Das war ein Fest davon wird man noch reden in den spätesten Zeiten

Michael Raith

2. August 1891: Die 600 Jahr-Feier der Eidgenossenschaft in Riehen

Die Tradition der 1. August-Feiern beginnt im Jahr 1891. Die Kunde, dass der Geburtstag der Eidgenossenschaft anlässlich seiner 600. Wiederkehr zum ersten Mal begangen werden solle, drang offensichtlich bis nach Riehen und dort bis in den Vorstand des 1856 gegründeten Liederkranzes. Dieser wurde damals von Lehrer Johann Rausser (1845-1911), einem Thurgauer, präsidiert. Als Aktuar amtete Emil Feisst (1869-1920), damals noch Badenser, treibende Kraft war aber der rührige Gemeindeschreiber, Grossrat und Wirt Heinrich Weissenberger-Wenk (1840— 1908).

Der Liederkranz pflegte eine Vereinsfreundschaft mit dem Schweizer Männerchor Lörrach, und das Bundesjubiläum bot Gelegenheit, diese Freundschaft zu begiessen: schon am 2. Juni 1891 sagten die Lörrachohelvetier «Mit freundeidgenössischem Gruss & Handschlag» zu. Am 11. Juni wandte sich der Liederkranz dann an den Gemeinderat: «Sonntag, den 2. Aug. d. J. werden sämtliche Gemeinden unseres Vaterlandes zum Andenken an den ersten Bund der Eidgenossen eine Jubelfeier veranstalten. Wird Riehen sich mit der kirchlichen Feier am Vormittag begnügen & sich im übrigen gleichgültig verhalten? Wir glauben nicht, dass es hinter den anderen Gemeinden zurückstehen will, & sind überzeugt, dass der 2. Aug. sich auch hier zu einem Volksfeste gestalten werde.» Der Gemeinderat sagte seine Mitwirkung zu und bewilligte 350 Franken an die Kosten. Er wurde auch anderweitig involviert, erreichte ihn doch ein Schreiben von Regierungsrat Rudolf Philippi (1835-1903), des Inhalts, es seien in der ganzen Schweiz Höhenfeuer geplant, «...es wird deshalb für Ba~ sel-Stadt Ehrensache sein, an jenem Abend unsern Eidgenossen im Berner und Solothurner Jura, im Baselbiet und im Aargau das Zeichen zu geben, dass an den äussersten Marken des Schweizerlandes mit ebenso lebhaften und tiefen Gefühlen der Dankbarkeit der Begründer unserer Freiheit gedacht wird, wie im Innern des Landes». Das Holz, «an welchem es in Ihrer Gemeinde nicht fehlen sollte», hatte Riehen zu besorgen. Und so loderten denn oberhalb des Wenkenhofs und auf dem Hungerbach mächtige Feuer.

Am 14. Juni trafen sich Vertreter des Gemeinderates, der Lehrerschaft sowie des Liederkranzes, Musikvereins, Schützenvereins, Turnvereins und Pompier-Vereins zu einer Besprechung. Am 20. Juni wählte man ein «Organisationskomité», dem Weissenberger als Präsident, der Lehrer Johann Reck (1847-1905) als Aktuar und der Spezierer Emil Stump (1860-1917) als Kassier angehörten. Das Protokollbuch dieses Comités liegt im Gemeindearchiv, offensichtlich ging man davon aus, dass es später wieder zu Rate gezogen würde.

Es gab eine Menge zu tun. Vereine mussten angefragt werden, ob sie bereit seien, mitzumachen. Der Männerchor Bettingen hatte als junger Verein Hemmungen, öffentlich aufzutreten, wollte sich aber den Weisungen des Comités fügen. Der Schweizer-Bund Lörrach war willens, die Feier «so viel wie möglich verschönern [zu] helfen». Die Militärdirektion stellte auf Wunsch zwei kleine Kanonen mit Munition zum Salutschiessen zur Verfügung unter der Bedingung, dass ein Unteroffizier das Kommando führe. Ein solcher konnte aber offensichtlich nicht aufgetrieben werden und man gab sich dann mit dem Gefreiten Samuel Trächslin (1860-1941) zufrieden. Wichtig war auch, dass das Sängerpodium «für die Dauer des Festes genügende Sicherheit bietet». Das um die Ausleihe von Fahnen angegangene Baudepartement regte sich auf: keine andere Landgemeinde habe solche Begehren gestellt. Man sei aber bereit, Flaggen auszuleihen, wenn solche nach der Dekoration der Stadt noch übrig sein sollten. Der eingeladene Regierungsrat sah von der Entsendung einer Delegation ab und überliess es seinen Mitgliedern, ob sie erscheinen wollten. Ohne Feuerwerk - es fand im Schlipf statt - konnte es nicht abgehen: bei den Akten findet sich ein Eilfrachtbrief für eine Kiste Feuerwerkskörper aus Mehlpulver: «Nicht explodirbar!» steht darauf. Es wurden 1500 Programme gedruckt. Man kaufte grosse Mengen von Seidenpapier und Lampions zur Dekoration.

Am 29. Juli war dann in den «Basler Nachrichten» zu lesen: «Die Vorbereitungen für die nächsten Sonntag stattfindende Bundesfeier sind in vollem Gange. Die Organisation liegt in bewährten Händen (Präsident Hr. Grossrath Weissenberger). Unterhalb des Schulhauses am Wege nach den <Erlen> wird ein Festplatz mit Wirthschaft hergerichtet, auf dem, günstige Witterung vorausgesetzt, ein Programm von 14 Nummern, bestehend in Gesangs- und Musikvorträgen, turnerischen Vorstellungen und Reigen von Schulkindern &c. abgewickelt wird.»

Die Feier wurde zum totalen Erfolg. In der «NationalZeitung» war am 4. August zu lesen: «Das war ein Fest; davon wird man noch reden in den spätesten Zeiten. Nur eine Stimme der Freude und der Befriedigung über den gelungenen Verlauf dieses vaterländischen Erinnerungstages. Kein Missklang trübte die frohe Feier. Das Fest hatte für unser Dorf in der äussersten Ecke der Schweiz noch eine besondere Bedeutung. Die umliegenden deutschen Ortschaften waren bei uns auf Besuch und feierten von ganzem Herzen mit.

Mit Kränzen, Fahnen und farbigen Wappenschildern waren die Häuser geschmückt. Vor allen zeichnete sich unser Gemeindehaus aus. Der grosse Dorfbrunnen daneben war mit künstlerischem Geschmack in ein Rüth mit dem Uri-Rothstock im Hintergrund umgewandelt worden. Nur einige altersgraue Bauernhäuser waren zu spät erwacht und schauten in ihrer düstern Blosse verwundert in die geschmückten Strassen hinein. Unterhalb des Dorfes, links und rechts der Langen Erlenstrasse, war eine Festwiese mit Podium und zahlreichen Tischen unter den schattigen Obstbäumen hergerichtet worden. Um halb 2 Uhr verkündeten 22 Kanonenschüsse den Beginn des Festzuges durch das Dorf. Ausser den fünf hiesigen Vereinen und den vier Klassen der Sekundärschule nahmen am Zuge die zwei Schweizervereine von Lörrach Theil. Unter den flotten Klängen unserer wackeren Dorfmusik bewegte sich der Zug durch eine dichtgedrängte Zuschauermenge auf den Festplatz zur Abwickelung des Ihnen früher mitgetheilten Programmes. Nummer für Nummer waren vortrefflich eingeübt und ernteten reichlichen Beifall von den Kopf an Kopf stehenden und zu Hunderten zählenden Festfeiernden. In der Begrüssungsrede hiess der Festpräsident, Herr Sekundarlehrer Rausser, in schwungvoller Weise die Gastvereine, die Behörden und Mitfeiernden herzlich willkom men. Mit Macht erbrausten die Gesammtchöre, aufgeführt von 200 Sängern und Sängerinnen unter Musikbegleitung über die grünen Wiesen hin. Besonderen Dank erwarben sich auch die Einzelaufführungen der Gastvereine Schweizerbund Lörrach und Schweizer Männerchor Lörrach sowie die Produktionen des hies. Musikvereins und der Turner an Reck und Barren in Ausführung kunstvoller Pyramiden. Nimmer endenwollender Jubel erfüllte die Luft nach den unter Musikbegleitung fehlerlos ausgeführten Stabreigen der Knaben und Tanzreigen der Mädchen der Sekundärschule, so dass sie wiederholt werden mussten. Die lieben Kleinen sehnten sich aber nicht nach Beifall, ihr Sinn stand nach einer materiellen Belohnung ihrer Arbeit, denn es war inzwischen 5 Uhr geworden.

In wohldurchdachter Rede gedachte der Festredner, Herr Sekundarlehrer Johannes] Rohner [(1855-1914), ein Appenzeller], der Entstehung der Eidgenossenschaft, schilderte die Kämpfe um ihre Erhaltung und mahnte zum Nacheifern unserer gesinnungstüchtigen Vorfahren, die stets und ohne Wanken ihr persönliches Interesse dem Interesse des Vaterlandes zum Opfer gebracht hatten.

Mit dem Gesang: <Rufst du mein Vaterland*, in den sämmtliche Mitfeiernde einstimmten, schloss der offizielle Theil des Textes. Unter den Bäumen entwickelte sich nun ein fröhliches Festleben mit Gesang, Musik und Tanz bis zum Abzug der Gastvereine, denen die übrigen Vereine das Geleite bis vor das Dorf gaben.»

Es ist noch nachzutragen, dass der Festwein Fr. 1.40 pro Liter kostete. Und dass die Schüler 42 Liter Bier und 120 Klopfer vertilgten. Heinrich Weissenberger wurde keine zwei Monate später zum Gemeindepräsidenten gewählt. Und die Feier bürgerte sich nach dem gelungenen Start rasch ein. Doch davon ein anderes Mal.

Literatur

Georg Kreis: <Der Mythos von 1291 Zur Entstehung des schweizerischen Nationalfeiertags», Basel 1991

 

Quellen

StABS Gemeindearchiv Riehen: A 1,7 Protokoll des Gemeinderates

1886-1891, B 8 Bundesfeier 1891-1930

Basler Nachrichten Nr. 205 vom 31. Juli 1891, Nr. 209 vom 4. August 1891

National Zeitung Nr. 180 vom 4. August 1891

Oberländisches Volksblatt, Lörrach

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1991

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