Ausgezeichnete musikalische Entdeckungsreisen


Kornelia Schultze


Seit zehn Jahren bereichert das Philharmonische Orchester Riehen das kulturelle Leben in Riehen und der Region, indem es mit begeisterten Amateurinnen und Amateuren auf hohem Niveau musiziert. Für dieses Engagement wurde es mit dem Riehener Kulturpreis ausgezeichnet.


Das Philharmonische Orchester Riehen ist ein Amateur- oder Laienorchester. Was heisst das? Laut Lexikon ist ein Amateur jemand, der eine bestimmte Tätigkeit aus Liebhaberei und nicht berufsmässig betreibt. Und sich so zum Beispiel als Mitglied eines Orchesters regelmässig und zuverlässig, aber ohne Entgelt engagiert. Und ein Laie ist einer, der zum Volk gehört, ein Nichtfachmann und deshalb beruflich ein Aussenstehender, ursprünglich ein Nichtkleriker. Das Wort Laie klingt heute ein bisschen wie aus einer anderen Welt. Das hier preisgekrönte Orchester ist aber von dieser Welt und will sich als Zusammenschluss von Amateurinnen und Amateuren verstanden wissen.


‹Dilettarsi›


Die schöne Kunst zu pflegen, ohne sie zum Beruf zu machen, sich daran zu erfreuen und die Freude mit einem Publikum zu teilen: Mit diesen Zielen haben sich vor zehn Jahren auf Initiative des Organisten Bruno Haueter und der Geigerin Sarah Neher begabte und begeisterte Instrumentalistinnen und Instrumentalisten aus Riehen und Umgebung zusammengeschlossen. Louise Hugenschmidt, Gründungsmitglied und Präsidentin des Orchesters, beschreibt dessen Grundgedanken so: «Wenn ich eine unbekannte Gegend entdecken will, kann ich Reiseberichte lesen oder Bilder anschauen. Ich kann mich aber auch selber auf Wanderschaft begeben. Wenn ich Musik erkunden will, kann ich Partituren lesen, zu Hause musizieren, ins Konzert gehen. Oder ich kann mit anderen Menschen zusammen in einem Orchester auf gemeinsame musikalische Entdeckungsreisen gehen.» ‹Dilettarsi› – sich erfreuen! Nach der Arbeit das Vergnügen: Musizieren mit anderen Menschen in einem Orchester ist ein wunderbares Hobby, ein bereichernder Zeitvertreib; zufriedenstellend, erbauend, gesundheitsfördernd – es soll sogar Alzheimer vorbeugen, glücklich machen und noch viel mehr.


Hoch gesteckte Ziele


Dass sich musikbegeisterte Menschen zusammengeschlossen haben, um klassische Werke zu erarbeiten und in Riehen, Basel, Laufen, Lörrach, Mulhouse und anderen Orten öffentliche Konzerte zu geben, ist sehr wertvoll. Klassische Konzerte werden in Riehen zwar seit Langem aufgeführt, doch gab es bis vor zehn Jahren für Amateurinnen und Amateure nur die Möglichkeit, in kammermusikalischen Ensembles mitzuwirken. Erst dank dem Philharmonischen Orchester können sie sich auch aktiv an der Aufführung grosser Orchesterwerke beteiligen.


Bei der Gründung waren es vierzig vorwiegend geübte Amateurmusikerinnen und -musiker, verstärkt und unterstützt durch einzelne Berufsmusikerinnen und -musiker. Heute sind es fünfzig Instrumentalistinnen und Instrumentalisten, die sich wöchentlich treffen und zusammen die Werke für die nächsten Konzerte erarbeiten: jährlich zwei Programme. Über siebzig Werke kamen so in den vergangenen zehn Jahren in mehr als vierzig Konzerten zur Aufführung.


Es ist das Verdienst der Präsidentin Louise Hugenschmidt und ihrer Wegbegleiterinnen und -begleiter, dass sie in den vergangenen Jahren immer an die Umsetzung ihres Traumes geglaubt haben: Zusammen mit musikbegeisterten Menschen vor der eigenen Haustüre zu musizieren und ihre Freude an der Musik mit der Bevölkerung zu teilen. Es spricht für Louise Hugenschmidt und für die Stimmung und den Zusammenhalt im Orchester, dass sie auch nach zehn Jahren mit viel Freude dabei ist: als Bratschistin im Orchester und als Präsidentin. Ein langgehegter Traum, die Aufführung der ‹Pastorale›, der 6. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, wurde ihr diesen Frühling erfüllt. 


Musik schafft Gemeinsamkeit


Seit der Gründung des Orchesters ist Jan Sosinski Mitglied des Orchesters, anfangs als Musiker und Konzertmeister, seit 2006 als dessen Dirigent. Aufgewachsen in Polen, ausgewandert nach Deutschland und heute in Frankreich wohnend und arbeitend, kennt er die Sprache der Musik als menschenverbindendes Element aus seiner eigenen Biografie. Bei der Erarbeitung eines neuen Werkes versucht er den Musikerinnen und Musikern die Vorstellungen des Komponisten zu vermitteln. Dies gelingt ihm mit Bildern, die Emotionen wecken. Obwohl er diese Gefühle nicht in seiner Muttersprache ausdrücken kann – oder gerade deswegen? –, gelingt es ihm, über die gemeinsame Verbindung zur Musik immer wieder alle Mitglieder des Orchesters zu erreichen und mitzureissen.


Zu seinen persönlichen Höhepunkten mit dem Philharmonischen Orchester Riehen gehört die Erarbeitung und Aufführung der sechs ‹Balladen für Jazz Quartett und Orchester› von Thomas Moeckel, bei denen der Komponist und vier weitere Jazzmusiker als Solisten mitwirkten. Die andere Stilrichtung sorgte anfangs für Irritation, doch schliesslich führte Sosinski sein Orchester und die Jazzprofis zu einem wunderbaren, einzigartigen Konzert zusammen. 


Bei der Arbeit mit Amateurinnen und Amateuren gibt es für Sosinski einen Grundkonflikt zu meistern: «Wie können die guten, ehrgeizigen Musiker gefordert werden, ohne dass die Schwächeren überfordert sind? Wie können alle bei guter Laune gehalten werden und gleichzeitig hoch gesteckte Ziele erreichen?» Mit vollem Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit gelingt es ihm jeweils, das Selbstvertrauen der ihm anvertrauten Musikerinnen und Musiker zu stärken, um immer wieder gemeinsam an musikalisch neue Ufer zu gelangen. 


Das Philharmonische Orchester Riehen ist also nicht nur kulturell engagiert und trinational ausgerichtet, sondern auch integrativ – und somit einer der besten und preiswürdigsten Botschafter des heutigen modernen Riehen. Neben seinen lokalen Wurzeln strahlt es durch seine internationale Besetzung und durch die Wahl der Konzertorte in die trinationale Region aus.


 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2015

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