Die Familie Weissenberger von Riehen

Michael Raith

Von den über vierzig alten — das heisst seit mehr als hundert Jahren eingebürgerten — Riehener Familien sind längst nicht alle so zahlreich geworden, wie die im 1978er Jahrbuch vorgestellte Sippe der Löliger. Aber jedes Geschlecht, und wäre es das kleinste, hat seine Spezialität. Bei den Weissenberger ist es der Umstand, dass sie während mehr als 200 Jahren Riehener Dorfbader waren. Die Bader — auch Barbiere, Balbierer, Scherer, Chirurgen, Wund- oder Hebärzte geheissen — übten einen handwerklichen Heilberuf aus. Sie besorgten das Dorfbad, Hessen zur Ader, setzten Schröpfköpfe oder Blutegel, legten Verbände an, zogen Zähne, richteten Brüche, nahmen die Leichenschau vor, assistierten bei Geburten und schnitten vielleicht auch einmal die Haare. Bis vor rund hundert Jahren war dieser Stand aus dem Alltag nicht wegzudenken. Dann wurde er nach und nach durch die moderne Medizin im allgemeinen und wissenschaftlich ausgebildete Zahnärzte im besonderen verdrängt, aber auch Coiffeure und Wirte (weil zum Dorf- und Heilbad meist ein Restaurant gehörte) teilten sich in die Nachfolge.

In Riehen begannen die neuen Zeiten mit der Eröffnung des Diakonissenspitals im Jahre 1852 und der Landpraxis des im Wenkenhof wirkenden Dr. Martin Burckhardt (1817—1902). Seit man mit der Eisenbahn von Riehen nach Basel fahren konnte (1862), zogen es die Riehener auch vor, sich ihre Zähne statt vom Handwerker im Dorf, vom Akademiker in der Stadt ziehen zu lassen. Zusätzlich kamen die geschilderten Blutentnahmen aus der medizinischen Mode. Es war wieder die Eisenbahn, welche die letzte Berufshoffnung des Riehener Baderstandes zerstörte. Die von Angehörigen der Familie Weissenberger in Riehen und Fischingen geleiteten Heilbäder — denen man despektierlich «Frässbedli» sagte, weil sie weniger der Gesundheit, als kulinarischer Genüsse wegen aufgesucht wurden — gingen ein, weil renommierte Quellen wie Baden, Baden-Baden oder Bad Ragaz nun mit dem Zug bequem erreichbar waren.

Gut zehn Jahre, bevor um die letzte Jahrhundertwende das Riehener Schwimmbad an der Weilstrasse den Betrieb aufnahm (1898), schloss das Riehener Mineralbad endgültig seine Pforten (vor 1889). Die Geschichte dieses Dorfbades lässt sich, obwohl schriftliche Belege erst aus den Jahren 1532/3 vorliegen, bis ins ausgehende Mittelalter zurückverfolgen. Baden war damals ein soziales und nicht ein individuelles Vergnügen: in den einzelnen Häusern gab es noch keine Wannen, wohl aber unterhielt die Gemeinde eine Dampfbadstube, die sie an einen Bader verpachtete. Diese Stube wurde wohl von beiden Geschlechtern gemeinsam besucht und befand sich im Hause Schmiedgasse 14. Ein Bild dieses alten Badhauses ist im 1967er Jahrbuch und eines der eigentlichen Badstube in «Riehen — Geschichte eines Dorfes» (1972) auf Seite 219 zu sehen.

Nach der Reformation bereitete die strenge Kirchenzucht dem fröhlichen Leben im Bad ein Ende. Aus dem gesellschaftlichen Ritual entwickelte sich die allerdings noch lange nur recht selten geübte hygienische Pflicht des Badens. Die Führung einer Badstube wurde von einer öffentlichen zu einer privaten Aufgabe, vorbehalten blieb die gewerbe- und sanitätspolizeiliche Aufsicht. Erst seit der Betrieb nicht mehr rentierte, nahm der Staat seine alte Pflicht erneut wahr.

Das inzwischen neu gebaute Haus Schmiedgasse 14 hat die Erinnerung an die alte Badstube gewahrt: es enthält einen gotischen Türbogen und auf diesem ein Berufswappen der Bader. Uber einem Dreiberg stellt es eine Schere und eventuell ein Rasiermesser dar. Da sich früher weit häufiger als heute das Handwerk vom Vater auf den Sohn vererbte — in der Familie Weissenberger waren bis zu sechs aufeinanderfolgende Generationen Bader — konnten derartige Embleme zu Geschlechterwappen werden. Bei den Weissenberger ist das nun allerdings nicht geschehen; denn sie hatten lange Zeit keinen Anlass, ein Familienwappen zu führen. Als um 1820 ein Stadtbasier gewordener Weissenberger für seine Zunft ein heraldisches Zeichen anfertigen lassen musste, erinnerte er sich, obwohl er natürlich auch Bader war, nicht an das Berufsemblem in der Schmiedgasse 14. Er Hess sich durch die Schönheit des Familiennamens inspirieren und wählte weisse Flügel in blau. Allerdings bedeutet «Weissenberger» wohl nicht «der vom weissen Berg Kommende», sondern «der vom Weizenhügel Kommende».

Der erste Weissenberger liess sich vor 1685 in Riehen nieder. Er hiess Lorenz und stammte aus «Rechberg, aus der Grafschaft Sultz, der Schwartzenburgischen Herrschaft». Heute gehört der Weiler Rechberg zur Gemeinde Erzingen (seit der Gemeindereform in Baden-Württemberg ein Bestandteil der Gemeinde Klettgau) und damit zum Landkreis Waldshut. In dieser Gegend ist der Name Weissenberger noch immer ausserordentlich oft anzutreffen: die Sippe hat sich von dort über das übrige Deutschland, in die Schweiz und nach Osteuropa verbreitet. Auf dem Rechberger Friedhof ist der Name Weissenberger der häufigste. Wir beschränken uns aber im folgenden auf den Riehener Ast der Sippe.

Lorenz Weissenberger (1662—1726), Sohn des Ulrich (geb. 1631) und Enkel des Conrad, erhielt am 12. September 1685 durch die gnädigen Herren zu Basel und gegen die Bitte von Untervogt und Geschworenen zu Riehen das Recht der Einsitznahme. Kurz darauf, am 26. Oktober, heiratete der Badergeselle die Tochter seines Meisters und übernahm später dessen Betrieb. Zurück konnte er nun nicht mehr: der getaufte Katholik hatte sich Ehe und Bürgerrecht durch die Konversion zur reformierten Kirche erkaufen müssen. In konfessioneller Hinsicht waren die Dörfer damals einheitlich, wer Bürger werden wollte, hatte sich der Mehrheit anzupassen. Dieser Grundsatz galt in Riehen offiziell bis 1866 und faktisch noch bis weit in dieses Jahrhundert hinein. Lorenz Weissenberger starb bei seiner in Lörrach verheirateten Tochter und erhielt dort eine lutherische Grabrede. Dazu brauchte er die Konfession allerdings nicht ein weiteres Mal zu wechseln: die Ortsgeistlichen beerdigten ohne Ausschlüsse alle.

Lorenz Weissenberger wohnte mit seiner Frau Ursula geb. Erhard (1665—1722) an der Schmiedgasse 21 und betrieb in diesem Haus seine Badstube. Es blieb bis 1847 in den Händen der Familie und erfüllte seine Aufgabe, hatte jedoch keinen Platz für alle Weissenberger, die gleichzeitig den Baderberuf ausübten. Vorerst entwickelte sich aber die Sippe erst zaghaft. Anna Maria (1687—1757), die Tochter, heiratete den Lörracher Balbierer Hansjörg Vogel (1680—1740), Johann Georg (1695—1729), der ältere Sohn, starb jung, und Hans (1700—1750) setzte das Geschlecht fort. Johann Georg besass eine Tochter namens Ursula (1721 —1780). Sie heiratete natürlich einen Bader, nämlich Heinrich Weisshaupt (1707—1781) aus dem Kanton Schaffhausen, der 1738 Bürger wurde und seit 1739 mit Hans, dem Onkel seiner Frau, eine Badstube betrieb. Die Familie Weisshaupt starb in Riehen 1825 und die andere Namen tragende Nachkommenschaft Johann Georg Weissenbergers 1860 aus.

Der letzte, allen späteren Riehener Weissenbergern gemeinsame Stammvater ist der erwähnte Hans. Er übernahm das väterliche Geschäft an der Schmiedgasse 21 und heiratete 1723 die in Basel aufgewachsene Margaretha Tschudin (1697—1756) aus Bennwil. Drei der fünf aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder wurden erwachsen: Anna Elisabeth (1724—1786) ehelichte den Bettinger Weber Friedlin Schlup (1730—1803), während Hans junior (1726—1801) und Hans Jakob (1730—1793) die beiden noch heute blühenden Linien der Familie stifteten.

Betrachten wir zuerst die Schicksale des durch den 1801 «an Wassersucht und am Schlagflusse» gestorbenen Hans gestifteten Familienzweiges. Er wohnte an der Oberdorfstrasse 21 und später an der Gartengasse 29. Selbstverständlich betrieb er das Baderhandwerk. Seine erste Frau war die Bettingerin Chrischona Krebs (1720—1776) und die zweite die Prattlerin Anna Catharina Schwab (1745— 1786). Diese zweite Frau starb an einer Geburt. Die Tochter Anna Catherina (1779—1846) kam darauf zur Grossmutter nach Pratteln. Vielleicht erlebte sie dort eine unglückliche Liebe, jedenfalls wurde sie Mutter mehrerer unehelicher Kinder. Der Arm des Gesetzes griff unerbittlich zu: nach der dritten Niederkunft wurde sie auf Befehl des Riehener Gemeindepräsidenten Philipp Singeisen mit dem Säugling und einem vierjährigen Töchterchen in Haft gesetzt. Das Basler Gericht verurteilte sie zu einem Jahr Zuchthaus. Es erteilte aber auch dem Gemeinderat einen Verweis und auferlegte ihm zur Strafe gewisse Kosten.

Obwohl sich Anna Catharina dem Kirchenbann gegenüber sehr reumütig gezeigt und Besserung gelobt hatte, kam es vier Jahre später zu einer vierten unehelichen Niederkunft, die nun zwei Jahre Zuchthaus und eine öffentliche Präsentation der Unglücklichen vor versammelter Gemeinde eintrug. Schon im folgenden Jahrzehnt wurden derartige grausame Bestrafungen nicht mehr angewandt.

Die erwähnte Anna Catharina hatte zwei Halbgeschwister: Rosina Weissenberger (1749—1802), die den Bauern Hans Schultheiss (1752—1799) ehelichte und Ahnin einer immensen Nachkommenschaft wurde, und den Stammhalter Johann Jakob (1757—1816); er betrieb das Familiengewerbe im Haus Rössligasse 10, schlug sich finanziell schlecht und recht durchs Leben, zuletzt wurde er tot in der Wiese gefunden. Die Umstände sind unbekannt. Seine Frau war die Hebamme Ursula Wuga (1763—1813).

Drei Söhne gingen aus dieser Ehe hervor. Tragisch war das Schicksal von Samuel (1790—1830): dem Alkohol verfallen, wurde er von der Riehener Dorfjugend gehänselt, niemand half ihm, auch die Behörde nicht. Zuletzt erstach er im Zorn den ihn neckenden und betrunkenen Johannes Stump. Die verständnisvollen Richter verurteilten den Sonderling zu lediglich vier Jahren Zuchthaus. Die Sache gab aber weit über Riehen hinaus viel zu reden.

Ein anderer Sohn war der Wundarzt Johannes (1794— 1854), er heiratete Anna Magdalena Singeisen (1800— 1864) und liess sich 1820 in Basel nieder, dessen Bürger er gleichzeitig wurde. Die Ehe war mit sieben Töchtern gesegnet. Der dritte Sohn Johann Jakobs setzte das Geschlecht fort: er hiess auch Johann Jakob (1787—1866) und wohnte in dem Haus, das dort stand, wo heute unten an der Bettingerstrasse der Buskehrplatz ist. Er erwarb sich eine vorzügliche Ausbildung, jedenfalls taucht er in den Registern als «Dr. med.» und «Med. Lie.» auf. Seine Frau war die österreicherin Magdalena Marklin (17911857). Zehn Kinder wurden den beiden geschenkt. Doch pflanzte nur eines den Weissenbergerstamm fort: Johann Jakob (1833—1896). Während sein kinderloser Bruder Jakob Friedrich (1826—1880) in Riehen das Badergeschäft weiterführte, ging er, nach geschäftlichem Missgeschick, in die Heimat seiner Frau Marianne Michel (1831—1917). Sie war Bürgerin von Unterseen bei Interlaken gewesen. Dorthin zog Johann Jakob und begründete eine Drechslerei. Das war im Jahre 1868. Seine Söhne Johann Jakob (1857—1946) und Wilhelm (1859—1916) führten dieses Geschäft weiter, auch Wilhelm (1886— 1948), der Sohn des letzteren, war Schreiner. Dessen Sohn Willi (1921 ) ist zwar Landwirt, aber der Enkel Hans (*1951) übt wieder den Schreinerberuf aus. Der Unterseenerzweig der Familie Weissenberger ist recht zahlreich, merkwürdigerweise ist er auch nach über hundertjährigem Aufenthalt im Berner Oberland der Bürgergemeinde Riehen treu geblieben.

Lediglich der Gärtner Gottlieb Weissenberger (1865— 1940) kehrte nach Riehen zurück, er war ein weiterer Sohn des ausgewanderten Johann Jakob. Seine Nachkommen sind die einzigen Sippenangehörigen, die Weissenberger heissen, Riehener Bürger sind und auch in Riehen wohnen. Es sind das die Söhne Gottlieb, Sattlermeister (geb. 1902), und Fritz (geb. 1905). Beide haben wieder je zwei Söhne, von denen Fritz junior (geb. 1938), Maschinentechniker, seit 1978 als Freisinniger dem Weiteren Gemeinderat angehört.

Kehren wir zurück zum bereits erwähnten Hans Jakob Weissenberger (1730—1793), dem Begründer des zweiten grossen Familienastes. Er führte an der Schmiedgasse 21 das väterliche Geschäft weiter und heiratete 1751 im St. Jakobskirchlein Anna Wenk (1729—1804). Obwohl er nach einer Zählung von 1774 lediglich eine Kuh, ein Schwein und ein Schaf besass, scheint er es doch zu einem zwar sehr bescheidenen Wohlstand gebracht zu haben. Drei seiner Söhne verliessen Riehen, Hans Jakob (1756— 1785) starb in St. Petersburg als Chirurg, Samuel (1763— 1800) sprang als helvetischer Leutnant krank in Liestal zum Fenster hinaus und Johannes (1753-—1788) wurde zu Ofen in Ungarn als kaiserlicher Soldat vom Tod ereilt. übrig blieb in Riehen Georg Friedrich («Jergfridi») (1766—1844). Er folgte seinem Vater nach. Aus seinen beiden Ehen — die erste mit Sophia Bieler (1771 —1806) und die zweite mit der Hebamme Anna Maria Bertschmann (1788—1875) — gingen insgesamt 19 Kinder hervor, von ihnen wurden elf erwachsen. Er scheint seine Laufbahn gut begonnen zu haben, seine finanziellen Verhältnisse waren glücklich und der öffentlichkeit diente er als Sekretär der Gemeindeversammlung. Es war vermutlich der Alkohol, der ihm zum Verhängnis wurde. Trotz Ermahnungen wuchsen die Schulden und der Bankrott war zuletzt unvermeidlich. Begonnen hatte es wohl damit, dass Jergfridi, der als Straussenwirt seinen eigenen Wein ausschenkte, sein bester Gast war. Derartige Schicksale kamen im damaligen Riehen oft vor und es ging der Spruch, dass die Gemeinde dem Schlipfer ihren Reichtum und ihre Armut verdanke. Alle fünf Töchter Georg Friedrichs heirateten Auswärtige und verliessen Riehen. Der älteste Sohn Georg Friedrich (1795—1841) starb in Bologna. Nikiaus (1816—1859), der Spenglermeister wurde, hatte keine Kinder. Samuel (1808—1893) und Johann Georg (1811 —1860) wanderten nach Fischingen aus und übernahmen dort die Badwirtschaft zum Baselstab. Nach 1840 wirtete Samuel dann in Eimeidingen, Haltingen und Kandern und sein Sohn Eduard (geb. 1840) in Lörrach.

Besondere Reichtümer haben sich die Auslandsriehener im Markgräflerland nicht erworben. Und so ist die Familie Weissenberger dort auch nicht haften geblieben. Albert (geb. 1840), ein Sohn Johann Georgs, wanderte nach Amerika aus und liess Frau und Kinder zurück, seine Tochter Emma Barbara (1866—1943) hat in Tannenkirch geheiratet. Alberts Schwester Wilhelmine (1845— 1923) zog mit ihrem Gatten, dem Metzgermeister Karl Ludwig Bandle, nach Basel. Ebenfalls nach Basel zog es die nächste Schwester Luise (1848—1926), sie war die Schwiegermutter des Lehrers Jakob Blesi (1875—1939), der 1918 Bürger von Riehen wurde. Hermann (1847— 1911), ein Bruder, zog nach Genf und naturalisierte sich dort 1885. So leben nun die einzigen Träger des Familiennamens des auf Hans Jakob ( + 1793) zurückgehenden Familienastes als Genfer Bürger. Riehener sind sie nicht mehr, weil die Fischinger Weissenberger zwar nicht ihren schweizerischen Militärdienst, aber die Meldung der Geburten ihrer Kinder nach Riehen vernachlässigten.

Zwei der Jergfridibuben verheirateten sich in Riehen und wurden Familienväter. Der ältere, «Weissenberger Schreiner» genannt, hiess Johann Jakob (1804-1888) und wohnte an der Wendelinsgasse 34. Von seinen zehn Kindem sind Sophia Rominger-Weissenberger (1840—1921), Jakob Friedrich Weissenberger-Vögelin (1841 —1914), Maria Barbara Sulzer bzw. Mösslin-Weissenberger (1844—1934) und David Weissenberger (1845—1928) zu erwähnen. Dieser David war Landwirt an der Rösssligasse 44 und von 1897 bis 1907 Gemeinde- und Bürgerrat. In diesen ämtern folgte ihm später sein Schwiegersohn, der Bäckermeister Emil Wenk, der mit Luise Weissenberger (1885—1942) verheiratet war. Sie hatte zwei Schwestern: Maria (1878—1968), Ehegattin von Oskar Bertschmann, und Emilie (1882—1970), Ehegattin von Karl Brunnschweiler. Alle drei Schwestern sind in Riehen geboren und gestorben.

Das ererbte Badergewerbe wurde nur noch von einem Sohn Georg Friedrichs, nämlich von Heinrich Weissenberger (1813—1856) weitergeführt. Er scheint ein vorausschauender Mensch gewesen zu sein und erhielt eine Konzession, das heilkräftige Wasser des Immenbächlis zu nutzen. Im Jahre 1844 baute er an der heutigen Ecke Brunnwegli/Bahnhofstrasse das Riehener Badhotel. In diesem Kurhaus mit Restaurationsbetrieb gabs neben dem Immenbachwasser auch solches — eigens mit dem Break her beigeschafft — aus Grenzach. Da das Wasser in die Bäder gepumpt und diese geheizt werden mussten, war das Leben des Badwirtes recht anstrengend. Manchmal kamen die. Gäste von weither, sogar eine englische Familie soll sich einmal nach Riehen verirrt haben. Heinrich Weissenberger brachte die auswärtigen Gäste mit der Kutsche nach Basel zurück. Dabei verunglückte er bei einer Kollission am Gstaldenrain tödlich. Sein Sohn Heinrich ( 1840— 1908) führte den Badbetrieb weiter. Die Entwicklung zwang ihn zur Neudisposition. So Hess er 1878 das Restaurant zum Bahnhof bauen und verkaufte 1 889 das von seinem Vater errichtete Badhaus (es wurde 1952 abgebrochen). Ebenfalls von Heinrich Weissenberger in Auftrag gegeben wurde die Liegenschaft Bahnhofstrasse 34, die von seinen Erben erst 1957 in den Besitz der Gemeinde gelangte, während das Bahnhofrestaurant, die heutige Gemeindestube Schlipferhalle, schon 1891 die Hand wechselte.

Heinrich Weissenberger ist aber in Riehen weniger als Wirt und als letzter Bader seiner Sippe, sondern vielmehr als Politiker bekannt geworden: er vertrat als Gemeinderat, Gemeindeschreiber, Gemeindepräsident (1891 —1900 und 1903—1906), Bürgerrat, Bürgerratspräsident, Grossrat, Kirchensynodaler, Kirchenvorstand, Schulkommissionsmitglied, Gescheidsgerichtspräsident u.s.w. einen fortschrittsgläubigen Freisinn. Seine Sicht der Stellung der Gemeinden im Kanton können wir heute nicht mehr nachvollziehen. Wenn man aber berücksichtigt, dass Riehen damals ein verschuldetes und bettelarmes Gemeindewesen war, so ist Heinrich Weissenbergers Standpunkt eher zu verstehen. Was ihm heute noch zu danken bleibt, ist die Verhinderung grösserer Industrieansiedlungen im Gemeindegebiet. Vermutlich hat er mehr Lasten getragen als jeder andere Riehener Gemeindepolitiker des vergangenen Jahrhunderts. Dass er sich dabei nicht nur Freunde geschaffen hat und vielen Anfechtungen ausgesetzt war, versteht sich von selbst. Seine älteste Tochter Anna (1870— 1957) wurde Lehrerin, die zweite Adèle Thommen-Weisenberger (1872—1965) promovierte 1898 als eine der ersten Frauen an der Basler Universität zum Doctor medicinae und die dritte, Emma (1874—1944), blieb nach dem Tode der Mutter Adelheid Weissenberger-Wenk (1850— 1936), der gute Geist des Hauses.

Leider lassen uns Gerichts-, Zivilstands-, Kirchen- und Hausakten nur einige wenige Einblicke zu. über das Wesen der vielen hier genannten Familienglieder können wir uns kaum rechte Vorstellungen machen. Aber die Leute haben gelebt, sich gefreut und gelitten zu einer Zeit, in der es noch gar nicht schick war, in Riehen daheim zu sein, in einer Zeit, und sie liegt nicht weit zurück, in der unser Lebensstandard nicht höher als der heutige in Entwicklungsländern war. So kann die Erinnerung an das vergangene Schicksal unserer Vorfahren eine Brücke zur Solidarität mit dem heute Leidenden bauen helfen.

Literatur (Auswahl):

Eugen A. Meier: Aus dem alten Basel, Basel 1970, S. 216, 218. Eugen A. Meier: Von alten Bädern in der Stadt und der Landschaft Basel, Basel 1964, S. lOf. Michael Raith: Ein Stück Dorf- und Kirchengeschichte, Riehener-Zeitung Nr. 48 v. 29.11.1974. Hans Adolf Vögelin in «Riehen — Geschichte eines Dorfes», Riehen 1972, S. 342—347 und 399.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1979

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