Bestechend in seiner Einfachheit Das Burckhardtsche Gut

Bernard Jaggi

Die schmale, zweigeschossige Giebelfront des vom Alter gezeichneten Gebäudes an der Oberdorfstrasse 47 weckt Erinnerungen vielfältiger Art: Vom Hexenhäuschen aus der Kindheit bis zu Ferienreisen durch unberührte Dörfer reicht die Palette der Assoziationen, die das bescheidene Haus dem Passanten vermittelt. In Wahrheit ist das bis auf den heutigen Tag liebevoll gepflegte Anwesen Teil eines historischen Landgutes aus dem 18. Jahrhundert, des Burckhardtschen Landgutes. Sogenannte Landgüter waren Zweitsitze reicher Basler Bürger im Untertanenland, die seit dem 17. Jahrhundert meist im bäuerlichen Siedlungsbereich angelegt wurden. Die Besonderheit dieses Gebäudes, des Spittelhofs, liegt in der ungewöhnlichen Proportionierung des langgestreckten und gleichzeitig aussergewöhnlich schmalen Baukörpers sowie im Charme, den die sympathische Einfachheit des Ganzen mit den Blumenfenstern, der alten Rebe an der Hoffassade, den Unebenheiten und Flickstellen allenthalben ausstrahlt. Für schweizerische und insbesondere für die perfektionierten Riehener Verhältnisse handelt es sich hier um einen Solitär, um eine wahre Oase. In einem Dorf im Sundgau würde der gleiche Bestand kaum auffallen.

Die Frage stellt sich nun, welche Rolle das schlichte Haus in der Zeit des Landgutbesitzes spielte, wie es damals aussah, was vorher war und was danach kam. Das Gebäude birgt noch etliche Geheimnisse in sich, die zu gegebener Zeit zu erforschen sind. Im jetzigen Zeitpunkt konzentrieren wir uns auf Schrift- und Bildquellen sowie auf die Beschreibung des Baubestands.1)

 

Aufstieg und Niedergang eines Landgut-Sitzes

Als im Jahre 1727 Emanuel Burckhardt-Felber, Oberschreiber im Spital, eine Behausung und Hofstatt mit Reben und Matten von den «Draisischen Erben» erwarb, dachte er wohl noch nicht, dass 16 Jahre später sein gleichnamiger Sohn das Ganze zu einem grosszügigen Landgut erweitern und arrondieren würde. Daraus entstand der sogenannte «Spittelhof» - genannt nach Emanuel Burckhardt-Linder, dem Spitalmeister und Erbe des väterlichen Besitzes. Wie die Quellen nahelegen, musste der ursprüngliche Besitz des Vaters im hinteren Teil der Parzelle gelegen haben, gegen die «Inzlinger Strass», während vorne gegen den Aubach (heutige Oberdorfstrasse) der Küfer Hans Teil Haus und Grund besass. 1743 war Emanuel Burckhardt in der Lage, mit Hans Teil die Parzelle gegen einen weiteren, wohl nebenanliegenden Besitz abzutauschen, so dass ein zusammenhängendes Grundstück entstand. Der Küfer liess sein Haus vorher auf eigene Kosten abbrechen. Somit waren die Voraussetzungen gegeben, auf dem erweiterten Grund das Landgut auszubauen. An der Stelle des Tellschen Hauses entstand der heute als einziger Zeuge noch stehende Flügelbau des Burckhardtschen Guts, der die Anlage mit hinterem Herrschaftshaus und Hof als Seitenflügel gegen das «Burcketegässli» (heute Bäumligässchen) und die Strasse am Aubach begrenzte. Die im Sturzstein der hinteren Türe des Flügelbaus eingravierte Jahreszahl 1745 zeugt von der Vollendung dieser grundlegenden baugeschichtlichen Etappe. Aufgrund späterer Beschreibungen und Karten ist auch die Errichtung einer Umfassungsmauer anzunehmen, obwohl eine solche 1744 von der Gemeinde abgelehnt wurde. Das Landgut mit Hinterhaus und freistehendem Flügelbau entsprach so auch anderen Basler Sitzen in Riehen; recht ähnlich war das Socinsche Gut ein paar Häuser weiter unten angelegt.

Es zeigt sich, dass eine kritische Durchsicht der historischen Quellen eine grobe Skizzierung und Zuordnung der Grundstücksverhältnisse der damaligen Zeit erlaubt. Allerdings muss die Frage, ob im Flügelbau an der Oberdorfstrasse 47 noch Reste des Tellschen Hauses stecken, vorerst noch offen bleiben. Wie unten im Baubeschrieb (Seite 12) dargelegt, ist es durchaus berechtigt, komplexe, weit zurückgehende Bauphasen in der Substanz zu vermuten. Betrachtet man die alten Kartierungen, so zeigt sich deutlich an den verwinkelten Umrissformen und an den divergierenden Ausrichtungen der Gebäude, dass das ehemalige Landgut nicht am Reissbrett entworfen wurde, sondern mit Sicherheit auf sukzessives Wachstum zurückzuführen ist. Das erstmals 1807 erschienene Brandlagerbuch beschreibt das Gut unter 18A (hinten) als Haus samt Scheuer und Stallung, teils in Mauern, teils in Riegelholz, alles in Ziegeln gedeckt, und unter 18B (vorne) als «Gebäu» mit Trotte, im gleichen Hof, teils in Mauern, teils in Riegelholz, ebenfalls mit Ziegeln gedeckt. über die Vorgeschichte des hinteren Gebäudes kann nur gemutmasst und bezüglich der baulichen Kontinuität auf die Quellen verwiesen werden. Das historische Gebäude (Oberdorfstrasse 49) wurde 1968 unbesehen abgebrochen. Es ist leider neben den erwähnten Karten nur auf wenigen Bildern und Fotografien ansatzweise abgebildet.2)

 

Die Geschichte vor dem Landgut...

Die dem Kloster Klingental zinspflichtigen Grundstücksbesitzer Hans und Georg Uringer erscheinen erstmals 1569 in den Berainsurkunden. Bereits 1661 konstituiert sich eine Aufteilung der Parzelle in einen hinteren und einen vorderen Teil, was über die ganze Zeit bis heute eine Rolle spielen sollte. Der hintere Teil wechselte mit Jakob Stürm und Adam Meyerhofer zweimal die Hand, bis er 1713 an Anna Margaretha von Rotberg, die Witwe des Junkers Friedrich Drais von Sauerbronn, überging. So kam der Besitz der «Draisischen Erben» 1727 an Emanuel Burckhardt-Felber. Der vordere Teil ging 1661 an Nikiaus Krebs, später an dessen Neffen Michael und 1693 an Jakob Gyr, der sein Haus um 1724 an Hans Teil verkauft haben dürfte. Dieser vollzog im Jahre 1743 den bereits erwähnten Tausch mit dem Spitalmeister Emanuel BurckhardtLinder, was den Auftakt für die Arrondierung des «Spittelhofs» darstellte.

... und danach

Mit dem Jahre 1812 endete die Geschichte des Burckhardtschen Gutes. Nach dem Hinschied Heinrich Burck hardts im Jahre 1812 verkaufte dessen jüngerer Bruder im Auftrag der Erbengemeinschaft das Gut, das im hinteren Teil bereits seit geraumer Zeit vermietet war, an den Tauner (Taglöhner) Johannes Wegmann. Damit vollzog sich die Wende vom einst dem wohlhabenden Bürgertum vorbehaltenen Landgut zu einer Behausung für einfache und unterprivilegierte Bewohner.

1834 erfolgte die endgültige Aufteilung der zweiteiligen Parzelle. Das weitere Schicksal des Hauses Oberdorfstrasse 47 ist für die Zeit des 19. Jahrhunderts in sozialgeschichtlicher Hinsicht mindestens so bemerkenswert wie in baugeschichtlicher. Seit dem übergang in proletarische Hände erfahren wir von ständigem Besitzerwechsel wegen Vergantung, von unvorstellbaren überbelegungen, sanitarischen Problemen und anderem. Dazu seien nur einige ausgewählte Ereignisse und Zahlen hervorgehoben.

Von der Übernutzung bis zum Brandfall

Johann Ludwig Hagmann, der Besitzer in den Jahren 1842 bis 1850, war Posamenter (Seidenbandweber). Er lebte mit seiner Frau und den Kindern sowie mit mehreren Untermietern, die den gleichen Beruf ausübten, im selben Haus. Zu diesem Zweck liess er verschiedene Reparaturen vornehmen, eine Stockmauer neu errichten und eine Stube mit Küche einbauen. Für die Heimposamenterie mussten Webstühle in der Wohnung - meist am schönsten Ort in der Nähe des Fensters - aufgestellt werden. 1847 belegten neben der verwitweten Frau Hagmann noch zwei andere Posamenter-Familien mit Kindern und Gesellen, insgesamt 17 Personen, das schmale, zweigeschossige Gebäude. Ohne Dachkammern wären darin bestenfalls sechs bis acht kleine Räume vorstellbar.

Aus unbekannten Gründen kam es im darauffolgenden Jahr zum Brandfall. Der Schaden war beträchtlich, mussten doch im Jahre 1849 mehr als zwei Drittel der 1830 festgelegten Brandschatzungssumme an die Besitzerin zur Wiederherstellung des Hauses entrichtet werden. Wie die dendrochronologische Untersuchung des Dachstocks belegt, wurden 1848 tatsächlich der Dachstuhl und der strassenseitige Fachwerkgiebel vollständig erneuert.3) Die vier bestehenden Dachgauben auf der Hofseite können demnach frühestens aus dieser Zeit stammen. Den durchwegs ins 19. Jahrhundert weisenden Ausstattungen zufolge dürfte damals auch in den Wohngeschossen einiges erneuert worden sein.

Skandalöse Zustände

Als nach zwei weiteren Handänderungen 1856 der Posamenter Johannes Schaub die freistehende «...zum Teil neuerbaute Wohnbehausung in Mauer und Riegel, mit Ziegeldach...» übernahm, musste wieder etliches repariert und eine Wohnung neu eingerichtet werden. Das Haus war damals in zwei Wohnungen zu je drei und eine zu zwei Zimmern aufgeteilt. Nach dem Konkurs Schaubs wurde der Besitz auf drei Parteien aufgeteilt. Ende der achtziger Jahre kaufte der Seifensieder Friedrich Bolliger die anderen beiden Anteile noch dazu und vermietete alles bis auf den letzten Quadratmeter. Damals verteilten sich auf die sechs Räumlichkeiten und die drei Dachkammern des schmächtigen Flügelbaus 27 Bewohner!

In dieser Zeit kam es zum handfesten Skandal: Der Taglöhner Johann Jakob Peter-Vögelin, der mit seiner Frau und vier Kindern ein Zimmer im Parterre nebst kleiner Küche und kleinem Keller belegte, wurde unter anderem wegen mangelhaften Schulbesuchs seines Mädchens auffällig. Es stellte sich dabei heraus, dass Frau und Kinder in dem feuchten und kalten Logis von Krankheiten geplagt dahinvegetierten. Ein Augenschein des Sanitätskommissars brachte die katastrophalen Wohnverhältnisse ans Tageslicht: Es herrschte enorme Feuchtigkeit wegen durchnässter Mauern, die vom oberidisch auslaufenden Schüttstein- und Dachwasser durchtränkt wurden, zerbrochene Fensterscheiben waren mit Lumpen verstopft, es gab keine Vorfenster, zum Heizen hatte es nicht genug Holz usw. Im Sommer sei es im hinteren Gässchen (Bäumligässchen) entlang des Hauses kaum auszuhalten vor Gestank, die Abtrittgruben seien am überlaufen.

Der auswärts wohnhafte Hauseigentümer Bolliger wurde dazu aufgefordert, die Missstände zu beheben, was nach mehreren Anläufen dann auch geschah. Der Anschluss an die Kanalisation wurde zu je einem Drittel vom Nachbarn und von der Gemeinde mitfinanziert. Der besagte Mieter war inzwischen ausgezogen, ohne den Mietzins für die letzten vier Quartale zu bezahlen.

Der Polizeigerichtspräsident hielt in seinem Bericht vom 14. Januar 1880 an das Sanitäts-Departement fest, dass Riehen genauso wie Kleinhüningen nur zu einem kleinen Teil ein landwirtschaftliches Dorf sei und die Wohnungen der Mehrzahl der Bewohner (Taglöhner, Fabrikarbeiter, Proletarier) der Beaufsichtigung bedürften wie in den Städten.

Seit 1885 im Familienbesitz

Der Maurer Gottlieb Martin-Maurer hatte 1885 zuerst einen Anteil, dann das Ganze übernommen. Er starb 1899 im Alter von 51 Jahren. Nach dem Tod der Witwe Maria Martin im Jahre 1950 ging die Liegenschaft je zur Hälfte an Maria Luise Martin beziehungsweise deren Erben und an Emma Margaretha Martin über.

Maria Luise Martin bewohnte die vordere Wohnung des Hauses bis zu ihrem Tod im Jahre 1978. Von da an blieb dieser Teil unbewohnt. Emma Martin lebte bis vor etwa zehn Jahren in der hinteren Wohnung. Seit sie aus Altersgründen ausziehen musste, unterhält ihr Neffe, Werner Martin, Haus und Hof, repariert und pflegt alles, was anfällt. Ohne ihn wäre das Haus inzwischen in viel schlechterem Zustand und ohne jeglichen Schmuck.

Frau Emma Margaretha Martin starb im August 1996 im Alter von 102 Jahren.

Raumaufteilung zeigt intensive Nutzung

Auf dem heutigen Grundstück an der Oberdorfstrasse 47 erinnert nur noch das im Grundbuch eingetragene Durchfahrwegrecht von 1884 an die frühere Abhängigkeit zwischen hinterer und vorderer Parzelle. Am Ende des langgestreckten Flügelbaus entlang des Bäumligässchens liegt die Grenze zur Nachbarliegenschaft Oberdorfstrasse 49. Vis-à-vis des Hauses steht die kleine Scheune mit Stallung, die Gottlieb und Wilhem Martin 1887 auf der hinteren Hälfte des Hofs errichten liessen. Zwischen Wohnhaus und Scheune erstreckt sich der geteerte Platz mit spürbarem Gefälle gegen die Strasse. Der vordere Garten zwischen Scheune und Strasse liegt etwas erhöht. Die leicht schräg zum Gebäude abgehende Flucht der Strassenfassade setzt sich in der seitlichen Hofmauer fort, die den dahinter angebauten Geräteschopf schirmt. Anschliessend springt die Flucht zurück; das heutige Gittertor musste wegen einer Strassenkorrektur zurückgesetzt werden, die alten Torpfosten gingen dabei verloren.

Das nur 5 Meter breite Wohnhaus dringt 17 Meter tief in die Parzelle ein. Dessen spärlich befensterte Westseite begrenzt das Grundstück gegen das historische Bäumligässchen. Die dem Hof zugewandte Ostfassade mit den vielen Fenstern und Türen wirkt dagegen lebendig: Die beiden unterschiedlichen Haustüren sowie die frei verteilten einfachen Fenster verraten die Aufteilung des langen Flügels auf zwei getrennte Wohnbereiche. Auch unterscheiden sich die beiden Geschosse in vertikaler Richtung deutlich voneinander, was auf den Wechsel zwischen gemauertem Erdgeschoss und aufgesetztem Fachwerkstock sowie auf die lockere Fensteranordnung zurückzuführen ist. Das heute vollflächig verputzte Stockwerk trat ursprünglich als Sichtfachwerk in Erscheinung. Dies belegen die profilierten, horizontalen Balken, welche das Geschoss unten (Schwelle) und oben (Rähm) begrenzen. Zudem sind die Querschnitte der fassadenbündig aufgelegten Decken- und Bundbalken mit Resten von Farbfassungen an einigen Stellen zu sehen. Die Längsseiten des Fachwerks liegen auf der Innenkante der Erdgeschossmauer, dadurch ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen Wandstärken ein markanter Rücksprung. Allerdings verjüngt sich dieser in der Hoffassade und läuft merkwürdigerweise gegen hinten praktisch auf Null aus. Die schmale Fassade zur Strasse ist jeweils nur mit einem Fenster pro Geschoss versehen; das Fenster des Obergeschosses sowie das kleine Dachfenster im Giebel liegen in der Mittelachse. Aufgrund der geringen Hausbreite ergibt sich ein relativ steiles Satteldach, dessen Profil in der spitzen Giebelfassade zum Ausdruck kommt. Die ganze Dachfläche ist noch in alter Technik einfach eingedeckt mit Holzschindel-Unterlage. Das Dach sowie das Fachwerk im Giebeldreieck zur Strasse mussten 1848 infolge Brandschadens neu aufgebaut werden.

Die leicht unterschiedlichen Fenster des Hauses belegen die verschiedenen baulichen änderungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Die in den Massen etwas variierenden Fenster und Türen des gemauerten Erdgeschosses sind durchwegs in Sandstein gefasst, doch zeigen sich Differenzen in der Steinbearbeitung. Die Fensterbänke ohne vorstehende Platte sowie die mittlere Türe mit schmaler Zierfase weisen auf eine Entstehung im 19. Jahrhundert hin. Eindeutig in barocke Zeit gehört dagegen die Einfassung der hinteren Haustüre mit dem umlaufenden Karnieswulst und der Jahreszahl 1745 im Sturz. Ob diese an die Ausbauzeit Emanuel BurckhardtLinders erinnernde Türfassung hier am ursprünglichen Ort sitzt, ist hingegen keineswegs gesichert. Auskunft darüber wird uns erst die Bauforschung bringen. Im Fachwerkstock sind drei Fenster im vorderen Teil der Hoffassade als original erkennbar, da sie unmittelbar aus den Fachwerkhölzern herausgebildet sind. Deren Brustriegel mit vorstehendem Wulstprofil sprechen für die Zeit des barocken Flügelbaus. Alle anderen Fenster dieses Geschosses sind mit Brettereinfassungen versehen und deshalb wohl eher aus Umbauten und Reparaturen des bewegten 19. Jahrhunderts hervorgegangen. Die meisten Fenster sind mit Bretterläden und Vorfenstern ausgestattet. Sämtliche Fensterrahmen und -flügel stammen aus dem 19. Jahrhundert.

Die Raumaufteilung im Innern dürfte mehrheitlich das Resultat intensivster Wohn- und Gewerbenutzung des 19. Jahrhunderts darstellen. Der lange Trakt ist etwa in halber Länge geteilt. Im vorderen Teil führt die mittlere Haustüre vom Hof her in einen kleinen Eingang, der zu Stube, Treppe und Küche sowie unmittelbar rechts über einen Bodendeckel zur steilen Kellertreppe vermittelt. Der kleine Keller liegt in der Mitte des Hauses. Diese Wohnung umfasst die beiden grössten und bestgelegenen Eckräume im Erd geschoss und ersten Stock gegen Hof und Strasse, zu denen rückwärtig die schmale Treppe quergestellt ist. Der Aufgang in den ersten Stock scheidet neben dem grossen Eckraum eine kleine, über der Küche gelegene Stube aus. In gleicher Lage darüber befindet sich die Mansarde im Estrich, der Rest des Dachstocks in diesem Teil ist nicht ausgebaut. Der hintere Teil ist über den barocken Eingang mit der Jahreszahl 1745 am hintersten Ende des Flügels erschlossen. Der schmale Raum, in den die Türe mündet, beinhaltet gleichzeitig die Küche sowie den an die Nordwand angelehnten engen Treppenaufgang. Anschliessend an die Küche folgen zwei etwa gleich grosse Stuben, die wie alle anderen die ganze Hausbreite einnehmen. Der zweite Raum grenzt an die vordere Wohnung. Allerdings zeigen sich in der dazwischenliegenden Trennwand Unebenheiten, die auf eine zugemauerte Türe hindeuten. Im ersten Stock hat sich die gleiche Raumteilung erhalten. Exakt über der unteren liegt die obere Küche. Der obere Treppenlauf an der Aussenwand erschliesst die beiden Dachkammern dieses Teils. Neben der Küche sind in gleicher Abfolge die Wohnräume hintereinandergereiht, mit direkt an die Hofseite gelegter Verbindungstüre wie unten. Sämtliche Räume sind sehr schlicht verputzt, ohne Stuckrahmen oder -kehlen und ohne andere Verzierungen. Die Türgestelle und -blätter stammen mehrheitlich aus dem 19. Jahrhundert, vereinzelt wurden barocke Beschläge übernommen. Das Dachwerk ist ohne Stuhlkonstruktion mittels relativ weit auseinanderliegenden Sparrenpaaren errichtet, jedes zweite Gespärre weist einen Kehlbalken auf.

Reich an Geschichtsspuren

Das historische Gebäude an der Oberdorfstrasse 47 hat eine reiche und bewegte Vergangenheit. Der Bestand über liefert zweifellos in seiner Lage, in seiner Kubatur und auch substantiell in vielen Teilen den ehemaligen Flügelbau des Burckhardtschen Guts, dessen Baudatum 1745 im hinteren Türsturz indiziert ist. Mit Sicherheit gehörte der obere Stock in Sichtfachwerk mit den dazu üblichen farbig gerahmten Hölzern zum damaligen Erscheinungsbild. Das Vorhandensein des datierten Sandsteinportals spricht immerhin auch für ein gemauertes Erdgeschoss, auch wenn dessen originale Lage in der Fassade nicht gesichert ist. Das Dach ist erneuert, dürfte allerdings den alten Zustand vor dem Brand wiedergeben.

Betrachtet man das zum Teil unterschiedlich dicke Mauerwerk des Erdgeschosses, erstaunt die leichte Abweichung in der Flucht zum darübergelegten Fachwerk.

Das Haus samt Hof, Stallgebäude und Mauer gehört zu den letzten, in jüngster Zeit noch nicht renovierten historischen Bauten in Riehen. Es besteht hier nochmals die Chance, die Qualitäten eines solchen, als Bauwerk zwar bescheidenen, an Spuren der Geschichte jedoch ungemein reichen Baubestands zu erhalten und einer verträglichen Nutzung zuzuführen.

Anmerkungen

1) Für die grosszügige Unterstützung danke ich den Herren Fritz Lehmann und Albin Kaspar vom Historischen Grundbuch Riehen sowie Herrn Werner Martin von der Besitzerfamilie.

2) Foto aus RJ 1964, S. 80: Fotosammlung Wenk-Madoery; Tuschzeichnung von Ernst Vosseier, 1924 (im Besitz der Familie Martin) 3) Das Gebäude konnte nur im frei zugänglichen Bereich des Dachstocks dendrochronologisch untersucht werden. Die Untersuchungen führte die Firma Dendron in Basel durch. Zur Methode der Dendrochronologie vergleiche Bernard Jaggi: «Die Baugeschichte der Landvogtei in Riehen», in: RJ 1990, S. 16/17

Personen

(soweit nicht schon im RRJ oder im RJ 1986 ff. vorgestellt): Hans Teil (1696-1762), Küfer Georg Uringer (erwähnt 1569-1575) Hans Uringer (erwähnt 1569-1575) Adam Meyerhofer (1631-1709) Anna Margaretha von Rotberg (erwähnt 1647-1727) Friedrich Drais von Sauerbronn (1647-1705), Junker Michael Krebs (1654^1692) Nikiaus Krebs (1616- ? ) lakob Gyr (1662 -1727) Johann Jakob Peter-Vögelin (1845-1895), Taglöhner Jakob Stürm (erwähnt 1661-1664) Werner Martin (*1926), Schreiner

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1996

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