Blech pur von Kirchenlied bis Jazz


Rolf Spriessler-Brander


 

Im Jahr 1913 taten sich einige Mitglieder des CVJM Riehen zusammen und gründeten einen Posaunenchor. Aus diesem kleinen Grüppchen musikalisch Interessierter entwickelte sich eine Blechmusikformation, die heute eng verbunden ist mit dem Riehener Kirchen- und Gemeindeleben und die nach wie vor zu ihrer religiösen Grundausrichtung steht.


 

«Herz und Herz vereint zusammen, sucht in Gottes Herzen Ruh’»: Mit diesem christlichen Lied aus dem 18. Jahrhundert als Zugabe schloss der Posaunenchor Riehen seinen Auftritt anlässlich des Jubiläumskonzerts vom 16. März 2013 im Landgasthof Riehen ab. Und gab damit nach einem abwechslungsreichen und hochstehenden Programm zwischen Klassik, Folk und Film sozusagen ein Glaubensbekenntnis ab, indem er auf seine Wurzeln als christlicher Musikverein verwies.


 

Ein frommer Wunsch von CVJM-Mitgliedern


«Schon vor 1910 schlummerte in den Herzen und Köpfen einiger Mitglieder des CVJM Riehen der stille Wunsch, einen – wie es in der frommen Welt damals beliebt war – Posaunenchor zu gründen», schrieb Michael Raith 2000 in der Festschrift ‹125 Jahre CVJM Riehen› über die Entstehungsgeschichte des Posaunenchors. Im Jahr 1913 war es dann so weit: Auf Initiative der Brüder Hans und Ernst Fischer sowie des Zollbeamten Heinrich Buchmann, der als erster Dirigent amtete, wurde der Posaunenchor des CVJM Riehen gegründet und traf sich zunächst im Bauernhaus der Familie Fischer an der Baselstrasse 24 zu den Proben. Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte der Chor im Oktober 1913 anlässlich einer Versammlung des Evangelisten Jakob Vetter.


 

Den Anstoss zur Chorgründung hatte der Umstand gegeben, dass man die Instrumente einer eingegangenen Musik in Holzen zu günstigen Bedingungen hatte übernehmen können. Allerdings war man seinerzeit offenbar von den Vorbesitzern aus Holzen, das heute zu Kandern im Landkreis Lörrach gehört, ordentlich übers Ohr gehauen worden: Bald schon habe sich nämlich gezeigt, dass die Instrumente selbst den äusserst bescheidenen Ansprüchen eines Anfängerchors nicht zu genügen vermochten, und so musste man bald andere, bessere Instrumente erwerben – aber der Anfang war gemacht.


 

Mit dem am 8. März 1914 eingeweihten Vereinshaus am Erlensträsschen stand kurze Zeit später ein geräumiges Übungslokal zur Verfügung. Das Haus war als gemeinsames Haus der christlichen Vereine konzipiert worden und wurde vom 1913 gegründeten ‹Verein für kirchliche Evangelisation und Gemeinschaftspflege›, der heutigen Freien Evangelischen Gemeinschaft (FEG), unter dem Präsidium Jakob Vetters geführt. Der bedeutende Evangelist fand den Weg aus Deutschland nach Riehen, nachdem er Maria Baumann geheiratet hatte, die Tochter des Riehener Lehrers und Gründungspräsidenten des CVJM Riehen Jakob Baumann.


 

Wachstum und Blütezeit


In den ersten Jahren gelang es unter den Dirigenten Heinrich Buchmann, Carl Eger und Hans Fischer, der von 1913 bis 1932 auch der erste Präsident des Posaunenchors war, innerhalb der noch kleinen Musikerschar den Zusammenhalt zu festigen. Einen bedeutenden musikalischen Fortschritt gab es dann erstmals dank Gottfried Müller-Ott, der den Posaunenchor von 1927 bis 1935 dirigierte. Nachdem Heinrich Buchmann den Dirigentenstab 1935 ein zweites Mal übernommen hatte, folgte diesem 1949 Willi Betz, und ihm gelang es nun auch, vermehrt junge Mitglieder zu gewinnen, ohne dabei die älteren Mitglieder zu vergraulen. Der Chor wuchs und die Zahl der Aktiven pendelte sich nach dem Rücktritt von Betz im Jahr 1959 bei rund 30 Musizierenden ein. Bis in die 1980er-Jahre erlebte der Posaunenchor, der 1978 die Rechtsform eines Vereins annahm, eine wahre Blütezeit und kannte kaum Nachwuchsprobleme.


 

Klein aber fein – modern und vielseitig


Die jüngeren Jahresberichte klagen hingegen immer wieder über Besetzungsprobleme. Einzelne Mitglieder wechselten auch schon das Instrument, um entstandene Lücken zu füllen, und bei verschiedenen Gelegenheiten halfen sich der Musikverein Riehen und der Posaunenchor bei Auftritten gegenseitig mit Musikern aus. Die Zahl der Aktiven bewegt sich inzwischen um die 20. Nach wie vor bemerkenswert ist die Zahl der jährlichen Auftritte: zwischen 20 und 30.


 

Weiterhin hoch ist die Verbundenheit des Posaunenchors mit dem Kirchenleben. Mehrmals im Jahr begleitet er Gottesdienste und pflegt in seinem Repertoire entsprechend religiöse Musik, auch wenn von den Mitgliedern des konfessionell offenen Vereins kein Glaubensbekenntnis erwartet wird. Zum festen Jahresprogramm zählen die Frühmusiken zum Muttertag und an Weihnachten und der ‹Räbeliechtli›-Umzug am St. Martinstag zum Eisweiher. Für Mitglieder werden Ständchen zu besonderen Ereignissen gegeben. Ursprünglich aus einem Männerverein heraus entstanden, steht der Posaunenchor heute auch Frauen offen und wurde in den 1990er-Jahren erstmals von einer Frau präsidiert.


 

In seinen Jahreskonzerten und anderen öffentlichen Auftritten geht der Posaunenchor, der seit 2002 unter der Leitung des gebürtigen Niederbayern Michael Büttler steht, auch ganz andere Wege. Das Jahreskonzert-Programm 2004 enthielt tänzerische Motive und einige Blues-Titel. Im Sommer 2005 wurde für ein ‹Singeasy›-Konzert ein Jazz-Programm einstudiert – der Veranstalter musste das Konzert in der Folge zwar kurzfristig absagen, die etwas andere Probenarbeit wirkte aber inspirierend und im Sommer 2006 trat der Posaunenchor zusammen mit dem Musikverein Riehen dann doch noch mit dem Programm ‹Brass meets Jazz› am ‹Singeasy› auf. In den Frühjahrskonzerten 2006 unter dem Motto ‹Joy, Peace and Happiness› arbeitete der Posaunenchor mit dem Kirchenchor Kornfeld Riehen zusammen, eine Kooperation, die sich im Adventskonzert 2007 fortsetzte. Das Jahreskonzert 2007 mit dem Titel ‹Emotionen› enthielt Musik aus der Opern- und Musicalwelt. Das Jahreskonzert 2008 stellte alte und neue Musik einander gegenüber. Das Programm des Jahreskonzerts 2010 sollte dem Publikum die «Architektur einer Brass-Band» veranschaulichen – in den Musikstücken konnten sich die verschiedenen Register in besonderer Weise präsentieren.


 

Schon seit Jahrzehnten musiziert der Posaunenchor Riehen in der Besetzung einer englischen Brassband, also mit reiner Blechblasmusik plus Schlagzeug. Die Instrumente umfassen Kornett, Flügelhorn, Es-Althorn, Bariton, Euphonie, Posaune und Tuba. Der Posaunenchor nimmt regelmässig an der Musikstafette des Musikverbands beider Basel teil, an dem sich alle Mitglieder musikalisch präsentieren, und gelegentlich beteiligt er sich auch an Musikwettbewerben.


 

Ein Draht zu Bettingen


Regelmässig zu Gast ist der Posaunenchor mittlerweile in Bettingen – etwa am Banntag, der immer an Auffahrt stattfindet und jeweils mit einer Kurzandacht des Dorfpfarrers auf dem Gemeindehausplatz eröffnet wird, oder am ‹Kirchlifest› im Dorfzentrum.


 

Ganz speziell ist der Jahresauftakt – in der Neujahrsnacht steigen jeweils einige Mitglieder des Posaunenchors auf den Turm der Riehener Dorfkirche. Nachdem das Mitternachtsgeläut verklungen ist, spielen die Musiker Choräle zur Einstimmung auf das neue Jahr.


 

Auch das Jubiläumsjahr des 100-jährigen Vereins hat so begonnen. Erster Höhepunkt 2013 war das schon erwähnte Jubiläumskonzert im März. Es folgten und folgen noch der Jubiläumsausflug vom 22. Juni auf die Bodensee-Insel Mainau und der Jubiläumsgottesdienst vom 10. November in der Dorfkirche Riehen.


 

Die Präsident/innen des Posaunenchors


1913–1932 Hans Fischer (1889–1967)


1932–1953 Fritz Jungck (1902–1982)


1953–1959 Reinhard Bammerlin (1910–2000)


1959–1967 Paul Mory (1935–2011)


1967–1973 Walter Bammerlin (*1937)


1973–1977 Werner Mory (*1937)


1977–1984 Matthias Schmutz (*1955)


1984–1987 Werner Mory


1987–1988 Alfred Schärer (*1952)


1988–1993 Heinrich Bammerlin (*1940)


1993–1995 Daniel Hangartner (*1967)


1995–1999 Astrid Aeschbacher-Bammerlin (*1973)


1999–2003 Markus Fischer (*1958)


2003–2008 Stefan Egli (*1978)


seit 2008 Willy Gentner (*1951)


 

Die Dirigenten des Posaunenchors

1913–1918 Heinrich Buchmann (1883–1957)


1918–1922 Carl Eger (1896–1975)


1922–1927 Hans Fischer (1889–1967)


1927–1935 Gottfried Müller-Ott (1902–1988)


1935–1949 Heinrich Buchmann


1949–1959 Willi Betz (1906–1996)


1959–1961 Ernst Trächslin (*1934)


1961–1965 Ernst Neukomm (*1939)


1965–1967 Rolf Schüpbach (1945–1980)


1967–1979 Hans Rüdiger (*1925)


1979 Andreas Oestreicher (*1955)


1979–1984 Reinhold Dahl (*1944)


1984–1985 Markus Junck (*1941)


1985–1986 Andreas Hofer (*1944)


1986–1995 Markus Junck


1995–1999 Wolfgang Watzek (*1927)


1999–2002 Markus Junck


Seit 2002 Michael Büttler (*1969)

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2013

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