Natürliche Lebensräume vernetzen


Salome Leugger


In einer immer intensiver genutzten Landschaft kommt den Siedlungen eine wichtige Rolle als Ersatzlebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten zu. Im Schaugarten Brühl zeigt die Gemeinde Riehen, wie private Gartenbesitzerinnen und -besitzer Natur und Biodiversität in ihrem Garten fördern können.


Oft sind es bereits kleine Massnahmen, die einheimischen Tieren und Pflanzen Lebensraum und Nahrung bieten: Ein richtig angelegter Holz- oder Steinhaufen dient als Sonnen- und Überwinterungsplatz für Eidechsen, eine weniger gepflegte Ecke bietet Nahrung für unzählige Insekten. Einheimische Sträucher wie das Gemeine Pfaffenhütchen oder der Wollige Schneeball erfreuen mit einer vielfältigen Duft- und Blütenpracht die Gartenbesitzerinnen und -besitzer und mit ihren Früchten und Beeren viele Vogelarten. Und aus Brennnesseln und Löwenzahn lassen sich natürliche Jauchen herstellen, die zur Bekämpfung von Schädlingen oder zur Düngung verwendet werden können. Der Schaugarten Brühl präsentierte bislang über hundert solcher Ideen, Massnahmen und Pflanzen, die zu einem naturnahen Garten beitragen.


Vom Niederholz ins Brühl 


Im Jahr 2010, dem Internationalen Jahr der Biodiversität, wurde am 8. Mai der erste öffentlich zugängliche Natur-Lehrgarten der Gemeinde bei der S-Bahn-Station Niederholz eröffnet. Ziel war die Motivation mittels Information der Bevölkerung sowie von Bauherren und Immobilienverwaltungen, Gartenareale naturnah zu gestalten. Diverse Führungen durch den Garten waren in den folgenden Jahren jeweils gut besucht. Schon bei der Erstellung war jedoch bekannt, dass der Schaugarten Niederholz einer Zentrumsüberbauung weichen muss. 


Bereits im Jahr 2012 wurde deshalb mit der Planung eines neuen Naturgartens begonnen. Mit der Parzelle am Brühlmattweg konnte ein definitiver Standort gefunden werden, der mehr Platz und bessere Bodenverhältnisse als der bisherige im Niederholz bietet und nur wenige Minuten vom Dorfzentrum entfernt ist. Die Konzeption der Anlage erfolgte, wie bereits im Schaugarten Niederholz, durch den Biologen Daniel Rüetschi in enger Zusammenarbeit mit Matthias Stocker, dem diplomierten Naturgartenspezialisten der Gemeindegärtnerei. Sie profitierten von den Erfahrungen im Schaugarten Niederholz: Da wurden verschiedene Blumenwiesentypen angelegt, die aber aufgrund der ungünstigen Bodensituation nicht richtig angewachsen sind. Im Brühl wurde nun die Wiesenansaat dem Bodentyp genau angepasst. Bereits im Frühling 2013 begann die Umsetzung: Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kirschgarten und Lehrlinge der Stadtgärtnerei bauten mit grossem Einsatz die grosse Trockenmauer und die Kräuterspirale. Anschliessend wurden die Stauden und Wildsträucher gepflanzt, um ihnen bis zur Eröffnung ein gutes Anwachsen zu ermöglichen. Im Jahr darauf folgte die Ansaat der Blumenwiese. Die letzte Etappe fand kurz vor der Eröffnung ihren Abschluss: Mit dem Schattenbereich und dem kleinen Wassergraben sind im Schaugarten Brühl zwei weitere wichtige Lebensräume vertreten. Zuletzt wurden diverse Bauten vom Niederholz ins Brühl gezügelt. Alle Arbeiten wurden mit viel Engagement und Fachwissen durch Mitarbeitende der Gemeindegärtnerei und des Werkhofs ausgeführt oder angeleitet. Parallel zu den praktischen Arbeiten im Garten entstanden die Texte für die Informationstafeln und die Broschüre wurde gestaltet.


Die langfristige Planung und die sorgfältig ausgeführte Umsetzung hatten sich gelohnt: Der Schaugarten Brühl präsentierte sich am Eröffnungsanlass am 30. Mai dieses Jahres in schönster Blütenpracht und stiess auf reges Interesse. Nach der offiziellen Eröffnung durch Gemeinderätin Christine Kaufmann konnten sich die zahlreichen Besucherinnen und Besucher durch den Garten führen oder an einem der Stände über Igel, Fledermäuse, Vögel und Blumenwiesen informieren lassen. Die durch die Fachstelle Umwelt abgegebenen einheimischen Wildrosensträuchlein, Saatmischungen für Blumenwiesen und Nisthilfen für Wildbienen fanden regen Absatz und erfreuen die Gartenbesitzerinnen und -besitzer hoffentlich noch lange.


Vernetzte Lebensräume erleben 


Privatgärten und Grünanlagen in den Siedlungen erfüllen eine wichtige Funktion als Ersatzlebensräume, aber auch als sogenannte ‹Trittsteine› für die Vernetzung der Arten. Als grüne Inseln ermöglichen sie heimischen Tier- und Pflanzenarten, von einem Biotop ins nächste zu gelangen und so die verschiedenen Lebensräume miteinander zu vernetzen. Je naturnäher diese Trittsteine sind, umso besser können sie ihre Funktion erfüllen.


Der Schaugarten Brühl zeigt, dass es gar nicht so schwierig ist, selber solche Trittsteine zu schaffen. Er liegt im 2001 gegründeten Landschaftspark Wiese und ist nun selber ein Mosaikstein in diesem vielfältigen Natur- und Erholungsraum. Was im kleinen Naturgarten funktioniert, soll in grösserem Rahmen auch im Landschaftspark Wiese funktionieren, nämlich das Neben- und Miteinander von verschiedenen Nutzungsansprüchen. Erholungsnutzung und Naturschutz müssen sich nicht ausschliessen, sondern können einander bereichern.


Wie im Landschaftspark Wiese lässt sich auch im Schaugarten Brühl zu jeder Jahreszeit etwas entdecken. Im Frühling schlüpfen die Wildbienen in ihren Brutplätzen, die Reptilien und Amphibien verlassen ihre Überwinterungsquartiere und mit etwas Glück lässt sich die seltene Zauneidechse oder sogar der Laubfrosch blicken. Auf der Wiese blühen Margeriten, Wiesensalbei und Wiesenbocksbart. Im Sommer zeigen die Wildsträucher ihre Duft- und Farbenpracht und vielleicht zieht der Gartenrotschwanz in einem der Nistkästen seine Jungen gross. Im Herbst sind die Blüten der Sträucher farbigen Früchten gewichen und der Igel richtet im Laubhaufen sein Winterquartier ein.


Der Naturgarten Brühl lädt zum Verweilen und Entdecken ein und dadurch hoffentlich auch zur Nachahmung im eigenen Garten. Denn auch dort wird das Einrichten einer naturnahen Ecke bald mit spannenden Beobachtungen oder überraschenden Begegnungen belohnt!


 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2015

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