Geht auf die Indfabrik - ist zu haus in Jakob Meyers häuslein

Albin Kaspar

Nur noch wenige Häuser in Riehen zeugen von den einst hier wohnhaften Taglöhnern. An der Gartengasse ist noch ein Ensemble dieser historisch wertvollen Taunerhäuser erhalten.

 

Vor kurzem hat die Gemeinde Riehen die Liegenschaft Gartengasse 27 erworben. Sie bildet Teil einer Gruppe historisch wertvoller Wohnhäuser auf der rechten Seite der Gartengasse. Die Gebäude stammen aus dem 17. Jahrhundert und verkörpern den Typus des ein- und zweigeschossigen Taunerhauses, der sich heute in unserem Dorf nur an wenigen Orten erhalten hat. Gartengasse 25 und 27 werden von Privatbesitzern bewohnt. Gartengasse 21 und 27 gehören nun der Gemeinde Riehen. Sie sollen in nächster Zeit zu schmucken Wohnhäusern umgewandelt und renoviert werden.

Das Leben als Tauner

Wie der Name andeutet, wohnten in diesen Gebäuden früher vor allem Tauner (Taglöhner), Kleinhandwerker und Fabrikarbeiter. Das Haus Gartengasse 21 zum Beispiel gehörte im 18. Jahrhundert einer Familie Peter. Johannes Peter hatte es um 1729 erworben. Er war gelernter Küfer, betrieb allerdings keine eigene Werkstatt. Als Rebbauer bearbeitete er einige Rebäcker. Seinen Lebensunterhalt verdiente er vor allem als Taglöhner in den Reben und in den Weinkellern wohlhabender Bauern. Er war mehrmals verheiratet. Noch mit 74 Jahren ehelichte der rüstige Witwer 1759 seine dritte Frau, die 38-jährige Maria Meyer von Bettingen. Sie gebar ihm endlich den lang ersehnten Sohn und Stammhalter. Vier Jahre später starb der betagte Vater. Um die Schulden zu bezahlen, mussten die Erben die wenigen Reben und Bünten veräussern. Die Witwe fand in Johann Jakob Suhr ihren zweiten Ehemann, der als Taglöhner für den Lebensunterhalt der Familie sorgte. Ausser dem Wohnhaus besass die Familie nichts.

Eines der beiden Wohnzimmer wurde an die Familie des Johann Jakob Schmid vermietet, der in einer Indiennefabrik arbeitete. Wohl durch den Untermieter angeregt, erlernte der einzige Sohn Johannes Peter den Beruf eines Indiennedruckers und arbeitete künftig auf diesem Metier. Als er mit 24 Jahren volljährig wurde, heiratete er Judith Märklin, die er an seiner Arbeitsstätte kennen gelernt hatte, und übernahm das elterliche Haus. Im Gasthaus «Zum Ochsen» wurde die Hochzeitsfeier gehalten und mit geborgtem Geld ein eigener Hausstand gegründet. Dabei hatte er sich wohl überschätzt. Die Schuldenzinse nebst den Hochzeitskosten blieben unbezahlt.

Drei Jahre später wurden die jungen Eheleute betrieben und mussten 1790 das Haus verkaufen. Das kleine Anwesen ersteigerte sich der «Ochsen»-Wirt Samuel Wenk, dem Johannes Peter das Hochzeitsessen schuldig geblieben war.

Die junge Familie fand Unterschlupf im Hause von Johann Jakob Meyer, einem Arbeitskollegen. Das gemietete Logis befand sich am Webergässchen 19, einem kleinen, heute verschwundenen Haus an der Einmündung in die Rössligasse, neben dem so genannten Schlozerhaus (Rössligasse 20). Es handelte sich um ein schmales, eingeschossiges Wohnhaus, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche und einer Dachkammer.

Der Hausbesitzer Johann Jakob Meyer stammte auch aus einer armen Familie, stand jedoch finanziell etwas besser da. Seine Eltern bewirtschafteten als Kleinbauern einige Reben, äcker und Matten, waren aber auf den Zusatzverdienst als Taglöhner angewiesen. Die beiden Söhne Johannes und Johann Jakob erlernten beide den Beruf des Stoffdruckers und gingen in die Indiennefabrik zur Arbeit. Als der Vater starb, erbte nach damaligem Landesrecht der jüngste Sohn Johann Jakob das Elternhaus. Die Mutter hatte jedoch Anspruch auf den landesüblichen Witwensitz (lebenslängliches Wohnsitzrecht) im Haus. Dazu «solle ihro der Sohn in seinen Kosten in der Stuben ein Alkoven machen lassen, darinnen zu schlafen».

Barbara Link, die Ehefrau des Johann Jakob, übernahm kurz danach die Stelle einer Gärtnerin im Landgut des Ratsherrn Bernhard Socin. Das junge Paar zog daher in das Pächterhaus des Socin-Gutes an der Oberdorfstrasse 15. Das ererbte Elternhaus vermieteten sie an die Familie Peter. Die geschilderten Lebensumstände widerspiegeln die Spannweite, in der eine Tauner- oder Arbeiterfamilie in früheren Jahrhunderten zu leben hatte. Sie bewohnte in der Regel ein eigenes Logis, hatte etwas Kleinvieh im Stall, besass etwas Land zur teilweisen Selbstversorgung. Doch waren sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf die Arbeit beim Hofbauern oder in der Fabrik angewiesen. In dieser Hinsicht unterschieden sich Taglöhner und Arbeiter auf dem Lande in der Frühzeit der Industrialisierung kaum.

Das Taglöhnerhaus

Gemäss der wirtschaftlichen Situation der Bewohner lässt sich das Taunerhaus durch die Kombination eines engräumigen Wohnbereichs mit einer kleinen Stallscheune definieren. Eine Wohneinheit umfasste im Wesentlichen eine Stube und eine Küche. Die Stube, der einzige durch einen Kachelofen beheizbare Raum, befand sich stets vorne gegen die Strasse zu. Sie diente hauptsächlich als Arbeitsund Schlafzimmer.

Die Idee eines Aufenthalts- und Repräsentationsraums entstammte bürgerlichen Kreisen des 19. Jahrhunderts. Hinter der Stube, an der dunkleren Rückseite des Hauses, lag die Küche. Die kleinen Fenster Hessen nur spärliches Tageslicht hinein. Der Eingang führte stets direkt in die Küche und von dort in die Stube. In der Dachkammer und im Estrich fanden die grösseren Kinder und die ledigen Erwachsenen ihren Schlafplatz.

Das gleiche eng bemessene Raumprogramm lässt sich nicht nur bei Taglöhnerhäusern, sondern auch bei älteren Bauernhöfen feststellen. Sowohl das ehemalige Bauernhaus Oberdorfstrasse 57 als auch die Häuser Oberdorfstrasse 43 und Baselstrasse 59, letzteres der Wohnteil eines ehemaligen Bauerngutes, verfügten einst über dieselbe Raumaufteilung. Bei den Liegenschaften Gartengasse 25 und 27 hingegen lag die Küche neben der Stube. Der Unterschied zum Bauernhaus lässt sich vor allem durch die Grösse des Wirtschaftsteils definieren. Sie bildet auch das Kriterium zur Abgrenzung gegenüber dem Arbeiterhaus des 20. Jahrhunderts.

Aus heutiger Sicht erstaunt der geringe Anspruch an Wohnbedarf. Gemäss den Volkszählungen besass gewöhnlich jede Familie ihre eigene Wohnung. Dennoch gesellten sich oft noch weitere Verwandte, ein verwitweter Elternteil, ledig gebliebene oder verwitwete Geschwister und allein stehende Einzelpersonen als Kostgänger zum gemeinsamen Haushalt hinzu.

Ausserdem wurden bei der ärmeren Bevölkerungsschicht die engen Räume noch weiter unterteilt und an andere Familien oder Einzelpersonen vermietet. An der Gartengasse 21 zum Beispiel wohnten 1774 zwei eigenständige Haushalte. Im Jahre 1815 teilte der Taglöhner Thomas Stücklin die Räume mit seinem Schwiegersohn und seiner verwitweten Schwester mit ihren Kindern. Die Wohnräume einzelner Häuser wurden dadurch total überbelegt.

Sparsam und einfach präsentierte sich auch die Wohnungseinrichtung, die wir in den Erbinventaren aus jener Zeit antreffen. Ein Bett, ein Kleiderkasten, ein Küchenkasten und ein Tisch mussten oft genügen. Ein «aufgerüstetes» Bett umfasste einen Strohsack, ein Leintuch, ein Deckbett und ein Pfulmen. Jakob Meyer besass eine grössere Ausstattung: 3 Kästen, 1 Mehlkasten, 2 «Känsterlin», 2 Tröge, 2 Tische samt 2 Stühlen und 2 Sesseln, 1 Wanduhr und 1 Kaffeemühle, Pfannen, Schüsseln, Irdengeschirr, ferner 2 Leintücher, 2 Tischtücher, 4 Handtücher, 50 Ellen (1 Elle = 30 bis 35 cm) Tuch sowie etwas Fass- und Feldgeschirr.

Indiennedrucker - die ersten Arbeiter von Riehen Johann Jakob Meyer arbeitete wie sein Bruder Johannes, Johannes Peter und viele andere Riehener damals als Arbeiter in einer der Indiennefabriken in Basel. Bei der Indiennefabrikation werden Baumwolltücher mit verschiedenartigen Figuren und Blumenmotiven farbig bedruckt. Diese bunt bemalten Tücher waren begehrt und fanden reissenden Absatz. Der Handelsmann Emanuel Ryhiner hatte diese Stoffdrucktechnik in Holland kennen gelernt und 1717 in Basel die erste Fabrik eingerichtet. Das neue Gewerbe nahm einen raschen Aufschwung und entwickelte sich hier neben der Seidenbandindustrie zu einem wichtigen und einträglichen Wirtschaftszweig.

Zwischen 1739 und 1751 erwarb die Firma Ryhiner das Gelände zwischen der Sandgrube und dem Kleinbasler Teich und Hess dort ein neues, grösseres Fabrikgebäude nebst einer Fabrikantenvilla erbauen (ehemals RyhinerLeisslersches Landhaus, Riehener Strasse Nr. 159, heute abgebrochen). Andere Unternehmer folgten seinem Beispiel. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestanden bereits sechs Fabriken.

Die neue Industrie benötigte eine wachsende Zahl von Facharbeitern: Zeichner, Modellstecher, Drucker. Um 1794 zählte man insgesamt etwa 300 Facharbeiter. Dazu kam eine grosse Anzahl Hilfspersonal. Ein Teil dieser Arbeiter rekrutierte sich aus Riehen. Bereits bei der Volkszählung von 1774 wurden mehrere Fabrikarbeiter registriert. Ein erhaltenes Verzeichnis aus dem Jahr 1787 nennt 29 Erwachsene, mehrheitlich gelernte Drucker, und 34 Kinder aus unserem Dorf, die in der Indienneindustrie in Basel arbeiteten. Zehn Jahre später erstellte Pfarrer Huber ein Familienregister, das ungefähr gleich viele Männer, Frauen und Kinder (19 Erwachsene und 22 Kinder) aufführt, die «auf die Fabrik gehen». Sie können als die ersten Vertreter der neuen Arbeiterschicht betrachtet werden.

Enges Wohnen - hartes Arbeiten

Das neue Gewerbe bot vielen Taglöhnerfamilien eine willkommene zusätzliche Verdienstmöglichkeit. Nicht alle wurden vom Schicksal gleichermassen begünstigt, ein Haus und etwas Land zu erben. Manchmal stellte sich das Erbe als kleines, überschuldetes Gütlein heraus. Die Liegenschaft Baselstrasse 53 zum Beispiel, ehemals ein zweigeschossiges Bauernhaus mit Scheune und Stall, wurde im Laufe der Zeit in vier Wohnungen unterteilt. Streitigkeiten mit den Nachbarn über den Unterhalt des Gebäudes, über das Freihalten der Durchgangswege oder über die Nutzung der Scheune blieben nicht aus. Ein Miteigentümer wollte (verbotenerweise) einen Abtritt in die Scheune einbauen. Ein anderer wurde verklagt, weil er in der Küche einen «Bauchofen» zum Kochen der Wäsche einrichtete und auf dem Küchenboden ein Feuer entfachte, um «den Speck zu räucheren». Die kleinräumigen Verhältnisse schränkten die Bewegungsfreiheit aller Beteiligten allzu stark ein.

Im nördlichen Wohnteil des vorderen Hauses lebte um 1774 Balthasar Horn, ein gelernter Maurer, zusammen mit seiner Familie, seiner Mutter und einer ledigen Schwester. Sie waren arm und die Kinder mussten bereits in jungen Jahren zum Verdienst beitragen. Die Töchter wurden als Dienstmägde verdingt, die Söhne arbeiteten in der Fabrik. Das Einkommen reichte trotz allem nicht und das kleine Logis musste verkauft werden. Der jüngere Sohn Balthasar Horn zog daraufhin in die Fremde. Dort lernte er Katharina Bryner von Möriken aus dem Kanton Bern kennen und heiratete sie. Während einiger Jahre lebten sie in Holderbank. Dann kehrte die junge Familie nach Riehen zurück und fand im Hause des Pfarrers Falkeisen von Basel an der Oberdorfstrasse 57 eine kleine, aber wohl günstige Wohnung. Gemäss den Angaben des Dorfpfarrers von 1796 lebten sie ausschliesslich vom Lohn des Ehemanns als Indien nedrucker. Der erst neunjährige Sohn musste ebenfalls in der Fabrik arbeiten.

Der Verdienst eines Arbeiters reichte in jener Zeit knapp aus, um den Lebensunterhalt an Nahrungsmitteln, Kleidern, Auslage für Wohnen zu bestreiten. Bei grösseren Familien oder bei zusätzlichen Ausgaben war man auf den Zusatzverdienst der Ehefrau und der Kinder angewiesen. Die Arbeitszeiten dauerten in der Regel im Sommer von sechs bis halb zwölf Uhr, von dreizehn bis fünfzehn Uhr und von sechzehn bis zwanzig Uhr. Im Winter wurde der Beginn und das Ende durch die Tageshelligkeit diktiert.

«Ländliche» Lebensweise im 19. Jahrhundert

Die kleinräumige Bauweise der inzwischen renovierten alten Häuser ist noch immer zu sehen. Für uns moderne Menschen gilt es geradezu wieder als «chic», in solch umgebauten, blendend weiss gestrichenen, mit allem Komfort ausgestatteten Gebäuden zu wohnen. Saubere Verhältnisse und ausreichende sanitarische Installationen gelten heute als unabdingbare Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Wohnen. Andererseits empfinden wir das gedrängte Beisammensein der ganzen Familie in der warmen Stube mit Holzofen und öllampe oft als romantisch.

Vor 150 Jahren sah die Realität für die Betroffenen anders aus. Elektrisches Licht gab es ebenso wenig wie fliessendes Wasser, dafür oft feuchte Wände, überfüllte, schlecht belüftete Räume und stinkende Abtritte. Pro Wohnhaus stand meist nur ein Abtritt zur Verfügung, den alle Bewohner gemeinsam benutzten. Er befand sich an der Rückseite des Hauses, manchmal aber auch etwas entfernt neben dem Schweinestall. Die Ableitung erfolgte in Gruben, die regelmässig zu leeren waren. Das Abwasser aus Küche, Stall oder Mistgruben wie auch das Regenwasser von den Dächern ergoss sich einfach auf die Gassen und Strassen. Auf beiden Seiten der Strassen floss ein offener Graben, der die Abwässer der Häuser und der Brunnen sammelte und dem Aubach oder dem Immenbach zuführte. Bei starkem Regen wurden die Wege regelmässig überschwemmt. Kleine Stege vor den Häusern und an zentralen Stellen ermöglichten dem Fussgänger, trockenen Fusses über diese Bäche zu gelangen.

Die ungesunden Verhältnisse in den Wohnungen und um die Häuser waren die Ursache vieler Krankheiten, welche unser Dorf in regelmässigen Abständen heimsuchten. Vor allem Typhusepidemien, aber auch Pocken, Scharlach, Lungenentzündungen usw. erfassten immer wieder weite Teile der Bevölkerung und führten besonders bei Kindern allzu oft zum Tod. Auf dem Lande waren die Menschen solche Zustände seit jeher gewohnt. Es fehlten das nötige Wissen, die technischen Möglichkeiten und die finanziellen Mittel, etwas zu ändern.

Im Jahre 1864 erliess die Regierung erste sanitätspolizeiliche Verordnungen wie das Erstellen von gemauerten Mistgruben und eine genügende Anzahl Abtritte pro Haus. Doch konnten für den Landbezirk Ausnahmen bewilligt werden. Noch im Jahre 1880 kritisierte der Basler Polizeigerichtspräsident Albert Bischoff, dass «die Unreichlichkeit um die Häuser, das Freilaufen oder Freistehen der Wasserstein- und Abtrittflüssigkeiten nicht nothwendig zu ländlichen Verhältnissen gehören. Riehen ist wie Klein Hüningen nur zum kleinen Theil ein landwirtschaftliches Dorf, die Mehrzahl der Bewohner sind wohl Taglöhner, Fabrikarbeiter und Proletarier, deren Wohnungen ebenso sehr der Beaufsichtigung bedürfen, wie in den Städten.»

Neue Häuser entstehen

Die amtliche Schelte aus der Stadt lässt unbeachtet, dass sich die Wohnqualität in Riehen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts allmählich verbesserte. Das Haus Gartengasse 21, um beim eingangs zitierten Beispiel zu bleiben, erhielt eine neue steinerne Fassade, das Nachbargebäude Gartengasse 25 ein halbes Stockwerk aufgesetzt. Die Nachbesitzer der Liegenschaft Baselstrasse 53 vereinigten die verschiedenen Hausanteile wieder und erstellten in den Jahren 1864 und 1889 das heutige Wohnhaus.

Andere Taunerhäuser wurden abgebrochen oder durch eine Feuersbrunst zerstört und durch neue, grössere Gebäude ersetzt. Als Beispiel diene Schützengasse 52, einst ein kleines Häuschen, aus Riegelholz erbaut, von 6 mal 9 Meter Grundfläche. Es gehörte damals der Schuhmacherfamilie Marx Löliger-Frey-Wenk. Doch es gab zu viele Schuster und zu wenig Arbeit. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch er mit seinen Kindern auf der Liste der Indiennearbeiter auftauchte. Neun seiner dreizehn Kinder starben vorzeitig. Die überlebenden drei Söhne mussten alle in der Fabrik arbeiten gehen. «Er lebt vom Handwerk und vom Verdienst seiner Söhne», vermerkte der Pfarrer auf der Liste von 1796. Nach seinem Tod erbte der jüngste Sohn Johann Jakob das Haus. Er arbeitete als Indiennedrucker. Später wurde er als Taglöhner und zeitweise als Maurer bezeichnet. 1839 übergab er das Haus seinem Sohn Johannes. Dieser, Maurer von Beruf und stolzer Besitzer einer Steingrube, riss sogleich die alten Mauern nieder und errichtete das heute noch bestehende Wohnhaus mit Scheune und Stall, das den gestiegenen Wohnansprüchen eher entsprach.

Mitte des 19. Jahrhunderts entstand an der Schützengasse eine ganze Reihe neuer Wohnhäuser. Altgemeindepräsident und Grossrat Samuel Stump-Stump liess hier, als Ersatz für die durch den Bau der Wiesentalhahn abgebrochenen Gebäude, zwischen 1862 und 1866 sieben einund zweigeschossige Wohnhäuser erbauen. Sie sind zum grossen Teil wenig verändert erhalten geblieben (Schützengasse 30-46).

Sie wurden als Doppelwohnhäuser angelegt: Zwei Wohnungen liegen jeweils nebeneinander, erschlossen durch einen gemeinsamen Hausgang. Die Wohnstube blickt gegen die Strasse. Neben der Stube führt ein Gang von der nunmehr strassenseitig gelegenen Haustür zur Küche. Seitlich der Küche befand sich ein kleineres Zimmer. Eine weitere Tür in der Rückwand der Küche bildet die Verbindung zum Hof. über die Treppen im Flur erreicht man den Dachboden und den Keller. Der Wirtschaftstrakt umfasste einen Scheunenbereich und einen kleinen Stall.

Die Gebäude gehören zu den letzten im 19. Jahrhundert in der ländlichen Tradition erbauten Taunerhäusern. Die auf dem Prinzip der Selbstversorgung beruhende Verbindung eines einfachen Wohnbereichs mit einer Stallscheune hat sich überlebt. Innert weniger Jahrzehnte wurden die ökonomiegebäude ebenfalls zu Wohnungen ausgebaut. Sie markieren den Beginn des uns vertrauteren Arbeiterhauses der modernen Zeit.

Literatur und Quelle: Historisches Grundbuch Riehen (Hausdokumentation; Personenkartei} Staatsarchiv BS (Handel und Gewerbe LL 9; Sanitätsakten PIb) Albin Kaspar: Häuser in Riehen und ihre Bewohner. H. 1-2, Riehen 1996-2000 Christian Simon: «Wollt ihr euch der Sklaverei kein Ende machen?» Der Streik der Basler Indiennearbeiter im Jahre 1794, Allschwil 1983 Luca Trevisan: Das Wohnungselend der Basler Arbeiterbevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 168. Neujahrsblatt, Basel 1989.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2003

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