Zwei junge Hoffnungsträgerinnen

Rolf Spriessler

Zwei junge Hoffnungsträgerinnen Die Orientierungsläuferin Ines Brodmann und die Leichtathletin Deborah Büttel erhielten den Sportpreis der Gemeinde Riehen für das Jahr 2004.

 

Beide sind 1985 geboren, beide kommen von der Leichtathletik, und doch sind sie sehr verschieden, die jungen Athletinnen, die mit dem Sportpreis der Gemeinde Riehen für das Jahr 2004 ausgezeichnet worden sind. Deborah Büttel ist bei der Leichtathletik geblieben, trainiert schon länger unter halbprofessionellen Bedingungen und ist seit Jahren beste Schweizer Nachwuchslangstrecklerin in ihrem Alter. Ines Brodmann betreibt Leichtathletik nur noch nebenbei und ist dafür zur besten Schweizer Juniorin im Orientierungslaufen aufgestiegen.

«Grosse sportliche Leistungen sind nur durch hartes Training zu erreichen», überschreibt Deborah Büttel ihre Homepage im Internet (www.deborah-buettel.ch). Und diesem Motto hat sie sich schon früh mit grosser Konsequenz verschrieben. Begonnen hat ihre Leichtathletiklaufbahn damit, dass sie sich 1994 als Neunjährige ohne nennenswerten Trainingsaufwand für den Schweizer Final des «Volksbank Grand-Prix» qualifizierte und über eine Distanz von 2000 Metern auf Anhieb Dritte wurde. In den beiden folgenden Jahren gewann sie diesen nationalen Nachwuchslauf. Ihr Ehrgeiz war geweckt. Als Jugendrieglerin des Turnvereins Riehen reihte sie Erfolg an Erfolg, begann schon früh mit intensivem Training und bestritt sehr viele Wettkämpfe - auf der Bahn, auf der Strasse, im Gelände und mit der Zeit auch in der Halle. Besonders begeistert ist sie von Stadtläufen. Dort gefallen ihr die spezielle Stimmung und das grosse Publikum.

 

Deborah Büttel hatte unter Gleichaltrigen bald keine ernsthafte Konkurrenz mehr in der Schweiz. Deshalb begann sie, in höheren Altersklassen zu starten, und hatte auch dort Erfolg. Im Jahr 1998 - damals war sie eigentlich noch bei den Schülerinnen A startberechtigt - nahm Deborah Büttel erstmals an Nachwuchs-Schweizer-Meisterschaften teil und holte sich in Lausanne gegen ältere Konkurrenz gleich die Silbermedaille im 3000-Meter-Lauf der weiblichen Jugend B.

Es war die erste von inzwischen 18 Medaillen, die Deborah Büttel bis Mitte 2005 an Nachwuchs-Schweizer-Meisterschaften gewonnen hat, darunter elf Nachwuchs-SchweizerMeister-Titel, und dies in ganz unterschiedlichen Laufdisziplinen, nämlich auf der Bahn über 1500, 3000, 5000 und 10000 Meter, in der Halle über 3000 Meter, auf der Strasse über 10 Kilometer und im Gelände beim Crosslauf. Ihre erste Elite-Medaille holte Deborah Büttel bereits 2001 als Jugend-A-Athletin an den Hallen-Schweizer-Meisterschaften in Magglingen über 3000 Meter. Im Jahr 2004 holte sie, nun im Juniorinnenalter, ihre erste Freiluftmedaille bei den Frauen: An den Leichtathletik-Schweizer-Meisterschaften Anfang Juli ini Stadion Schützenmatte in Basel gewann sie, trotz Trainingsrückstand nach einer Verletzungspause, über 5000 Meter die Bronzemedaille. Ihren ersten Schweizer-Meister-Titel bei den «Grossen» errang sie wenig später im Rahmen des Lausanne Marathons im Halbmarathon (21,1 Kilometer).

Deborah Büttel ist eine Läuferin, die über eine lange Zeit ein hohes Tempo laufen kann, während ihr zur Top-Mittelstrecklerin die Grundschnelligkeit fehlt. Deshalb war logisch, dass sie sich schon früh auf längere Strecken spezialisierte. Viele Rennen gewann sie von der Spitze weg. Oft machte sie so lange Tempo, bis keine andere Läuferin mehr folgen konnte.

Mit dieser Taktik reichte es auch zur einen oder anderen Rekordzeit. Deborah Büttel hält gegenwärtig die Schweizer Bestleistung der Schülerinnen über 3000 Meter sowie die Schweizer Rekorde über 10000 Meter bei den Juniorinnen und den Espoirs (unter 23 Jahre). Deborah Büttel gibt als Wettkämpferin immer alles und kann vor Wettkämpfen extrem nervös sein. Sie verlangt ihrem Körper alles ab und hat dabei unbändige Freude am Laufen.

Während Deborah Büttel, die vom Vorstand des Verbandes der Basler Sportjournalisten zur Basler Sportlerin des Jahres 2004 gekürt wurde, in der Schweiz Sieg an Sieg reihte, war sie auf internationalem Parkett bisher noch nicht so erfolg reich. Zweimal bestritt sie das Juniorinnenrennen an den Cross-Europameisterschaften, einmal an den Cross-Weltmeisterschaften, und in allen drei Wettbewerben erreichte sie in grossen Feldern Mittelfeldplätze - mit den insgeheim erhofften Top-Ten-Plätzen klappte es nicht. Die beste Platzierung an internationalen Meisterschaften war bis Mitte 2005 der achte Platz an den Junioren-Europameisterschaften 2003 in Tampere (Finnland) über 5000 Meter.

Deborah Büttel erlebte auch andere Rückschläge. In die Schlagzeilen geriet sie, als ihr Vater und Trainer Theo Büttel seine Tochter am Berner Frauenlauf vom 10. Juni 2001 dazu brachte, eine Dopingkontrolle zu verweigern. Der Fall endete mit einem Vergleich, der Deborah Büttel von jeglicher Schuld freisprach, weil Verband, Kontrolleure und der Vater grobe Fehler begangen hätten und klar war, dass die Athletin nicht gedopt war. Nach längerer Leidenszeit ging Deborah Büttel so doch noch gestärkt aus dieser leidigen Affäre hervor.

Deborah Büttel absolvierte das Maturjahr am Gymnasium Bäumlihof in zwei Jahren mit je halbem Pensum und konnte so unter halbprofessionellen Bedingungen trainieren. Nach Abschluss der Matur Mitte 2005 wurde die Athletin, die seit Anfang 2005 für den LC Basel startet, aber nach wie vor in Riehen wohnt, Leichtathletik-Profi und hat sich die Olympischen Spiele 2008 in Peking als grosses Fernziel gesetzt. Die Freiluftsaison 2005 verlief für Deborah Büttel sehr unglücklich. Aufgrund einer Fussverletzung verpasste sie die angestrebte Qualifikation für die U23-Europameisterschaften in Deutschland und konnte an den Schweizer Meisterschaften der Aktiven Anfang Juli in Bern ihre 5000-Meter-Medaille aus dem Vorjahr nicht verteidigen, da sie auf den Start verzichten musste.

Ines Brodmann war «familiär vorbelastet», als sie als junges Mädchen in die Jugendriege des Turnvereins Riehen eintrat und mit der Leichtathletik begann. Ihre älteren Geschwister Rahel, Gregor und Lukas waren alle schon vor ihr im TV Riehen. Ines Brodmann war ehrgeizig, talentiert und vielseitig und gewann bald ihre ersten Nachwuchs-Kantonalmeister-Titel. Sie ging in den verschiedensten Disziplinen an den Start - vom Hürdensprint bis zum 800-Meter-Lauf, vom Hochsprung bis zum Speerwurf. Auch an Stadtläufen und im Cross gelangen ihr gute Resultate. Nicht selten bestritt sie an einem Wettkampftag gleich vier oder fünf Disziplinen und so war es kein Wunder, dass sie sich auch im Mehrkampfversuchte, zumal sie überall gut, nirgends aber absolute Spitze war.

Früh begann Ines Brodmanns Herz auch für den Orientierungslauf zu schlagen. Bereits als Zehnjährige nahm sie an einer Kurswoche teil und war fortan vom OL-Virus infiziert. «Da kann man nicht einfach drauflos laufen, da muss man die Karte richtig lesen können und sich etwas dabei überlegen», sagt Ines Brodmann. Das gefiel ihr. Und so bestritt sie - neben der Leichtathletik, die sie bis heute weiter betrieben hat - mit wachsender Begeisterung und zunehmender Intensität Orientierungsläufe. In dieser Sportart kann sie ihre Vielseitigkeit innerhalb eines einzelnen Wettkampfes ausle ben und zur Geltung bringen. Dies merkte sie schon, bevor der OL-Sport in der Schweiz durch die Erfolge der mehrfachen Weltmeisterin und Schweizer Sportlerin des Jahres 2003, Simone Niggli-Luder, einen wahren Boom erlebte und zunehmend auch in den Schulen gefördert wurde.

Ines Brodmann, die sich der OLG Basel angeschlossen hat, hatte bald Erfolg als OL-Läuferin. Sie holte sich zahlreiche Titel und Medaillen an nationalen Meisterschaften in ihrer jeweiligen Altersklasse. Ihre Leistungen hängte sie dabei nie an die grosse Glocke. Ines Brodmann ist eine eher zurückhaltende, fast etwas schüchterne Athletin, die aber in den vergangenen Jahren in der Gemeinschaft der Orientierungsläuferinnen und Orientierungsläufer richtiggehend aufgeblüht ist, denn diese sind ein ganz eigenes Völkchen, sprechen ihre «eigene Sprache» mit vielen Abkürzungen und Redewendungen und pflegen eine hervorragende Kameradschaft untereinander.

Ines Brodmann stieg auf zur besten Schweizer Juniorin im Orientierungslauf in der höchsten Altersklasse bis 20 Jahre. Im Jahr 2004 wurde sie an den Junioren-Weltmeisterschaften Neunte im Mitteldistanzrennen und Fünfte mit der Staffel. Am «Junior European Cup», der inoffiziellen JuniorenEuropameisterschaft, holte sie 2004 den Titel im Sprint und gewann mit zwei Kolleginnen auch noch das Staffelrennen für die Schweiz.

Gerade in den Staffeln läuft Ines Brodmann immer wieder ganz besonders gut. In den Einzelrennen hat sie ihre Ner ven nicht immer im Griff. Da war kaum ein Grossanlass, an dem sie nicht irgendeinen Lauf verbockte. Es kam vor, dass sie in der Qualifikation, die es für kürzere Distanzen gibt, durch einen Fehler weit hinten landete, um danach im B-Final besser zu sein als die meisten im A-Final. Da es im Orientierungslauf an derselben Meisterschaft aber verschiedene Disziplinen gibt - Sprint, Mitteldistanz, Langdistanz, Staffeln -, bieten sich immer mehrere Gelegenheiten, ganz vorne mit dabei zu sein. Das kommt Ines Brodmann natürlich entgegen.

Ines Brodmanns grosses Saisonziel für 2005 waren die Junioren-Weltmeisterschaften vom 12. bis 16. Juli im Tessin. Die Qualifikation schaffte sie locker, doch aus den angestrebten Top-Ten-Plätzen in den Einzelläufen und der insgeheim erhofften Staffelmedaille wurde nichts. Zusammen mit Rahel Friederich, die als Startläuferin viel Zeit verlor, und Sara Lüscher wurde sie nach viertbester Abschnittszeit StaffelVierte, im Langdistanzrennen lief sie als drittbeste Schweizerin auf den 28. Rang und im Mitteldistanzrennen fiel sie im A-Final nach einem Postenfehler aus. Trotz der nicht optimalen Junioren-WM gelangen Ines Brodmann in der Saison 2005 immer wieder gute Resultate, doch die Konstanz und das Wettkampfglück fehlten etwas.

Die übergabefeier des Sportpreises 2004 fand am Montag, 30. Mai 2005, im Liischersaal der Alten Kanzlei statt.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2005

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