Der Künstler Hans Frei

Hans Krattiger

Die Gedächtnis-Ausstellung Hans Frei (1868—1947), die vom 28. April bis 12. Mai 1968 unter dem Patronat des Gemeinderates Riehen im lichtdurchfluteten Saal des Gemeindehauses stattfand, war mehr als nur ein pietätvoller Akt der Erinnerung an einen liebenswürdigen, mit Riehen verbunden und als Medailleur einst berühmt gewesenen Mann — es war vielmehr eine überraschende Entdeckung; die Entdeckung nämlich, daß Hans Frei primär als Künstler zu sehen und zu verstehen ist. Viele Kunstfreunde, denen der Name Hans Frei nichts sagte, waren höchst erstaunt ob der Kraft des künstlerischen Ausdrucks, ob dem Reichtum der Ideen und Formen und ob der Sicherheit der Gestaltung in Freis Arbeiten, wie sie in der Ausstellung zu besichtigen waren. Und auch die verhältnismäßig wenigen, denen Hans Frei seit langem ein Begriff ist, waren überrascht, als sich durch die Ausstellung der rund 200 Arbeiten aus fünf Jahrzehnten so deutlich das Bild des Künstlers Hans Frei herauskristallisierte.

 

Hermann Aeppli hat mit seinem Beitrag «Der Riehener Medailleur Hans Frei» im Riehener Jahrbuch 1966 den Anstoß zur GedächtnisAusstellung gegeben. In seinen auf persönlicher Bekanntschaft gründenden Ausführungen entwarf er vor allem das Bild des Medailleurs Hans Frei, der in Paris eine gründliche Schulung genossen hatte, mehr und mehr aber einen persönlichen Stil entwickelte. Wohl erklärte Aeppli in seiner Jahrbuch-Biographie: «...der Hauptgrund für das schnelle Vorwärtskommen Hans Freis lag doch in seinen künstlerischen Qualitäten und in seiner Beherrschung der Medaillentechnik», wohl hob er hervor: «Am schönsten tritt uns Freis Kunst und Können in seinen freien Arbeiten entgegen, wo er auf Geschmack und Wünsche der Auftraggeber keine Rücksicht zu nehmen braucht. Hier spricht uns sein Schaffen am freiesten und natürlichsten an. ,Titanenkampf', .Salome', ,Danae', und vor allem der .Schmerz' und das .Erwachen' zeigen

uns den Künstler von einer Seite, die naturgemäß, aber bedauerlicherweise nicht so bekannt sein kann wie etwa seine Festmedaillen» — und gerade deshalb waren wir sprachlos, ja überwältigt, als bei der Beschaffung des Materials für die Ausstellung diese andere, weniger bekannte Seite zum Vorschein kam.

 

Der wohl bedeutsamste «Fund», der zugleich den Schlüssel zum Verständnis von Hans Frei als Künstler bildete, waren die beiden Kohlezeichnungen, in denen Hans Frei Anno 1891 seine Eltern dargestellt hat. Skizzenhaft, mit wenigen aber sicheren Strichen, hat der 23jährige das Charakteristische im Wesen seines Vaters und seiner Mutter erfaßt. Als Hans Frei diese meisterhaften Zeichnungen schuf, hatte er die Lehre als Graveur und die «Walz» hinter sich, hatte aber noch kaum eine künstlerische Ausbildung genossen. Umso erstaunlicher sind diese beiden Zeichnungen; sie lassen erkennen, daß Hans Frei mehr mitbrachte als nur eine zeichnerische Begabung, daß er vielmehr der «geborene Künstler» war, von Natur aus mit einer Gabe ausgerüstet, die weit über dem liegt, was man «Talent » zu nennen pflegt.

 

So lobenswert es war, daß die Mutter, die Begabung ihres Sohnes ahnend, den Jungen eine Graveurlehre machen ließ, womit sie den Grundstein zu seinem Ruhm als Medailleur legte, so war es andrerseits geradezu tragisch, daß der zum Künstler Berufene vorsorglicherweise in die Fesseln eines bürgerlichen Berufs gelegt wurde, so daß sich seine wahre Begabung nur auf Umwegen entfalten konnte und ob dem Ruf, den Frei als Medailleur genoß, kaum beachtet wurde. Was an die öffentlichkeit kam, waren seine Medaillen für Turn- und Schützenfeste, für Jubiläen und berühmte Persönlichkeiten, seine Gedenkfeier- und Porträt-Plaketten, später auch seine Zinnteller mit kraftstrotzenden Landsknechten — was ihm aber als Künstler den ihm gebührenden Rang in der Schweizer Kunst der Gegenwart eingetragen hätte, nämlich seine Kinderporträts und figürlichen Kompositionen, mit souveräner Beherrschung der Technik in Metall getrieben, seine Zeichnungen und auch seine Aquarelle, offenbar meistens in den Ferien entstanden, das hielt der bescheidene Hans Frei im Hintergrund, weshalb diese Arbeiten auch zur Hauptsache im Besitz der Familie blieben. Für die Gedächtnis-Ausstellung sind ihrer eine schöne Anzahl zur Verfügung gestellt worden. Und diese Arbeiten wie der große,

Blumen pflückende Frauenakt, die bogenschießende Diana, das wie eine Zeichnung behandelte, in eine dünne Kupferplatte getriebene Doppelbildnis, das Kinderporträt, das Frei in der Art eines Holzschnitts oder einer Lithographie geschaffen hatte, um dann davon dreifarbige Abzüge zu machen, die Porträtzeichnungen, das Aquarell «Berglandschaft» (1921) und das aquarellierte Selbstporträt, um nur diese Werke zu nennen, haben uns genötigt, Hans Frei in ganz neuer Sicht zu sehen, nämlich primär als Künstler, und auch seine Entwicklung als Medailleur unter diesem Aspekt zu verstehen.

 

Der am 30. April 1868 geborene Hans Frei war ein Altersgenosse von Giovanni Giacometti (* 7. März 1868) und von Cuno Amiet (* 28. März 1868), mit beiden bekannt und befreundet. Rückblickend auf die Gedächtnis-Ausstellung im Riehener Gemeindehaus dürfen wir die Behauptung wagen, daß Hans Frei, hätte er die Laufbahn eines frei schaffenden Künstlers ergriffen, zu gleicher Größe gelangt wäre wie Giacometti und Amiet, sei es als Maler, sei es als Bildhauer — oder als Doppelbegabung, so wie sie Otto Roos besaß.

 

Wenn wir hier nun Hans Frei als Künstler zu würdigen versucht haben, bedeutet dies nicht eine Schmälerung seiner Verdienste als Medailleur. Hans Frei war ein glänzender, ideenreicher Medailleur, überaus sicher in der Komposition, in der Gestaltung auch der kleinsten Fläche. Und seine Könner- und Künstlerschaft wird erst recht augenfällig, wenn wir seine Arbeiten vergleichen mit dem, was heute als Gedenkmedaillen und -taler auf den Markt kommt. Das Bedeutsame der Gedächtnis-Ausstellung bestand aber — nebst der Tatsache, daß erstmals mit einer Gesamtausstellung ein überblick auf das vielseitige Schaffen Freis geboten wurde — in der auf ungeahnte, überraschende Weise offenbar gewordenen Künstlerschaft des als Medailleur berühmt Gewordenen. Und es darf deshalb der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß die Riehener Ausstellung dazu beigetragen hat, das Andenken an den Menschen und Künstler Hans Frei lebendig zu erhalten.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1968

zum Jahrbuch 1968