Kreativ-kontinuierlich Mit Phantasie und grosser Neugierde

Daisy Reck

Werner Piram hat als Gestalter alle bisher erschienenen vierzig Riehener Jahrbücher mitgeprägt. Er tat es mit Engagement, Herzblut und Sachkunde.

 

Ein runder Tisch. Ein Regal mit Nachschlagewerken. Und ein Brett voller ausgeführter Aufträge. Der Raum wirkt hell. Die dominante Farbe ist weiss. Und die Atmosphäre sagt etwas aus über das Gleichzeitige von kluger Organisation und grosser ästhetik. Die zwei an der Wand hängenden Siebdrucke, dem Konstruktivismus eines Mondrian verwandt, deuten mit den auf ihrer Spitze stehenden Quadraten eine Art von Leitmotto an: Bewegung in der Ordnung.

Wir sind im ausgebauten Dachstock der Firma Schudel im Schopfgässchen. Hier plant, rät und formt Werner Piram. Er hat alle bisher erschienenen Riehener Jahrbücher als Gestalter mitgetragen. Jetzt ist er daran, mit dem vierzigsten Band diese Aufgabe abzurunden. Im Frühjahr wird er sich, 64-jährig, in einen neuen, beschaulicheren Lebensabschnitt zurückziehen.

Täglich Grenzen überschreitend Werner Piram ist jenseits der Grenze geboren: in Inzlingen, wo sich seine Vorfahren vor sieben Generationen, aus Ungarn zugewandert, niederliessen. Dort wuchs er auf. Dort wohnt er noch heute. Dort träumte er in seiner Jugend vom Beruf eines Zeichenlehrers. Doch die Umstände wollten es anders. In Lörrach absolvierte er die Lehre eines Schriftsetzers. Und unmittelbar darauf liess er sich an der Basler Kunstgewerbeschule zum typografisehen Gestalter ausbilden. Mit 22 Jahren hatte er dann nicht nur das richtige Rüstzeug und die notwendige Erfahrung, sondern auch das gesunde Selbstvertrauen, um sich für ein Inserat von Schudeldruck zu interessieren. Es ging um die Stelle eines Setzereifaktors.

Seine Bewerbung war erfolgreich. Er startete im März 1959. Und befasste sich sogleich mit der Verwirklichung einer Idee für ein Riehener Jahrbuch. Weil die Firma Schudel in den folgenden Jahren wuchs, weil sie sich dem technischen Fortschritt öffnete und vor allem weil sich eine menschliche übereinstimmung ergab, blieb Werner Piram, trotz zahlreichen reizvollen Angeboten, von da an seiner Tätigkeit in Riehen treu.

Einer der Schlüssel zum Leben

Etwa zehn Prozent seiner Arbeit investiert Werner Piram heute in die Gestaltung des Jahrbuchs. Doch was sind Prozente, wenn es sich um Zuneigung dreht? Oder sogar um eine Liebesbeziehung: Wie jeder auf Anhieb spüren muss, der den Gestalter über das Entstehen der vierzig Bände erzählen hört. Er spricht über sie wie über eigene Kinder. Und er sagt, sie seien einer der Schlüssel zu seinem Leben. Denn dank ihrer Vielfalt konnte er sich mit der unterschiedlichsten Thematik vertraut machen und dabei nicht nur Kenntnisse ansammeln, sondern auch Riehen bis ins Innerste entdecken. Dabei kam ihm einerseits sein Wissensdurst entgegen. Dabei half ihm aber anderseits auch seine Aussenseiterposition als Inzlinger, die ihn vor Verstrickungen bewahrte. Jeden Abend holte er sich auf dem Weg über die Grenze - den Tag überdenkend und sich auf die für ihn zum Zentralen zählende Familie freuend - wieder die nötige Distanz und die kreative Unabhängigkeit.

Kreativität, das war die eine Eigenschaft, welche das Jahrbuch von Werner Piram verlangte. Kontinuität, das war die andere. Zwar klaffen optische Welten zwischen der schmalen Broschüre, welche zu Beginn der Reihe im Jahr 1961 herausgegeben worden ist, und dem ansehnlichen Buch, das nun wieder, wie immer im Dezember, vorliegt. Vergleicht man jedoch von Band zu Band, dann erkennt man, wie subtil und geduldig sich die Entwicklung nach vorwärts vollzogen hat. An der Seite aussergewöhnlicher und unterschiedlichster Persönlichkeiten, die redaktionell das Jahrbuch prägten, steuerte Werner Piram klug einen Kurs am Puls der Zeit. Schritt für Schritt führte er Neuerungen ein: bisweilen kaum wahrnehmbar, aber immer mutig und informiert die Zukunft nicht aus den Augen verlierend.

Unerbittliches Ringen um Niveau

Wer mit Werner Piram in der Redaktionsverantwortung für das Jahrbuch zusammenarbeitet, wird mitgerissen von seiner Vitalität. Er begegnet einem Menschen voll starker Phantasie und voll unglaublicher Neugierde. Sein Interesse gilt nicht nur der Gestaltung, sondern gleichermassen der Aussage. Und sein Credo ist das dienende Umsetzen einer Idee ins Visuelle. Dabei ringt er unerbittlich um Niveau: nicht auf der Basis des Elitären, vielmehr auf der Basis des Verständlichen. Denn er will Inhalte verdeutlichen. Und er tut dies auf dem Weg über die Einhaltung strenger Regeln. Da gibt es das Bekenntnis zum Purismus und gegen das Modische, zum Systematischen und gegen den Gag. Und ausserdem glaubt er daran, dass das, was nicht brauchbar ist, nicht brauchbarer wird, wenn es schön ist. Er ist das Gegenteil eines verbohrten Fachmanns. Er gehört zur Rarität der verbliebenen Generalisten. Er ist ein Mitdenker. Und er ist nie zufrieden. Da wird gefeilt und geprüft, verworfen und wieder aufgenommen. Und vor allem werden überlegungen ausgetauscht, Einflüsse aufgesogen und Sprachverbesserungen debattiert.

Zwar steht der Turm der Riehener Kirche gross vor dem Fenster des Arbeitsraums im Dachstock. Und mahnend rückt der Minutenzeiger am goldenen Zifferblatt Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Doch das kümmert Werner Piram wenig, wenn er sich bei der Planung des Jahrbuchs ins Feuer hineingeredet hat. Denn seine Diskussionsbereitschaft ist grenzenlos.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2000

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