Mit der Forstequipe im Maienbühl


Sibylle Meyrat 


Es ist acht Uhr. Ein kalter, neblig verhangener Februarmorgen. Seit mehreren Tagen liegen die Temperaturen unter Null. Walo Stiegeler macht sich für die Fahrt in den Holzschlag bereit. «Für uns ist das Wetter perfekt», erklärt der Forstwart und Jagdaufseher der Gemeinde Riehen, als er mit zügigen Schritten über den Werkhof am Haselrain geht. «Der Boden ist gefroren und nimmt kaum Schaden, wenn wir mit schweren Maschinen arbeiten.» Bevor er in Begleitung der beiden Lehrlinge Benjamin Scherer und Stefan Lüthi in den orangefarbenen Pritschenwagen steigt, überprüft er die Werkzeuge. Das Wichtigste sind die Kettensägen in drei unterschiedlichen Grössen. Jedes einzelne Glied der Ketten muss von Hand geschliffen werden – eine Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl verlangt. Die Feilen sind im Gurt der Forstleute ständig griffbereit; oft muss während der Arbeit nachgeschliffen werden. Ohne «hauige» Sägen seien sie verloren, erklärt Walo Stiegeler.


 

Unterhalb der neuen Blockhütte kommt der Kleinlaster mit den drei Forstleuten zum Stehen. Ein rotweisses Plastikband und dreieckige Warnschilder markieren den Holzschlag und weisen Spaziergänger auf die Gefahr hin. Der Entscheid, welche Bäume zu fällen sind, wurde bereits im Herbst getroffen. An den markierten Bäumen leuchten neongelbe Punkte durchs neblige Grau. Bevor ein Baum gefällt wird, wird er ‹angesprochen›, wie es Forstwart Walo Stiegeler ausdrückt. «Wie hoch ist er, in welchem Gelände steht er, welche Bäume sind seine Nachbarn? Wie sehen seine Wurzeln aus und wie ausladend ist seine Krone?» All dies muss berücksichtigt werden, denn kein Baum verhält sich wie der andere. «Das Schlimmste ist die Routine, wenn man meint, man weiss, wie es geht.» Erst nach diesem ‹Ansprechen› kniet Walo Stiegeler vor dem Baum nieder oder macht sich in der Hocke an ihm zu schaffen. Die Fällarbeit ist körperlich anstrengend, auch Klettern gehört mitunter dazu. 


 

Hat der Baum einen breiten Wurzelstock, wird dieser zuerst mit der Kettensäge auf die Stammbreite zurückgestutzt, ‹Anschroten› nennen das die Fachleute. Bevor die eigentliche Fällarbeit beginnt, schallt ein lautes «Aaaaaachtung!» durch den Wald. Die Forstleute kommunizieren über Funk und Kopfhörer, um sich auch auf weite Distanzen und bei laufenden Sägen zu verstehen. Für gute Sichtbarkeit sorgt das leuchtende Rot ihrer Kleidung. Nun setzt Walo Stiegeler die Säge zum Schnitt der Fallkerbe an. Sie bestimmt die Richtung, in die der Baum fallen soll. Einen Einfluss hat auch der Faserverlauf des Holzes, der nach Anbringen der Fallkerbe genau untersucht wird. Nun folgt etwas, das für Aussenstehende wie ein Ritual aussieht und ein bisschen an Yoga erinnert. Der Forstwart stellt sich mit dem Rücken zum Stamm, geht in die Hocke und richtet sich mit höchster Konzentration langsam auf. Mit gestreckten Armen zeichnet er vor sich einen Halbkreis in die Luft, sein Blick folgt den Händen, die langsam vom Boden bis über seinen Kopf gleiten. Mit dieser imaginären Linie schätzt er ab, welche Äste benachbarter Bäume der Stamm mitreissen und wohin er fallen wird. Erst jetzt setzt er zum Fällschnitt an. Der Stamm, nun vorne eingekerbt und hinten angesägt, steht noch immer aufrecht. Der Forstwart hilft mit Hammer und Keil nach. Und jetzt ist dieses Geräusch zu hören, das noch lange im Gedächtnis bleibt: Das Holz ächzt, der Stamm neigt sich, reisst einige Äste benachbarter Kronen mit sich und donnert mit lautem Krachen auf den Boden. Äste brechen und zersplittern. Hier fiel ein etwa 30 Meter hoher Bergahorn. Als der Stamm bereits am Boden liegt, wirbeln noch Hunderte kleiner Propeller durch die Luft: Früchte des letzten Herbstes. Der gefällte Baum wird nun mit der Motorsäge entastet und eingeschnitten. Noch immer ist höchste Aufmerksamkeit geboten, Teile des Stammes stehen unter grosser Spannung. Inzwischen ist Forstwart Stefan Keller eingetroffen mit dem Rückeschlepper, einem traktorähnlichen Fahrzeug mit Kran und Seilwinde, und lädt den zerlegten Baum auf. Die Säge von Walo Stiegeler ruht einen Moment, bis er wieder den Hang erklimmt und sich dem nächsten markierten Baum zuwendet.

 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2012

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