Es hat nicht so viel Nebel wie in Langenthal

Dominik Heitz

Neben 1600 bis 1700 Wegziehenden kann Riehen jährlich ebenso viele Neuzuzüger verzeichnen. Zu ihnen gehören in diesem Jahr Beatrice und Rolf Huwyler-Imhof. Ein Porträt.

Von der Herkunft und Sprache her sind sie ein ungleiches Paar: Beatrice Huwyler-Imhof (35) stammt aus Riehen, ist hier aufgewachsen und zog mit zwanzig Jahren als ausgebildete Krankenschwester aus der ländlich anmutenden Gemeinde weg in die betriebsamere Stadt Basel. Rolf Huwyler (34) ist im bernischen Langenthal geboren und aufgewachsen. Als gelernter Lokführer lebte und arbeitete er längere Zeit im Kanton Luzern, bevor er aus beruflichen Gründen als Wochenaufenthalter nach Basel kam.

So verschieden ihre Herkunft, so ähnlich ihre Wohnortvorstellung: Beide hatten sich nach ihrer Heirat im vergangenen Jahr und vor der bevorstehenden Geburt ihrer Tochter Livia im Dezember 2000 schnell einmal entschieden, die Stadt verlassen zu wollen und sich in städtischer Nähe im Grünen niederzulassen. «Wenn eine Familie, dann wieder aufs Land», sagten sie sich. Aber nicht zu weit, damit Rolf Huwyler mit dem Velo zur Arbeit auf den Dreispitz fahren kann. Denn die Familie lebt ohne Auto.

Zunächst fragten sie sich: «Was wäre gut um Basel herum?» Allzu viel gab es nicht. Allschwil kam anfänglich noch in Frage, wurde aber wegen des Fluglärms gestrichen. Letztlich blieben sie bei Riehen, wo sie sich nach Mietwohnungen und Häusern umsahen. Ein älteres Haus hatte es ihnen bereits angetan, als Beatrice Huwyler via Internet auf die neue Grossüberbauung der Gehrhalde stiess, dort, wo vor zwei Jahren bei Aushubarbeiten der «Chopper», ein Geröllwerkzeug aus der Altsteinzeit, gefunden wurde. Und bei der Gehrhalde ist es geblieben: Seit Januar 2001 wohnen Beatrice und Rolf Huwyler im Haus Obere Weid 37 mit erholsamem Blick aufs Dorfzentrum und den Tüllinger Hügel.

War ihm, Rolf Huwyler, das Dorf Riehen schon vorher bekannt? «Ich kannte Riehen entfernt vom Modelleisenbahnladen beim Niederholz; ich war mal dort. Vor zwei Jahren, als ich meine Frau und ihre in Riehen wohnhaften Eltern kennen lernte, wurde mir dann Riehen etwas näher gebracht.» Heute kennt er Riehen wesentlich besser, aber vertraut ist es ihm noch nicht. Immerhin stellt er zwischen seinem Heimatort Langenthal und der baselstädtischen Landgemeinde Parallelen fest: «Langenthal hat eine ähnliche Grösse und eine ähnliche Struktur; die Atmosphäre im Dorfkern hat auch etwas leicht Städtisches.» Was er bereits schätzen gelernt hat, ist nicht nur der Dorfkern, sondern auch die Umgebung Riehens: die Chrischona, den Tüllinger Hügel, den Grüngürtel zwischen Basel und Riehen, die Nähe zu Frankreich und Deutschland. «Man kann in kurzer Zeit nach Inziingen spazieren und ist sofort in Deutschland; das war mir am Anfang nicht recht bewusst», sagt Rolf Huwyler. «Ich musste mich zuerst daran gewöhnen, dass wir so nahe an der Landesgrenze wohnen; anfänglich hatte ich nämlich stets die Identitätskarte vergessen mitzunehmen. Jetzt weiss ich, dass es die Grenze gibt, doch mehr und mehr löst sie sich für mich auch wieder auf.»

Und wie nimmt sie, Beatrice Huwyler, ihr altes, neues Riehen auf, das sie einst vor fünfzehn Jahren verlassen hatte? «Anders», sagt sie. Damals als junge Frau noch bei den Eltern wohnend, hatte sie sich zur Stadt hin orientiert und gewisse lebensbereichernde und gesellschaftsfreundliche Strukturen in Riehen gar nicht wahrgenommen. «Heute geniesse ich die Ruhe, die Landschaft, das Dorfleben. Ich finde es schön, dass es hier so etwas wie das Haushaltgeschäft Wenk noch gibt. Und als Mutter und Hausfrau erstaunt es mich auch, wie viele Leute ich noch kenne; ich fühle mich hier wieder sehr wohl.» Verwandte oder Freunde an einem neuen Wohnort zu wissen, kann das Einleben in einer neuen Gemeinschaft vereinfachen und gewisse Angebote der Integration gar überflüssig erscheinen lassen. Beatrice und Rolf Huwyler haben sich die auf dem Programm des Verkehrsvereins stehende Neuzuzügerfahrt dennoch nicht entgehen lassen. Zwischen dreissig und vierzig neue Einwohnerinnen und Einwohner Riehens nahmen zusammen mit den Huwylers im Mai 2001 an dieser Fahrt teil. Sie haben es nicht bereut.

«Die Fahrt war ganz originell», lobt Rolf Huwyler. «Ich habe noch nie ein solches Neuzuzügertreffen erlebt.» Er muss es wissen, denn vor Riehen hatte er schon an drei anderen solcher Informationsveranstaltungen für Neuzuziiger teilgenommen: in Luzern, Kriens und Horw. «Meistens waren es Abende mit Dias und Chips. In Riehen ist das origineller gewesen.» Beeindruckt haben Rolf Huwyler am Informationstag die beiden Dorfmodelle im Gemeindehaus, lehrreich fand er - wie auch seine Frau - die «Village Tour», gestaunt hat er über die Tatsache, dass es in Riehen bloss sieben Restaurants gibt, und geschätzt haben beide den Zvierihalt auf dem Maienbühl, wo sie eine Miniführung durch den Bauernhof bekamen.

Wann fühlt man sich heimisch? Rolf Huwyler meint, bis jetzt eigentlich erst die Fassade Riehens kennen gelernt zu haben. «Wie es <innen> aussieht, weiss ich noch nicht. Aber ich erhoffe mir schon, die Motorik von Riehen besser zu verstehen.» Zur Fassade gehört vieles - in erster Linie ist es für ihn die natürliche Umgebung, und die gefällt ihm: «Es hat nicht so viel Nebel wie in Langenthal und Luzern, es ist sonniger; mein Velo hat dort deswegen schneller Rost angesetzt. Ich habe auch noch nie einen so schönen Arbeitsweg mit dem Velo gehabt.» Aber auch noch nie einen so langen: von der Gehrhalde über das Kraftwerk Birsfelden zum Dreispitz, wo er täglich «seine» Lokomotive abholt, um dann mehrmals beladene Güterwagons von Basel nach Bern, Biel, Zürich und in die Ostschweiz zu fahren und mit leerem Rollmaterial nach Basel zurückzukehren.

Schienenverkehr interessiert ihn und deshalb findet er es schade, dass die Tramlinie 6 nicht direkt zum Riehener Bahnhof führt. Doch wie gesagt: Zuerst muss er noch die Motorik in der Gemeinde kennen lernen. Und dann kommt ihm Riehens grosser Gemeindesaal in den Sinn und der Wunsch, dort eine Multimediaschau über Neuseeland durchzuführen.

Für Rolf und Beatrice Huwyler ist vieles neu: Mit der Heirat, dem Töchterchen, dem neuen Heim in einer neuen überbauung mit neuen Nachbarn hat sich ihr Leben innerhalb von zwei Jahren entscheidend verändert. Wie lange es dauern wird, bis das Neue zum Vertrauten geworden ist, ist eine andere Geschichte.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2001

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