Wie ein zweites Zuhause


Sibylle Meyrat


 

Grosseltern sind wichtige Bezugspersonen innerhalb der Familie und schenken ihren Enkelkindern oft viel Zeit und Zuwendung. Sie ermöglichen ihnen besondere Erlebnisse und müssen weniger streng sein als die Eltern. Vier Enkelkinder aus Riehen erzählen.


 

Das Bild der Grosseltern ist eines der wenigen positiv besetzten Altersbilder der Gesellschaft. Im Lauf des 20. Jahrhunderts bildete sich die heute verbreitete Rolle der Grosseltern heraus. Sie kümmern sich liebevoll um ihre Enkelkinder, halten sich aber aus der Erziehung heraus.1 Anders als in den USA, haben Grosseltern hier wenig Rechte, wie etwa ein Besuchsrecht im Fall einer Scheidung. Die meisten 12- bis 16-jährigen Enkelkinder in der Schweiz erleben ihre Grosseltern als liebevoll, grosszügig und gesellig, so das Resultat einer Studie aus dem Jahr 2006. Das deckt sich mit dem, was vier Enkelkinder aus zwei Riehener Familien über ihre Beziehung zu ihren Grosseltern berichten. 


 

Eliza Wüthrich, 13 Jahre alt


Das beste Verhältnis habe ich zu Nonnina. Ich nenne sie so, weil sie italienische Wurzeln hat. Meine anderen Grosseltern wohnen in Zürich, meine Omi ist vor einem Jahr gestorben. Um die Grossväter zu unterscheiden, nenne ich sie den Opa vom Rhein, der wohnt in Basel, und den Opa von Zürich. Ich besuche sie auch hin und wieder, aber immer zusammen mit meiner Familie. 


 

Nonnina hat mich schon gehütet, als ich noch klein war. Als ich geboren wurde, haben wir zwei Jahre bei ihr gewohnt, bevor wir unsere eigene Wohnung hatten. Auch später haben wir uns regelmässig gesehen und etwas zusammen unternommen. Als ich neun war, sind wir für zwei Jahre nach Hamburg gezogen. Es ist mir schwergefallen, in Riehen alles zurückzulassen, und ich habe Nonnina sehr vermisst. Wir haben uns ständig Briefe geschrieben und zum Glück ist sie alle fünf Wochen zu Besuch gekommen, das war immer sehr schön und intensiv. Jetzt sind wir zurück in Riehen, aber vom neuen Zuhause aus habe ich einen weiten Schulweg. Zu Nonnina ist es viel näher. Wenn ich am Nachmittag Schule habe, gehe ich immer bei ihr Mittagessen. Manchmal gehe ich auch nach der Schule noch vorbei. Es ist wie ein zweites Zuhause. Natürlich habe ich auch das Zuhause bei meinen Eltern und meinen drei kleineren Geschwistern, aber da ist immer sehr viel los. Das ist schön und lustig, aber manchmal braucht man halt etwas Ruhe und die finde ich bei Nonnina. Ich zeichne und male sehr gern; bei ihr habe ich alles, was ich dafür brauche. 


 

Ich kann mit Nonnina über fast alles reden. Sie kann sehr gut zuhören und gibt auch gute Ratschläge. Zum Beispiel, wenn ich Streit mit meinem Bruder habe. Das kann ich auch mit meiner Mutter besprechen, aber Nonnina hat etwas mehr Distanz, sie steht nicht so mittendrin.


Ich finde es sehr cool, dass sie mit mir auch mal lädelen geht, sie kauft mir immer wieder mal was Schönes, vor allem Kleider. Früher machten wir auch oft Ausflüge, zum Beispiel in den Zoo oder in den Zirkus. Mit den Kleineren macht sie das immer noch, aber ich gehe nicht mehr ständig mit. Dafür geht sie manchmal allein mit mir ins Theater.


Es gibt hier nicht so strenge Regeln wie zu Hause. Aber es ist auch nicht so locker, dass ich mich jetzt einfach danebenbenehmen könnte. Bitte und Danke sagen, das muss ich auch hier. Ich helfe auch gern, beim Tischdecken oder wenn es sonst etwas gibt. Aber meistens sind das kleine Sachen. Ich habe jetzt auch angefangen, Nonnina mal zu einem Kaffee einzuladen, wenn sie mit mir lädelen geht.


Zum Abmachen telefonieren wir oder schreiben SMS. Manchmal schicke ich auch einfach einen kleinen Gruss oder sage Danke für irgendetwas. Manchmal sage ich ihr auch per SMS gute Nacht.


 

Luisa Pollheimer, 18 Jahre alt


Zu den Eltern meiner Mutter habe ich eine sehr nahe Beziehung, obwohl sie in Aeschi im Berner Oberland wohnen. Als ich klein war, hat mich meine Omi ab und zu gehütet. Jetzt kommt sie fast jede Woche am Freitag vorbei und kocht für mich Zmittag. Mit ihr kann ich über fast alles reden, auch über Kleider und Mode. Das geht sogar noch besser als mit meiner Mutter, die sich dafür nicht so interessiert. Omi kürzt zum Beispiel meine Hosen und fragt mich dann immer, ob es so gut passt. Sie versteht es, dass diese kleinen Dinge wichtig sind. Zu meiner Konfirmation hat sie mir eine Reise nach London geschenkt, da sind wir zusammen shoppen gegangen. Natürlich haben wir auch etwas angeschaut, ich durfte das Programm wünschen. Diese Reise hat uns beiden sehr gefallen. 


 

Zu Grossätti habe ich auch ein gutes Verhältnis. Er ist eher ein ruhiger Typ, aber sehr witzig. Früher haben wir mit ihm oft am Töggelikasten gespielt. Nach London ist er natürlich nicht mitgekommen, da sind nur Omi und ich hingegangen.


Die anderen Grosseltern sehe ich auch hin und wieder. Aber ich glaube, sie sind mit uns besser klargekommen, als wir noch klein waren. Jetzt habe ich manchmal das Gefühl, dass sie gar nicht recht wissen, was sie mit mir reden sollen. Trotzdem fragen sie bei jedem Besuch, wann wir wieder kommen. Da fühle ich mich ein bisschen gedrängt. Ich sehe sie schon gern, aber sie sind irgendwie ein bisschen – konservativer. Ich habe das Gefühl, ich muss immer ein bisschen aufpassen, was ich sage, und kann nicht alles genau so sagen, wie ich es denke.


 

Was ich bei meiner Omi in Aeschi sehr schätze: Sie hat ihr eigenes Leben. Sie wartet nicht darauf, dass ich komme. Ich muss mich anmelden, sonst hat sie vielleicht etwas anderes zu tun. Sie ist sehr aktiv, jetzt ist sie gerade daran, das Haus zu renovieren. Manchmal sage ich, sie ist fitter und aktiver als ich. Wenn ich bei ihr bin, sagt sie immer, ich könne ausschlafen, aber für sie heisst das, um 8 Uhr aufstehen, denn sie selber steht jeden Tag um 6 Uhr auf. Wenn ich dann um 10 Uhr aufstehe, hat sie das Gefühl, ich hätte den ganzen Tag verschwendet. Aber sie lässt uns viele Freiheiten. Wir dürfen dort auch fernsehen, zu Hause haben wir keinen Fernseher. Meine Mutter hat mir erzählt, dass ihre Mutter früher sehr streng war. Sie habe sich sehr verändert, als ich zur Welt gekommen bin. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich erlebe sie als sehr locker. 


 

Noé Pollheimer, 15 Jahre alt


Früher bin ich oft in den Ferien zu den Grosseltern nach Aeschi gegangen. Aber diesen Sommer habe ich nun gearbeitet und hatte keine Zeit mehr. Doch an Weihnachten sehen wir uns immer bei ihnen, auch die Schwester von meiner Mutter kommt mit ihrer Familie. Am besten kann ich mich an die Ausflüge und das Wandern erinnern. Mit Grossätti bin ich gern nach Bern an die Fussballspiele von YB gegangen.


 

Timea Pollheimer, 12 Jahre alt


Ich gehe von uns drei Geschwistern noch am häufigsten zu den Grosseltern nach Aeschi in die Ferien. Jetzt komme ich gerade von dort. Leider haben wir nicht so viel unternehmen können, weil so schlechtes Wetter war. Manchmal gehen wir wandern oder ins Verkehrshaus. Wir haben es immer sehr lustig. 


 

Ich bin sehr gern dort. Es gibt so schöne Berge da. Und es gibt diesen grossen Garten. Da helfe ich manchmal auch ein bisschen mit. In der Nähe gibt es ein kleines Pferd, das ich reiten darf. Am schönsten finde ich das Wandern. Aber das kann schon anstrengend sein, meine Grossmutter hat einen richtigen Laufschritt, einmal haben mir am Abend richtig die Beine wehgetan.


 

Manchmal helfe ich auch beim Kochen. Meine Omi überlegt immer sehr genau, was und wie sie kocht. Das besprechen wir dann zusammen und ich darf etwas wünschen. Manchmal helfe ich auch beim Einkaufen, aber oft bin ich zu spät, weil sie schon eingekauft hat, wenn ich aufstehe. Ich habe auch viele Freiheiten, wenn ich dort bin, aber ein paar Regeln gibt es schon. Zum Beispiel durfte ich bei der WM auch die Spiele spät am Abend schauen. Aber ich musste dann eine Stunde vorschlafen.


 

1 Vgl. François Höpflinger et. al.: Enkelkinder und ihre Grosseltern: intergenerationelle Beziehungen im Wandel, Zürich 2006.


 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2014

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