EURO 08 - alles nur Fussball

Urs Denzler

An den «Wenkenhofgesprächen» möchte Riehen aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen.

Genau ein Jahr vor der Eröffnung des Mega-Sportspektakels Fussball-Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und in österreich, nämlich am 8. Juni 2007, lud die Gemeinde Riehen erstmals zu den «Wenkenhofgesprächen». EURO 08 alles nur Fussball? lautete die Fragestellung, mit der Patrick Rohr, ehemaliger Fernsehmoderator, seine illustren Gäste auf dem Podium in der Reithalle Wenkenhof herausforderte. Es entwickelte sich daraus eine hoch stehende Debatte mit pointierten Voten, anregenden Gedanken, aber auch humorvollen Bemerkungen.

Riehen - Lebenskultur Riehen ist stolz darauf, seit zehn Jahren Standortgemeinde der nicht nur in der Kunstszene weltweit bekannten Fondation Beyeler zu sein. Das Besucheraufkommen in Riehen hat sich seit dem Bestehen dieses kulturellen Magnets gegenüber der Zeit davor vervielfacht. Aber wohl nur wenige Besucherinnen und Besucher des Beyeler-Museums nehmen wahr, welche Vorzüge Riehen über diesen einmaligen Kunsttempel hinaus zu bieten hat. Und diese lohnt es sich, ins rechte Licht zu rücken.

So schätzt sich Riehen beispielsweise glücklich, mit dem Wenkenhof über eine einzigartige Anlage mit besonderer Ambiance zu verfügen, welche prädestiniert ist, als Veranstaltungsort für Aktivitäten zu dienen, die weit über Riehen hinaus Beachtung finden. Eine dieser Aktivitäten sind die Wenkenhofgespräche, die 2007 erstmals durchgeführt worden sind und die im Verlauf der nächsten Jahre einen grossen Namen erhalten sollen.

Wenkenhofgespräche

Der Gemeinde Riehen ist es ein Anliegen, als Organisatorin der Wenkenhofgespräche aktuelle gesellschaftliche Themen aufzugreifen, diese mit Fachleuten in Diskussionen und im Ideenaustausch zu vertiefen sowie deren Bedeutung für die Regio herauszuarbeiten. Dahinter steckt die Idee, sich mit einer spannenden Gesprächsplattform Jahr für Jahr regional und darüber hinaus mit Themen ins Gespräch zu bringen, welche einerseits sowohl für die Fachwelt als auch für breite Bevölkerungsschichten von Interesse sind und andererseits einen innovativen Geist zum Ausdruck bringen und nachhaltige Wirkung zeigen.

Neben spannenden Loungedebatten und animierten Talkrunden unter Fachleuten sind die Wenkenhofgespräche gleichzeitig ein Ort der Begegnung von Fachwelt und Laienpublikum. So konnten sich beim Pausen-Smalltalk an den diesjährigen Wenkenhofgesprächen beispielsweise der Freizeitsportler dem Präsidenten von Swiss Olympic Jörg Schild, das Verkehrsvereinsmitglied dem Luzerner Tourismusexperten Kurt Illi, der Gewerbetreibende dem Marketingverantwortlichen der Fussball-WM-Stadt München Frank Kampp und die Zeitungsleserin dem Mediensprecher des FC Basel Josef Zindel begegnen.

EURO 08 - alles nur Fussball?

Im Juni dieses Jahres, also rund zwölf Monate vor dem Kick-off im St. Jakob Park, überbordeten die Medien beinahe mit ihren Berichterstattungen rund um die Euro 08. Oft Hessen diese Meldungen mit einem kritischen oder gar negativen Unterton aufhorchen. Die Inhalte drehten sich mehr um Fragen von Sicherheit und Gewalt oder Kosten, als dass das Faszinierende und Ansteckende eines sportlichen Grossereignisses, wie es eine Fussball-Europameisterschaft zweifellos ist, im Vordergrund stand. Thematisiert wurden primär Risiken und Gefahren. Die Chancen eines solchen Spektakels für die Region wurden zu wenig beleuchtet. Und genau an diesem Punkt haben die Wenkenhofgespräche 2007 angesetzt.

Zunächst beschnupperte sich die illustre Teilnehmerrunde im ungezwungenen, gleichzeitig aber gediegenen Rahmen der Villa Wenkenhof bei einem Umtrunk, bevor Moderator Patrick Rohr seine Podiumsgäste in der Reithalle begrüssen und dem Publikum vorstellen konnte. Die Runde war hochkarätig besetzt und jeder Podiumsteilnehmer stand für eine Fachrichtung, aus der er das Diskussionsthema angehen konnte. So forderte Patrick Rohr alle zu pointierten Voten heraus und am Wirtschaftsförderer der Gemeinde Riehen, selbst geladener Podiumsteilnehmer, sowie dem Publikum lag es, das Gehörte auf Riehen zu adaptieren.

So stellten sich Fragen wie die, ob die Schweiz, Basel und die Regio für einen solchen Grossanlass überhaupt bereit seien. Lassen sich die Leute von einer Euphorie anstecken? Nutzen die Gemeinden die Chancen, die sich aus einem Grossaufmarsch von Gästen und Fans ergeben? Erkennen die Gewerbetreibenden die Nischen, die ihnen die UEFA trotz ihren restriktiven Vorgaben überlässt? Kann Riehen mit eigenen Aktivitäten einen Kontrapunkt zum Fussballspektakel setzen? Einige äusserungen von Podiumsteilnehmern tönten ernüchternd. Vielleicht lag es daran, dass die Euro 08 einfach noch nicht in den Köpfen angekommen war.

In der zweiten Halbzeit, um beim Fussballjargon zu bleiben - konkret in einer zweiten Talkrunde - ging es schon lockerer zu und her, ohne dabei oberflächlich zu wirken. Es war für das Publikum offenkundig, dass sich viele der Podiumsteilnehmer kannten und wohl schon verschiedentlich gemeinsam Gesprächsrunden bestritten hatten. Mit gezielten Fragen setzte Moderator Patrick Rohr Themenschwerpunkte, die er mit seinen Gästen vertiefen wollte. Mit Swiss-Olympic-Präsident Jörg Schild sprach er über Ethik im Sport. Urs Siegenthaler, den Chef-Scout der deutschen Fussballnationalmannschaft, forderte er heraus, sich zu den Chancen der Schweizer an der Heim-EM zu äussern. Martin Dürr konfrontierte er mit der Frage, wie er es unter einen Hut bringe, als Pfarrer seinen Gott zu ehren und gleichzeitig als FCB-Fan die Fussballer zu vergöttern. Mit Marie-Therese Nadig, der ehemaligen Abfahrtsolympiasiegerin, vertiefte er die Problematik eines Sportstars, der in jungen Jahren viel erreicht hat und danach seinen Weg suchen lernen muss. Abgeschlossen wurde die Talkrunde mit Josef Zindel, Mediensprecher des FC Basel, und dem Thema Gewalt unter den Fans. äusserst geschickt verstand es Patrick Rohr, die einzelnen Themen miteinander zu verbinden, was dem Gespräch einen roten Faden gab.

Unter dem Strich war rundherum Zufriedenheit zu verspüren. Inhaltlich kann die Gemeinde Riehen auf eine gelungene Premiere der Wenkenhofgespräche zurückschauen. Mit einem ebenso hörens- wie sehenswerten Auftritt beim abschliessenden «Apéro riche» rundete die junge Eliane Burki mit Band den Anlass in gediegener Art und Weise ab. Einzig der Publikumsaufmarsch hätte grösser ausfallen dürfen. Das soll sich ändern, denn wer nicht dabei gewesen ist, hat etwas verpasst.

Wenkenhofgespräche 2008 Ermutigt vom Gelingen der ersten Wenkenhofgespräche, machen sich die Organisatoren an die Planung der Ausgabe 2008. Dabei wird noch mehr darauf geachtet werden, dass es gelingt, das lokale und regionale Publikum für die Wenkenhofgespräche 2008 zu interessieren. Das Organisationskomitee ist sich der Tatsache bewusst, dass es nicht einfach ist, eine neue Gesprächsform in Riehen zu etablieren. Allerorten spriessen Podiumsdiskussionen, Talkrunden, Gesprächsforen und dergleichen aus dem Boden. Trotzdem ist man in Riehen überzeugt, dass die Wenkenhofgespräche eine viel versprechende Zukunft haben. Der Veranstaltungsort passt, das regionale Umfeld stimmt und die Gemeinde ist gewillt, den Wenkenhofgesprächen zum Durchbruch zu verhelfen. Vielleicht wird dann die Vision eines Verantwortlichen für diese neue Gesprächsplattform Realität, dass nämlich dereinst die Wenkenhofgespräche für gesellschaftspolitische Themen mindestens regional jenen Stellenwert haben werden, den das World Economic Forum in Davos für Politik und Wirtschaft weltweit geniesst.

Liste der Gesprächsteilnehmer: Kurt Uli, lie. oec. pubi., ehemaliger Verkehrsdirektor der Stadt Luzern Ueli Mäder, Prof. Dr., Institut für Soziologie, Uni Basel Peter Gilliéron, Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbandes Frank Kampp, Marketingleiter und stv. Projektleiter WM 2006 München Felix Werner, Wirtschaftsförderer Riehen Jörg Schild, Präsident Swiss Olympic Marie-Therese Nadig, ehemalige Schweizer Skirennläuferin und Trainerin Martin Dürr, Pfr. (evang.-reformiert), Teilzeitpfarrer Johannesgemeinde Basel Urs Siegenthaler, Chef-Scout der Deutschen Fussball-Nationalmannschaft, Mitglied des Trainerstabes Deutsche Nationalmannschaft Josef Zindel, Mediensprecher und öffentlichkeitsbeauftragter des FC Basel 1893

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2007

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