Vom Erfolgsmodell zur Grundsatzfrage


Rolf Spriessler-Brander



Angesichts der Konkurrenz durch andere Anbieter wollte der Gemeinderat das Riehener K-Netz verkaufen, das die Verbreitung von TV- und Radioprogrammen sowie Internet und Telefonie ermöglicht. In einer Referendumsabstimmung 
sagte das Volk am 6. Mai 2012 Nein dazu.


 

Riehen soll nicht durch Fernsehantennen auf jedem Hausdach verunstaltet werden. Und überall in Riehen soll ein guter Fernseh- und Radioempfang gewährleistet sein. Diese Prämissen standen am Anfang der Diskussion, als im Lauf der 1960er-Jahre die Idee aufkam, eine Gemeinschafts-Antennenanlage aufzubauen – eine grosse Antenne für die ganze Gemeinde. Aufgrund der topografischen Verhältnisse waren Fernseh- und Radioempfang damals je nach Standort in Riehen sehr unterschiedlich. Damit hatte das Projekt auch eine gewisse demokratische Note: «Guter Empfang für alle», lautete die Devise.


 

Schon damals stellte man sich die Frage, ob es Aufgabe der Gemeinde sei, ein Empfangsnetz zur Verfügung zu stellen. Über die Kosten und Folgekosten wurde gestritten und über Sinn und Unsinn des neu aufkommenden Fernsehens debattiert. Die einen sahen den Bau einer Gemeinschafts-Antennenanlage als überflüssige «Förderung der privaten Annehmlichkeit», andere als eine «Hilfeleistung gegenüber finanziell schwächer gestellten Einwohnern». Trotz einiger Skepsis setzte sich die Idee schliesslich durch.


 

Vom TV-Empfang zum ‹Daten-highway›


Im Jahr 1970 wurde ein Vorprojekt in Auftrag gegeben, 1974 stimmte das Parlament einem Investitionskredit zu, am 6. Oktober 1975 begannen die Grabarbeiten für das Verteilnetz und im Dezember 1975 ging die Gemeinschafts-Fernsehantennenanlage Riehen in einem ersten Abschnitt in Betrieb. Bis Ende 1979 wurde das Netz auf die ganze Gemeinde ausgedehnt, 77 Prozent aller Riehener Fernsehgeräte waren angeschlossen und für weitere 18 Prozent war der Anschluss technisch vorbereitet. Riehen war sozusagen voll verkabelt.


 

Eine erste Modernisierung folgte mit der Erweiterung zum Empfang von Satellitenprogrammen. Mit der Inbetriebnahme der Satellitenempfangseinrichtung am 1. Juli 1986 wurde das Senderangebot bedeutend erweitert.


 

Als das Netz zu veralten drohte, ging der Gemeinderat nochmals in die Offensive und forderte 1997 dessen umfassende Erneuerung mit Glasfasertechnik. Das TV- und Radionetz sollte internettauglich gemacht werden und für die Telefonie geeignet sein. Das Parlament bewilligte Ende 1998 einen Kredit von 8 Millionen Franken und zwischen Juli 2000 und März 2002 wurde das neue Kommunikationsnetz, kurz K-Netz, in Etappen in Betrieb genommen – als eines der modernsten der Schweiz.


 

Bis vor Kurzem war das Angebot der Gemeinde konkurrenzlos, denn sie war die einzige Anbieterin für die Übertragung von Fernsehsendern über Kabel und konnte TV, Radio, Internet und Telefon auf ein und demselben Netz anbieten. Die Gemeinde selbst trat dabei nur als Anbieterin von 56 analogen Fernsehsendern und 43 Radioprogrammen auf, die Firma UPC Cablecom sorgte im Auftrag der Gemeinde für den technischen Betrieb und bot auf dem K-Netz der Gemeinde weitere 170 digitale Fernsehprogramme sowie Internet und Telefon an für ihre eigenen Kunden. Das K-Netz war unumstritten, denn es funktionierte, verfügte zeitweise über eine Anschlussdichte von gegen 100 Prozent und bescherte der Gemeinde mit der Grundgebühr aller TV- und Radioempfänger sowie den Nutzungsgebühren der UPC Cablecom jährliche Einnahmen im sechsstelligen Bereich.


 

Angst vor der Konkurrenz


Als bekannt wurde, dass die Firma Swisscom plante, in Riehen ein eigenes Glasfasernetz zu bauen, begann bei den Verantwortlichen ein Umdenken. Angesichts dieser starken Konkurrenz befürchtete man ein rasches Absinken der Abonnentenzahlen und damit einen Rückgang der Einnahmen – und dies im Wissen darum, dass auch künftig in Unterhalt und Modernisierung des K-Netzes investiert werden müsste. Mit einer niedrigeren Anschlussdichte würde es schwieriger, den Einsatz von öffentlichen Mitteln zu rechtfertigen. Bereits begannen Kunden, den Anbieter zu wechseln.


 

Der Gemeinderat kam zum Schluss, dass der Verkauf des Gemeindenetzes an einen privaten Anbieter die beste Option sei und schlug als Käuferin die UPC Cablecom vor, die sich sehr interessiert zeigte. Die Gemeinde wollte einen möglichst hohen Preis für das Netz erzielen, und dieser hing direkt mit der Anzahl der Netzkunden zusammen. Deshalb war das Angebot der UPC Cablecom an die Anzahl ungekündigter Abonnemente gekoppelt. Per 1. Januar 2012 hätte die Gemeinde einen Verkaufserlös von rund 11,5 Millionen Franken erzielt.


 

Lange fand keine öffentliche Debatte über die Zukunft des Riehener K-Netzes statt und auch in den politischen Gremien und Parteien war diese Frage kein Thema. Als die Verkaufsvorlage an der Einwohnerratssitzung im November 2011 plötzlich im Gegenwind stand und das Parlament die Vorlage zurückwies mit der Forderung nach mehr Informationen, war der zuständige Gemeinderat Thomas Meyer völlig überrascht. Zwar stimmte der Einwohnerrat der Vorlage am 25. Januar 2012 dann mit 26:9 Stimmen doch recht deutlich zu, obwohl der Zusatzbericht des Gemeinderats Alternativen zum Verkauf und Alternativen zum Käufer nicht eingehender erläutert hatte, doch eine gewisse Skepsis blieb.


 

Klare Abstimmung – offene Zukunft


Schon im Parlament hatte die SP ein Referendum angekündigt, das auch zustande kam. Die SP befürchtete ein überteuertes und fremdgesteuertes Fernsehen, da die öffentliche Hand mit dem Verkauf des K-Netzes den Einfluss auf die Aufschaltung der frei zugänglichen Sender und auf die Höhe der Gebühren verlieren werde. Deshalb forderte das Referendumskomitee, die Gemeinde solle ihr K-Netz in Zusammenarbeit mit umliegenden Gemeinden aktiv bewirtschaften und auf die Bedürfnisse der Riehener Bevölkerung und der hiesigen Unternehmen ausrichten. Vorbilder seien dabei die Gemeinschafts-Grossantennenanlagen der Gemeindeverbünde wie die GGA Pratteln oder die Inter-GGA Reinach.


 

Die Volksabstimmung vom 6. Mai 2012 war eindeutig: Bei einer Stimmbeteiligung von 45,7 Prozent sagten 65,1 Prozent der Stimmenden Nein zum K-Netz-Verkauf. Das Nein hatte sich im Vorfeld der Abstimmung abgezeichnet. Zu schlecht war das Image der UPC Cablecom in der Bevölkerung und zu gross war die Angst, die Kontrolle über frei zugängliche Medien zu verlieren.


 

Bettingen, das ebenfalls über ein eigenes K-Netz verfügt, das von Riehen aus erschlossen wird, hatte sich in der Gemeindeversammlung im Dezember 2011 deutlich für den Verkauf ausgesprochen – allerdings im Wissen, dass das Kaufangebot für das Bettinger Netz an den Verkauf des Riehener Netzes gekoppelt war, und nicht ohne gewisse kritische Stimmen. Der zuständige Bettinger Gemeinderat Marco Fini bedauerte das Riehener Volks-Nein und befürchtete, Bettingen werde über kurz oder lang einen Kredit zur Instandhaltung des K-Netzes aufnehmen müssen.


 

Schon bald nach der Abstimmung definierte die Gemeinde Riehen eine neue Projektorganisation im Hinblick auf eine neue Geschäftsorganisation für den Betrieb des K-Netzes und der Einwohnerrat schuf eine neue Kommission, um das Geschäft zu begleiten. Und so ist die Zukunft des Riehener K-Netzes noch offen.


 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2012

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