Das Ende einer Restaurantära im Niederholz-Quartier

Esther Jundt

Das Restaurant «Niederholz» und die Minigolfanlage müssen einer Wohnüberbauung weichen. Damit versehwindet eine traditionelle Quartierbeiz.

Die Schliessung des Restaurants «Niederholz» auf den 1. April löste im Quartier Entsetzen aus. Die über 100jährige Wirtschaft an der äusseren Baselstrasse 260 war bei Vereinen, Parteien, Fasnachtscliquen, Quartierbewohnern und Auswärtigen überaus beliebt. Das Ende der Quartierbeiz sowie der vor allem in den Sommermonaten stark frequentierten Minigolfanlage weckte Emotionen wie schon früher die Schliessung der Bäckerei, der Metzgerei, der Migros-Filiale und des Kiosks.

Nach dem Tod von Wirt Bruno Gasser im Herbst 1998 führte seine Ehefrau Romy Gasser das Geschäft alleine weiter. Die Belastung war für sie jedoch zu gross geworden, weshalb sie im Januar den Schliessungsbeschluss bekannt gab. In einer Mitteilung schrieb sie, die Lokalitäten des Restaurants seien während annährend 100 Stunden pro Woche den Gästen zugänglich. Es bedürfe eines mehr als überdurchschnittlichen Einsatzes, um einen solchen Betrieb alleine zu führen, auch wenn die Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in vorbildlicher Weise vorhanden sei. Die Besitzerfamilie Gasser fand trotz der weit über Riehen hinaus bekannten Gaststätte keinen geeigneten Käufer für das Anwesen. Zwar hat es ernsthafte Kontakte gegeben, aber zu einem Verkaufsvertrag kam es nicht. Deshalb betrachtete die Familie die Aufgabe des Betriebes als unumgänglich. Ein Grund für die Schliessung war wohl auch, dass im über hundertjährigen Haus grössere Investitionen notwendig geworden wären. In ihrem Schreiben bedauerte die Besitzerfamilie, dass die ära des Quartierrestaurants «Niederholz» damit zu Ende geht. Anstelle des Restaurants, des Parkplatzes und der Minigolfanlage erstellt die Erbengemeinschaft eine Wohnüberbauung. Im November erfolgte der Abbruch der Liegenschaft.

Mehrere Persönlichkeiten im Quartier zeigten Verständnis für die Situation von Romy Gasser, andere wiederum versuchten sie umzustimmen. Der Gemeinderat war überrascht über den Schliessungsentscheid, wollte jedoch nicht in den Lauf der Ereignisse eingreifen. Es wurde aber versprochen, bei der Suche nach einem neuen Ort für eine Quartierbeiz und für eine Minigolfanlage behilflich zu sein. Der Quartierverein Niederholz setzte eine «Werkstatt Niederholz» ein, in der die Bevölkerung ihre Wünsche und Visionen einbringen kann.

Wirtschafts- und Wohnhaus

Das Restaurant erlebte mehrere Namenswechsel und das Gebäude einige Umbauten. Erste Baupläne stammen von 1898. Im Auftrag der Bauherren Alfred Pfaff-Meyer er war der Grundstückbesitzer - und Emil Egli wurde im Juli 1898 ein Baubegehren für ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit Saalanbau und offener Halle eingereicht. Das «Architectur- und Ingenieur-Bureau Anton Söll-Sand» erstellte die Pläne. Vorgesehen war ein markantes, dreistöckiges Haus mit einem Dachstockausbau. Vier hohe Fenster pro Stockwerk bildeten die Fassade zur äusseren Baselstrasse, damals noch Riehenstrasse, wobei die Fenster im Erdgeschoss mit einem Rundbogen versehen waren. Für Originalität sorgte ein Turmanbau mit je einem Fenster pro Stockwerk. Das Dach dieses Anbaus war höher als jenes des Hauptgebäudes. Dieser Anbau wurde durch eine gebrochene Ecke sichtbar gemacht. In der Mitte des dreiflächigen Gebäudeteils war der Eingang zum Restaurant. Ein weiterer Eingang war auf der Strassenseite geplant, wurde jedoch nie realisiert. Das französische Mansardendach wurde mit Ziegeln und Steinschiefer bedeckt.

Gemäss den alten Plänen befand sich im Erdgeschoss die Wirtschaft mit einer gegenüberliegenden Küche, einem grossen Saal und mehreren Zimmern für die Angestellten oder Wirtsleute. Der Eingang zum Restaurant lag auf der rechten Seite des Gebäudes. An das Wirtschaftslokal schloss sich ein Nebenzimmer an und im hinteren Teil des Gebäudes befand sich der grosse Saal. In die oberen drei Geschosse eingebaut waren die Wohnungen.

In einem Schreiben vom 5. August 1898 halten das Polizeidepartement und das Baudepartement fest, dass die Abortanlagen zur Grösse der Wirtschaft zu klein bemessen sind. Zudem wurde verlangt, dass die Frauenabteilung von der Männerabteilung getrennt und jede mit einem besonderen Eingang versehen werden muss. Ferner sei auf der Längsseite des Saales ein Ausgang ins Freie anzubringen, damit sich das Lokal nach zwei Seiten entleeren kann, forderten die Amtsstellen. Sie kritisierten im Weiteren, dass das Garderobezimmer nicht günstig platziert ist. Es sollte in die Nähe der Aborte verlegt werden, wurde angeregt. Die Bauherren erhielten für die Verbesserungen eine Frist bis zum 12. September 1898.

Der «Rheinische Hof» wird von der Brauerei Feldschlösschen erworben

Die Baubewilligung wurde schliesslich am 12. November 1898 erteilt und danach konnte mit dem Bau des Ausflugsrestaurants begonnen werden. Die Wirtschaft erhielt den Namen «Rheinischer Hof»; der Betrieb konnte vermutlich erst im Jahr 1900 aufgenommen werden. Es war die erste Wirtschaft im Niederholz-Quartier. Bilder aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigen das Gebäude in einer völlig unverbauten, landwirtschaftlichen Umgebung. Es war wohl mutig, in dieser Gegend ein Restaurant zu bauen.

Emil Egli war der erste Wirt im «Rheinischen Hof». Allerdings war er nur während einer kurzen Zeit in der Wirtschaft tätig. Schon 1902 übernahm Gusti Hügin gemäss den Angaben in der Brandversicherung als Wirt den Betrieb. Am 30. August 1905 erwarb die Aktienbrauerei Feldschlösschen das Restaurant. 1911 übernahm Georg Gläntzlin den «Rheinischen Hof», nach dessen Tod führte seine Frau Anna Gläntzlin-Fink das Restaurant weiter. Während der Jahre 1913/14 wirtete Fritz Marquait. Unbekannt sind die Wirte zwischen 1915 und 1925, die das Restaurant geführt haben. Nicht bekannt ist somit, ob die Wirtschaft während des Ersten Weltkrieges überhaupt geöffnet war.

Bekannt ist allerdings, dass das Wirtshaus um eine Metzgerei erweitert wurde. Zwischen 1925 und 1928 ist als Wirt des «Rheinischen Hofes» Friedrich Hofmann eingetragen und als Metzger Christian Zaugg. Ein Plan von 1925 zeigt deutlich, dass auf dem Gelände hinter dem Gebäude ein Schweinestall, Hühnerstallungen, ein Futterplatz und ein grosser Schopf eingezeichnet waren. Riehen war damals ein Bauerndorf, das rund 2600 Einwohner zählte. Obwohl nicht die Viehzucht, sondern der Weinbau im Vordergrund der landwirtschaftlichen Produktion stand, war es damals üblich, dass die Gaststätten über eine eigene Metzgerei verfügten.

Veränderungen im Innern...

Am 1. Juli 1928 übernahm Hermann Sutter den ganzen Betrieb. Einen weiteren Wirtewechsel gab es am 1. Juli 1937. Auf dieses Datum hin wurde Friedrich Tschiemer Pächter des «Rheinischen Hofs». Auf einem Plan aus dem Jahre 1942 ist zu sehen, dass am rechten Rand des grossen Vereinssaals eine kleine Bühne eingezeichnet ist. Dieser Saal mit Bühne bestand somit schon länger, als der im Jahre 1951 eingeweihte Saal im «Landgasthof». Musik- und Sportvereine nutzten den Saal für ihre Anlässe.

Das Restaurant verfügte damals über rund 85 Plätze. Die Gäste kamen durch einen Windfang in die Wirtschaft, die allerdings bedeutend kleiner war als jene der letzten Jahre. Die Anordnung der Tische blieb bis zuletzt unverändert. Neben der Speise- und Bierausgabe stand der einzige ovale Tisch, der bekannte Stammtisch, an dem bis ins 21. Jahrhundert vor allem Männer sassen. Es wurde gejasst, geredet und getrunken.

Im Erdgeschoss, also neben der Wirtschaft, befand sich die Pächterwohnung. Anstelle der alten Küche wurde ein Wohnzimmer eingebaut, daneben das Schlafzimmer. Dahinter befand sich eine relativ kleine Küche. Daran anschliessend wurden die WC-Anlagen eingebaut. Männerund Damentoiletten waren getrennt. Hinter diesen sanitären Anlagen lag noch ein so genanntes Dienstenzimmer.

...und auch am Äussern

Der Plan von 1942 zeigt auch einen grösseren Umbau der vorderen Fassade: Im Erdgeschoss wurden die beiden rechts am Gebäude liegenden Rundfenster ersetzt durch zwei grössere viereckige Fenster. Das Rundfenster auf der linken Seite der vorderen Fassade verschwand. Die Steineinfassung zur Abgrenzung des Turms wurde begradigt. Schliesslich erhielt das Erdgeschoss eine Granitsteinverzierung.

Aus dem Jahre 1940 gibt es einen weiteren Plan, auf dem im Untergeschoss ein Schutzraum eingezeichnet ist. Offenbar bereitete man sich auch in der Wirtschaft auf den Krieg in unmittelbarer Nähe vor. 1942 wurde zudem aufgrund der Vorgänge in Deutschland ein Namenswechsel vorgenommen. Die Wirtschaft hiess nun Restaurant «Zur Bierhalle Niederholz». Dieser Name ist erstmals im Basier Adressbuch des Jahres 1944 eingetragen. Friedrich oder Fritz Tschiemer und später seine Frau führten das Restaurant zwanzig Jahre lang.

Die Brauerei Feldschlössehen verkauft den Betrieb an die Familie Gasser

Am 1. Oktober 1958 übernahm Albert Gasser die Wirtschaft. Im Laufe der Zeit verschwanden die Ställe im hinteren Teil des Anwesens. Ausserdem wurde die Pächterwohnung im Erdgeschoss aufgehoben. Anstelle von Schlaf- und Wohnzimmer wurde ein neuer Teil für das Restaurant erstellt. Die Bierhalle war bei Sportvereinen sehr beliebt. Davon zeugten die Trophäen, die in den Vitrinen ihres Stammlokals standen.

1965 wurde hinter dem Haus eine Minigolfanlage gebaut. Im Jahre 1970/71 erfolgte die Umbenennung der Wirtschaft in Restaurant «Niederholz». Dieser Name tritt erstmals im Basler Adressbuch des Jahres 1972 auf.

Auf Anfang Juli 1973 übergab Albert Gasser das Wirtshaus seinem Sohn Bruno, der Metzger gelernt hatte und auch als Koch tätig war. Er prägte den Betrieb in den letzten 25 Jahren. Neben den Sportvereinen führten nun auch politische Parteien ihre Versammlungen im Vereinssaal durch. Podiumsdiskussionen wurden von verschiedenen Organisationen veranstaltet, darunter vom Quartierverein. Die Stammgäste kamen zwar weiterhin aus dem Quartier, allerdings zog es vor allem an warmen Sommerabenden viele Städter ins Niederholz. Die Innenmöblierung blieb grösstenteils unverändert. Auf Holzstühlen und an Holztischen sassen die Gäste, an der Wand hingen Vitrinen mit Auszeichnungen der Sportvereine und Fotos aus früheren Zeiten. Im Inneren gab es einen Wirtschaftsteil und einen grossen Saal. Spaziergänger und andere Besucher fanden im Lokal ein reiches Angebot an Gerichten. Im Sommer genossen die Gäste im Restaurantgarten unter grossen Kastanienbäumen Speis und Trank. Besonders beliebt waren die Lottospiele, die von verschiedenen Vereinen organisierten Tombolas oder die Ausstellungen des Kaninchenzüchtervereins.

An den Sonntagen vor der Fasnacht war das «Niederholz» Ziel von unzähligen Cliquen und Guggenmusiken, deren Mitglieder sich vor und nach den Marschübungen dort verpflegen konnten. Um den Ansturm zu bewältigen, stellte Wirt Bruno Gasser an schönen Tagen im Hof einen grossen Grill auf. Die Menschentraube vor dem Wurststand reichte während der Spitzenzeiten bis zur Tramstation. Nicht selten bedankten sich die Guggen am Abend mit einem Platzkonzert bei Wirt Gasser für die Verpflegung. Diese Sonntage waren eine letzte Erinnerung an die Jahre zuvor, in denen es im Niederholz noch Quartierfasnacht gab. Gemäss den Erzählungen von Bruno Gasser herrschte jeweils Hochbetrieb. Später blieb das Restaurant während der Fasnachtswoche geschlossen.

Bei Handwerkern und anderen mobilisierten Arbeitnehmern war das Mittagsmenü beliebt, unter anderem weil es kostengünstig war und Parkplätze zur Verfügung standen. 1996 verkaufte die Brauerei Feldschlösschen das gesamte Anwesen an Bruno Gasser. Dieser verpachtete die Minigolfanlage und den Kiosk zwischen dem Haus und dem Parkplatz. Das Restaurant führte er bis zu seinem Tod alleine weiter.

Zehn geräumige Wohnungen

Anstelle des über hundertjährigen Gebäudes, der Minigolfanlage und des Parkplatzes wird von der Erbengemeinschaft unter dem Namen «Bauherrengemeinschaft Niederholz» die überbauung «Wohnen am Landschaftspark Wiese» erstellt. Architekt Rolf Brüderlin schuf die Pläne für zwei Wohnhäuser mit je fünf Eigentumswohnungen und einer Autoeinstellhalle mit zwölf Plätzen. Acht Vierzimmer- und zwei Fünfzimmerwohnungen sind vorgesehen. Die Gebäude stehen quer zur äusseren Baselstrasse und sind umgeben von Bäumen. In Richtung des Landschaftsparkes Wiese entsteht anstelle der Minigolfanlage ein Park mit Obst- und anderen Laubbäumen. Ursprünglich sollten einige Bahnen der Minigolfanlage erhalten bleiben; das Vorhaben scheiterte jedoch. Die Bewohner der neuen überbauung können den Blick auf die Wiese-Landschaft, die Langen Erlen und den Tüllinger Hügel geniessen, denn das Gebiet gehört zur Grundwasserschutzzone und darf nicht überbaut werden. Die neuen Wohnungen, für die schon früh ein grosses interesse gezeigt wurde, können ab Winter 2002 bezogen werden.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2001

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