Kulturpreisträger 1990: Architekturmuseum in Basel

Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, Dorothee Huber

Am 23. Mai 1991 wurde in der Alten Kanzlei der Kulturpreis der Gemeinde Riehen für das Jahr 1990 dem Architekturmuseum in Basel verliehen. Entgegen den bisherigen Gepflogenheiten ging damit dieser Preis erstmals an eine Institution ausserhalb der Gemeinde; er wurde - wie die Jury in der Laudatio ausführte - ausgerichtet «zur ermutigenden Förderung des im Entstehen begriffenen Architekturführers, der beispielsweise auch durch die Darstellung von Riehener Bauten des früheren zwanzigsten Jahrhunderts (...) mithelfen wird, sowohl bei den Fachleuten als bei der Allgemeinheit den Sinn für Baukultur zu schärfen.»

Die Direktorin des Architekturmuseums, Ulrike Jehle Schulte Strathaus, und die Verfasserin des Architekturführers, Dorothee Huber, orientieren im folgenden über ihre Arbeit am Museum und an dem neuartigen Führer durch die Basler und Riehener Architektur.

Die Redaktion

 

Der Begriff «Architekturmuseum» könnte verwirren. Architektur lässt sich nicht ausstellen. Ausstellen und erläutern lassen sich jedoch die Spuren des Prozesses, die zum Bau führen, lassen sich Pläne, Modelle, gezeichnete Utopien. Unter diesem Aspekt stellt das Museum regelmässig das Werk einzelner Architekten aus der Vergangenheit und der Gegenwart vor oder widmet sich in thematischen Ausstellungen Baugattungen oder Einzelobjekten.

Das Musum versteht sich als Ort der Auseinandersetzung, wenn es zu Vorträgen und Diskussionen einlädt, aber auch wenn es Bereiche des kulturellen Umfeldes von Architektur vorstellt, Architektur-Spielzeug, Künstler, in deren Werk Architektur eine besondere Rolle spielt, Denkmodelle.

Das Museum pflegt seit seiner Gründung im Jahre 1984 den Kontakt zu den Architekturschulen der Schweiz und zu verwandten Instituten. In Zusammenarbeit mit dem «Institut für Geschichte und Theorie der Architektur» (gta) an der ETH sind die Ausstellungen über Otto Rudolf Salvisberg, Hans Hofmann, Hans Wittwer oder Hannes Meyer zustande gekommen, mit den Studentinnen und Studenten des Kunsthistorischen Seminars der Universität Basel konnte das Werk des Basler Architekten Otto H. Senn in einer Publikation aufgearbeitet und ausgestellt werden.

Eine weitere Aufgabe des Museums besteht in der Teilnahme an aktuellen Ereignissen. Wir möchten das Verständnis fördern für erhaltenswerte moderne Bauten, für das architektonische Erbe der klassischen Moderne. Zuletzt haben wir uns in einem Aufruf und mit einer kleinen Ausstellung eingesetzt für das «Haus für alleinstehende Frauen» von Paul Artaria und Hans Schmidt, das durch unsachgemässe Eingriffe zerstört zu werden droht.

Das Museum ist eine private Stiftung. Die Räume werden ihr von der Domus-Haus AG, der das Haus gehört, kostenlos zur Verfügung gestellt. über zweihundert private Stifter, Einzelpersonen und Firmen, garantieren durch jährliche Zuwendungen den Betrieb, eine wachsende Gruppe von Freunden unterstützt die Idee der Institution. Als vorläufig wichtigste Arbeit, die hinter den Kulissen von der Architekturhistorikerin Dorothee Huber geleistet wird, verstehen wir den Basler Architekturführer.

Ein neuartiger Architekturführer für Basel und Umgebung

Wie vollzog sich die bauliche Entwicklung in unserer Gegend, in der Stadt und in der sie umgebenden Landschaft, welches sind die charakteristischen Bauaufgaben in einer bestimmten architekturgeschichtlichen Epoche, welches waren die führenden Architekten (Architektinnen), wo erhielten sie ihre Ausbildung, welcher Art war ihr Vorbildhorizont? So und ähnlich lauten die Fragen, auf die der geplante Architekturführer Antwort zu geben sucht. Ein Architekturführer ist kein wissenschaftliches Inventar, in dem sich der aktuelle Häuserbestand Strasse für Strasse verzeichnet findet (diese Aufgabe erfüllen andere Institutionen wie die Kunstdenkmälerinventarisation und die Denkmalpflege). Die Publikation richtet sich vielmehr an die Besucherinnen und Besucher dieser Stadt und ihrer Umgebung, Einheimische und Auswärtige, Fachleute und Laien. Dabei steht die Stadt im Zentrum, Riehen folgt mit einzelnen, exemplarischen Beispielen.

Bei diesem Vorgehen müssen wir gezwungenermassen auswählen, Akzente setzen - sei es, dass ein Bau seiner offensichtlichen Bedeutung wegen Erwähnung verlangt, sei es, dass er für andere sprechen kann, auf deren Darstellung wir aus Platzgründen verzichten müssen - eher auch hinweisen auf Bauten von öffentlichem Charakter denn auf Privathäuser, die einer Besichtigung nicht selbstverständlich offenstehen.

In jüngerer Zeit lässt sich eine Verlagerung der Architekturgeschichtsschreibung weg von der ausschliesslichen Würdigung von Kirchen und herrschaftlichen Bürgerhäusern hin zur Aufarbeitung der Baudenkmäler der Industrialisierung, zu Industrie- und Verkehrsanlagen und zum Massenwohnungsbau beobachten. Auf diesem Weg richtet sich die Aufmerksamkeit auf eine neue Klasse von Bauwerken, die von der gängigen Kunstführerliteratur noch kaum erfasst wurde. Dieser Verschiebung des Interesses möchten wir in einem ersten Schritt auch mit dem Architekturführer Rechnung tragen, ohne hier die dringend notwendige Aufarbeitung der Grundlagen leisten zu können.

Beim Aufbau der Publikation entschieden wir uns für eine chronologische Darstellung nach architekturgeschichtlichen Epochen. Jedem dieser Epochenkapitel ist eine Einleitung vorangestellt, in der die thematischen Aspekte herausgearbeitet werden, die die Auswahl im nachfolgenden Katalogteil begründen; hier erfolgt dann die kritische Würdigung einzelner Bauwerke, aber auch von Ensembles wie Strassenzügen oder Siedlungen.

Einführend wird in eher summarischer Form die Rede sein von den verschiedenen Siedlungsschwerpunkten am Rheinknie und von jenem Prozess, der schliesslich zur Stadtbildung im Bereich der Birsigmündung und des Münsterhügels geführt hat. Im Kapitel über die Barockzeit steht ein kulturgeschichtliches Thema, die Kolonisierung der Landschaft, im Zentrum: den Palais der städtischen Oberschicht werden deren Pendants, die Landsitze in Riehen und im Baselbiet gegenübergestellt, die wirtschaftliche Bedeutung der Basler «villeggiatura» und der Einfluss französischer Lebensart werden geschildert (darunter Wettsteinhäuser und Wenkenhof).

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört - in unserer Darstellung - einigen markanten Architektenpersönlichkeiten: Melchior Berri (dem Architekten der Alten Kanzlei), Johann Jacob Stehlin d.ä., Amadeus Merian und Christoph Riggenbach.

Zwischen 1850 und 1900 wuchs die Bevölkerung im Stadtkanton um das Vierfache an. Rationalisierung und Zentralisierung wurden im Zeichen eines beispiellosen wirtschaftlichen Aufbruchs zu leitenden Prinzipien. Die neuen Produktions- und Kommunikationsformen erhalten einen ausgesprochenen Systemcharakter; Wasser, Gas und Elektrizität, Strasse und Schiene nehmen Einfluss auf die Gestalt der Stadt, des Hauses und der Wohnung. Hier nun machen wir die neuen Bauaufgaben, die der Stadtkanton im neu konsolidierten Bundesstaat zu bewältigen hatte, zur Grundlage unserer Darstellung (als Beispiel für den Spitalbau die Diakonissenanstalt von Paul Reber).

Für die zwei Jahrzehnte zwischen den beiden Weltkriegen wählten wir eine Aufgliederung nach architekturtheoretischen Positionen, wie sie sich damals in heftigen Debatten gegenüberstanden. Unter dem Stichwort «die Moderne im Rampenlicht» würdigen wir auch die Riehener Bauten von Paul Artaria, Hans Schmidt und Otto Senn.

Wie kaum je zuvor manifestierten sich die kontroversen architektonischen Positionen in der Zwischenkriegszeit im rhetorischen und architektonischen Gebrauch gewisser Baustoffe, allen voran Holz und Eisenbeton. Beide Materialien liessen sich in unterschiedlicher Auslegung sowohl von den Rationalisten wie den Romantikern in Dienst nehmen. Während die einen auf dem ökonomischen und kon struktiven Gebrauchswert von Holz und Beton bestanden, aktivierten die andern gerade die diesen Baustoffen innewohnenden organischen, rationalen oder emotionalen Bedeutungswerte (als Beispiele das Haus Sandreuter von Rudolf und Flora Steiger in Riehen und das Südlaubenhaus von Ernst Egeler in Bettingen).

Aus verständlichen Gründen bereitet die Auswahl aussagekräftiger Bauten in der jüngeren Gegenwart der Nachkriegszeit Schwierigkeiten, die in der mangelnden zeitlichen Distanz und in der noch ausstehenden gültigen architekturgeschichtlichen Bewertung ihre Ursache haben. Im Architekturführer stellen wir jedes Jahrzehnt zwischen 1950 und 1990 unter ein Thema, geeignet, einige wichtige Aspekte des Baugeschehens jener Jahre zu verdeutlichen. Die 50er Jahre sind dabei den Kultur-, Kirchen- und Schulbauten gewidmet, die damals in grosser Zahl und überdurchschnittlicher Qualität entstanden (darunter die Franziskuskirche von Fritz Metzger und die Kornfeldkirche von Werner Moser). Die 60er Jahre stehen im Zeichen des Baubooms, der im wesentlichen von den grossen Baufirmen getragen wurde. Die 70er Jahre beschreiben wir als das Jahrzehnt der Denkmalpflege und der damals geführten Auseinandersetzungen um die Erhaltung der Stadt wie auch der Versuche, das bekannte Thema des «alten Bau ens in neuer Umgebung» als eine architektonisch anspruchsvolle Aufgabe aufzuwerten. Unsere Darstellung der 80er Jahre gilt denjenigen Anstrengungen, nach denen das Wohnen in der Stadt wieder attraktiv gemacht werden soll. Auf diesem Wege hoffen wir über die Würdigung ausgewählter Einzelbauten hinaus etwas aussagen zu können über die sich verändernden Produktions- und Bedeutungsformen der Architektur.

 

Personen
(soweit nicht schon in der GKR, im RRJ oder in RJ 1986 ff. vorgestellt)

Hofmann, Hans (1897-1957), Dipl. Architekt ETH, Professor für Architektur ETH

Meyer, Hannes (1889-1954), Maurer, Architekt, Direktor Bauhaus Dessau

Senn, Otto Heinrich (»1902), Dipl. Architekt ETH, Dr. theol. h.c.

Steiger, Rudolf (1900-1982), Dipl. Architekt ETH, Dr. med. h.c.

Steiger-Crawford, Flora ("'1899), Dipl. Architektin ETH, Plastikerin

Wittwer, Hans (1894-1952), Dipl. Architekt ETH, Maurer, Dozent Bauhaus Dessau und Staatliche Kunstgewerbeschule Halle

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1991

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