. Auch dieses Gebäude war für die Aufnahme von 25 Kindern konzipiert. Doch in den kommenden Jahrzehnten wuchs die Nachfrage nach Heimplätzen stetig, es entstanden weitere Gebäude auf dem Gelände und zum Teil konnten zusätzliche Liegenschaften erworben werden (Sandreuterweg, Wenkenstrasse), aber immer wieder ist in den Jahresberichten zu lesen, dass das Heim aus allen Nähten platze und die erzieherischen und schulischen Aufgaben deshalb nicht optimal gelöst werden könnten. Ein Umzug von Riehen nach Aesch stand in den 60er-Jahren zur Diskussion, wurde dann aber nicht realisiert.1

Mit dem Neubau, der ab dem Jahr 2000 in drei Bauetappen realisiert wurde, verfügt das Heim nun über modernste Wohn-, Unterrichts- und Therapieeinrichtungen.2 32 Wohnplätze und zusätzliche 18 Schulplätze für Externe stehen zur Verfügung und in der Eingliederungsstätte können zehn junge Männer und Frauen eine IV-Anlehre, eine so genannte Attestausbildung EBA, absolvieren.

Betreuung und Unterricht

In den letzten 150 Jahren hat sich in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen vieles verändert. Betrachten wir aber die Geschichte der «Hoffnung», ist es auch immer wieder erstaunlich, wie sehr sich manche Vorstellungen bezüglich optimaler Förderung von behinderten Kindern damals wie heute gleichen.

Zur Zeit der Gründung durch K. G. Jung war die Situation von geistig behinderten Kindern mehr als desolat. Es gab keine Einrichtungen für deren Förderung oder Pflege, oftmals lebten sie mehr oder weniger verwahrlost in ihren Familien oder bei Pflegefamilien. Erst durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht (in Basel im Jahr 1838) wurden diese Kinder systematisch erfasst und wuchs das Bewusstsein in der Bevölkerung, dass hier manches im Argen lag.

Einig waren sich die Gründer, dass es besser sei, die Kinder aus den Familien herauszunehmen und in einer eigenen Anstalt zu fördern, umso mehr als ein beträchtlicher Anteil der damals als «schwachsinnig» geltenden Kinder aus verwahrlosten familiären Verhältnissen stammte, manche auch aus Familien mit Alkoholproblemen.

Im Heim selbst sollten dann wieder möglichst familiäre Strukturen geschaffen werden. Allerdings war dies aufgrund der baulichen Konzeption des früheren Heims nur bedingt möglich. Lange gab es grosse Schlafsäle, Wohnräume wurden oft wegen Platzmangels zu anderen Zwecken gebraucht und es gab im Vergleich zu heute viel weniger Personal, sodass eine wirklich individuelle Betreuung zwar wohl das Ziel gewesen wäre, die Realität aber meist anders aussah.

In den Betreuungskonzepten finden sich jedoch bereits früh sehr moderne Ansätze. So wurde beispielsweise die Pädagogik von Maria Montessori in der «Hoffnung» schon früh Gewinn bringend eingesetzt.

Der damalige Vorsteher E. Mosimann schreibt im Jubiläumsbericht zum 75-jährigen Bestehen 1932: «über Erziehungsmittel und Massnahmen in Anstalten haben Fernstehende meistens falsche Vorstellungen. Schwachsinnige Kinder erziehen, ist deshalb besonders schwierig, weil jeder Fall ganz für sich und aus sich selbst heraus studiert und in seiner Eigenart erfasst werden muss. Darum muss das Erziehungsziel nach Art und Grad der geistigen Schwäche des Einzelnen, also individuell, festgesetzt werden. (...) Daneben gilt als Hauptziel die Erziehung zur Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Das gelingt nur durch eine planmässige Gewöhnung an Fleiss und Ausdauer, durch Hebung des Selbstvertrauens, durch Erziehung zur Selbsttätigkeit und Selbständigkeit.»3

Die damalige Wortwahl mag für unsere Ohren etwas fremd klingen, aber inhaltlich stimmt das heutige Leitbild der «Hoffnung» noch in vielem mit den damaligen Ideen überein: «Im Sonderschulheim «Zur Hoffnung» wird die Arbeit mit behinderten Kindern und Jugendlichen von der personzentrierten Grundhaltung getragen, dass jeder Mensch wertvoll und entwicklungsfähig ist.

Im Sonderschulheim «Zur Hoffnung» wird den Kindern und Jugendlichen ermöglicht, ihre individuellen Fähigkeiten zu entdecken. Um diese zu erhalten und zu erweitern, werden sie mit einem auf ihre jeweiligen Bedürfnisse abgestimmten sozial- und heilpädagogischen Förderangebot unterstützt. Das wichtigste pädagogische Ziel ist das Hinführen zu einer grösstmöglichen Selbständigkeit. Damit leistet das Sonderschulheim «Zur Hoffnung» einen wesentlichen Beitrag zur Integration.»4

Der Unterricht war seit der Gründung der Anstalt auf die Vermittlung von lebenspraktischen Fähigkeiten ausgerichtet. Die Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen wurden - zumindest den so genannt «bildungsfähigen Schwachsinnigen» - in mehrstufigen Klassen vermittelt, wobei die Klassenstufen nicht alters-, sondern anspruchsgemäss aufgeteilt waren. Daneben hatten biblische Geschichte, Realienunterricht und vor allem der Unterricht in «Handfertigkeiten» einen hohen Stellenwert. Die Besonderheiten des Unterrichts, lesen wir im Jubiläumsbericht von 1932, «zeigen sich im langsamen Fortschreiten, in der häufigen und intensiven Veranschaulichung, in der öftern übung und Wiederholung, in der innigeren Beziehung des Unterrichtsstoffes zum Leben der Zöglinge und in der grossen Berücksichtigung des Prinzips der Selbsttätigkeit».5

Heute ist es das Ziel der Schule «innerhalb eines ganzheitlichen Unterrichtskonzeptes die Kinder ihren Fähigkeiten entsprechend zu fördern, vor allem in den Bereichen: - schulische Fertigkeiten in Bezug auf lebenspraktische Situationen - Selbständigkeit im täglichen Leben im Hinblick auf die Integration in die Gesellschaft - soziales Durchsetzungsvermögen und soziale Integration - sprachliches Verständnis und Ausdrucksvermögen - bildnerisches Gestalten, manuelle Geschicklichkeit»6

Diese Beispiele mögen veranschaulichen, dass - zumindest theoretisch - in der Sonderschulbildung schon seit langem ein moderner Ansatz gepflegt wurde und es bereits im 19. Jahrhundert das Bestreben war, den behinderten Kindern eine möglichst individuelle Förderung angedeihen zu lassen. In der normalen Volksschulbildung mit ihren sehr grossen Klassen war das damals sicher noch kein Erziehungsziel.

Bildungsfähig oder nicht?

Für die Aufnahme in die «Anstalt zur Hoffnung für schwachsinnige Kinder», wie das Heim ursprünglich hiess, war die so genannte «Bildungsfähigkeit» ausschlaggebend. Nur Kinder, die einem einfachen Unterricht zu folgen vermochten und Grundfertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen erwerben konnten, wurden zugelassen. Für alle anderen bestand sehr lange keine Einrichtung im Raum Basel. Die Fachleute waren sich allerdings einig, dass eine klare Abgrenzung zwischen Bildungsfähigkeit und Bildungsunfähigkeit nicht einfach möglich war und dass auch so genannt Bildungsunfähige dank gezielter Förderung zumindest in praktischen Fertigkeiten bedeutend gefördert werden konnten.

1928 wurde endlich am Sandreuterweg 15 eine Liegenschaft erworben, um dort eine Pflegeabteilung für bildungsunfähige Kinder einzurichten. Noch mehr als bei den anderen Kindern wurde hier Wert auf einen familiären Umgang gelegt. E. Mosimann schreibt im Jubiläumsbericht: «[Das Haus] bietet Platz für eine Mädchen- und Knabenfamilie zu je 12 Kindern. Die zahlreichen Räume des früheren Privathauses wurden im folgenden Winter in ein wirklich familiäres Kinderheim eingerichtet. Beide Familien, von je einer Wärterin betreut, erhielten je eine grosse, sonnige Wohnstube, drei in frohen Farben bemalte Schlafzimmerchen zu je vier Betten, einen Toilettenraum und - für solche oft unreinliche Kinder besonders nötig - ein Badzimmer.»7

Auch heute wird in der «Hoffnung» unterschieden zwischen «Schulbildungsfähigen» und «Praktischbildungsfähigen». Ausserdem gibt es eine Abteilung für schwer-/mehrfachbehinderte Schülerinnen und Schüler, bei denen neben der geistigen meist schwere körperliche Behinderungen hinzukommen. Vom Schicksal solcher Kinder ist in der früheren Geschichte der «Hoffnung» nie die Rede. Das kann auch daran liegen, dass mehrfach und schwerst behinderte Kinder zu jener Zeit sehr viel geringere überlebenschancen bei der Geburt hatten oder früh gestorben sind. Eine spezielle Einrichtung gab es für sie jedenfalls nicht.

Ursachen Viel diskutiert wurden damals die Ursachen des «Schwachsinns». Auch im Jubiläumsbericht von 1932 wird diesem Thema ein Kapitel gewidmet. Mosimann führt die Mehrzahl der Fälle auf Vererbung zurück, wie zum Beispiel «die Nerven- und Geisteskrankheiten der Erzeuger, ferner vielleicht Blutsverwandtschaft, organische Minderwertigkeit der Eltern. Keimschädigend wirken wahrscheinlich: Alkoholismus und Syphilis, vielleicht auch andere Infektionen. (...), der Kretinismus, der Mongolismus und der Infantilismus beruhen auf Funktionsstörungen der innern Sekretion, vorab der Schilddrüse».8

Führte Jodmangel der Mutter nachweislich zu Behinderungen bei den Kindern (damals Kretinismus genannt), so mag es heute erstaunen, dass die Ursachen des «Mongolismus» damals noch nicht bekannt waren: Tatsächlich gelang der genetische Nachweis der Trisomie 21 erst 1959.

Auch Geburtsschäden oder nachgeburtliche Erkrankungen wurden als Ursachen der Behinderungen genannt: «Nicht selten beruht die Ursache auf abnormen Frühgeburten, Geburtsverletzungen, Stoffwechselkrankheiten in der Säuglingsperiode, Rachitis, Hirnhautentzündungen, Schlafkrankheiten...»9

Als weitere wichtige Ursache wird das soziale Milieu genannt: «Chronische Unterernährung, elende Wohnungsverhältnisse, Verwahrlosung sind gewiss als Miterzeuger des Schwachsinns zu berücksichtigen.»10 Die Mittel, um dagegen vorzugehen, sind hingegen von einer Radikalität, die heute schockiert, aber die eugenischen Strömungen der damaligen Zeit widerspiegelt: «Eine Bekämpfung des Alkoholismus, der Syphilis, der Tuberkulose, des sozialen Elends ist nicht hinreichend, solange nicht auch die direkte Fortpflanzung der Schwachsinnigen selber verunmöglicht wird. Nicht selten kommen schwachsinnige Kinder leider von schwachsinnigen Eltern. Die einzig erfolgreiche Prophylaxe ist hier: Internierung, Sterilisierung, Ehebeschränkung der Geistesschwachen. Der Kampf gegen die Ursachen der geistigen Degeneration ist ein Kampf im Interesse des Staates, ein Kampf zum Schutze des Volkes und der Nation.»"

Die Eltern mussten zudem eine eigene Einschätzung über die möglichen Ursachen der kindlichen Behinderung geben.

 

Personalbögen Nach den obigen Ausführungen erstaunt es nicht, dass bei den Fragebögen, die früher bei Eintritt eines Kindes in die «Hoffnung» von Eltern und ärzten ausgefüllt werden mussten, viele Fragen die mögliche Ursache der Behinderung betrafen. So mussten die Eltern Auskunft geben über ihre Berufs- und Wohnungsverhältnisse (wie gross ist die Wohnung? Hell? Feucht? Sauber?), erbliche Belastungen, Trunksucht. Weiter: Wurde dem Kind Alkohol eingeflösst? Wohnte die Mutter während der Schwangerschaft in einer Kropfgegend? Immer wurde auch vermerkt, wenn ein Kind «illegitim», also ausserehelich geboren war.

Eine Mutter führt beispielsweise einen «schweren Schrecken» während der Schwangerschaft an, weil sie ihren Vater tot in der Wohnung fand. Ein anderes Elternpaar schiebt sich die Schuld gegenseitig zu: «Mutter gibt an: Trunksucht des Vaters. Vater: Dummheit der Mutter».12

Auch manche Diagnosen muten heute befremdlich an, wenn beispielsweise von «moralischem Schwachsinn» oder «moral insanity» die Rede ist, eine Diagnose, die insbesondere bei «illegitimen» Kindern, von Müttern mit «lasterhaftem Lebenswandel» gestellt wurde.

Immer wieder zeugen die Dossiers von der Tragik eines Lebens: Ein Junge mit schweren psychischen Auffälligkeiten zeigt ein absolut einseitiges Interesse für alle Flugobjekte und zeichnet sie auch mit erstaunlicher Detailtreue und Sinn für die Perspektive. Als Berufswunsch gibt er Kunstmaler an. Für alle schulischen Fächer bringt er nicht das geringste Interesse auf, beiliegende Tests lassen aber an seiner Bildungsfähigkeit keinen Zweifel. Sein Verhalten (u.a. auch übergriffe sexueller Art im Heim) macht ihn aber für die «Hoffnung» untragbar. Eine traurige Heim- und Pflegefamilienkarriere beginnt, bis der nun erwachsen gewordene Bursche schliesslich in die Friedmatt kommt und dort - noch immer intensiv malend - viele Jahre verbringt. Diagnose: Schizophrenie.

Mitte des 19. Jahrhunderts, als K. G. Jung mit der «Hoffnung» eine der ersten schweizerischen Anstalten für geistig behinderte Kinder gründete, war die Betreuung und Förderung solcher Kinder alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Während über 50 Jahren konnte die Anstalt einzig dank privater Initiative und vor allem auch dank privatem Geld überleben. Dass dabei immer wieder schwierige Zeiten mit unklaren Zukunftsaussichten durchgestanden werden mussten, versteht sich von selbst.

Von der Privatinitiative zur staatlichen Einrichtung

Eine solche brach bald nach der übersiedlung nach Riehen an. Zwar hatte sich mit dem grosszügigen Gebäude die räumliche Situation deutlich verbessert, aber die Betriebskosten stiegen gleichzeitig an, sodass sich bis ins Jahr 1913 ein beträchtliches Defizit angesammelt hatte, welches eine Weiterführung des Betriebs unmöglich machte. In dieser verzweifelten Lage schlug die Kommission dem Basler Regierungsrat vor, das Heim zu übernehmen, und zwar ohne jegliche Gegenleistung: Haus, Einrichtung und Umland sollten kostenfrei an den Kanton übergehen. Trotz einigen Bedenken - befürchtet wurden zu hohe und laufend steigende Kosten für den Kanton - genehmigte der Grosse Rat am 12. Februar 1914 die Gesetzesbestimmungen zur übernahme der Anstalt. Heute steht das Heim unter der Trägerschaft der Abteilung Sozialpädagogik des Erziehungsdepartements.

Die heutigen Mitarbeitenden sind sich einig, dass die Ansprüche an die Arbeit mit den behinderten Kindern in der «Hoffnung» in den letzten Jahren stetig gewachsen sind. Gerade in der Abteilung für Schulbildungsfähige leben mehr und mehr Kinder mit schweren sozialen und psychischen Auffälligkeiten. Von überforderten Eltern sich selbst überlassen, muss auch heute bei manchen Kindern von einer eigentlichen Verwahrlosung gesprochen werden - ein hohes Gewaltpotenzial und eine weitgehende Verweigerungshaltung sind oftmals die Folge davon. Erste Aufgabe ist es hier, die Kinder zu einem angemessenen sozialen Umgang in der Gruppe hinzuführen. Ziel bleibt aber, sie so weit zu fördern, dass sie eine Anlehre machen und eine grösstmögliche Selbstständigkeit erlangen können.

Und die «Hoffnung» heute?

 

In den letzten Jahren ebenfalls schwieriger geworden sind die gesellschaftlichen Bedingungen und damit die Integration nach der Heimzeit. Effizienzdenken und eine Verschärfung in der Arbeitsmarktsituation machen es heute diesen Jugendlichen besonders schwierig, in unserer Gesellschaft Fuss zu fassen.

In noch höherem Mass gilt das für die praktischbildungsfähigen Kinder im Heim. Sie werden in jedem Fall auf geschützte Arbeitsplätze angewiesen sein, der freie Arbeitsmarkt bietet für sie absolut keine Möglichkeiten mehr. Im schlimmsten Fall finden sie gar keine Arbeit und bleiben so gänzlich auf staatliche Unterstützung angewiesen.

Verglichen mit früher kann man bilanzieren, dass die Unterstützung der Kinder während ihrer Heimzeit zweifellos intensiviert und damit individualisiert werden konnte. Wesentlich mehr Betreuerinnen und Betreuer stehen nun den Kindern zur Seite, das Leben gestaltet sich klar in familiären Bahnen mit stabilen Strukturen. Dafür ist die Welt «draussen» härter geworden, und das bekommen gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft am deutlichsten zu spüren. Fehlte bis vor 150 Jahren das Bewusstsein, dass für diese Kinder dringend etwas unternommen werden musste, wird heute zwar viel für deren Förderung getan, aber den Integrationsbemühungen haftet etwas Vergebliches an, wenn den behinderten Erwachsenen in der freien Wirtschaft immer weniger Platz eingeräumt wird. Insofern trägt die «Hoffnung» auch heute ihren Namen zu Recht, und ihre grösste Herausforderung ist es zu verhindern, dass die während Jahren sorgfältig gepflegte Hoffnung nach Ende der Heimzeit rasch in Hoffnungslosigkeit umschlägt.

So schliesst sich ein Kreis: Waren es zu Beginn Private, die die Initiative ergriffen haben, bis der Staat seine Verantwortung für die Schwächsten der Gesellschaft übernommen hat, ist es heute wieder Teil der privatwirtschaftlichen Verantwortung, Angebote zu schaffen, welche die Integrationsbemühungen von staatlichen Heimen wie der «Hoffnung» unterstützen.

1 Näheres zu der räumlichen Entwicklung des Heims siehe auch Jahrbuch «z'Rieche» 1965, «Das kantonale Erziehungsheim iZur Hoffnung) in Riehen« », von A. Kobelt-Leu, Ss. 82-92

2 Zum Neubau siehe Jahrbuch «z'Rieche» 2003, «Campus zur Hoffnung» von Dominik Heitz, Ss. 27-31

3 Anstalt zur Hoffnung Riehen-Basel. Jubiläumsbericht zum 75-jährigen Bestehen 1857-1932, Basel 1932, S. 34

4 Website der «Hoffnung»: http://www.zurhoffnung.ch

5 Jubiläumsbericht, S. 71

6 Website der «Hoffnung»

7 Jubiläumsbericht, S. 23

8 ebenda, S. 30

9 ebenda, S. 30

10 ebenda, S. 31

11 ebenda, S. 31

12 Klientendossiers im Besitz des Staatsarchivs

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2006

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