Feuer und Eisen

Albin Kaspar

Das Schmieden eines Hufeisens ist ein eindrucksvolles und faszinierendes Schauspiel. Zwei Schmiede stehen sich dabei in der Regel gegenüber. Der Feuerschmied hält mit der Zange das Eisen und schlägt mit dem Hammer hochkant darauf, während der Zuschmied dazwischen den schweren Zuschlaghammer auf die Flachseite des Eisens niedersausen lässt. Die Schläge folgen sich in stetem rhythmischem Wechsel. «Dumpf sausen die Hämmer auf das funkenstiebende Eisen; dazwischen klingt der Hammer des Feuerschmieds auf dem Amboss auf, er gibt den Takt an ting, ting. Zweimaliger Leerschlag bedeutet: Achtung ich wende. Mit diesem <Laborieren> kann der Feuerschmied wortlos die Arbeit steuern. Jetzt bearbeitet er das Eisen allein auf dem Ambosshorn, legt dann die zweite Hälfte ins Feuer. Sie muss ebenfalls bearbeitet und gerundet werden.»1)

 

Das Beschlagen der Zug- und Reittiere zählte zu den wichtigsten Aufgaben eines Dorfschmieds. Handwerkliches Können, Mut und Kraft, aber auch genaue Kenntnis des Tieres und seiner Anatomie sind erforderlich, um das aus Flacheisen geformte Hufeisen genau dem Tragerand des Hufes anzupassen und mit acht Hufnägeln sicher zu befestigen. Viele Legenden umranken gerade diese Arbeiten des Schmieds seit alten Zeiten. Tief verwurzelt war im Volk auch der Glaube an die magische Kraft eines gefundenen Hufeisens. An die Tür genagelt sollte es die bösen Mächte bannen. Es ist auch Kennzeichen für das Schmiedehandwerk allgemein. Seine runde Gestalt sah man noch vor kurzem am Scheunentor des Hauses Baselstrasse 60, der ehemaligen Dorfschmiede, und sie ziert noch heute die Schmiedewerkstatt der Familie Lemmenmeier an der oberen Rössligasse.

In Riehen gab es immer eine, in der Regel sogar zwei Schmiedewerkstätten, denn dieses Handwerk gehörte zu

Albin Kaspar

einem Bauerndorf wie der Müller oder der Wagner. Der seit dem Mittelalter bezeugte Name «Schmiedgasse» sagt uns, dass sich die ursprüngliche Dorfschmiede in dieser Strasse in der Mitte des Dorfes nahe bei der Kirche befunden haben muss. Nähere Angaben über dieses Handwerk erfahren wir allerdings erst aus der Zeit nach der Reformation. Um 1540 tauchte ein Schmied namens Joss Wüst auf. Er und sein Sohn Jakob belieferten damals die Bauern mit den benötigten eisernen Gerätschaften.

Neben ihnen widmeten sich auch Vertreter der einheimischen Familie der Hauswirth, Nikiaus HauswirthSchlup und dessen Sohn Jakob, in ihrem Haus an der Baselstrasse 20 diesem Gewerbe, schmiedeten Pickel und Kärste, aber auch «ofentürlin» und «isen an glocken stuol» für die Kirchgemeinde Riehen.2) Als die Erben der Familie Wüst ihren Betrieb aufgaben, kam als Ersatz der Schmiedemeister Philipp Wenk nach Riehen. Philipp hatte vor kurzem seine Lehre in der Spitalschmiede in Basel abgeschlossen und die Wanderjahre als Hofschmied in Pruntrut verbracht.3) Im Jahre 1608 kaufte er von Hans Wüst die Liegenschaft Baselstrasse 57, die damit als Stammhaus der Familie Wenk in Riehen gelten kann. Später kam das schräg gegenüberliegende Haus Baselstrasse 60 hinzu. In beiden Gebäuden betrieben künftig die Nachfahren des Philipp Wenk je eine Schmiede. Der Standort war günstig, das Gewerbe florierte. Dort stellten sie unter anderem im Auftrag des Bürgermeisters Wettstein die Gittereisen für die unteren Stuben seines Landgutes an der Baselstrasse her. Ferner hatten sie die Trotte in diesem Haus «mit eisen beschlagen unnd andere arbeitt ann thoren, thüren unnd leden gemacht vermög auszugs.»4) Die Gemeinde benötigte ihre Dienste für «züber und trächster [zu] beschlagen wie ouch fir 24 teuchelzwingen und den lastwagen» zu verbessern. Für die Landvogtei waren Nägel, eiserne Bänder für die hölzerne Wasserleitung, Klammern für die Zwingsäule der Weintrotte und vieles andere mehr zu liefern.5)

 

Der Hufschmied in einem Bauerndorf beschränkte sich eben nicht nur darauf, Hufeisen herzustellen und die Pferde, Ochsen und Kühe damit zu beschlagen. Er stellte sämtliche metallenen Werkzeuge und Geräte nicht nur für die Landwirtschaft (Pflüge, Eggen, Sensen, Ketten und so weiter), sondern auch alles Werkzeug für die Maurer, Metzger und anderen Handwerker her. Ferner verfertigte er alle Beschläge an Wagen, Karren und Schlitten, sowie Spangen, Klammern, Nägel und Eisenstäbe für Wassermühlen, Trotten, Mauerwerk und Gebäude.

Dazu kamen die schmückenden Werke aus Eisen, die im Laufe der Zeit an Bedeutung und Ansehen gewannen. Durch verschiedenste Ziertechniken versuchten die Schmiede, ihren Produkten ein gefälliges Aussehen zu geben. Türen, Truhen und Kassetten versahen sie mit kunstvollen Eisenbeschlägen. Aus Vierkant- und Rundstäben schufen sie prachtvolle Brunnenlauben, Leuchter und Gitter, wie sie noch heute in Riehen an manchen Orten zu bewundern sind. Kurz, der Dorfschmied blieb, jedenfalls bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, der ländliche Universalhandwerker in Sachen Eisen schlechthin.

Demgegenüber teilte sich in den Städten der Schmiedeberuf in zahlreiche Spezialgebiete auf. Es gab Messerschmiede, Harnischmacher, Nagelschmiede, Schlosser, Kettenschmiede, Büchsenmacher, Feilenhauer, Drahtzieher und Mechaniker. Eine eingespielte Zunftordnung sorgte dafür, dass jeder von ihnen nur gerade die zu seinem Beruf gehörenden Gegenstände herstellte. Einige dieser Fachleute Hessen sich auch in Riehen nieder. Zu Beginn des 17.

Jahrhunderts wirkte hier zum Beispiel ein Hans Mettler als Kleinuhrenmacher, der jeweils auch die Turmuhr flickte. Ebenso arbeiteten gelegentlich Feilenhauer in unserem Dorfe. Sie schmiedeten Stahlstäbe zu Feilen, in die sie anschliessend, wie der Berufsname sagt, mit Meissein Rillen «einhauten». Vor allem aber die Schlosser fanden hier bis in unsere Zeit stets genügend Arbeit und Auskommen. Sie verfertigten nicht nur Schlösser und Beschläge jeder Art, sondern auch Gitter, Eisenbänder und andere kleinere Gegenstände. Eifersüchtig wachten die Dorfschmiede darüber, dass die Schlosser keine Arbeiten ausübten, die nicht zu ihrem Handwerk gehörten. Johannes Wenk zum Beispiel klagte 1759 vor der Meisterschaft der Schmiedenzunft darüber, «dass der schlosser und der nagler von da unserem handwerck abtrag thun indem sie aller gattung geschirr, als kärst und axen erlegen und sogar auch neue hauwen verkauffen». Die Schmiede von Riehen waren seit etwa 1703 Mitglieder der Schmiedezunft in Basel. Dort Hessen sich die neuen Lehrjungen einschreiben, und dort erhielten sie nach Abschluss der dreijährigen Lehre ihren Abschiedsbrief. Dort mussten sie auch nach der vorgeschriebenen Wanderzeit von drei Jahren als Meister aufgenommen werden, wenn sie eine eigene Werkstatt führen wollten. Die städtische Schmiedenzunft übte die Aufsicht auch über die Landschmiede, erliess die notwendigen Verordnungen und urteilte über Streitigkeiten. Die angeschuldigten Andreas Bärwart, Nagler, und Johann Jakob Jung, Schlosser, zum Beispiel wurden vor das Meisterbott zitiert und hatten sich dort zu verantworten.6)

 

Neben dem Schmied und dem Schlosser spielte im 1 8. Jahrhundert auch der Nagelschmied eine grosse Rolle. Mit Hammer, Amboss und dem sogenannten Nageleisen stellte er grosse Mengen von Nägeln für die verschiedensten Zwecke her. In Riehen war das Naglergewerbe eng verknüpft mit dem Familiennamen Bärwart und der Liegenschaft Baselstrasse 11. Am 12. März 1708 hatte Hans Heinrich Rufflin dieses Haus erworben und dort eine Nagelschmiede eingerichtet. Nach seinem Tode übernahm Andreas Bärwart aus Biel dieses Gebäude und führte den Betrieb weiter. Er erwies sich als äusserst fleissiger und geschäftstüchtiger Handwerker, der sich rühmte, «er verkaufte nur in seinem dorff allein mehr nägel, als 2 unserer stattmeistern. Ueber dieses frequentiert er noch die Liestaler, Rheinfelder und Lörcher märkt und hausiert mit sei ner wahr so wohl in unserem land als umliegenden gegenden dass uns bald alle fremde krämer... durch ihne entzogen werden», wie seine Zunftkollegen aus Basel neidisch klagten. Gerissen wie er war, wagte er es sogar, seine Nägel auf dem Fronfastenmarkt in Basel feilzubieten. Doch das ging der städtischen Konkurrenz zu weit und sie Hess seine Ware gegen den Widerstand des Andreas und seiner beiden Knaben, die den Stand hüteten, beschlagnahmen. «Das jüngere von seinen kinderen [habe] dazu nur gelacht, das eitere aber gleich seinem vatter alle injurien so es nur zu sagen gewusst wieder unsere meisterschaft ausgestossen hat und noch über dieses der vatter mit einer axt so er unter dem stand gehabt, drein zu schlagen getrohet.»7) Trotz allem Bitten und Drängen des Bärwart blieben die Behörden hart. Es war den Landmeistern zwar erlaubt, ihre Nägel in die Eisenläden zu liefern, aber sie durften sie auf keinen Fall selbst auf einer Basler Messe feilbieten.

Das gleiche Schicksal erlebten anderseits jene fremden Handwerker, die ihre Ware oder ihre Dienste in Riehen anboten. Als der Chirurg Johannes Weissenberger im Jahre 1774 Schlösser und Beschläge bei einem Lörracher Handwerker herstellen und installieren Hess, weil er die Artikel der Einheimischen zu teuer fand, rissen die Riehener Schlosser diese Beschläge wieder hinweg und brachten sie auf die Schlosserzunft in Basel mit der Begründung, sie dürften auch keine Arbeiten im Markgräflerland verrichten.8) Freier Wettbewerb war damals nicht gefragt. Die Zunftordnung wollte vielmehr das Auskommen der einheimischen Handwerker sichern und gegen fremde Anbieter schützen. Andreas Bärwart vererbte Haus und Werkstatt an seine beiden Söhne Andreas und Friedrich. Doch die Zeiten wurden zusehends schlechter für die Nagelschmiede. Die Konkurrenz war zu gross. Ausserdem vernichtete 1807 eine Feuersbrunst die Gebäude. Die dritte Generation der Familie Bärwart gab daher das Naglerhandwerk auf und wandte sich dem Malergewerbe oder der Landwirtschaft zu.

An Stelle des abgebrannten Hauses entstand ein grösserer Baukomplex. 1841 wurde eine Bierstube eingerichtet (heute Restaurant Lindenhof) und daneben ein Brauereigebäude erstellt. Als die Bierproduktion nach Basel verlegt wurde, erwarb 1911 Theodor Seckinger die Liegenschaft. Er baute das alte Brauereilokal zu einem Gewerbezentrum aus, wo sich eine Wagnerei, ein Malergeschäft, eine Schlos serei, und - eine Nagelschmiede einmieteten. Auf diese Weise erlebte dieses Handwerk am alten Standort eine Renaissance. Der Nagelschmied hiess Matthias SchwaldBenz, der sich damals in Riehen niedergelassen hatte. Sein Sohn Wilhelm erweiterte das Geschäft («Fabrikation geschmiedeter Nägel, Haken und Klammern») um einen Verkaufsladen, den er 1932 in das Haus Baselstrasse 9 verlegte. Nach seinem Tode führte die Witwe den Laden unter dem Namen «Schwald und Böhler, Eisenwaren» bis in die 60er Jahre weiter. Manche Riehener werden sich wohl noch erinnern, wie sie dort die nunmehr industriell hergestellten Nägel, Schrauben und andere Eisenartikel holten.

Kehren wir in die Vergangenheit und zur Familie Wenk zurück. Während rund 200 Jahren arbeiteten Angehörige dieser Familie als Dorfschmiede, beschlugen die Zugtiere und verfertigten in ihren beiden Werkstätten die Werkzeuge und eisernen Artikel für die Dorfbewohner. Doch im Laufe dieser Zeit verflachten allmählich der Ehrgeiz und das Interesse am Beruf. Wohlstand und Erfolg machten müde. Johannes Wenk-Höner, der Besitzer von Baselstrasse 60, hatte 1810 endgültig genug, Hess seine Schmiede abreissen und wanderte kurz darauf nach Amerika aus (siehe Seite 10). Sein Kollege und Namensvetter Hans WenkHauswirth an der Baselstrasse 57 musste bereits früher seinen Betrieb aufgeben. Infolge schlechter Haushaltung, «da wohl gelebt wenig gearbeitet und alles ungeschickt und unüberlegt angestellt worden», sah er sich gezwungen, seine Liegenschaften zu verkaufen. Sein Neffe Jakob WenkRohrer, Sattler von Beruf, kaufte das Haus und verpachtete die Werkstatt einem Lehenschmied. Er wollte das geachtete und einträgliche Gewerbe seinem Sohn Johann Jakob, den er das Schmiedehandwerk lernen Hess, erhalten. Doch die Pläne zerschlugen sich und die Liegenschaft wurde schliesslich 1803 an den Küfer Johannes Schmid verkauft, der die Räumlichkeiten für sein Handwerk umbaute.

In dieser Situation besann sich ein anderes Mitglied der Familie Wenk auf die überlieferte Handwerkstradition seiner Vorfahren. Samuel, Sohn des Ochsenwirtes Johannes Wenk, wollte ebenfalls das Schmiedehandwerk lernen. Dabei konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Als er 1767 der Meisterschaft der Schmiede in Basel den Abschluss seiner Lehrzeit meldete, hatte er sechs Basler Pfund Strafe zu bezahlen, «weil er zu Wyl nicht nach der Ordnung gelehrnt».

Bereits ein Jahr später bittet er darum, als Meister aufgenommen zu werden. Auch das verstiess gegen die Zunftordnung. üblicherweise hatte ein Geselle drei Jahre Wanderschaft vorzuweisen, wenn er Meister werden wollte. Doch wurden Ausnahmen gegen Erlegung einer Busse geduldet und kamen bei Landmeistern oft vor. Samuel Wenk erhielt seinen Meisterbrief, doch «weil der die Wanderszeit nicht ausgehalten soll er für Meister werden und Wanderszeit bezahlen 2 Neue Louis d'Or», sowie den Meistern eine Flasche Wein und Brot spendieren und dem Schreiber fünf Schilling Trinkgeld geben.9) Im Sommer des gleichen Jahres hatte er gleichzeitig - im Alter von nur 22 Jahren - in seinem von den Eltern geerbten Haus Baselstrasse 51 die Scheune zu einer Schmiedewerkstatt umgebaut. Damit begründete er eine neue Dorfschmiede, die ebenfalls über zweihundert Jahre lang Bestand haben sollte.

Samuel Wenk gehörte zu den vermögenden und einflussreichen Schmiedemeistern, wie sie in Riehen und anderswo immer wieder anzutreffen waren. Fleissig und umsichtig leitete er sein Geschäft, daneben bewirtschaftete er, wie die meisten Handwerker im Dorfe, einen Bauernhof. Die Schmiede überliess er um 1796 seinem Schwiegersohn Johannes Stump, Sohn seines Nachbarn und Vetters Johannes Stump, Rössliwirt. Er selbst wandte sich künftig der Politik zu, amtete als Richter und wurde 1799 in den ersten freigewählten Gemeinderat gewählt.10) Johannes Stump-Wenk hingegen wollte von öffentlichen ämtern nichts wissen. Er beschäftigte sich ausschliesslich mit seinem Bauernbetrieb und seinem Gewerbe, das er und sein Sohn Samuel zu einem erfolgreichen Geschäft ausbauten. Nach dem Abbruch der beiden alten Schmieden waren sie ja für lange Zeit die einzigen Dorfschmiede in Riehen und beschäftigten neben zwei Knechten und zwei Mägden noch zwei Schmiedegesellen und gelegentlich einen Lehrjungen. Da der Enkel Johannes Stump kinderlos blieb, wurden Haus und Geschäft dem Hufschmied Ludwig Schmid-Basler verkauft, der es seinerseits 1882 seinem Schwiegersohn Reinhard Bammerlin überliess. Später kam es in die Hände von Adolf Erny-Ottiker, der die Werkstatt 1890 zu einem Verkaufsladen für den Konsumverein umbaute (ab 1925 Comestibles-Handlung Dahler-David). Die Schmiede wurde in das Hintergebäude verlegt und durch eine Wagnerwerkstatt erweitert. Dort blieb sie bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Betrieb.

Schmiede und Wagner arbeiteten beim Bau von Wagen stets eng zusammen. Der eine verfertigte alle Holzteile, der andere schmiedete die Beschläge und die eisernen Reifen. Wagenbau und -reparaturen begannen nun im 19. Jahrhundert eine wichtige Rolle zu spielen. Die Ausweitung des Handels und die Intensivierung der Landwirtschaft bewirkten eine starke Zunahme des Warenverkehrs. In Riehen wurden mehrere Fuhruntcrnchmen gegründet. Der Bedarf an Wagen und Karren aller Art sowie an Reparaturen stieg an. Arbeit am Wagenbau und Hufbeschläge wurden zu den wichtigsten Arbeiten der damaligen Dorfschmiede, die jetzt meist mit einer Wagnerei verbunden waren.

Eine Schmiede war zuwenig für ein Dorf wie Riehen. Deshalb beschloss der Neffe des erwähnten Ludwig Schmid-Basler, Friedrich Schmid-Vögelin-Döhnel, die Liegenschaft Rössligasse 40 zu erwerben und daneben 1867 eine eigene Werkstatt zu errichten. Zwölf Jahre später Hess er im bisherigen Baumgarten ein neues grösseres Haus mit Scheune, Stall und Schmiedewerkstatt (heute Rössligasse 36) bauen. Sein Sohn Friedrich Schmid-Hermle veräusser te die Gebäude an den Wagner Max Grosshardt-Thoma, der in der Scheune eine Wagnerei einrichtete. Künftig wurden auch dort beide Gewerbe nebeneinander betrieben. Später übernahm Karl Friedrich Rüsch-Saner-Müller das Geschäft. In der Schmiede arbeitete seit 1927 auch Ernst Lemmenmeier, der 1948 die ganze Liegenschaft erwerben konnte und dessen Nachkommen noch heute als einzige Schmiede in Riehen dieses alte Handwerk ausüben. Vielleicht wird auch dieser Betrieb noch weitere hundert Jahre überstehen.

Die letzte Schmiedewerkstatt entstand Ende des 19. Jahrhunderts am gleichen Ort, wo sich einst die ersten mittelalterlichen Essen befanden - an der Schmiedgasse. Im Jahre 1894 liess sich Karl Muchenberger-Eichin in Riehen nieder, kaufte das Haus Schmiedgasse 8/10 und baute das alte Waschhaus zu einer Schmiede um, die er wenig später durch eine Wagnerei erweiterte. Bald verlegte er sich aber auf andere Gebiete der Metallbearbeitung. Das alte Haus liess er abreissen und 1911 ein neues Wohn- und Geschäftshaus errichten und dahinter im Hof eine Eisenkon struktionswerkstatt mit einer mechanischen Schmiede und einer Metallgiesserei einrichten. Doch mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges schloss auch dieser Betrieb seine Tore und die Gebäude verschwanden wieder.

Die traditionelle, auf ländliche Bedürfnisse ausgerichtete Dorfschmiede hat heute weitgehend ausgedient. Pferdefuhrwerke sind verschwunden. Werkzeuge, landwirtschaftliche Geräte und andere Gebrauchsgegenstände werden schneller und billiger in den Fabriken hergestellt. übrig blieben Reparaturen, der Hufbeschlag von Reittieren und verschiedene Schlosserarbeiten. übrig blieb aber auch die kunstgewerbliche Seite dieses Handwerks. Die Freude an der schönen Form und das Anliegen, das Nützliche mit einer künstlerisch wirksamen Gestaltung des Metalls zu verbinden, gewinnt wieder an Bedeutung. Mit Bewunderung werden heute die kunstvollen Metallarbeiten in Museen, auf Strassen und Plätzen, an Häusern und im Wohnbereich wahrgenommen als Zeugnis vergangener wie auch zeitgenössischer Generationen von Kunstschmieden.

Anmerkungen

Wo nichts anderes vermerkt wird, stammen die Unterlagen zu diesem Aufsatz aus dem Historischen Grundbuch von Riehen.

1) Paul Hugger: «Von Hufeisen und Hufbeschlag», Basel 1966, S. 14

2) StABS Kirchengüter K 3 (Kirchenrechnungen)

3) Michael Raith: «Von den Anfängen der Riehener Familie Wenk», RJ 1983, S. 88ff 4) StABS PA 522 B; vgl. Fritz Lehmann: «Johann Rudolf Wettsteins <Neue Behausung> zu Riehen, das alte Meigelsche Landgut», RJ 1976, vor allem S. 49 und 56

5) C[hristian] A[dolf] Müller: «Das Zehntenhaus in Riehen genannt die Alte Landvogtei», Typoskript 1949, S. 125ff

6) StABS Schmiedenzunft 73c

7) StABS Handel und Gewerbe TT 5

8) StABS Handel und Gewerbe SS 3

9) wie Anm. 6

10) Michael Raith: «Johannes Stump und Samuel Wenk: zwei Riehener Politiker des beginnenden 19. Jahrhunderts», RJ 1971, S. 44-59

Personen (Auswahl)

Walter Bertschmann (1902-1947),

Schmied Franz Drechsle (1907-1986), Wagner, von Inzlingen

Rosa Guhl-Hauswirth (1891-1944)

Ernst Karlin (1905-1989), Schmied, später Chauffeur

Ernst Lemmenmeier-Isenring (1907-1979), Schmiedemeister

Ernst Raimann (1909-1986), Schmied, von Inzlingen

Paul Suhr (""1910), Wagner, später Arbeiter

Alois Weber (*1915), Schmied, von Stetten

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1992

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