Der Französische Garten des Neuen Wenken und seine Statuen

Gerhard Kaufmann

Herrschaftliche Barockgärten leben nicht nur von ihrem durch symmetrisch angelegte Baumalleen und Kieswege gebildeten Rahmen, ihre volle Wirkung entfalten sie erst mit den als Gestaltungselemente eingesetzten Treillagepavillons, Buchsbroderien, Obelisken, Guss- oder Steinvasen, Bassins und Springbrunnen und, als eigentlichen Blickfang, in Stein gehauenem Figurenschmuck. Dieses Grundmuster findet sich bereits beim grossen Vorbild Versailles; es findet sich aber auch im friderizianischen Sanssouci, im Schlosspark Schwetzingen, in den zahlreichen Residenzen europäischer Fürstenhöfe, aber auch in Klein-Riehen und schliesslich auch im Neuen Wenken. Weshalb der Französische Garten des Neuen Wenken über Jahrzehnte hinweg seines figürlichen Schmuckes beraubt war, und wie sozusagen fünf vor zwölf die Rückführung der Originalstatuen an ihre ursprünglichen Standorte in die Wege geleitet wurde, ist Gegenstand des nachfolgenden Beitrages.

Louis XV. lässt grüssen

Johann Heinrich Zaeslin (1697-1752), der Erbauer des Neuen Wenken, war einer der reichsten Basler seiner Zeit. Sein beträchtliches Vermögen erwarb er sich im Salzhandel und in der Eisengiesserei. Er war aber auch - offensichtlich sehr erfolgreich - in Geldgeschäften tätig und verschaffte sich dank dieser und anderer Qualitäten Zugang zum damals in Europa tonangebenden französischen Königshof. Von jeher französischer Lebensart zugeneigt, empfing Zaeslin in Versailles entscheidende Impulse, die in ihm den Plan reifen liessen, dem mittelalterlichen Wenkengut ein Lusthaus mit Barockgarten in der Art des Trianon de Porcelaine anzufügen. über die Originalausstattung des ab 1735 durch Zaeslin angelegten Französischen Gartens liegen präzise Angaben aus der Hand Emanuel Büchels vor. Auf einem Stich aus dem Jahre 1751 ist nicht nur der Garten in seiner Gesamtheit, es sind auch einzelne der ursprünglich neun Statuen im Detail dargestellt und beschrieben. Wie in den meisten Barockgärten stellen auch im Neuen Wenken die einzelnen Statuen Figuren aus der römischen oder griechischen Mythologie dar1). Sie haben ihre Vorbilder samt und sonders in Versailles. Eine dieser Statuen scheint es Emanuel Büchel besonders angetan zu haben; sie wird als einzige von ihm mit Namen aufgeführt und als «Venus avec les belles fesses» bezeichnet.

Gleichzeitig mit dem Neuen Wenken entstanden zwischen Riehen und Basel die Bau- und Gartenanlagen des Bäumlihofes, zur Zeit der Entstehung als Klein-Riehen bezeichnet. Bauherr von Klein-Riehen war Samuel Burckhardt-Zaeslin (1692-1766), Schwager von Johann Heinrich Zaeslin, und diesen an finanzieller Potenz noch übertreffend. Es ist offensichtlich, dass die beiden Schwäger in einer Konkurrenz hinsichtlich Prachtentfaltung und höfischer Lebensart gestanden haben.

Parallelen zwischen dem Statuenschmuck von Klein-Riehen und den im Garten des Neuen Wenken stehenden Figuren sind unverkennbar. Auch Klein-Riehen hat seinen Herkules und seine Venus, nur heisst sie dort etwas vornehmer, nämlich «Venus Kallipygos»2).

Vertreibung aus dem Paradies

Für Alexander Clavel, seit 1917 Herr auf dem Wenkenhof, scheinen die acht Statuen aus der Zeit des Erbauers keinen grossen Stellenwert besessen zu haben. Sie standen offensichtlich seinen Ausbauplänen beziehungsweise denjenigen seines Gartenachitekten im Weg3). So finden wir die steinernen Römerinnen und Griechen Mitte der zwanziger Jahre verstreut im englischen Landschaftspark und im so genannten Wackernagel-Park. Eine der acht Standhaften, nämlich die Ceres, fand den Weg in das Ecke Bettingerstrasse/Martinsrain gelegene Privatgrundstück, wohl als Zugabe zu der von Alexander Clavel erworbenen Bauparzelle.

Rettung in letzter Minute

Als 1968 Alexander Clavel seinen Wohnsitz ins Tessin verlegte und damit auf seine Nutzungsrechte am Wenkenhof verzichtete, sah sich die Gemeinde etwas überraschend mit der Aufgabe konfrontiert, die 1955 von den Ehegatten Clavel erworbene Reithalle samt englischem Landschaftspark nicht nur sinnvoll zu nutzen, sondern - mit allen finanziellen und organisatorischen Konsequenzen - auch zu unterhalten. Die zuständigen Ressortchefs im Gemeinderat stiessen bald einmal auf die verstreut im Park stehenden und vor sich hindämmernden Statuen. Es folgten Expertengespräche, Beratungen durch die Denkmalpflege, Besuch des Schlossparks in Schwetzingen aus Informations- und Vergleichsgründen sowie erste vorsichtige Kostenschätzungen. Unsicherheit kam auf wegen der Art der Instandsetzung. Sollte etwa ein Abguss auf Kunstharzbasis oder eine durch die Hand eines Bildhauers angefertigte Kopie das Richtige sein? Angesichts dieser Unsicherheiten, aber auch anderer Aufgaben wegen - die Gemeinde sah sich vor die Aufgabe gestellt, die ihr zugefallene Reithalle umfassend zu renovieren - liess man das Problem «Sicherung der Statuen» auf sich beruhen. Drei Zufälle, ich möchte sie eher als Glücksfälle bezeichnen, waren es dann, die die acht Zeugen einer glanzvollen Epoche wahrlich in letzter Minute vor dem vollständigen Zerfall retteten.

Glücksfall Nummer eins: Im August 1986 traten die Erben des durch einen Landkauf in den Besitz der Ceres gelangten Grundeigentümer an die Alexander Clavel-Stiftung mit dem Angebot, ihr die Ceres geschenkweise zu überlassen und so deren Rückführung an den angestammten Standort in die Wege zu leiten. Die Alexander Clavel-Stiftung nahm an, obwohl sie die Tragweite dieses Geschenkes noch nicht ganz abzuschätzen vermochte. Die übereignung der Ceres bildete gleichzeitig die Initialzündung für den in der Folge ablaufenden Instandsetzungsvorgang.

Glücksfall Nummer zwei: Der amtierende Denkmalpfleger, Dr. Alfred Wyss, machte die Instandsetzung des ein trauriges Dasein fristenden Statuenschmuckes zur Chefsache. Er wies den für die Instandsetzung einzuschlagenden Weg, widmete dieser sich über mehrere Jahre hinwegziehenden Aufgabe seine volle Aufmerksamkeit und, trotz permanenter überbelastung, einen beträchtlichen Teil seiner Arbeitszeit.

Und schliesslich Glücksfall Nummer drei: Mit dem Bildhauer und Steinrestaurator Joseph Ineichen in Niederlenz konnte ein Fachmann gewonnen werden, der in künstlerischer, in handwerklicher und nicht zuletzt auch in organisatorischer Hinsicht die ihm gestellte Aufgabe meisterhaft beherrschte. Die in einer Vielzahl von Arbeitsgängen durchgeführte Instandsetzung der Statuen erfolgte im Atelier des Künstlers. Unterstützt wurde er dabei von seiner Tochter Mireille Ineichen. Die Erneuerung der schweren Sandsteinsockel sowie die Aufstellung der Statuen besorgte der Steinmetzbetrieb der Firma Züblin AG in Riehen. Die erforderlichen Farbsondierungen4) und die aus den gewonnenen Erkenntnissen resultierenden Anstriche auf Sockel und Statuen wurden von Restaurator Paul Denfeld in Bettingen vorgenommen. Die Restauration der insgesamt acht Statuen wickelte sich im Zeitraum November 1988 bis Juli 1993 ab. Bereits der Transport vom ursprünglichen Standort in die Werkstatt des Bildhauers stellte erhebliche Probleme. Für die Bergung einzelner an unzugänglicher Stelle stehender Figuren mussten die Dienste eines Helikopters in Anspruch genommen werden. Um Transportschäden zu vermeiden beziehungsweise vorhandene Schäden nicht noch grösser werden zu lassen, wurde jeder Figur ein stählernes Korsett verpasst. Bei einzelnen Figuren war der Zerfall derart weit fortgeschritten, dass im Atelier zuerst ein Abguss erstellt und an diesem die ursprüngliche Formgebung rekonstruiert werden musste. Erst nach Gutheissen des Entwurfes durch die Denkmalpflege konnte dann die herausgearbeitete Fassung durch Aufmodellierung auf das Original übertragen und bildhauerisch bearbeitet werden. War die Zerstörung derart weit fortgeschritten, dass Anhaltspunkte über die ursprüngliche Formgebung gänzlich fehlten, musste auf eine Rekonstruktion verzichtet werden. Der «weiblichen Figur mit aufgesteckter Zopffrisur» (Flora?) fehlt deshalb der rechte Unterarm.

Wissend um die hohen Kosten einer fachgerechten Instandsetzung machten weder die Industriellen Werke Basel (IWB) noch die Gemeinde Riehen Eigentumsrechte an den auf ihrem Grund und Boden stehenden, dem Zerfall preisgegebenen Kunstwerken geltend. Die Last der Restaurierungsarbeiten sowohl in organisatorischer wie in finanzieller Hinsicht lag damit in übereinstimmung mit dem Stiftungszweck vollumfänglich bei der Alexander Clavel-Stiftung. Die Stiftung hat dafür 403000 Franken aufgewendet. Erleichtert wurde ihr dieses Engagement durch Subventionen der öffentlichen Hand in der Grössenordnung von 160000 Franken.

Weitgehend an Originalstandorten

Die ein Volumen von etwa 0,5 Kubikmetern aufweisenden Figurensockel sind aus rotem Sandstein gefertigt. Das Rohmaterial dafür dürfte aus unserer Gegend, das heisst aus Degerfelden, dem Maienbühl oder dem Wiesental stammen. Die Figuren bestehen aus einem gelblich-grauen, sehr feinkörnigen Sandstein. Nach den vom Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Basel durchgeführten Steinuntersuchungen kommt als Herkunftsort sowohl die obere Zürichseegegend (Bäch) als auch die Gegend um Bern (Ostermundigen oder Krauchtal) in Frage. Transportprobleme fanden im 18. Jahrhundert ihre Lösung mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Wasserwege.

Die Figuren sind etwas überlebensgross. Sockel wie Figuren waren von Anfang an mit einem Anstrich versehen. Zahlreiche Indizien belegen, dass es sich beim Figurenschmuck des Neuen Wenken um die Originalausstattung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts handelt. Die den klassischen Barockgarten schmückenden Statuen waren in erster Linie Ausstattungselemente. Allzu hohe künstlerische Ansprüche können deshalb an das einzelne Werk nicht gestellt werden. Oftmals wurden diese antiken Schönheiten in Serie gefertigt. Vergleiche mit andernorts stehenden Statuen zeigen, dass diejenigen des Neuen Wenken den künstlerisch ausgereifteren Exemplaren zugerechnet werden können. Qualitätsunterschiede innerhalb der auf dem Wenkenhof stehenden Götterfamilie sind allerdings unverkennbar.

Die heutige Aufstellung entspricht weitgehend den Originalstandorten aus der Zeit Zaeslins. Bedingt durch den Umstand, dass die ehemals eine markante Kulisse bildenden Lindenalleen kürzlich durch eine Neuanpflanzung ersetzt worden sind, wirken die renovierten Statuen etwas dominant. Das optische Gleichgewicht wird sich wieder einstellen, sobald die jungen Linden herangewachsen sind, und die rund ums zentrale Gartenbassin vorgesehene Buchsbepflanzung ausgeführt ist.

Mit der Wiederherstellung der Statuen und deren Rückführung an die Ursprungsstandorte ist ein wichtiger Schritt hin zur Annäherung des Französischen Gartens an den von Johann Heinrich Zaeslin geschaffenen Originalzustand vollzogen worden.

Ich danke für wertvolle Hinweise

Dr. Uta Feldges, Adjunktin Denkmalpflege, Basel

Paul Denfeld, Restaurator, Bettingen

Josef Ineichen, Bildhauer-Restaurator, Niederlenz

 

Anmerkungen

1) Vielleicht gehören einzelne der Statuen zu einem Zyklus der Vier Jahreszeiten.

2) Richtig wäre: Aphrodite Kallipygos

3) Die Vermutung, die Statuen seien schon vor der Zeit Alexander Clavels aus dem Französischen Park entfernt worden, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

4) Es konnten bis zu zehn übereinanderliegende Farbschichten nachgewiesen werden.

 

Quellen Silvia Hofmann, «Die Geschichte des Wenkenhofes», in RJ 1984

Silvia Hofmann, «Der Bäumlihof», in RJ 1991

Josef Ineichen: Dokumentation vom 9. Dezember 1993

Büro Gerhard Kaufmann: Bauakten

Dr. Christian Heydrich, Restaurator: Untersuchungsbericht vom 20. Juli 1987

 

Personen

(soweit nicht schon im RRJ oder im RJ 1986 ff. vorgestellt):

Dr. Alfred Wyss (1929), Dr. phil, Kunsthistoriker, Denkmalpfleger, Graubünden und Basel-Stadt, Direktor der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege

Joseph Ineichen (1938), Bildhauer und Restaurator

Mireille Ineichen (1967), Bildhauerin

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1995

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