Schachgesellschaft Riehen Ein rüstiger Siebziger

Urs Hobi

In Riehen wurde schon Schach gespielt, lange bevor dies in organisierter Form geschah. Vor 70 Jahren, im Februar 1928, wurde die Schachgesellschaft Riehen gegründet.

Selbstverständlich wird in Basels grosser Landgemeinde seit mehr als 70 Jahren Schach gespielt. Zumindest die Basler Patrizier, die in Riehen ihre Landhäuser errichteten, dürften den Reizen des Denkspiels erlegen sein. In organisierter Form gibt es das Schach in Riehen aber erst seit 1928: Zehn Anhänger1) des faszinierenden Zeitvertreibs gründeten die Schachgesellschaft. Gespielt wurde im Gasthaus «zum Rössli», zweifellos ein symbolträchtiger Ort, denn das «Rössli», in Schachkreisen zwar Springer genannt, ist aufgrund seiner eigenen Art, sich fortzubewegen, die wohl interessanteste Figur des Spiels. Nicht zufällig ist es auch im Signet des Riehener Vereins enthalten.

Höhepunkte der Vereinsgeschichte

Der Vereinschronik, die übrigens im Internet abgerufen werden kann (http://www.lucon.ch/sgriehen), ist zu entnehmen, dass der Verein rasch aufblühte. In der Zwischenkriegszeit hatte er über 60 Mitglieder, die sich vereinsintern massen und an den eher spärlich stattfindenden regionalen und nationalen Wettbewerben teilnahmen. Wie bei vielen anderen Vereinen gab es während der Kriegszeit Probleme. Wegen des Aktivdienstes kam der Spielbetrieb praktisch zum Erliegen. In den fünfziger und sechziger Jahren kam es aber zu einem erneuten Aufschwung, der sich unter anderem in reger Wettkampftätigkeit äusserte. So wurde 1963 ein Stundenturnier2) mit fast 250 Teilnehmern organisiert, und 1968 gab der dänische Grossmeister Bent Larsen, damals zusammen mit Bobby Fischer der beste Spieler der westlichen Welt (Spieler ausserhalb des Ostblocks), eine sogenannte Simultanvorstellung3). Die organisatorisch grösste Leistung war die Durchführung der Schweizer Einzelmeisterschaften des Schachverbands (heute Schweizerischer Schachbund) im Jahre 1970.

Das Schnuppern in der Höhenluft

Die Basis zum kontinuierlichen Aufstieg zum national beachteten Verein legte die Schachgesellschaft im Jahr 1969 mit der Gründung einer eigenen Jugendschachgruppe, aus der verschiedene starke Spieler hervorgingen. Der bekannteste ist zweifellos Matthias Rüfenacht, der sich an manch wichtigen Turnieren und Wettkämpfen hervorragend schlug, seine besten Leistungen aber im Fernschach4) erzielte, wo er sich den Titel eines Grossmeisters des Weltschachbunds holte. Aufgrund der vorhandenen Qualität und des gesellschaftlichen Umfelds wurde die Schachgesellschaft Riehen auch für andere Spieler der Region oder für Akteure, die beruflich von auswärts in die Umgebung Basels kamen, eine interessante Alternative zu den hier bestehenden Grossvereinen. Gemäss dem Spieleretat des Jahres 1998 beträgt die Quote der Riehener unter den Aktivmitgliedern rund 25 Prozent, unter den Junioren ist sie mit 60 Prozent deutlich höher.

Dies führte im Laufe der Jahre natürlicherweise zu guten Einzelresultaten bei verschiedenen Wettkämpfen und zu Erfolgen in der Mannschaftsmeisterschaft, wo Riehens erste Mannschaft sukzessive Höhenluft zu schnuppern begann. 1980 durfte man ein erstes Mal in der Nationalliga A mitspielen, 1982 gewann die Schachgesellschaft Riehen den Teamcup. Nach längerem Verbleib in der Nationalliga B schaffte sie im Herbst 1992 den Wiederaufstieg in die oberste Liga und konnte bisher während weiterer vier Saisons in der Nationalliga A mitwirken (1993, 1995, 1996 und 1998).

Der Verein umfasst derzeit gegen 50 Aktivmitglieder, 18 Junioren und rund 20 Passive. Das mag im Quervergleich mit andern Vereinen nicht sehr viel sein, hindert die Schachgesellschaft indessen nicht daran, in organisatorischer Hinsicht sehr rührig zu sein, sowohl innerhalb der Schachbewegung als auch im Riehener Dorfleben, wo sie bei verschiedenster Gelegenheit - unter anderem im Rahmen der Bundesfeier - auftritt. Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit, dass der ranghöchste schweizerische Schachspieler von der Vereinszugehörigkeit her ein Riehener ist: Ruedi Staechelin, Präsident des Schweizerischen Schachbunds und zuvor während sieben Jahren Präsident der Schachgesellschaft Riehen. Derzeitiger Präsident ist der Einheimische Urs Allemann.

Warum Riehen eine «Liftmannschaft» ist

Hier sei ein Hinweis auf die nationale Szene gestattet: Wie in andern Sportarten sind die Spitzenteams im Schach in den seltensten Fällen aus den besten Spielern des eigenen Vereins zusammengesetzt. Während langer Zeit war es üblich, dass die Spitzenklubs einer grösseren Stadt die besten Nachwuchsspieler ihrer Region zu sich zu ziehen versuchten. In den achtziger und neunziger Jahren ist diese Methode verwischt worden: Verschiedene Vereine engagierten für ihre Spitzenmannschaften Topspieler aus dem Ausland. Dies hatte zur Folge, dass an den Spitzenbrettern der meisten Teams hochkarätige Profis aus aller Welt mitwirkten, selbstverständlich gegen gute Bezahlung. Dies führte im Laufe der Zeit dazu, dass die Mannschaftsmeisterschaft im Schach im Vergleich zu andern Sportarten unwahrscheinlich stark, das heisst mit Spitzenspielern von Weltformat, besetzt ist. Um in diesem Zirkus mitzuwirken, sind grosszügige Donatoren nötig, welche die Vereinskasse aufbessern.

Die Vereinspolitik der Schachgesellschaft Riehen liess solche Experimente nie zu. Es gibt zwar verschiedene Spieler in der ersten Mannschaft, die «gegen Gage» spielen, indessen gibt es keine hochbezahlten Superstars. Anderseits wirken in der ersten Mannschaft auch Spieler, die mit ihren Beiträgen das Engagement ihrer Kameraden überhaupt erst ermöglichen. Unter diesem Gesichtspunkt ist bei den derzeitigen Bedingungen ein Spitzenrang der Schachgesellschaft Riehen nicht denkbar, weil es in der Nationalliga A Vereine gibt, die mehr investieren können. Riehen ist demzufolge in der Zwischenzone zwischen Nationalliga A und Nationalliga B eine sogenannte «Lift mannschaft», die regelmässig Aufstiege feiert und Abstiege beklagt. Immerhin ist es denkbar, dass eine von den Delegierten des Schweizerischen Schachbunds beschlossene änderung der Ausländerregelung das Gewicht zwischen den verschiedenen Klubs verschiebt.

Trotzdem war die Schachgesellschaft Riehen in diesem Jahrzehnt während mittlerweile vier Jahren in der obersten Liga vertreten. Sie wird - im Falle eines Abstiegs am Saisonende - auch künftig an ihre Tore anklopfen.

Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit, dass in den vergangenen Jahren auch die regionale Konkurrenz sehr stark war. Zwischenzeitlich kamen in der gleichen Saison vier von zehn Nationalliga-A-Klubs (Allschwil, Basel, Reichenstein Reinach und Riehen) aus Basel und Umgebung. In den neunziger Jahren spielte überdies die Schachgesellschaft Therwil in der obersten Kategorie.

Um die Bedeutung der Zugehörigkeit der Schachgesellschaft Riehen zur Nationalliga A der Schach-Mannschaftsmeisterschaft darzustellen, sei erwähnt, dass sich in sechs verschiedenen Stärkeklassen rund 500 Teams mit gegen 3000 Spielern an diesem Wettbewerb beteiligen. Die Schachgesellschaft Riehen hatte in der Saison 1998 vier Mannschaften im Einsatz, nebst dem Nationalliga-ATeam auch noch Equipen in der 1. Liga, der 2. Liga und in der 4. Liga.

 

Ist Schach Sport?

Darf man beim Schach den Begriff «Sport" verwenden? Weil man das simple Verschieben von hölzernen Figuren nicht als körperlichen Kraftakt bezeichnen kann, sind die Aktiven der «normalen» Sportarten immer skeptisch, wenn es gilt, die Chefdenker am Brett in einem Zug mit Radprofis, Marathonläufern oder Kranzschwingem zu nennen. Anderseits war Schach auch schon olympische Disziplin, und der derzeit oberste Olympier, Juan Antonio Samaranch, ist bestrebt, den Schachsport wieder in seine grosse Familie zu integrieren. Vorbehalte sind trotzdem geblieben, obschon eine Turnierpartie einen Spieler nicht nur geistig, sondern auch körperlich beansprucht, was Aktive bestätigen, die auch in «richtigen» sportlichen Disziplinen tätig sind. Auf schweizerischer Ebene bemühen sich die Verbandsvertreter des Schachs seit Jahrzehnten erfolglos, durch eine Mitgliedschaft im Landesverband für Sport die entsprechende Anerkennung zu erhalten. In Riehen ist man diesbezüglich einen Schritt weiter: In einem Grundsatzbeschluss hat die Kommission, welche Preisträgerinnen und/oder Preisträger des Sportpreises der Gemeinde erkürt, festgehalten, dass die Ehrung auch an Schachspielerinnen oder Schachspieler oder an einen Verein verliehen werden kann, der sich ums Schach in der Gemeinde verdient macht.

 

Anmerkungen

1) Anhänger: Die folgenden Formulierungen müssten korrekterweise geschlechtsneutral geschrieben werden. Indessen war die Schachgesellschaft Riehen aus nicht eruierbaren Gründen in ihrer Geschichte meistens eine Männerbastion. Unter den derzeit (Stand 1998) 47 Aktiven gibt es eine Frau, unter den 20 Jungspielern zwei Juniorinnen.

2) Stundenturnier: Turnierpartien mit einer Bedenkzeit von 25 Minuten pro Spieler. Eine Partie dauert demnach maximal 50 Minuten, die restlichen 10 Minuten sind als Vorbereitung auf die nächste Runde eingerechnet.

3) Simultan: Ein nur im Schach möglicher Quervergleich zwischen Meister und Amateur. Der Meister spielt - im allgemeinen in einem aus vier Tischen gebildeten Viereck - gegen eine Anzahl (in der Regel 20 bis 30) Amateure gleichzeitig. Sein Handicap ist die gegenüber dem Amateur massiv verkürzte Bedenkzeit pro Zug.

4) Fernschach: Im Gegensatz zum Schach am Brett, wo die Kunst darin besteht, den Fortgang des Spiels ohne Verschieben der Figuren zu errechnen, können im Fernschach die Züge beziehungsweise deren Auswirkungen real erstellt werden, bevor man sie ausführt. Partien dauern aus diesem Grunde nicht Stunden, sondern Monate, weil die Züge per Post übermittelt werden. Anderseits werden in einem Fernschach-Turnier mehrere Partien gleichzeitig gespielt.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1998

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