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Rolf Spriessler

Bogenschützin Rita Faber und Mountainbikerin Katrin Leumann teilen sich den Riehener Sportpreis 2003.

 

Die eine bald 40, in den 80er-Jahren längere Zeit Mitglied des Nationalkaders, Schweizer Meisterin der Jahre 2002 und 2003, die andere noch keine 23, Teilnehmerin an Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen und aktuell die Jüngste in den Top Zwanzig des Weltcups. So unterschiedlich wie ihre Sportarten - Bogenschiessen und Radrennsport - sind die beiden Sportlerinnen, die sich den Sportpreis der Gemeinde Riehen für das Jahr 2003 teilen: Rita Faber und Katrin Leumann.

 

Nach Jahren, in denen sie sich ihrem Ehemann Dominik Faber und den beiden Söhnen Adrian und Florian gewidmet und ihr Training stark zurückgeschraubt hatte, meldete sich Bogenschützin Rita Faber im Jahre 2002 an der absoluten nationalen Spitze zurück. Am 19. August 2002 wurde sie mit dem Recurve-Bogen, mit dem auch an den Olympischen Spielen geschossen wird, Schweizer Meisterin, nachdem sie in der Qualifikation einen Schweizer Rekord aufgestellt hatte. Zusammen mit ihrem Mann Dominik Faber, der den Titel bei den Männern gewann, und Angelo Vasile holte Rita Faber für die Bogenschützen Juventas auch noch gleich den Mannschafts-SchweizerMeistertitel 2002. Im Jahr 2003 verteidigte sie ihren Schweizer Meistertitel im Einzel, holte mit dem Team Silber und gewann das Internationale Turnier um den Goldenen Bogen von Basel, das bedeutendste Turnier der Schweiz, das jedes Jahr auf den Sportanlagen St. Jakob ausgetragen wird. Ausserdem stellte sie 2003 in Yverdon drei neue Schweizer Rekorde auf.

 

Dass es viel braucht, um im Bogenschiessen Erfolg zu haben, merkte Rita Faber schon als Teenagerin. Zuerst dachte sie, das sei einfach und wenig spannend, als sie eine Kollegin zum Bogenschiessen mitnehmen wollte. Vom Handball und vom Judo her war sie sich mehr Action gewohnt. Als sie Bogen und Pfeil dann in die Hand nahm, realisierte Rita Faber bald, dass es eine anständige Portion Kraft und Konzentration braucht, um den Pfeil über eine gewisse Distanz genau ins Ziel zu bekommen, und zwar nicht einfach einmal, sondern möglichst jedes Mal. Eine Fita-Runde, ein volles Turnier über vier verschiedene Distanzen, umfasst ein Programm von 144 Pfeilen. Um ganz vorne mit dabei zu sein, kann man sich grobe Fehlschüsse nicht erlauben.

Heute werden die meisten Turniere in einer anderen Form geschossen. Der Qualifikationswettkampf umfasst dort 72 Pfeile über eine Distanz von 70 Meter. Die besten 8, 16 oder 32 Schützen - je nach Grösse des Feldes - qualifizieren sich für die Direktausscheidung, für die ein Tableau erstellt wird, in welchem der Beste gegen den letzten Qualifizierten antritt, der Qualifikationszweite gegen den Zweitletzten usw. Der Sieger kommt weiter, der Verlierer scheidet aus, bis es zum Final um den Turniersieg kommt.

Als Rita Faber gemerkt hatte, dass das Bogenschiessen nicht so einfach war, wie sie zunächst gedacht hatte, packte sie der Ehrgeiz. Sie trat 1980 den Bogenschützen Juventas bei, die ihr Trainingsgelände am Lettackerweg im Stettenfeld haben, wurde Juniorinnen-Schweizer-Meisterin und erhielt 1984 ihr erstes Aufgebot für das Schweizer Nationalteam. Von 1985 bis 1989 war Rita Faber Mitglied des Schweizer Nationalteams, erreichte an zahlreichen internationalen Turnieren gegen starke Konkurrenz TopTen-Plätze und wurde an den Europameisterschaften 1988 in Luxemburg Dritte des Qualifikationswettkampfes im Frauen-Einzel - ihr bisher sportlich wertvollstes Resultat. Seit Jahren ist Rita Faber das Aushängeschild der Bogenschützen Juventas, ein Verein, der seit seiner Gründung in Riehen tätig ist und seit 2004 auch seinen offiziellen Vereinssitz in Riehen hat.

Eine grosse Stärke der Sportlerin Rita Faber ist ihre Ruhe und Konzentrationsfähigkeit. Gerade die Fähigkeit, sich immer wieder von neuem zu konzentrieren, ist beim Bogenschiessen sehr wichtig, denn beim Wettkampf gehen die Schützinnen und Schützen nach drei bis sechs Pfeilen - je nach Distanz - zur Scheibe, um die Resultate abzu lesen und die Pfeile zu holen, bevor sie zur Linie zurückgehen, um die nächsten Schüsse abzugeben. Die Kunst besteht darin, sich auf sich selbst zu konzentrieren - unabhängig davon, was die dicht daneben stehenden Schützinnen und Schützen tun. Bogenschiessen ist keine Publikumssportart. Es ist schwierig, den Wettkampf von aussen genau zu verfolgen. Die Zwischenranglisten machen den Turnierverlauf nachvollziehbar.

Bogenschiessen ist eine Tätigkeit, die ihre Wurzeln tief in der Vergangenheit hat. Es gibt Funde von schon recht aufwändig gefertigten Pfeilen mit Holzschaft und Steinspitze, die auf 8000 bis 9000 Jahre vor Christus datiert werden, und es gibt Felsmalereien aus jener Zeit, die Bogenschützen zeigen. Der Bogen war eine wichtige Jagd- und später auch Kriegswaffe und schon früh gab es Wettbewerbe im Bogenschiessen, teils grosse Turniere. Bogenschiessen war bereits 1900 erstmals im Programm der Olympischen Spiele der Neuzeit und ist seit 1972 ununterbrochen olympische Disziplin.

Im Gegensatz zum Bogenschiessen ist Mountainbike eine sehr junge Sportart, eine Trendsportart, die sich aus dem abenteuerlichen Radfahren vor allem jüngerer Biker abseits der normalen Strassen entwickelt hat und inzwischen auch olympisch geworden ist. Katrin Leumann, die jüngere der beiden aktuellen Sportpreisträgerinnen, ist eine Sportlerin, die nicht gerade an übersteigertem Selbstbewusstsein leidet. Es brauchte viel Zeit, bis sie sich zutraute, auf dem Velo grössere sportliche Aufgaben in Angriff zu nehmen.

«Ich bin kein Schmucktyp, und so wünschte ich mir auf die Konfirmation ein Mountainbike, denn ein normales Velo hatte ich schon und mein älterer Bruder Christof fuhr damals schon ein Mountainbike», erzählt sie über den Anfang ihrer heutigen Leidenschaft. Sie unternahm mit ihrem Bruder und den Nachbarn öfters Velotouren und meldete sich für ein Bikelager an, an dessen Ende die Teilnahme an einem Strom-Cup-Rennen stand. Sie lernte Mountainbike-Nationaltrainer Andi Seeli kennen und bekam Spass daran, Rennen zu fahren.

Doch Vertrauen in ihre Fähigkeiten hatte sie eigentlich nicht. So löste sie für das Jahr 1999 nicht etwa eine Juniorinnenlizenz, sondern fuhr in der lizenzfreien Plauschkategorie der Frauen, mit ungeahntem Erfolg. Sie gewann einige Rennen, liess lizenzierte Fahrerinnen hinter sich und das alles ohne eigentliches Velotraining. Sie betrieb mehrere Sportarten miteinander. So trainierte sie in den Reihen der Skisektion des TV Riehen, dem heutigen Skiund Sportclub Riehen, betrieb Leichtathletik beim TV Riehen und spielte Fussball beim FC Amicitia.

Hätte sich Katrin Leumann im Jahr 2000 dazu entschliessen können, eine Lizenz zu lösen, hätte sie sich mit ziemlicher Sicherheit für die Juniorinnen-Weltmeisterschaft qualifiziert. Doch auch jene Saison bestritt sie in der FunKategorie der Frauen und wurde dort immer besser. Nach einem Trainingscamp wurde sie von Andi Seeli ermutigt, an einem Swiss-Cup-Rennen mitzumachen. «Was soll ich dort?», fragte Katrin Leumann, liess sich aber überreden und gewann den Swiss-Cup-Final 2000 in Savognin in ihrer Kategorie. Im Winter 2000/2001 bereitete sie sich erstmals nach einem spezifischen Trainingsplan des Nationaltrainers auf eine Saison vor, löste endlich eine Lizenz und bestritt 2001 erstmals Rennen in der Elitekategorie der Frauen. Gegen die gesamte Schweizer Elite und einzelne ausländische Spitzenfahrerinnen klassierte sie sich regelmässig unter den ersten zehn und qualifizierte sich für das Weltcuprennen in Leysin. Schon hier zeigten sich die Stärken von Katrin Leumann, die sie seither sukzessive ausgebaut hat. Leumann ist nicht nur eine physisch starke Fahrerin, die über eine fantastische Ausdauer verfügt, sie ist heute auch die technisch mit Abstand beste Schweizerin im Mountainbikesport. In Abfahrten ist sie deshalb extrem schnell und wählt auch gewagte Routen, wo ihre Konkurrentinnen zum Teil kleine Umwege in Kauf nehmen. Ausserdem kann Katrin Leumann auf ein gutes Umfeld zählen. Ihre Mutter begleitet sie oft an die Rennen, der Vater wirkt als Sponsor im Hintergrund, ihr Bruder bestreitet zum Teil dieselben Rennen, mit Jean-Claude Baumann hat sie einen persönlichen Berater und der Riehener Velohändler Thomas Schmidli, der ihr mit seinem Geschäft in den Anfangsjahren ihr Material besorgte und wartete, steht ihr noch heute für kleinere Probleme und Notfälle bei.

Im Jahr 2002 durfte Katrin Leumann am internationalen Radsportförderprojekt «Centre Mondial du Cyclisme» in Aigle teilnehmen und trainierte dort unter Profibedingungen. Sie schaffte erste Podestplätze an nationalen Eliterennen, startete im Weltcup und qualifizierte sich für die Europameisterschaft, wo sie den 33. Platz unter 55 Teilnehmerinnen belegte. «So nebenbei» bestritt sie auch einige Strassenrennen: das viertägige Etappenrennen «Tour de la Drôme» in Frankreich beendete sie als hervorragende Gesamtzehnte, in einem gut besetzten Eintagesrennen in Fribourg wurde sie Zweite. So unterschrieb sie für 2003 nicht nur einen Vertrag mit dem Mountainbiketeam Fischer-BMC, sondern wurde auch Mitglied des Baselbieter Strassenrennteams «next 125» und bestritt seither mehrere Weltcuprennen auch auf der Strasse. Sie tat dies so gut, dass es Stimmen gab, die sagten, Katrin Leumann solle sich ganz auf den Strassenrennsport konzentrieren. Doch das will sie nicht. Mountainbike macht ihr mehr Spass.

Im Jahr 2003 schaffte Katrin Leumann den Durchbruch auf nationalem und internationalem Parkett - und das parallel zu ihrer Ausbildung zur Kindergärtnerin und Unterstufenlehrerin, die sie nach einem Unterbruch wieder aufgenommen hatte. Katrin Leumann wurde 2003 Gesamtsiegerin im Swisspower-Cup, der bedeutendsten Rennserie der Schweiz mit internationaler Beteiligung, und belegte Spitzenplätze an Weltcuprennen. Höhepunkt war der 10. Platz am Weltcuprennen von St. Wendel in Deutschland. Im WeltcupGesamtklassement 2003 wurde sie Einundzwanzigste, an der Europameisterschaft in Graz fuhr sie auf den 23. und an der Weltmeisterschaft in Lugano auf den 34. Platz.

Das Jahr 2004 hat Katrin Leumann ganz stark begonnen. Sie war die einzige Schweizer Spitzenfahrerin, die in den ersten vier Weltcuprennen der Saison punktete: als Siebzehnte in Madrid (Spanien) und Houffalize (Belgien), Achte in Fort William (Schottland) und Zehnte in Schladming (Osterreich). Ausserdem wurde sie sensationelle Sechste am Olympia-Testrennen vom 15. Mai 2004 in Athen. Ihre grosse Freude und Unbekümmertheit hat sich das Naturtalent bis heute bewahrt. Die Strassen-Schweizer-Meisterschaft 2004 fuhr sie, um ihrer Sportgruppe «next 125» «einen Gefallen zu tun» - und wurde dabei gute Zehnte. Im Juli 2004 wurde sie überraschend Schweizer Meisterin und bestritt als kurzfristig aufgebotene Ersatzfahrerin das Olympiarennen in Athen, das sie als Neunzehnte beendete.

Die übergabefeier des Sportpreises 2003 fand am Montag, 10. Mai 2004, im Lüschersaal der Alten Kanzlei statt.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2004

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