Einheit trotz Grenzen Der Landschaftspark Wiese

Jürg Schmid

Seit vier Jahren gehören die Langen Erlen zum Landsehaftspark Wiese: ein Markstein in der grenzüberschreitenden regionalen Zusammenarbeit.

So wie der Nutzungsdruck durch die letzten Jahrzehnte in den Langen Erlen stetig anstieg, nahmen auch die Bemühungen zu, die Entwicklung des Gebietes planerisch in den Griff zu bekommen. Dabei waren stets beeindruckend viele verschiedene Ansprüche von vielen Nutzergruppen zu berücksichtigen, zuoberst selbstverständlich der Grundwasserschutz und die Trinkwassergewinnung.

Für die Zeit bis Mitte der 90er kann sehr summarisch zusammengefasst werden, dass sich angesichts der vielen, zum Teil unvereinbaren Nutzungsansprüchen in den Langen Erlen keine landschaftsplanerischen Zielsetzungen konkretisieren Hessen. Neue Begehrlichkeiten wie Pläne für Vergnügungsparks, neue Gaststätten, Umfahrungsstrassen und ähnliches meldeten sich an und auf der anderen Seite erwies sich die Trinkwassergewinnung und der damit verbundene Grundwasserschutz als stabilisierende, landschaftserhaltende Nutzung, der wir die heutige Gestaltung der Landschaft weitgehend zu verdanken haben.

Daneben verarmte aber auch die ehemals sehr artenreiche Flora und Fauna schleichend. Einiges hing direkt mit dem strukturellen Wandel in der Landwirtschaft zusammen, der beispielsweise zum Verlust der meisten Obstgärten und Hochstammobstbäume, der Wässergräben und Wässermatten mit ihrem landschaftsprägenden Reguliersystem (Stellfallen) führte. Auch massive Eingriffe im öffentlichen Interesse wie zum Beispiel der Bau des Regenwassersammelkanals Unteres Wiesental-Riehen in den 80er-Jahren führte zu nachhaltigen Veränderungen mit dichterem Wegnetz und Unterhaltsstrassen, welche stille Rückzugsgebiete plötzlich begehbar machten. Die Folgen des Nutzungsdrucks und der schleichenden Verarmung der Landschaft wurden Erholungs Suchenden auf den Spazierwegen kaum bewusst: Verschwunden sind still und leise das Rebhuhn, der Wiedehopf, der Steinkauz, die Wachtel, die Feldlerche, die Kreuzkröte, die Gelbbauchunke, und auch der Feldhase ist selten geworden.

Eine wichtige Frage stand nun offensichtlich eine ganze Zeit lang beidseits der Grenze im Raum: Wie bekommt man die Zukunft der Langen Erlen planerisch so in den Griff, dass sie als eine der grossen grünen Lungen der Region, als Wasserschloss, als Erholungs- und Freizeitraum, als besondere Landschaft, als Naturraum und als Landwirtschaftsland erhalten werden kann? Dabei ging es nicht nur darum, unglaublich viele Nutzungsinteressen zu befriedigen, sondern auch ihr Gleichgewicht zu wahren, ohne dass die einen Nutzungsinteressen die anderen zu sehr behindern, ohne dass die Interessen einer breiten öffentlichkeit unter den Hammer ökonomischer Interessen geraten, ohne dass das Landschaftsgebiet Lange Erlen noch stärker übernutzt wird.

Mitte der 90er-Jahre war die Zeit offensichtlich reif für ein Zusammengehen über die Grenze hinweg. Dies äusserte sich im exemplarischen Akt der Gründung des trinationalen Umweltzentrums Weil mit Beteiligung der umliegenden Landkreise, Kantone, Städte und Gemeinden sowie interessierter Verbände und Firmen auch von schweizerischer und französischer Seite. Neu lag auch eine so wichtige Grundlage wie das Naturschutzkonzept des Kantons BaselStadt vor, welches die Wiese-Ebene auf Schweizer Seite 1995 behördenverbindlich zum Vorranggebiet für den Natuschutz erklärte. Die nun intensivierte Verknüpfung gemeinsamer oder ähnlicher Anliegen über die Grenze hinweg führte zu neuen Aktivitäten und politischen Vorstössen in Umweltbereichen. Eine kurze Chronologie der Entstehungsgeschichte des Landschaftsparks Wiese soll dies illustrieren: • Ab 1995 war die Stadt Weil planerisch und organisatorisch im Hinblick auf die Landesgartenschau 1999 stark gefordert und plante im Zuge der Vorbereitung erhebliche Verbesserungen für ökologie und Erholungsnutzung in der Wiese-Ebene.

• Ab 1996 machte sich das Trinationale Umweltzentrum Weil (TRUZ) Gedanken über einen trinationalen Grüngürtel, den heutigen «Regiobogen», zu welchem die Langen Erlen auch gehören.
• Im Januar 1997 unterbreiteten fünf Umweltverbände gemeinsam dem Regierungsrat Basel-Stadt und dem Gemeinderat Riehen einen Konzeptvorschlag «Naturschutz in der Wiese-Ebene», um die Richtplanung mit schwergewichtig ökologischen Zielsetzungen voranzutreiben.
• Im Juni 1997 überwies der Grosse Rat dem Regierungsrat den «Anzug Markus Ritter und Consorten betreffend Landschaftspark Wiese-Ebene Lange Erlen» mit dem Planungsziel der nachhaltigen Gestaltung und Nutzung der Wiese-Ebene. Das Baudepartement, genau das Hochbau- und Planungsamt zusammen mit der Stadtgärtnerei, wurde mit der neuen Landschaftsplanung beauftragt.
• Im Herbst 1997 erteilte das Baudepartement den Auftrag an ein privates Planungsbüro, für die Landschaftsplanung ein Leitbild «Wiese-Ebene» zu erstellen.
• 1998: Naturinventar, Leitbild und Massnahmenkatalog für Riehen, zusammen das Naturschutzkonzept Riehen, wurden vorgestellt und später ebenfalls im Kanton für behördenverbindlich erklärt.
• Im Februar 1998 wurde ein erster Entwurf der «Leitideen Landschaftspark Wiese» Vertretern der Umweltverbände sowie den betroffenen Verwaltungsstellen aus der Schweiz und Deutschland vorgestellt. Bei den Erläuterungen wurde damals lapidar begründet: «Da sich Landschaften nicht an politische Grenzen halten, wurde diese Arbeit grenzüberschreitend zwischen der Stadt Basel sowie den Gemeinden Riehen und Weil angegangen.»

Der Bergriff «Landschaftspark» wurde zu Beginn oft als irreführend und nicht passend empfunden, setzte sich dann aber mit der fachlichen Begründung durch, unter dieser Bezeichnung verstehe man ein Stück erlebbare Kulturlandschaft, in welcher die Natur wie auch die Erholung und die landwirtschaftliche Nutzung nebeneinander Platz haben. Dies erfolge im Landschaftspark nicht zufällig, sondern werde mit einer geplanten Entwicklung zu einer definierten Zielsetzung hin erreicht.

Die Grösse des Landschaftsparks sollte rund 600 Hektaren oder 6 Quadratkilometer umfassen, wobei rund zwei Drittel der Fläche im Kanton Basel-Stadt liegen. Sein Perimeter verläuft einschliesslich Schlipf und Stellimatten ganz im Norden entlang der Niederterrasse an der Aeusseren Baselstrasse bis zum Eglisee, das Bäumlihofgut und dessen Umschwung einschliessend, bis zum Tierpark und zur Freiburgerstrasse, zum Otterbach auf deutscher Seite, weiter entlang dem Nonnenholz und dem Gelände der Landesgartenschau, nördlich des grossen Naturschutzgebietes Käppelin «Hupfergrube» und der Weilmatten entlang zurück zum Fusse des Schlipfs.

Als prägende Elemente enthält der Landschaftspark die Wiese mit ihren Hochwasserdämmen und Seitenkanäle mit Schleusen und Brücken, Bäche und «Teiche» (= Kanäle) wie der Mühleteich, Alter und Neuer Teich, Riehenteich, Weilmühleteich, Wässergrabensystem im Brühl, gespeist mit Wasser des Aubachs, des Immen- und des Bettingerbachs, sowie weitere Resten der Wässergräben mit Stellfallen, der Otterbach und Mattraingraben, ausgedehnte Laubwälder, bewaldete Grundwasseranreicherungen als «künstliche Auenwaldfragmente», offenes Kulturland mit Wiesen, äckern, Weiden, Obstbaumgärten und Resten von Streuobstwiesen, Magerwiesen im Bereich der Grundwasserfassungen, markante Baumreihen, Feldgehölze und Alleen, aufgelassene Bahnanlagen und verbrachte Grubenareale, grossflächige Biotope wie das Amphibienlaichgebiet beim Eisweiher, das ornithologische Reservat bei den Breitmatten/Hüslimatten, die Käppeligrube bei Weil, ausgedehnte Familiengartenareal und offene Gartenlandgebiete, aber auch Sportanlagen, Parkanlagen, den Tierpark, ein ausgedehntes Wegnetz, Badestellen, Rastplätze und Spielwiesen, Restaurants und Parkplätze.

Bei der künftigen Planung konnte davon ausgegangen werden, dass die Nutzungsintensität und die Gliederung der Landschaft weitgehend vorgegeben und räumlich festgelegt sind. Deshalb ging es nicht vorrangig um die Neugestaltungen der Landschaft, sondern vor allem um ein Bewahren und Verbessern des heutigen Zustandes. Gefordert waren sanfte, lenkende, gliedernde Korrekturen und sichernde Massnahmen. Dazu in aller Kürze die Kernideen über die Zukunft der Wiese-Ebene und was langfristig erhalten, gesichert und verbessert werden soll (Ziele und Sollzustand):

1. Die bestehende Kulturlandschaft bleibt erhalten.
2. Die naturnahen Lebensräume und Vernetzungselemente werden erhalten, ergänzt und aufgewertet. Eine flächige ökologisierung weicht die harte Abgrenzung der Schutzgebiete auf und schafft «Pufferzonen».
3. Trinkwassergewinnung und Grundwasserschutz haben oberste Priorität vor allen anderen Nutzungen. Dem sichtbaren Wasser soll aber trotzdem wo immer möglich die erlebbare Dynamik zurückgegeben werden (Revitalisierung der Fliessgewässer).
4. Die Langen Erlen bleiben als benutzbarer Erlebnisraum der Oeffentlichkeit erhalten und begehbar, wobei die Ausstattung und Animation zurückhaltend anzubieten sind.
5. Der Erholungsraum Lange Erlen soll vor allem der naturnahen Erholung dienen, wobei auch der Kernbereich für die «ruhige» Erholung zugänglich bleibt.

Die Entwicklung der Leitideen zum späteren Landschaftsrichtplan als binationales Koordinationsinstrument verlief in verschiedenen Phasen, wobei einer breiten Abstützung in der öffentlichkeit, in Politik, Verwaltung und bei den Uniweltverbänden grosse Bedeutung beigemessen wurde. Vernehmlassungen der jeweils aktualisierten Entwürfe der Leitlinien erfolgten durch das federführende Baudepartement Basel-Stadt 1998 und 1999 bei allen ansprechbaren Interessensvertretern, und die Meinungen von rund fünfzig unterscheidbaren Nutzerkreisen wurden eingeholt. Dabei wurden selbstredend nicht nur Landes- und Gemeindegrenzen sichtbar, sondern auch die zum Teil sehr verschiedenen Ansprüche an das Gebiet wie z.B. jeweils von Hundehaltern, Landwirten, Joggern und Ornithologen. Abgrenzungen wurden nicht nur zwischen verschiedenen Interessenslagen spürbar, sondern auch auf der formalen Ebene. In der Schweiz und in Deutschland bestehen zum Teil recht verschiedene Rechts- und Verwaltungsstrukturen mit «verschiedenen Sprachen» und Nomenklaturen, für welche in der Planung ebenso wie für die Sachfragen eine gemeinsame Basis gefunden werden musste.

An verschiedenen Ausstellungen, so auch im Rahmen der Landesgartenschau Weil im Jahr 1999, wurden die Lösungsvorschläge der Leitideen einem breiten Publikum näher gebracht. Die obligatorische und formelle Planauflage für den Landschaftsrichtplan geschah schliesslich im Jahr 2000. Zwischen Jahresende 2000 und Frühjahr 2001 unterzeichneten der Gemeinderat Weil, der Regierungsrat Basel-Stadt und der Gemeinderat Riehen jeweils Beschlüsse, welche den «Landesentwicklungsplan», so die Bezeichnung auf deutscher Seite, und den Landschaftsrichtplan auf Schweizer Seite, genehmigten und für behördenverbindlich erklärten. Damit wurde wohl zum ersten Mal entlang der Grenze ein Richtplan eingesetzt, welcher beidseits der Grenze gemeinsame und für alle Partner verbindliche raumplanerische Zielsetzungen vorgibt.

Aus 66 formulierten Zielen für das Gebiet resultierten insgesamt 93 vorgeschlagene Massnahmen, welche in einem Zeitraum von 10 bis 15 Jahren umgesetzt werden sollen. Man war sich bald einig, dass diese Massnahmen aus politischen und rechtlichen Gründen von den drei Vertragspartnern Basel, Riehen und Weil auf jeweils ihrem Hoheitsgebiet selbständig umgesetzt werden müssen. Ebenso klar war allerdings auch, dass die Umsetzung der Massnahmen einer permanenten Koordination zwischen den Partnern bedurfte. So folgte bald nach Verabschiedung des definitiven Landschaftsrichtplans der bisherigen Projektgruppe eine Arbeitsgruppe für die Koordination und Umsetzung der beschlossenen Massnahmen. Diese Arbeitsgruppe trifft sich regelmässig für anstehende Koordinationsaufgaben und die gegenseitige Information.

Nach gegenseitiger Vereinbarung stellt jede der drei Partnergemeinden den jeweils zwei anderen wichtige Ideen für das Gebiet des Landschaftsparks bereits vor der Projektierung vor und fragt sie um ihre Meinung und ihr prinzipielles Einverständnis. Dies erwies sich als besonders wichtig bei Vorhaben, die nicht oder nur bedingt den Zielen des Landschaftsparks entsprechen wie zusätzliche Anlagen für Intensivsportarten, neue Wegverbindungen, neue bauliche Infrastrukturen für kommerzielle Kommunikations- und Freizeiteinrichtungen, Gaststätten und Golfplätze. Die rechtzeitige Absprache und gemeinsame Abwägung der «Landschaftspark-Tauglichkeit» neuer Ideen verhindert ein Aufweichen der gemeinsamen Zielsetzungen durch die immer vorhandenen zahlreichen Partikularinteressen. Diese ausgesprochene Zurückhaltung gegenüber Einzelinteressen mit Raumbedarf will allerdings die weitere Entwicklung des Landschaftsparks nach den jeweiligen sozialen Bedürfnissen und ökologischen Gegebenheiten keineswegs einschränken. Was der Wiese-Ebene als attraktivem Erholungs- und Naturraum zugute kommt, darf ohne Vorbehalte auch in Zukunft diskutiert werden.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2004

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