Der Riehener Verkehr - Probleme und Lösungsansätze

Hans-Rudolf Schulz

Einleitung

Was charakterisiert den Riehener Verkehr?

Unsere Gemeinde weist die typischen Verkehrsprobleme vieler Agglomerationsgemeinden auf: der überwiegende Teil des Verkehrs ist nicht «hausgemacht», sondern wird durch den unmittelbar angrenzenden Magnet - die Stadt Basel - verursacht.

So weist Riehen bedeutend mehr Wegpendler auf als eigene Arbeitsplätze (die zu 40 Prozent von Zupendlern besetzt werden), wie eine Auswertung der Volkszählung von 1980 zeigt:

 

Riehener Einwohner mit Arbeitsplatz in Riehen (Binnenpendler): 2450

Auswärtige Einwohner mit Arbeitsplatz in Riehen (Zupendler): 1610

Riehener Einwohner mit auswärtigem Arbeitsplatz (Wegpendler): 6450

Dazu liegt in der Gemeinde auch eine wichtige Einfallsachse, welche die deutschen Grenzgänger aus dem Wiesental zur Arbeit oder zum Einkauf benützen. So hat die letzte grosse Verkehrszählung vom Juni 1985 folgende Anteile am motorisierten Tagesverkehr ergeben:

 

 Zählstellen
Lörracherstr. Anzahl %Baselstr. Anzahl %Niederholz Anzahl %
Total Motorfahrzeuge davon ausländische Kennzeichen (fast alle Lö) BS übrige Kantone Lastwagen13 250 10 500 79,2 1 630 12,3 1 120 8,5 350 2,614 020 5 970 42,6 5 890 42,0 2 170 15,5 530 3,818 100 5 670 31,3 9 320 51,5 3 110 17,2 720 4,0

Wie man sieht, nimmt die Zahl stadtwärts etwas ab, es bleiben aber doch mehr als 5000 Grenzgängerbewegungen auf der wichtigsten Achse. Der Anteil der Lastwagen scheint auf den ersten Blick relativ gering; dennoch bedeutet dies, dass im Durchschnitt alle 2 Minuten ein Lastwagen passiert!

Da in der südbadischen Nachbarschaft zudem die Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln weit weniger günstig ist als bei uns (und in Basel immer noch viele Parkplätze vorhanden sind), spielt sich ein überproportionaler Teil des Arbeits- und Einkaufsverkehrs auf der Strasse (statt mit weniger Umweltbelästigung auf der Schiene) ab.

Wer macht in Riehen Verkehrspolitik?

Zunächst einmal: jeder Verkehrsteilnehmer, indem er sich entschliesst, von einem Ort zum andern zu gehen oder zu fahren, und indem er ein bestimmtes Transportmittel wählt. So entsteht die sogenannte Verkehrs nachfrage.

Dieser steht ein Verkehrs«angebot gegenüber, das sich vereinfacht - aus Strassenraum für den (motorisierten oder nicht motorisierten) Individualverkehr und aus dem Angebot öffentlicher Verkehrsmittel (Tram/Bus, sowie Linien, Netz, Fahrplan und Tarife) zusammensetzt.

Über den Strassenraum bestimmen Kanton (allein bei Kantonsstrassen) und Einwohner- beziehungsweise Gemeinderat (unter Vorbehalt der Zustimmung des Kantons); Anregungen gehen aber auch von Anwohnern oder Interessengruppen aus.

Das Angebot für den öffentlichen Verkehr legen die Transportunternehmungen fest (BVB Basler Verkehrsbetriebe, DB Deutsche Bundesbahn und SWEG Südwestdeutsche Eisenbahngesellschaft, Busbetriebe). Ferner tritt die Gemeinde (Einwohner- und Gemeinderat) als «Besteller» für Leistungen auf, die über das vom Kanton beziehungsweise den Transportunternehmen gewährte Grundangebot hinausgehen.

Fussgänger und Velofahrer: die Netze müssen dichter werden

Noch bis nach der Jahrhundertwende stand der Strassenraum grundsätzlich allen Verkehrsteilnehmern offen, Trottoirs gab es nur in grösseren Städten (wohl ebenso aus Repräsentationsbedürfnis wie aus Sicherheitsgründen); getrennte Velospuren kamen in den dreissiger Jahren auf (um die Menge der Velofahrer zu bündeln, damit sie den spärlichen Autoverkehr nicht behinderten). Die bevorzugte Behandlung des Autoverkehrs hat sich in jüngster Zeit geändert: die von der Strasse verdrängten Verkehrsteilnehmer Fussgänger und Velofahrer fordern ihren Platz zurück! Zudem kommt es in letzter Zeit auch häufiger vor, dass sich Fussgänger durch Velofahrer bedrängt fühlen.

Das Fusswegnetz: recht befriedigend

Das Fusswegnetz in unserer Gemeinde dürfte im grossen ganzen recht befriedigend gestaltet und unterhalten sein: es weist keine eigentlichen Lücken auf. Verbesserungen drängen sich wohl vor allem bei verschiedenen Strassenüberquerungen und im Dorfzentrum im Zusammenhang mit der geplanten Uberbauung Gartengasse auf.

Velowege und -spuren: kontinuierlicher Ausbau

Das Velofahren ist umweltfreundlich, energie- und platzsparend, billig und gesund (wenn auch manchmal gefährlich ! ).

Für die Anlage von Velonetzen gibt es zwei «Philosophien»:

 

- die Einrichtung von vom übrigen Strassenverkehr getrennten Velowegen («Separation»), oder

- die Reservation einzelner Fahrspuren im vorhandenen Strassenraum als Velospuren («Integration»),

 

Für beides gibt es Beispiele in unserer Gemeinde: Der wohl älteste Veloweg besteht entlang der Tramlinie 6 in der äusseren Baselstrasse (mit einer kürzlich ergänzten «Dorfkern-Umfahrung» via Brühlmattweg/Bachtelenwegli von der Einmündung Bettingerstrasse bis zur Weilstrasse). Diese Verbindung hat sich an sich bewährt, unbefriedigend sind einzig die Zu- und Abfahrten (z.B. in die Bäumlihofstrasse), sowie die vereinzelten Störungen durch parkierende Autos beim Pfaffenloh beziehungsweise Grendelgasse bei grösseren Sportanlässen.

Das neueste Muster eines Velowegs ist das Teilstück der entlang der Wiesentalbahn vorgesehenen Veloroute vom Rüchligweg ins Rauracherwegli als vom übrigen Verkehr getrennte Zufahrt zum Bäumlihof-Gymnasium. Dieser Veloweg ist mit beträchtlichem Aufwand erstellt worden («Veloweg de luxe»), weshalb er auch schon den liebevollen Ubernamen «Millionenwegli» erhalten hat. Seinen vollen Sinn erhält er aber erst dann, wenn weitere Teilstücke realisiert werden.

Daneben ist aber auch gerade in den letzten Jahren die «Integration» weiterverfolgt worden, indem mehrere für den allgemeinen Verkehr mit Beschränkungen belegte Strassen für Velos «durchgängig» gemacht wurden: etwa durch Ausnahme vom allgemeinen Fahrverbot (z.B. Grenzacherweg bis zur Landesgrenze) oder durch öffnung für Velogegenverkehr in Einbahnstrassen (z.B. Niederholzstrasse). Der Vorteil solcher Massnahmen besteht darin, dass sie dem Bedürfnis des Velofahrers, sein Ziel möglichst direkt und ohne Umweg zu erreichen, entgegenkommen, ohne dass dabei so grosse Kosten wie bei der Einrichtung von Velowegen entstehen, und auch ohne Gefährdung der Sicherheit.

Eine IG-Velo-Arbeitsgruppe hat übrigens vor fünf Jahren in einer Eingabe an den Gemeinderat zahlreiche Vorschläge «für ein velofreundliches Riehen» gemacht, die zum Teil schon erfüllt, zum Teil vorgesehen oder noch in Abklärung begriffen sind. Eine etwas schnellere Gangart bei der Realisierung wäre wohl zu wünschen, zumal in den Legislaturzielen des Gemeinderats vom Sommer 1987 beim Thema «Verkehr» Fussgänger- und Veloanliegen an erster Stelle stehen.

Der öffentliche Verkehr: die Gemeinde tut, was sie kann

Ungünstige Ausgangslage

Von der Gestaltung des Liniennetzes her ist unsere Gemeinde für den öffentlichen Verkehr denkbar ungünstig erschlossen: - die (einzige) Tramlinie verläuft über weite Strecken dem äusseren Siedlungsrand entlang (d.h. das Einzugsgebiet ist von vornherein «halbiert»);

- die einzige Bahnlinie (der DB) wird nur für den Transitverkehr betrieben und erlaubt keine Benützung für Fahrten zwischen Riehen und dem Badischen Bahnhof;

- auch die beiden Trolleybuslinien 31 und 34 berühren unsere Gemeinde nur am (Süd-)Rand und dringen lediglich rund 1500 und 700 Meter auf Riehens Boden vor;

- die Buslinie 32 stellt hauptsächlich die Verbindung zwischen der Tramlinie 6 und Bettingen her (und verläuft etwa auf der Hälfte der Strecke auf höchstens einseitig besiedeltem Gebiet).

Die einzigen Linien, die wirklich voll innerhalb unseres Siedlungsgebietes verkehren, sind die Buslinien 35 und 45. Die Buslinie 35 wurde auf dem Abschnitt Schäferstrasse (heute: Otto-Wenk-Platz) - Lachenweg 1948 eröffnet. Sie wurde dann aber Ende der sechziger Jahre fahrplanmässig derart verdünnt (24-Minuten-Intervall, keine Bedienung am Nachmittag, Abend und Sonntag), dass am Schluss ein Taxi genügte, um die kleine Zahl der unentwegten Benützer zu transportieren: die mangelnde Nachfrage schien klar zu beweisen, dass ein Angebot eigentlich fast überflüssig sei.

Ein gutes Angebot bringt Kunden!

1978 wurde hingegen das Steuer resolut herumgeworfen: BVB und Gemeinde wollten herausfinden, ob mit einem besseren, differenzierten Angebot eine neue Nachfrage zu gewinnen wäre. Zu diesem Zweck wurde

 

- die Linie 35 ab 1979 einerseits bis Habermatten (Anschluss an Tramlinie 6 und eine zusätzliche Trolleybuslinie), am andern Ende bis ins Dorfzentrum und darüber hinaus in die Neubaugebiete Richtung Stettenfeld verlängert,

 

- statt der grossen Standardbusse wurde ein kleinerer Typ eingesetzt, der eine Linienführung in engeren Strassen erlaubt (und der auf Anregung der Bevölkerung «Wendelin» getauft wurde),

 

- sowie ein regelmässiger und dichter Fahrplan eingeführt;

- zudem beteiligte sich die Gemeinde als «Bestellerin» an der Hälfte des Defizits an diesem Versuch.

Der Erfolg war überzeugend: die Benutzerzahl stieg von Jahr zu Jahr an, die Intervalle wurden verdichtet ( ab Herbst 1986 6-Minuten-Verkehr auf dem Abschnitt Habermatten - Post Riehen); die Benützerzahl stieg weiter an, nach dem Motto: wo ein Angebot ist, stellen sich auch die Kunden ein!

In wenigen Jahren machte auch die andere Buslinie mit Gemeindebeteiligung - die Linie 45 - eine ähnliche Entwicklung durch: seit das Angebot erhöht wurde, nahm auch hier die Zahl der Passagiere zu, wenn auch nicht in gleich starkem Masse wie bei der Linie 35.

Seit März 1987 ist in den verkehrsschwachen Zeiten noch ein zusätzliches Angebot in der Form eines «Ruftaxis» geschaffen worden, dessen Kosten die Gemeinde sogar voll übernimmt und der sich bereits auch eines beachtlichen Zuspruchs erfreut: rund 1000 Passagiere pro Monat machen von der Gelegenheit Gebrauch, in den Abendstunden ab Riehen-Dorf für einen geringen Zuschlag per Taxi nach Hause gebracht zu werden. Dasselbe Angebot soll demnächst auch ab Habermatten eingeführt werden.

Ausserdem steuert die Gemeinde ihren Anteil zunächst zum Umweltabonnement, jetzt zum erweiterten Tarifverbund Nordwestschweiz bei, der in tariflicher Hinsicht (und punkto Komfort) für den Benützer kaum noch Wünsche offenlässt!

Und die Kosten?

Was kostet nun das die Gemeinde? Und wie hoch sind diese Leistungen im Vergleich zu den Aufwendungen für den Strassenverkehr? Darüber soll folgende Tabelle Aufschluss geben, die anhand der Gemeinderechnungen beziehungsweise des provisorischen Budgets für 1988 erstellt wurde:

Gemeinde-Beiträge in Mio. Fr.  1976198019851988(B)
Beiträge an den öffentlichen Verkehr 0,40,52,0
Strassenkosten (Bau und Unterhalt)2,65,74,44,7

Man sieht: die Förderung des öffentlichen Verkehrs kostet die Gemeinde etwas, aber noch lange nicht so viel wie der Strassenverkehr (bei dem auch die - allerdings geringen - Aufwendungen für Fussgänger und Velofahrer enthalten sind).

Verbesserungswünsche

Man kann damit sagen, dass gleichsam der Riehener «Binnenverkehr» recht zufriedenstellend gestaltet ist (dank der Mitbeteiligung der Gemeinde), dass aber die Anbindung an die Stadt noch immer unbefriedigend ist: Neben der (ohnehin zu fast allen Tageszeiten überlasteten) Tramlinie 6 sollte auch die Tramlinie 2 bis nach Riehen-Dorf geführt werden, um eine möglichst direkte Verbindung zum Arbeitsplatzzentrum Bankenplatz und zum Bahnhof SBB zu bieten: einerseits sollte eine Stadt mit 20 000 Einwohnern in der Schweiz eine umsteigefreie Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum SBB-Bahnhof besitzen, zum andern ist zu erwarten, dass diese Gegend künftig als Dienstleistungszentrum ausgebaut und damit gegenüber heute beträchtlich aufgewertet werden dürfte. Die Gemeinde ist mit den BVB seit einiger Zeit in Verhandlungen zu diesem Thema.

Auch die Wiesentalbahn muss endlich (wieder) für die Riehener benützbar werden: im Rahmen des Projekts «Regio-S-Babn», bei dem die Eisenbahnlinien aus dem Wiesental, dem Rheintal und dem Birstal zu einem zusammenhängenden Regionalnetz ausgestaltet werden, ist neben dem Bahnhof Riehen auch noch eine Haltestelle «Bäumlihof»

vorgesehen, die dann mit dem ganzen Bahnnetz der Agglomeration verbunden wäre! Damit könnte man direkt oder mit einmaligem Umsteigen die Vorortsbahnhöfe im Laufental und Rheintal (Richtung Waldshut und Richtung Freiburg) erreichen, aber auch z.B. den Morgartenring oder St-Louis. Gegenwärtig ist eine Behördendelegation an der Arbeit, die - neben der «Wunschlösung» - auch kurzfristig realisierbare Teillösungen erarbeiten will.

In diesem Zusammenhang werden wohl auch überlegungen, das Trasse der Wiesentalbahn «flankierend» oder ausschliesslich für eine verlegte Tramlinie nutzbar zu machen, noch einmal überprüft werden müssen.

Weitere Verbesserungen - namentlich für den regelmässigen Arbeitsweg - liessen sich durch einen Ausbau der Direktkurse (wie sie jetzt von der Bettingerstrasse zum Bankverein bestehen), z.B. Richtung Klybeck/St. Johann, erzielen.

Zudem sollten Sicherheit und Komfort bei den Haltestellen verbessert werden; besonders unbefriedigend sind die relativ weit auseinanderliegenden und durch gefährliche und vielbefahrene Strassen getrennten Umsteigebeziehungen an den Habermatten oder an der Bettingerstrasse. Erstere ist zwar durch eine Lichtsignalanlage geschützt, was aber oft nur den Stress der Passagiere angesichts der abfahrbereiten Trams oder Busse erhöht und zu teilweise erst recht riskanten Strassenüberquerungen verleitet.

Der motorisierte Individualverkehr: Von der Dorf-Umfahrung zur Verkehrsreduktion

In den letzten Jahren ist die Erkenntnis gewachsen, dass der stetig zunehmende Individualverkehr nicht durch Ausweitung des Angebots («Sanierung») gezähmt werden kann, im Gegenteil: auch hier (wie beim öffentlichen Verkehr) sorgt ein verbessertes Angebot für eine steigende Nachfrage.

Umfahrungsstrasse: in nächster Zeit nicht aktuell...

Eine Umfahrung zur Entlastung der geplagten Anwohner und Gewerbetreibenden z.B. im Dorfkern wäre zwar gewiss zu begrüssen, sobald sie jedoch gleichzeitig eine schnellere und regelmässigere Fahrt erlaubt, wird der Entlastungseffekt durch Mehrverkehr wieder zunichte gemacht (und zudem der öffentliche Verkehr geschädigt).

Die Pläne für eine «grosszügige Sanierung» der Baselstrasse sind mit der Unterschutzstellung des Dorfkerns im Rahmen der Zonenplanrevision unmöglich gemacht worden. Eine Umfahrungsstrasse dürfte im Hinblick auf die Eingriffe in Natur und Landschaftsbild in nächster Zeit kaum ernsthaft angestrebt werden, wenn sie auch juristisch-planerisch immer noch möglich wäre.

... dafür die Zollfreistrasse!

Ein Relikt hingegen aus der strassenbaubegeisterten Epoche früherer Jahrzehnte ist dagegen völlig überraschend wieder aus der Vergessenheit aufgetaucht: die sogenannte Zollfreistrasse.

Der Widerstand gegen dieses unnötige Projekt stammt übrigens nicht nur von direkt betroffenen Anstössern oder radikalen Umweltschützern beidseits der Grenzen, sondern ist auch in der Riehener Politik und Verwaltung ausgeprägt vorhanden, zumal der denkbare Entlastungseffekt in Riehen recht bescheiden ausfallen dürfte.

Es wird sich zeigen, ob die letzten politischen Vorstösse (Initiative, Petition) und ein anhaltender Widerstand der Bevölkerung das Durchzwängen eines unzeitgemässen Projekts durch höhere Instanzen noch verhindern können, oder ob wenigstens eine Variante gewählt wird, die mit weniger offensichtlichen Eingriffen in die Landschaft verbunden ist (Tunnellösung).

Künftig: Verkebrsreduktion

Das Schwergewicht bei der Strassenverkehrspolitik muss künftig nicht beim Ausbau, sondern bei der Reduktion von Menge und Geschwindigkeit liegen. Dazu ist wohl primär die grossflächige Verkehrsberuhigung durch bauliche Massnahmen und Temporeduktion auf 30 km/h (Verkehrsschilder genügen nicht!) angezeigt, was nicht nur zu Lärm- und Schadstoffrückgang, sondern auch zur Erhöhung der Verkehrssicherheit führt, wie sorgfältig überwachte und ausgewertete Versuche in Deutschland erwiesen haben.

Als «verkehrsberuhigte Kammern» könnten fast alle Wohngebiete Riehens gestaltet werden, mit wenigen Ausnahmen für Durchgangsachsen (z.B. Kantonsstrassen). In Verbindung mit dem «Anwohnerprivileg» (stark eingeschränkte Parkiermöglichkeiten für Quartierfremde) könnte auch der Anreiz zur Autobenützung für den Ar beitsweg reduziert werden. Zubringermöglichkeiten für ältere und gehbehinderte Personen müssten natürlich immer offenstehen. Ein entsprechender Versuch ist (mit einiger Verspätung) in diesem Herbst im Gundeldingerquartier angelaufen. Nachdem im Baselbieter Landrat ein Postulat für Versuche mit grossflächiger Verkehrsberuhigung in fünf Gemeinden angenommen wurde, hatten sich gleich zwölf Gemeinden mit diesem Wunsch gemeldet. Es dürfte doch zu hoffen sein, dass auch in Riehen die Bereitschaft für solche Versuche vorhanden wäre. Fehlt es wirklich nur an der genügenden Bewilligungsfreudigkeit der kantonalen Verwaltung?

Park & Ride: wenig erfolgversprechend

Von einem Ausbau des Park & Ride ist im übrigen wenig zu erwarten: einerseits fehlen in unserer Gemeinde genügend grosse Absteilflächen, zum andern ist gerade für Pendler aus dem Wiesental die Weiterfahrt in die Stadt solange attraktiv, als am Arbeitsort genügend (und kostenlose oder billige!) Parkplätze zur Verfügung stehen. Erst wenn diese zu kostendeckenden Preisen bewirtschaftet würden, könnte sich vermutlich eine Verhaltensänderung ergeben. Es ist eigentlich unverständlich, dass die Grundeigentümer diese Einnahmequelle verschmähen und damit dazu beitragen, dass als einzige Alternative Verbote übrigbleiben, wenn man den Verkehr an der Quelle reduzieren will.

Den Verkehr als Ganzes sehen und erfahren

Mobilität: kein Ziel an sich

Die bisherigen Ausführungen konzentrieren sich auf einzelne Verkehrsmittel beziehungsweise Transportarten. Dabei haben wir ausser acht gelassen, dass ohnehin die meisten Leute häufig verschiedene Transportarten wählen: Zu Fuss zum Parkplatz, dann mit dem Auto, oder: zur Arbeit mit dem Tram, abends auf Besuch mit dem Velo oder Auto usw. Die Rücksicht auf die Anwohner und die Umwelt hat nicht von vornherein einen völligen Verzicht auf eigene Fahrzeuge zur Folge, die meisten von uns sind zu einer so radikalen Verhaltensänderung noch nicht bereit. Es ist schon einiges gewonnen, wenn man sich vor jeder Fahrt zwei Fragen stellt:

 

- Ist die Fahrt überhaupt nötig? Reicht vielleicht ein Telephon für geschäftliche Kontakte, oder kann man sie verschieben, bis man ohnehin in der Gegend ist?

- Ginge es nicht auch weniger umweltbelastend? Zu Fuss, mit dem Velo, mit Tram oder Bus, auch wenn es etwas mehr Zeit benötigt?

Es kann nicht genügend hervorgehoben werden, dass Mobilität kein Ziel an sich sein darf, sondern nur eine dienende Funktion darstellt. Zu gross nämlich sind die negativen Auswirkungen der ungehemmten Entwicklung der Mobilität, wie wir sie in den letzten drei Jahrzehnten erlebt haben: Unfälle, Lärm, Luftverschmutzung, Bodenverschwendung, Zersiedelung. Auch Riehen ist davon nicht verschont geblieben, auch wenn wir die negativen Auswirkungen teilweise gar nicht genau kennen, weil sie nicht gemessen werden. Wären wir nicht an der Landesgrenze angesiedelt, hätten wir wohl noch mehr oder schwerer wiegende Verkehrsprobleme, weil wegen des fehlenden Grenzwiderstandes (die Hemmung, das eigene Land zu verlassen) mehr Verkehr auf mehr Achsen das Dorf durchqueren würde.

Riehener Verkehrsprobleme: noch überschaubar

Die vorstehende übersicht über einzelne Verkehrsprobleme erweckt den Eindruck, sie seien als Ganzes noch überschaubar und vielleicht weniger gravierend als andernorts: - das Fusswegnetz ist relativ dicht und zusammenhängend;

- das Velonetz wird laufend ergänzt und geniesst eine komfortable politische Priorität;

- der öffentliche Verkehr wird von der Gemeinde nach Kräften gefördert, ausserdem befinden wir uns in dieser Hinsicht auch in einer vergleichsweise privilegierten Agglomeration;

- beim Strassenverkehr sind - mit einer von aussen aufoktroyierten Ausnahme

 

- keine «grosszügigen» Projekte zu erwarten und vom Ziel einer «Verflüssigung» des Autoverkehrs spricht kaum jemand mehr.

Kein einzelnes «Allheilmittel»

Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Verbesserungsvorschlägen, wie wir ebenfalls gesehen haben. Dabei sind drei Tatsachen bemerkenswert:

 

- keiner dieser Lösungsansätze bringt eine grundlegende Beseitigung aller Verkehrsprobleme: es sind viele, teilweise auch kleine Massnahmen nötig, um einem weniger umweltschädlichen Verkehr zum Durchbruch zu verhelfen: von Velospuren über Ruftaxis, Sanierung von Tram- und Bushaltestellen bis zu Verkehrsberuhigung und S-Bahn.

- jede noch so gute Angebotssteigerung im öffentlichen Verkehr wird zunichte gemacht, wenn gleichzeitig auch Verbesserungen für den Strassenverkehr vorgenommen werden: das Resultat solch widersprüchlichen Verhaltens ist eine Verschärfung der Konkurrenz zwischen individuellen und kollektiven Transportmitteln - aber mit beträchtlich erhöhten Kosten! Im Gegenteil ist also die Attraktivität des Individualverkehrs zu senken.

- ein erhebliches - vermutlich sogar das grösste - Verbesserungspotential liegt bei persönlicher Einsicht und Verhaltensänderung in Richtung auf eine bewusstere, auf Nachbarn und Umwelt Rücksicht nehmende Verkehrsteilnahme.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1987

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