Rezepte aus Riehener Küchen
Sibylle Meyrat, René Schanz
Gibt es eine typische Riehener Küche? Eine erste Suche in lokalen Archiven war wenig ergiebig. Sofern sich in Kochbüchern alte Rezepte fanden, waren sie stark von verschiedensten Einflüssen geprägt. Das Dienstpersonal, das bis ins 20. Jahrhundert in den meisten bürgerlichen Haushalten Basels und Riehens angestellt war, kam aus Südbaden und dem Elsass und prägte die hiesige Küche entscheidend mit. Als europäisches Handelszentrum war Basel zudem seit dem Mittelalter kulinarischen Einflüssen vieler Länder ausgesetzt, was sich etwa an der frühen Verwendung von Safran und Ingwer zeigt.
Dennoch gibt es eine Reihe von Rezepten aus Riehener Küchen, die einen engen Bezug zum Ort aufweisen und die Tradition betonen: Sie wurden von Köchen aus Riehen kreiert und verwenden Zutaten, die hier wild wachsen oder angebaut und gezüchtet werden. Mit René Schanz fand sich schliesslich ein Kenner der lokalen Kochtradition. Über mehrere Generationen führte seine Familie das Restaurant ‹Lindenhof› an der Baselstrasse. Für die Leserinnen und Leser des Jahrbuchs hat René Schanz eine Auswahl von Rezepten zusammengestellt, die sich auch für Laien bestens zum Nachkochen eignen. Von der leichten Riehener Frühlingssuppe bis zu den währschaften Laubfröschen bieten sie eine kulinarische Reise durch das Jahr. E Guete!
Riehener Frühlingssuppe
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
200 g Moostaler Bettseicherli oder Pfafferöhrli (Löwenzahntriebe) und 200 g Autaler Brennnesseltriebe waschen und fein hacken;
1 Stk. Frühlingszwiebel waschen und feinschneiden;
100 g festkochende Kartoffeln schälen und fein würfeln;
50 g Butter in einer ausreichend grossen Pfanne erhitzen und alle Zutaten unter Rüh ren andünsten. Mit
12 dl Geflügelbouillon auffüllen und aufkochen; 30 Minuten leicht köcheln lassen. Derweil
2 Stk. Eigelb und
2 dl Vollrahm verrühren (Liaison). Die Pfanne von der Hitzequelle entfernen und die Liaison in die heisse Suppe einrühren; mit
Salz, Pfeffer und frisch geriebenem Muskat abschmecken (nicht mehr kochen!).
‹Diichforälle Bürgermaischter Wettstein›
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
4 Stk. ausgenommene Bachforellen aus dem Neuen Teich mit
Salz und weissem Pfeffer würzen, in
wenig Weissmehl drehen und abklopfen.
100 g Erdnussöl in einem ausreichenden Bratgeschirr erhitzen und die Forellen darin beidseitig auf dem Herd kurz anbraten, danach in den 180°C heissen Ofen stellen und 10 Minuten fertig braten (zwischendurch wenden und mit dem Bratfett übergiessen). Derweil
100 g Würfeli von geräuchertem Speck in
20 g Butter dünsten und
100 g gewaschene, halbierte frische Spitzmorcheln vom Bachufer beigeben, weiter dünsten. Mit
1 dl Schlipfer Riesling x Sylvaner ablöschen, kurze Zeit einreduzieren lassen und mit
Salz und weissem Pfeffer würzen. Die gegarten Forellen (der Garpunkt ist optimal, wenn sich die Flossen ohne Widerstand wegziehen lassen) auf heissen Tellern anrichten.
50 g in feine Streifen geschnittene unter die Speck-Morchel-Mischung geben und diese gleichmässig über die Bärlauchblätter Fische verteilen. Als typische Beilage werden geschälte Frühlingskarotten und kleine Neue Kartoffeln, halbierte Radieschen und Zuckermus (junge Kefen) gemeinsam weichgedämpft und in mit gehackter Petersilie versetzter, heisser Butter geschwenkt und abgeschmeckt serviert.
‹Lauwarmi Chirsitarte›
Zutaten für 8 Personen Vor- und Zubereitung
400 g Hefeteig (Zopfteig) mit dem Wallholz maximal 1 cm dick rund ausrollen und den Rand leicht zusammendrücken (wölben); auf ein mit Backpapier ausgelegtes Back- oder grosses Kuchenblech legen und mit einer Gabel gleichmässig einstechen. Den Ofen auf 180° C erhitzen.
40 g geriebene Haselnüsse vom Ausserberg gleichmässig über den Teig streuen.
400 g entsteinte, süsse Riechemer Chirsi mit wenig Kirschwasser marinieren und ebenfalls gleichmässig auf dem Teigfladen verteilen. Die Tarte in der Ofenmitte 5 Minuten vorbacken lassen. Derweil
3 Stk. Eigelb mit
2 dl Vollrahm verrühren und mit
20 g Vanillezucker und wenig Zimtpulver verfeinern. Diesen Guss langsam auf die vorgebackene Tarte verteilt aufgiessen und nochmals rund 20 Minuten bei 160° C ausbacken; Tarte auf dem Blech abkühlen lassen. Die Chirsitarte in lauwarmem Zustand mit Puderzucker bestäuben, aufschneiden und zu jedem Stück eine Kugel Vanilleglace und nach Belieben geschlagenen Rahm servieren.
Lammrücken Hotel ‹Ascot›1
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
800 g am Stück ausgebeinter sowie parierter Lammsattel mitsamt den eingebundenen Filets mit
Salz und schwarzem Pfeffer würzen und in
50 g Butter oder Öl in einem Bratgeschirr bei 160°C im Ofen ‹saignant› braten (Kerntemperatur bei 40°C); herausnehmen und auskühlen lassen; Bindfaden entfernen.
30 g Tafelsenf mit frischen, gehackten Kräutern (Dill, Thymian, Rosmarin, Salbei, Estragon) und
20 g Paniermehl mischen und damit den erkalteten Braten vollständig einreiben. Den marinierten Braten in
400 g ausgerollten Blätterteig einwickeln, sodass die Teigenden gegen unten eingeschlagen sind. Mit
1 Stk. Eigelb den Teig bestreichen und mit einer Gabel rundum einstechen. Den Lammrücken im Ofen bei 180°C ausbacken und vor dem Aufschneiden 10 Minuten ruhen lassen. Zwischenzeitlich eine Stachelbeeren-Minzsauce wie folgt zubereiten:
300 g grüne Stachelbeeren waschen und zerdrücken.
60 g Zucker, wenig Salz und weissen Pfeffer,
2 EL Weissweinessig und
2 dl braunen Lamm- oder Kalbsfond mit
10 g Maizena verrühren, das Ganze 15 Minuten unter Rühren kochen lassen. Mit einem Spatel durch ein feines Sieb streichen und
10 g frisch gehackte Pfefferminzblätter dazugeben. Als Beilage passen glasierte Kohlrabistäbchen und Griessgnocchi.
‹Pilzkräpfli Maienbühl›
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
500 g frische Pilze (Mischung aus Eier- schwämmchen, Kraterellen, echten Reizkern, Herbsttrompeten oder anderen essbaren Wild- pilzen) aus dem Wald reinigen, klein schneiden und in
30 g Butter in einer Bratpfanne rösten und mit wenig flüssiger Speisewürze marinieren.
100 g geräucherten Kochschinken in feine Würfeli schneiden.
20 g Leinsamen in einer Pfanne rösten.
40 g frische Petersilie hacken. Für den Brandteig
2 dl Milch mit
40 g Butter und
wenig Salz, weissem Pfeffer und frisch geriebenem Muskat in einer Pfanne aufkochen, dann
120 g gesiebtes Weissmehl in einem Mal dazugeben und sofort mit einer Holzkelle verrühren, bis sich der Teig von der Pfanne löst. Nacheinander
3 Stk. Eier gut darunter rühren. Alle obigen Zutaten darunter mischen und die Masse nach Bedarf abschmecken.
16 Stk. grosse Champignons vollständig vom Stiel befreien (herausschneiden) und die Masse satt und leicht gewölbt in den Hohlraum streichen. Die so gefüllten Pilzköpfe zuerst in
wenig Weissmehl und dann in
1 Stk. verrührtem Ei drehen und mit
100 g Paniermehl panieren.
Die Pilzkräpfli in einer Fritteuse bei 160° C ausbacken und mit einem marktfrischen Salat servieren.
‹Kalbsbroote Lindenhof›2
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
1 kg parierte Kalbsnuss mit
Salz und weissem Pfeffer würzen.
100 g getrocknete Lindenblüten in
3 l hellem Kalbsfond aufkochen und die Kalbsnuss darin rund eine Stunde bei 90°C garen lassen (nicht zu stark gewürzt) (pochieren). Die gegarte Kalbsnuss in wenig Sud heissstellen. Den restlichen Sud durch ein feines Sieb giessen und bei starker Hitze auf ein Viertel einkochen lassen.
3 dl Demi-Glace (gut gebundene Bratensauce) dazugeben und nochmals 10 Minuten einkochen lassen. Die Sauce mit
30 g Lindenblütenhonig verfeinern und mit
50 g gefrorenen Butterwürfeln unter stetem Rühren binden. Die Kalbsnuss mit einem Küchentuch trocknen. In einer Bratpfanne
50 g Bratbutter erhitzen und das Fleisch darin rundum knusprig braten.
Die Kalbsnuss in Tranchen schneiden und mit der Sauce überziehen. Dazu Kartoffelstock und Grünerbsen servieren.
Kalbsleber Riehener Art3
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
400 g frische Nudeln kochen, abschütten und mit
20 g Butter sowie Salz gut vermischen; warmstellen.
2 Stk. grosse Zwiebeln in feine Ringe aufschneiden, mit
Salz, Paprikapulver und wenig Mehl würzen und mischen; in einer Friteuse knusprig ausbacken und warmstellen.
3 dl gebundene Bratensauce aufkochen und mit
4 cl Marsala verfeinern; warmstellen.
2 Stk. Reinetten (alte, auch in Riehen mit dem Ausstecher entkernen und in gleichmässige, feine Scheiben schneiden kultivierte Apfelsorte) (8 Stück), mit
wenig Zitronensaft säuern und in
wenig Weissmehl drehen und abklopfen.
8 Stk. parierte Kalbslebertranchen zu 100 g mit
Salz und schwarzem Pfeffer würzen, in
wenig Weissmehl drehen und abklopfen. In einer Bratpfanne
50 g Erdnussöl stark erhitzen und die Lebertranchen sowie die Apfelringe gut und rasch ausbraten. Die Nudeln auf eine grosse, vorgewärmte Platte geben und die Lebertranchen darauf abwechselnd mit einem Apfelring anrichten, mit den frittierten Zwiebelringen dekorieren. Marsalasauce separat dazu servieren.
Traubencreme Wenkenhof4
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
3 Stk. Eigelb,
3 dl Milch,
120 g Zucker,
30 g Maizena und
1/4 Stk. Vanillestengel unter Rühren aufkochen, nach dem Dickwerden durch ein Milchsieb in eine Schüssel giessen und unter Rühren abkühlen lassen.
2 dl Schlipfer Chasselas oder Schaumwein und
2 cl Vieux Marc in der Creme gut verrühren. Dann
100 g weisse Trauben halbieren, entkernen und dazugeben. Zum Schluss
3 dl geschlagenen Vollrahm sorgfältig unterziehen und die Creme in Glasschalen abfüllen. Mit gewürfelten Läckerli bestreuen, kühl servieren.
Schlipfer Weissweinsuppe5
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
50 g Bleichlauch (oder weissen Teil des Lauchstengels) und
50 g Zwiebeln feinschneiden.
30 g Butter in einer ausreichend grossen Pfanne erhitzen und alle Zutaten unter Rühren andünsten. Mit
40 g Weissmehl bestäuben und mit
2 dl Schlipfer Weisswein (Gutedel) und
8 dl hellem Kalbsfond auffüllen. 30 Minuten köcheln lassen; zeitweise umrühren und abschäumen. Danach die Suppe durch ein feines Sieb in eine neue Pfanne leeren (das Gemüse entsorgen). Zusätzlich
1 dl Schlipfer Weisswein (Gutedel) beigeben, aufkochen und mit
2 dl Vollrahm verfeinern; mit
Salz und weissem Pfeffer abschmecken.
Je 50 g weisse und blaue Trauben halbieren, entkernen, mit
wenig Zimt und geriebenem Muskat würzen und in die heisse Suppe geben. Auf die angerichtete Suppe
frischen, gezupften Kerbel streuen.
1 Stk. Schwöbli (Fudiweggli) in Scheiben schneiden, toasten und dazu servieren.
Laubfrösche
Zutaten für 4 Personen Vor- und Zubereitung
8 Stk. grosse Krautstielblätter waschen, in kochendem Salzwasser eine Minute sieden und sofort in kaltem (oder grüne Wirsingblätter) Wasser auskühlen lassen. Danach mit einem Küchentuch trocken tupfen.
280 g grob gehacktes Kalbfleisch und
280 g grob gehacktes Schweinefleisch mit
1 Stk. in Milch eingeweichtem, dann ausgedrücktem und gehacktem Schwöbli vermengen und mit
2 Stk. feingehackten Schalotten,
20 g frischer, gehackter Petersilie und
2 Stk. Eigelb durchkneten; mit
Salz, schwarzem Pfeffer und nach Belieben mit Kreuzkümmel, Muskatblütenpulver (Macis) und wenig gehacktem Knoblauch rassig abschmecken.
20 g Butter in einem Bratgeschirr mit Deckel verteilen. Die Fleischmasse gleichmässig auf die 8 Wirsingblätter verteilen, diese satt rund formen, leicht flachdrücken und mit der Öffnung nach unten in das Bratgeschirr legen.
1 dl Schlipfer Riesling x Sylvaner und
2 dl Fleischbouillon dazu giessen, aufkochen lassen und im Ofen bei 180° C mit geschlossenem Deckel 0 Minuten schmoren lassen. Zwischenzeitlich für die Garniture
20 g Butter in einer Pfanne erhitzen,
40 g feine Lauchstreifen andünsten und danach
1 Stk. in Würfel geschnittene, entkernte Tomate sowie
30 g geviertelte Baumnusskerne vom Brühl mitdünsten und mit
Salz und Pfeffer abschmecken. Die Laubfrösche (Krautwickel) auf einem Teller im Ofen warmstellen. Die Restflüssigkeit auf einen Deziliter einkochen und mit
2 dl gebundener Bratensauce mischen. Die Sauce in ein flaches Anrichtegeschirr giessen, die Laubfrösche darin verteilen und die Garniture darüber geben.
1 Kreation von Werner Lüdin, eidg. dipl. Küchenchef im ehemaligen Hotel Ascot, Riehen.
2 Kreation von Werner Schanz, Wirt im ehemaligen Restaurant Lindenhof, Riehen.
3 Kreation der ‹Amicale Bâloise des Chefs de Cuisine›, inspiriert von den Gerichten ‹Leber Berliner Art›, ‹Leber venezianische Art› und ‹Salmtranchen Basler Art›.
4 Kreation von Christian Hagmann, Wirt und Pâtissier im ehemaligen Café Hagmann, Riehen.
5 Kreation von René Schanz, eidg. dipl. Küchenchef, anlässlich des Riehener Bürgerkorporationsabends vom 25.1.2014.