Zehn Jahre Musikschule Riehen

Lukrezia Seiler-Spiess

Es dauerte mehr als ein Jahrzehnt - vom Vorstoss im damaligen Weiteren Gemeinderat im Jahre 1969 bis zur feierlichen Eröffnung im Frühling 1980 - bis die Idee einer Riehener Musikschule realisiert werden konnte. Der Wunsch vieler Eltern, ihren Kindern in Riehen selbst Musikunterricht zukommen zu lassen, war freilich noch viel älter, wies doch die Musik-Akademie Basel seit langem Wartelisten auf, die den Eintritt in die Musikschule oft um Jahre verzögerten, und führten die Riehener Schulen und Basler Gymnasien - wie leider auch heute noch - nur rudimentäre Ansätze zum Instrumentalunterricht in ihren Lehrplänen.

Mit dem Kauf der Sarasinschen Güter durch die Gemeinde im Jahre 1975 kam das Projekt Musikschule einen entscheidenden Schritt weiter. Es zeigte sich, dass das am Rande des Sarasinparkes gelegene Elbs-Birrsche Haus, ein 1694/95 erbautes Landgut, sich für die Einrichtung der Musikschule bestens eignete. In den folgenden Jahren wurde das Haus renoviert, von seinen störenden Anbauten befreit und auch im Innern aufs Schönste restauriert; Architekt Martin Burckhardt berichtete im Jahrbuch 1979 ausführlich über diese aufwendigen Arbeiten sowie über die Geschichte des Elbs-Birrschen Hauses und seiner ehemaligen Bewohner.

Am 21. April 1980 war es soweit: die Musikschule Riehen konnte als Filiale der Musik-Akademie Basel eröffnet werden; 326 Schülerinnen und Schüler, 17 Lehrerinnen und Lehrer und der Schulleiter Frank Nagel bevölkerten nun das stimmungsvolle Haus mit seinen bemalten Balkendecken, dem schönen Treppenaufgang mit barockem Geländer und dem stilvollen klassizistischen Gartensaal, und bald ertönte aus allen Räumen, aus Kellern und dem Gartenpavillon Musik. Die Schönheit des Hauses schuf von Anfang an eine ganz spezielle, harmonische Atmosphäre «Ich fühle mich ja wie eine Prinzessin in diesem schönen Haus!» rief eine kleine Musikschülerin nach ihrer ersten Unterrichtsstunde spontan aus - und verlieh dem Musikschul-Alltag eine festliche Stimmung.

Doch mindestens ebenso wichtig wie diese Harmonie nach innen war dem Musikschulleiter Frank Nagel von Anfang an die Ausstrahlung der Schule nach aussen, ins Dorf hinein. Schon wenige Monate nach der Eröffnung fand das erste Musikschulfest statt: in und rund um die Musikschule herum musizierten an einem strahlenden Septembertag Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler auf fröhliche, unprätentiöse Weise; Eltern und Freunde der Schule lauschten vergnügt im Schatten der hohen alten Linden des Sarasinparks oder plauderten in der improvisierten Kuchen- und Kaffeestube im Hof. Und gleich das erste Musikschulfest begründete eine Tradition: alljährlich im September steigt rund um die Musikschule zwischendurch auch einmal im Wenkenhof oder im Gemeindehaus - das fröhliche Fest, und Eltern und Freunde geniessen die heitere Atmosphäre, die Fröhlichkeit der Kinder und die Musik, die von allen Seiten her erklingt.

Neben den Musikschulfesten finden natürlich auch regelmässige Musizierstunden statt, in welchen Schülerinnen und Schüler - von den kleinsten Anfängern bis zu den jungen Talenten - ihr Können unter Beweis stellen. Auch mit diesen Musizierstunden tritt die Schule an die öffentlichkeit, einmal dadurch, dass sie für jedermann zugänglich sind, dann aber vor allem durch ihre gelegentliche Durchführung in den Riehener Altersheimen und im Gemeindespital. Diese Begegnung von Alt und Jung in der Liebe zur Musik bereitet immer wieder grosse Freude, so wie die Pensionäre des Altersheims «Humanitas» dies in einem Leserbrief an die Riehener-Zeitung ausdrückten: «Die Musikschule Riehen schenkte uns vor einigen Tagen einen herzerquickenden Abend, als sie bei uns unter der Leitung von Frank Nagel ihre <40. Musizierstunde> abhielt. ... Die Hingabe und Begeisterung, mit der die Schüler ihr Bestes leisteten, und die lockere Disziplin, die sich in ihrem Verhalten und Auftreten zeigte, das war ein beglückendes Erlebnis. Diese <Gemütsergötzung>, wie Johann Sebastian Bach einmal die Wirkung guter Musik bezeichnete, verdanken wir Frank Nagel, denn er hat sich vorgenommen, uns Alten in dieser belebenden Weise Jugend ins Haus zu bringen. Auch wir waren einmal j ung und wurden durch die gleichen oder ähnlichen Werke in die Welt der Musik eingeführt, und die Erinnerung an die eigenen kindlichen Freuden und Mühen erhöhte für uns wohl noch den Zauber dieser <Musizierstunde>. »

Auf vielfältige Weise ist die Musikschule im Dorf präsent - bei Dorffesten, bei Ausstellungseröffnungen, Preisverleihungen und Jahrbuchpräsentationen, aber auch durch Konzerte, mit welchen die Lehrkräfte der Schule das kulturelle Leben der Gemeinde bereichern. Und die Tatsache, dass die Musikschule ihre Tore auch Erwachsenen öffnet, welche ihre Musikkenntnise auffrischen oder neu erwerben können, trägt zu dieser öffnung bei.

Es ist nicht möglich, im Rahmen dieses Berichtes auf all die vielfältigen Aktivitäten der Musikschule Riehen einzugehen. Neben der Erfüllung ihrer Aufgabe, Kindern und Jugendlichen qualitativ hochstehenden Musikunterricht zu vermitteln, hat sie sich in den vergangenen Jahren auch immer wieder mit Projekten beschäftigt, die in ihrem künstlerischen Anspruch und Ni veau weit über diese Aufgabe hinausgingen. Dazu gehört die Aufführung von Paul Hindemiths Spiel «Wir bauen eine Stadt», bei welcher der Kinderchor, Lehrer, Schüler und Gäste mitwirkten. Und im vergangenen Jahr wurden zweimal Werke uraufgeführt, welche im Auftrag der Gemeinde Riehen für die Musikschule geschrieben worden sind: im September die «Drei kleinen Stücke für Streicher» von Peter-Michael Riehm, und im November die sieben Klavierstücke «Der Zaubergarten» von Rudolf Kelterborn, «der Musikschule Riehen und ihren Klavierlehrerinnen und-lehrern gewidmet ».Es war einhelles Vergnügen, die j ungen Interpreten bei ihrem Spiel zu beobachten und im nachfolgenden Frage- und Antwortspiel mit dem Komponisten zu erfahren, welche Gedanken und Gefühle diese farbigen, wirklichzauberhaften Stücke in ihnenausgelöst hatten.

Und nun ist die Riehener Musikschule also zehn Jahre alt geworden. Hunderte von jungen Menschen - zurzeit beträgt die Schülerzahl 594 - sind in diesen Jahren durch ihre Türen gegangen. Einige durften hier ihre Begabung entdecken und den Entschluss fassen, ihr Leben ganz der Musik zu widmen. Sehr viele aber, deren Lebens- und Berufsweg in andere Gebiete führt, sind hier erstmals der Musik begegnet, haben in kleinen und grösseren Schritten ihre Schönheit aufgenommen und werden sie hineintragen in ihr Leben als unverlierbaren Schatz.

Personen:

Rudolf Kelterborn (*1931), Kapellmeister, Dozent (Professor), Komponist, Direktor Musik-Akademie Peter-Michael Riehm (*1947), Komponist, Dozent für Musiktheorie Musikhochschule Karlsruhe, Leiter Musiklehrer-Seminar Stuttgart

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1990

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