Die Renovation des Le Grand-Hauses

Hans Rüegg

Das Le Grand-Haus hat, wie aus dem vorangegangenen Bericht deutlich wurde, vor allem ausgangs des letzten Jahrhunderts einschneidende, lieblose und unschöne Veränderungen erfahren. Verändert hat sich nicht allein das Haus selber, sondern auch dessen Umfeld. Der Hauszugang von der Baslerstrasse mit der dazugehörenden Allee ist verschwunden, die Rössligasse ist eine verkehrsreiche Strasse geworden, die beiden ökonomiebauten beherbergen heute Regiebetriebe der Gemeinde. Das über längere Zeit ungewisse Schicksal des Objektes hat dazu geführt, dass der nötige Unterhalt kaum noch vorgenommen wurde und der bauliche Zustand deshalb entsprechend schlecht war. Diese Umstände und die bis heute unklar gebliebene Vorstellung der räumlichen Organisation des ursprünglichen Hauses haben uns bewogen, dieses neu zu ordnen.

Die Gemeinde hat sich entschlossen, da Studien andere Nutzungen nicht geeignet erscheinen Hessen, das Gebäude als grosszügiges, den heutigen Wohnvorstellungen entsprechendes Einfamilienhaus umzubauen.

Die wichtigste und grundsätzlichste Veränderung, die wir vorgenommen haben, ist die Verlegung des Hauseinganges und der Treppenanlage von der Garten- auf die Strassenseite. Diese Umdisponierung erlaubte uns, das Erdgeschoss, das ausser den Aussenmauern keine ursprüngliche Bausubstanz aufwies, völlig neu zu gestalten. Der Wohn-/Essraum orientiert sich nunmehr zum Garten. Die Gartenfront ist mit ihren drei Fenstern und dem asymmetrischen alten Hauseingang belassen worden. Ein Stich aus dem Jahre 1766 (siehe Seite 48/49) zeigt wohl einen symmetrischen Fassadenaufbau, auf dessen Rekonstruktion wir jedoch, ohne einen zwingenden Grund zu haben, verzichteten. Die Decke des Wohn-/Essraumes ist, entsprechend dem vorgefundenen Deckentypus, mit vergipsten Holzbalken ausgebildet. Die Strassenseite ist im Erd

Hans Rüegg

geschoss völlig neu gestaltet worden: Die Fenster aus dem 19. Jahrhundert wurden bis auf kleine Schlitze geschlossen und in der Mitte der neue Hauseingang eingefügt.

Das Obergeschoss, sicher der eigentliche Wohnteil des alten Le Grand-Hauses, ist in seiner Struktur erhalten geblieben. Dank der Verlegung der Treppen konnten im Obergeschoss alle Schlafräume gegen die ruhigen und sonnigeren Gartenseiten hin orientiert werden.

Das Dachgeschoss ist eine weitgehende Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes. Dazu wurden grösstenteils originale Bauteile verwendet, die bei den verschiedenen Umbauten des Dachgeschosses als Rohmaterial gedient hatten. Der Dachstock, in seiner Art und Form ein Unikum, entspricht heute wieder seiner originalen Kreuzstruktur, welche auch von aussen mit seinen vier Dachausbauten die charakteristische Erscheinung des Hauses bestimmt.

Der ursprüngliche Charakter und die Atmosphäre des ehemaligen lustvoll ausgeschmückten Fandgutes werden im rekonstruierten Dachstock wieder erlebbar. Ein weiteres Relikt dieser ursprünglichen Dekorierfreude findet sich, in Form zweier bemalter Türen, im Treppenhaus des Obergeschosses. Das Obergeschoss ist in seiner schlichten Fassung aus dem 19. Jahrhundert weitgehend erhalten geblieben.

Das Erdgeschoss sowie alle übrigen Neubauteile wie Treppen, Bäder, Küche etc. sind zeitentsprechend, aber mit der nötigen Zurückhaltung gestaltet. Speziell zu erwähnen sind der nischenartige Putzbalkon im Obergeschoss als notwendiger Teilersatz der abgebrochenen Terrasse (die Metallkonstruktion dient als Gerüst für eine Begrünung) und der Stahlträger im Erdgeschoss. Dieser ist notwendig geworden durch den Abbruch einer bestehenden Holzwand. Den heutigen Normen entsprechend kam der Einbau eines Holzträgers aus Dimensionsgründen nicht in Frage.

Das äussere Erscheinungsbild hat sich vor allem auf der Gartenseite verändert. Die grosse Terrasse mit den Glasveranden, welche die ganze Längsseite eingenommen hat, ist verschwunden. Dieser Annex aus dem 19. Jahrhundert war ästhetisch störend, hatte aber zweifellos seinen Wohnwert. Ein freistehender, langgestreckter Gartenpavillon bietet dafür Ersatz und wirkt überdies als erwünschte optische Trennung zwischen Gärtnerei und Wohngarten.

Die äussere Struktur und Gliederung der Fassaden entspricht auch nach der Renovation weitgehend dem Bild vor dem Umbau. Es ist die Form, wie sie wahrscheinlich im 18. Jahrhundert entstanden ist. Eine vielleicht etwas biedere und strenge Version, denn die Bauuntersuchungen ergaben, dass auch das äussere, originale Bild des Hauses farbig und eher fröhlich war. Eine Rekonstruktion dieses Zustandes war aber mangels genügend sicherer Hinweise auf den Ur-Zustand nicht zu vertreten.

Der Garten ist einfach und zurückhaltend gestaltet. Optisch bilden die alten Bäume, die jetzt ausserhalb des ei gentlichen Gartenareals liegen, nach wie vor einen integralen Bestandteil der Anlage. Die ursprüngliche Alleeachse ist angedeutet, der alte Hofabschluss gegen den Park ist nicht weiter artikuliert, bleibt aber durch die alte Gartenmauer spürbar. Das ovale Springbrunnenbecken ist am alten Ort belassen worden und wurde wieder aktiviert.

Technische Angaben zum Haus und zu den Urnbauarbeiten

Keller: Die Wände in Bruchstein sind mit einem neuen Innenputz versehen worden. Im oberen Bereich der Wände ist Asphalt injiziert worden, um aufsteigende Feuchtigkeit abzublocken. Neuer Kellerboden in Beton.

Erdgeschoss: Umfassungsmauern aus Bruchstein. Zur Verbesserung der Wärmedämmung ist innen und aussen ein mineralischer Isolierputz aufgebracht worden. (Ein Isolierputz deshalb, weil er die Unregelmässigkeiten des alten Mauerwerkes spürbar lässt.) Die Böden sind wärme- und im nicht unterkellerten Teil zusätzlich feuchtigkeitsisoliert.

Obergeschoss und Dachgeschoss: Ab der Decke über dem Erdgeschoss ist das Haus als Riegelkonstruktion gebaut, das heisst eine Holzständerkonstruktion mit Bruchsteinausfachungen. Der Erhaltungszustand der Wände war je nach Exposition unterschiedlich. Auf der Westseite mussten 100 Prozent ersetzt werden, auf der Südseite 60 Prozent, auf der Ostseite 20 Prozent und auf der Nordseite 10 Prozent. Die Bruchsteinausfachungen sind durch solche aus Gasbeton (Wärmedämmung) ersetzt worden.

Der Dachstuhl ist total erneuert worden, das Dach wurde isoliert und mit einem Unterdach versehen.

Die Decken sind durchwegs Holzbalkendecken mit Holzschalungen. (Die Balken sind von Fall zu Fall ersetzt, verstärkt oder geflickt worden.) Auf die Schalung wurde eine Isolation, die Rohre der Fussbodenheizung, der Fliessmörtel und der Fertigbelag (Holzdielen oder keramische Platten) aufgebracht.

Die Fenster sind, soweit in originaler Lage, dem noch in alter Form gefundenen Fenster nachgebildet; statt Einfachverglasung und späteren Vorfenstern wurden sie als Doppelverglasung gebaut.

Haustechnik: Das Heizsystem ist eine Fussbodenheizung, die Wärme wird zur Zeit mit Ol erzeugt. Ein Anschluss an den Wärmeverbund ist vorgesehen.

Die Küche im Erdgeschoss ist eine Metallküche mit Abdeckungen aus Naturstein. Die Toiletten, Bad- und Duschräume sind grösstenteils mit Normteilen ausgerüstet, Boden und Wände mit keramischen Belägen versehen.

Generell ist aus denkmalpflegerischer - und nennen wir es emotionaler - Sicht eine Teilerhaltung immer besser als ein Abbruch und ein Wiederaufbau. Dieser Umstand führte zum Teil zu komplizierten und unkonventionellen Arbeitsabläufen und zu, aus heutigem Blickwinkel, ungewohnten Details und Materialkombinationen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1989

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