Ökumene in Kopf und Bauch

Franz Kuhn

Am 14. Juni 2009 ist der ehemalige Kirchenratspräsident und frühere Pfarrer der Dorfkirche Theophil Schubert in seinem 83. Altersjahr in Basel gestorben.

 

Als ich 1971 Pfarrer der römisch-katholischen Pfarrei St. Franziskus Riehen-Bettingen wurde, hatte ich das Glück, in der reformierten Nachbarskirche St. Martin in Theo Schubert einen liebenswürdigen und ökumenisch gesinnten Pfarrer zu treffen. Zuerst beschnupperten wir einander mit gewählten, gescheiten Worten. Bald aber fanden wir einander als Bruder und Freund. Nicht die vielen gemeinsamen Sitzungen über ökumene bleiben mir in Erinnerung, sondern vielmehr, dass es uns gelang, eine ökumene in Kopf und Bauch, wie es Professor Dr. Wolfgang W. Müller aus Luzern formulierte, zu leben. Weil wir uns als Menschen schätzten, bekam alles, was wir taten, eine gewisse Herzlichkeit. ökumene stagniert dann, wenn wir miteinander Schach spielen. Jeder macht seine Züge und versucht zu gewinnen. Dieser Weg bringt nichts. Wir müssen nicht miteinander spielen, sondern handeln. In jeder Konfession sind so viele Schätze verborgen, dass es uns weiterführt, einander an diesen Schätzen teilhaben zu lassen, als nebeneinander zu leben. Die Frage stellt sich: Was haben wir Christen miteinander dieser Welt zu sagen, die immer mehr von Gott wegdriftet? Wir waren miteinander mehr als «nur» tolerant, denn Toleranz kann man auch unbewegt leben: Man achtet zwar den andern, aber man will ihm nicht nahe kommen und man lässt sich von ihm auch nicht beeinflussen. Wie kommen wir aber einander nahe?

Was ich an Theo Schubert schätzte, war sein tiefer Glaube an Gott, der uns in Jesus Christus erschienen ist. Wir durften miteinander erfahren, dass uns Gott nicht trennen, sondern zusammenführen wollte. Weil wir als Menschen ein gutes Essen bei Aletta im reformierten Pfarrhaus oder im Pfarrhaus St. Franziskus schätzten, fanden wir uns auch im Glauben. Wir fingen an, jeweils am Mittwochabend miteinander zu beten, Abendmahl und Eucharistie zu feiern. Nicht der Kopf führte uns zusammen, sondern der Glaube und das Herz. Weil wir miteinander beteten, sangen und ins Geheimnis Gottes eintauchten, haben wir uns über die Grenzen hinweg gefunden. Als ich 1982 von Riehen nach Bern zog, Theo Schubert zügelte bereits 1978 nach Basel, verabschiedeten mich die reformierten Frauen - anlässlich eines ökumenischen Gottesdienstes im Meierhof - mit einem wunderbaren Nachtessen. Nach dem Essen kam eine reformierte Frau zu mir und sagte: «Spüren Sie, Herr Pfarrer, dass sie jetzt verabschiedet werden, als wären sie einer von uns?» Diese Aussage kann ich nicht mehr vergessen. Das war ökumene in Kopf und Bauch.

Als Theo Schubert sich von Riehen verabschiedete, fragte ich ihn, was er sich wünsche. Er wünschte sich eine weisse Tunika. In der Folge fuhren wir zusammen zu den Schwestern ins Kloster Fahr. Immer wieder, wenn auch seltener, kamen wir zusammen, sei es zu Hochzeiten oder verschiedensten Anlässen. Am vergangenen St. Nikolaustag 2008, wo sich jeweils reformierte und römischkatholische Pfarrer im Kloster Dornach zum Morgenlob und zu einem guten Mahl einfinden, sprach er ein tiefgründiges Wort. Bei der Investiturfeier 2008 des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, zusammen mit dem Malteser und dem Johanniterorden, durften wir im Münster zu Basel noch einmal miteinander wirken.

Nun hat sich Theo durch seinen Tod still von uns verabschiedet. Mit Aletta und seinen Söhnen bleibe ich in Dankbarkeit verbunden in der Hoffnung, dass sein Glaube und sein ökumenisches Wirken in Riehen und Basel nicht vergessen wird.

 

 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2009

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