Bete und musiziere

Franz Osswald

Der Posaunenchor CVJM Riehen ist ein christlich geprägter Musikverein. Ein Nachteil oder ein Vorteil?

Die Melodie eines schön gespielten, wohlklingenden Chorals dringt an mein Ohr. Eine Gruppe des Posaunenchors CVJM Riehen übt im Unterrichtszimmer der Kornfeldkirche - vor der eigentlichen Probe. Weil der Posaunenchor derart viele Anfragen für Anlässe erhält, haben sich Untergruppen gebildet, die in kleiner Formation auftreten.

Aus dem Saal gegenüber sind etwas wackligere Töne zu vernehmen. Dort ist Dirigent Michael Büttler daran, den Jungbläsern das Handwerk zu lehren. Es sind eine Handvoll Jugendliche, die mit viel Engagement die Hindernisse, die ein neues Instrument mit sich bringt, überwinden - mit Freude. Michael Büttler spornt sie immer wieder aufmunternd an, dieselbe Stelle nochmals zu spielen, bis die Töne sauber und sicher sitzen. Fördern und fordern, lautet die Devise.

Nach und nach treffen die Mitglieder des Posaunenchors ein. Kurz nach 20 Uhr geht es zur Sache. Nach dem Einspielen - es wird jeweils ein Choral intoniert - sammeln sich die Bläser zum Gebet. Konzentriert wird danach die Probe aufgenommen. Der gute Ton, der unter den Mitgliedern geführt wird, findet sich in der Musik wieder. Michael Büttler lässt lange Töne spielen und aushalten. Dabei soll ein schöner, gepflegter Klang das Ziel sein.

«Jeder Ton hat eine Persönlichkeit», erklärt Michael Büttler. Diese gelte es zum Ausdruck zu bringen, dadurch werde eine Melodie erst interessant. «Follow him», lautet der Titel des übungsstücks. Doch die Musikerinnen und Musiker schaffen es nicht auf Anhieb, dem vom Dirigenten angeschlagenen Tempo zu folgen - drei Takte im Hintertreffen sind sie, als Büttler den Versuch abbricht.

Die Tuba hat es besonders schwer, braucht das Instrument doch viel Luft und einen Bläser mit grosser Lunge. Doch Büttlers Anweisung, sich den Ton nach vorne zu denken und die Luft frei fliessen zu lassen, zeigt Früchte. Mit jedem Mal klingt das Stück merklich besser. Das Gleiche gilt für einen Tango, der danach auf dem Programm steht. «Ein Tango muss eine Geschichte erzählen, und zwar spannend», führt der Dirigent in die Materie ein. Zudem laute die Aufgabe, jeden einzelnen Ton zu gestalten. Es-Horn und Flügelhorn führen die Melodiestimme, doch besonders die Bassstimme muss - nebst dem restlichen Ensemble - mit viel Groove und Leichtigkeit zum Ganzen des Tangos beitragen.

Damit der Schlagzeuger auch noch zum Zuge kommt, darf er ein Wunschstück wählen: die «Glen Miller Collection». Michael Büttler, selbst Posaunist von Beruf, spielt mit. Das Unterfangen wird für den Schlagzeuger zum Prüfstein, denn die zwar bekannten, aber lange nicht mehr gespielten Titel können nicht in konstantem Tempo gespielt werden. Der Schlagzeuger ist deshalb gefordert, zumal der Dirigent nicht am Pult steht und korrigierend eingreifen kann.

Den Abschluss der Probe bildet wiederum ein Choral, diesmal «Die feste Burg». Genau dies scheint auf den Posaunenchor CVJM Riehen zuzutreffen. Der Verein bildet auf dem Grund des Glaubens eine feste Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz hat, egal, wie er seinen Glauben lebt. Ob man mittun möchte, ist für jedes Mitglied die eigene Glaubenssache.

Der Dirigent - Michael Büttler Michael Büttler hat den Posaunenchor CVJM nicht gefunden: «Ich wurde angefragt», sagt er kurz und knapp. Beim ersten Hinhören ist ihm der gepflegte Klang des Posaunenchors aufgefallen. «Vereine, die oft Choräle spielen, verfügen meist über einen sehr schönen Klang. Das habe ich gern», stellt Büttler fest und: «Da war Kultur vorhanden.» Dafür fehlte etwas die Präzision, die gute Marschmusik auszeichne. Sein Entscheid ist bekannt: Michael Büttler hat das Dirigat des Posaunenchors CVJM übernommen.

Posaunenchöre sind für Büttler kein Neuland, hat er selbst doch sein Instrument, die Posaune, in einer solchen Formation gelernt - «aber ohne Gebet». Damit spricht er die Tradition an, die Probe mit einem Gebet für gutes Gelingen des Abends zu beginnen. Zur «Beterei» meint Büttler, dass es auch an ihm liege, ob eine Probe gelinge. Das Gebet am Schluss der Probe wurde nach Vorschlag von Michael Büttler durch einen abschliessenden Choral ersetzt, was vom Verein ohne Widerrede akzeptiert worden sei. «Ein Choral ist eigentlich ein musikalisch vorgetragenes Gebet.» Wenn einmal in einer Probe Uneinigkeit herrschte, hat Büttler schon aufs Gebet verwiesen, das eingangs gemeinsam gesprochen wurde.

Den Auftritten in Gottesdiensten steht Michael Büttler positiv gegenüber. «Die sind für mich wie ein Kulturauftrag. Musik dient zudem nicht nur der Kunst.» Die vielen Engagements seien auch für die Probe von Vorteil, weil man so immer ein Ziel vor Augen habe. Bei Konzerten achtet Büttler darauf, dass ebenfalls geistliche Stücke auf dem Programm stehen. Ansonsten darf es durchaus einmal ein Marsch sein oder etwas Zeitgenössisches. «Wichtig ist mir, dass die Musik <echt> ist. Also nicht ein Stück, das ein bisschen groovig wirkt und Stile beliebig vermischt. Da ist mir ein guter Marsch lieber.»

Einer der Jüngsten - Raphael Oestreicher «Märsche sind toll.» Der dies sagt, ist in einem Alter, in dem man normalerweise andere Rhythmen bevorzugt. Raphael Oestreicher gehört mit zwölf Jahren zu den jüngsten Aktiven im Posaunenchor CVJM Riehen und dennoch hat er bereits vierjährige Erfahrung im Verein mit seinem Instrument, dem Cornet. Sein Mittun im Posaunenchor kommt nicht ganz von ungefähr; eine familiäre «Vorbelastung» ist dafür mitverantwortlich. Raphaels Vater spielte schon im Verein und kehrte wieder zurück, als sein Sohn sich entschied, Musik zu machen. Für den Youngster hat es deshalb nichts Befremdliches, in einem Musikverein zu spielen, der christ liehe Werte pflegt. «Das ist für mich ganz normal, ich kenne ja nichts anderes», sagt Raphael Oestreicher, «Glaube und Verein, das ist für mich in Ordnung.»

Kommt man aber auf die Auftritte im Gottesdienst zu sprechen, sieht die Gemütslage schon etwas differenzierter aus. «Kirche ist langweilig», lautet Raphaels Urteil. So geht er denn meist nur in die Kirche, wenn der Posaunenchor eine Verpflichtung hat. Wenn er am Posaunenchor etwas toll findet, dann sind es die vielen Auftritte. Weniger Freude hat der junge Musikant an den zum Teil frühen Auftrittszeiten. «Ab zehn oder elf Uhr wäre es für mich ideal, mit früheren Terminen habe ich schon eher Mühe», sagt er offen.

Der älteste - Georges Pfister Auf über 45 Jahre Musizieren kann Georges Pfister zurückblicken, die letzten 11 Jahre davon im Posaunenchor CVJM Riehen. Für Pfister war es ein ganz bewusster Entscheid, sich gerade diesem Verein anzuschliessen. «Ich spielte zuvor in anderen Musikvereinen.» das Programm aufgrund einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Kommission. «Wir haben eine gute Mischung aus Originalliteratur, Chorälen und Unterhaltungsmusik», umschreibt Georges Pfister das Repertoire des Vereins. Zufrieden ist er ebenfalls mit dem Dirigenten. «Ein guter Dirigent ist entscheidend, ob es einem in einem Verein behagt oder nicht.» Michael Büttler habe einen guten Draht zu ihnen und könne seine Botschaft verständlich vermitteln. «Er fördert uns sehr in unserer Musikalität, urteilt der Routinier, der im Posaunenchor das Es-Cornet spielt.

Die gute Kameradschaft ist es, die Georges Pfister an seinem Verein besonders schätzt. «Ich fühle mich sehr gut aufgehoben und angenommen.» «Dank» und «Anerkennung» sind weitere Begriffe, die er positiv erwähnt. Auf Pfisters Wunschliste steht eine höhere Mitgliederzahl: «Es ist für einen Verein motivierend, wenn er in einer guten Besetzung musizieren kann.» So wünschte sich der älteste Aktive mehr interessierte Jugendliche, die sich dem Posaunenchor CVJM Riehen anschliessen würden.

Der Ausbildner - Stefan Egli Doch für mich war die christliche Prägung des Posaunenchores wichtig, zudem hatte ich schon in früheren Zeiten bei Konzerten ausgeholfen und kannte daher schon einige Kameraden.

Musikalisch gefällt es Pfister im Posaunenchor ausgezeichnet, denn als Mitglied der Musikkommission gestaltet sich «Die christliche Ausrichtung ist kein Hindernis», sagt Stefan Egli, der beim Posaunenchor CVJM Riehen für die Ausbildung zuständig ist. Der Name sei ja schon bekannt, man wisse, was CVJM heisse (Christlicher Verein Junger Menschen), weshalb dieser Umstand relativ selten zum Thema werde. Und wenn, dann eher noch bei den Eltern. Grund für die gute Akzeptanz dürfte auch sein, dass niemand ein Glaubensbekenntnis ablegen müsse und keine konfessionellen Vorgaben gemacht würden, meint Stefan Egli. Für die Jugendlichen stünden eher der Verein im Vordergrund und die musikalischen Qualitäten. «Die Kirche ist ein guter Ort für Auftritte, weil dort gepflegt konzertiert wird und keine <Bierzeltmusik> auf dem Programm steht.»

«Natürlich haben Jugendliche auch schon aufgehört, das kommt vor», sagt Egli offen, «eher wegen der Gottesdienste, weniger wegen musikalischer Belange oder allgemein wegen der religiösen Ausrichtung des Vereins.» Die gute Kameradschaft sei aber ein wichtiger Grund, weshalb Jugendliche im Verein blieben. Dasselbe gilt im Grunde genommen für Stefan Egli. Für den Tenorhornspieler ist nicht die christliche Ausrichtung entscheidend, um im Posaunenchor CVJM aktiv zu sein. Ein anderer Verein wäre ebenfalls denkbar, sofern ihm das Auftrittsspektrum und der Musikstil entsprechen.

Der Präsident - Willy Gentner Der Präsident des Posaunenchors CVJM muss gute Gründe haben, um gerade in Riehen zu musizieren, kommt er doch aus dem badischen Rheinfelden. Mit acht Jahren lernte er das Trompetenspiel im heimatlichen Posaunenchor. In seiner Jugend gehörte Willy Gentner selbst der Jungschar des CVJM an und war auch Leiter. Zehn Jahre spielte er in der Stadtmusik Rheinfelden, bei der die Verwandtschaft seiner Frau engagiert war. Dann legte Gentner eine Pause ein, «aber der regelmässige Probentag, die Musik hat mir gefehlt - und die Art und Weise, wie in einem Posaunenchor musiziert wird».

Das Internet verhalf ihm zur Erfüllung seiner musikalischen Wünsche. Dort stiess er auf den Posaunenchor CVJM Riehen. Der offene Zugang und die Herzlichkeit im Verein seien ihm sogleich aufgefallen: «Das ist es», hatte sich Willy Gentner gesagt. Es gefiel ihm so gut, dass er heute als Präsident des Vereins amtet. Für Willy Gentner war nicht das «C» im Vereinsnamen entscheidend, sondern die Einstellung der Menschen, die dort musizieren. «Hier ist jeder bereit, eine Aufgabe oder ein Amt zu übernehmen», sagt er dankbar. Das habe vielleicht indirekt etwas mit dem Glauben zu tun, fügt er bei. «Für mich ist der Glaube auch wichtig, aber nicht für die Musik», beschreibt er sein Verhältnis zu Glaube und Musik.

Besonders die Choräle haben es Willy Gentner angetan und harmonische Stücke im Allgemeinen. Mit modernen Rhythmen dagegen tut sich der Präsident etwas schwerer. Eine gute Mischung zu finden, die allen etwas gibt, sei manchmal nicht einfach, stellt der Präsident fest. «Es gibt manchmal Differenzen, wenn es um den Musikstil geht, und nicht immer ist es einfach, mit dem Dirigenten alle Wünsche unter einen Hut zu bringen.» Trotzdem ist Willy Gentner vom musikalischen Programm seines Vereins begeistert: «Die Musik, die der Posaunenchor CVJM macht, ist toll.» Und dann gerät er geradezu ins Schwärmen, wenn er feststellt, dass die Gemeinschaft untereinander «spitzenmässig ist». Musik, Kameradschaft und die positive Einstellung der Kollegen nehmen bei Willy Gentner die ersten drei Plätze ein - erst danach folgt das Bier nach der Probe.

Der Verein - ein Kurzporträt «Gott loben, das ist unser Amt!» - Dieses Leitwort aus einem Kirchenlied, das dem Psalm 100 nachgedichtet ist, verdeutlicht treffend den Auftrag und das Ziel des Posaunenchors. So gestaltet er oft den musikalischen Rahmen bei Gottesdiensten und anderen kirchlichen Anlässen. Selbstverständlich gehören Ständchen, Frühmusiken und das Jahreskonzert dazu. Eine besondere Tradition ist das Turmspiel: Zum Jahreswechsel blasen jeweils einige Mitglieder vom Turm der Riehener Dorfkirche das neue Jahr ein. Das Repertoire des Posaunenchors ist vielfältig. Neben kirchlichen werden unterhaltende und konzertante Stücke einstudiert.

Der 1913 gegründete Posaunenchor musiziert heute in der Besetzung einer Brass-Band. Diese Bezeichnung steht für reine Blechblasmusik. Daher setzen sich die Instrumente des Posaunenchors aus Cornets, Flügelhorn, Es-Althörnern, Tenorhörnern, Euphonien, Posaunen, Tuben und natürlich dem Schlagzeug zusammen. Der Posaunenchor des CVJM Riehen ist ein Musikverein mit Bläserinnen und Bläsern aus der Region Basel. Er ist Mitglied beim VSP (Verband Schweizerischer Posaunenchöre), beim CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) und beim MVBB (Musikverband beider Basel). Weitere Informationen über Internetseite: www.cevi.ch/posaunenchor.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2009

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