Die St Chrischonakirche

Hans Krattiger

Am Bettag 1976 konnte nach vierjähriger Projektierungs- und Bauzeit die St. Chrischonakirche mit einem festlichen Gottesdienst eingeweiht und ihrer Bestimmung als Gotteshaus übergeben werden. Die gründliche Restaurierung bot der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt willkommene Gelegenheit, Grabungen vorzunehmen und damit Licht in das Dunkel der sagenumwobenen Kirche zu bringen. Die Erwartungen wurden weit übertroffen, wurden doch nicht weniger als vier Vorgängerbauten mit einer mehr als tausendjährigen Tradition aufgedeckt. Was bislang Vermutung war, wurde durch die Grabungen zur geschichtlichen Realität.

Von der Legende zum Tatsachenbericht

Jahrhunderte alt ist die Legende von der heiligen Chrischona, jener Gefährtin der heiligen Ursula, die zum Pilgerzug der 11 000 Jungfrauen gehörte und bei der Rückkehr von Rom im Räume Grenzach/Wyhlen starb. In seiner Beschreibung von «St. Chrischona bei Basel» schreibt Gottlieb Linder, der als Pfarrer von Riehen auch die «Geschichte der Kirchgemeinde Riehen-Bettingen» verfasst hatte: «Ein quadratförmiges Stück Feld in dortiger Gegend, nach beiden Seiten 80 Fuss breit, ein wenig erhaben, wird von Alters her .Chrischonabettli', lectus St. Christianae — Bahre der hl. Christiana genannt, weil St. Chrischona dort gestorben» (in «Vom Jura zum Schwarzwald», herausgegeben von F. A. Stocker, Band 3, Aarau 1886). Linder beruft sich auf das Protokoll des päpstlichen Legaten Raymund von Petrandi (auch: Peraudi), der 1504 das Grab der heiligen Chrischona «entdeckte» und dessen Gewährsleute die beiden Wyhlener Bürger Johannes Himelrich und Clevin Erbeshalter waren. Von ihnen erfuhr er, dass die heilige Christiana, aus der später Chrischona wurde, auf einem von zwei Ochsen gezogenen Wagen auf den Berg gebracht, dass sie dort, wo sie still standen, begraben und dass an dieser Stelle eine Pfarrkirche gebaut wurde. «Als nun der Legat Raymund Peraudi im Jahr 1504 das Grab der hl. Chrischona selbst besuchte, fand er auf demselben einen grossen und schweren Stein, und die Leute sagten, es befinden sich darunter die Uberreste der hl. Chrischona.»

Als Gottlieb Linder vor 90 Jahren diese Zeilen schrieb, konnte er nicht wissen, dass sich unter der Kirche, so wie sie sich ihm zu seiner Zeit präsentierte, tatsächlich ein Plattengrab befand, zu dem eine einfache Kirchenanlage mit Rechteckchor gehörte. Bei den vom Kantonsarchäologen, Dr. R. Moosbrugger, geleiteten Grabungen kamen jedoch dieses Plattengrab und die dazugehörende Kirchenanlage, die er ins 7. Jahrhundert datiert, zum Vorschein. «Ob im Rechteckchor noch Elemente eines älteren Kultbaus stecken, liess sich nicht ausmachen, dafür waren die Uberreste zu gering», sagt er in einem Communiqué über die Ergebnisse der Grabungen. Mit Sicherheit konnte jedoch festgestellt werden, dass schon im frühen Mittelalter, also um 700 n. Chr., ein Gotteshaus auf der Anhöhe von St. Chrischona stand. Und wenn dem Protokoll des Legaten Peraudi Glauben zu schenken ist, fand man in diesem Grab «einen steinernen Sarg, der von zwei Seiten gut mit Eisen geschlossen und verwahrt war; man nahm denselben heraus und nachdem man auf einer Seite das Eisen entfernt hatte, öffnete man ihn und hob den Dekkelstein ab. Da fand man den ganzen Leib oder alle Knochen der heiligen Chrischona in diesem Sarge enthalten. Grosse Freude erfüllte alle. Einen Spatel (spathula) der heiligen Chrischona nahm der Legat aus dem Sarge und legte ihn auf einen reinen Bogen Papier . . . Der Knochen wurde wieder in den Kasten oder Sarg gelegt und mit aller Ehrfurcht verschlossen, und der Sarg selbst wurde wieder in die Grabhöhle gelegt und der Stein darüber gedeckt» (Linder S. 247 f.).

Als Folge von Peraudis «Entdeckung» entstand noch im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts die spätgotische Kirche, die die Stürme von vier Jahrhunderten überstanden hat und sich nun nach der Renovation in neuem Glanz als eidgenössisch geschütztes Baudenkmal auf dem höchsten Punkt des Kantons Basel-Stadt (522 m ü. M.) präsentiert.

Karolingisch, romanisch und frühgotisch Bei den Grabungen von 1976 kamen jedoch nicht nur das Plattengrab und Spuren eines frühmittelalterlichen Baus zum Vorschein, sondern auch Spuren einer karolingischen, einer romanischen und einer frühgotischen Anlage, im ganzen also vier Vorgängerbauten.

In der karolingischen Zeit — Ende des 1. Jahrtausends — wurde die frühmittelalterliche Anlage durch Anfügung eines Rundchores gegen Osten erweitert, wobei die Choranlage zum Teil über das Plattengrab hinaus reichte und zwar so, dass der Altar unmittelbar über dem Haupt des oder der Toten zu stehen kam.

Zu Beginn des zweiten Jahrtausends — in der romanischen Epoche — entstand eine neue Anlage mit kräftigem Rundchor, der das alte Plattengrab vollständig überdeckte.

Der vierte Bau muss vor 1350 entstanden sein; denn das Gotteshaus auf St. Chrischona wird erstmals 1356 — im Jahr des Basler Erdbebens —■ als Filiale der Kirche von Grenzach erwähnt. Nach Auffassung Moosbruggers muss sie in ihrer Gestalt der heutigen Anlage sehr ähnlich gesehen haben, nur um etliches kleiner. Der vom Nachfolgebau übernommene Turm wurde der frühgotischen Kirche im 15. Jahrhundert angefügt.

Der spätgotische, jetzige Bau stammt aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, was belegt wird durch die Jahreszahlen 1509 an der Ostwand des Chors und 1516 an der Decke des Langhauses. «Der Impuls zu diesem Neubau ging offensichtlich von der Aufdeckung des Grabes der Heiligen durch Kardinallegat Peraudi um 1504 aus. Mit einiger Wahrscheinlichkeit dürfte es sich bei der gemauerten Grabkammer, die im Langhaus unmittelbar vor dem Triumphbogen zum Vorschein kam, um das damalige .Heiligengrab' gehandelt haben; denn in seiner Einfüllung fanden sich mehrere Münzen aus dem frühesten 16. Jahrhundert», schreibt Dr. Rudolf Moosbrugger.

Im Jahre 1513, wohl noch während des Baus der Kirche, erwarb Basel durch Kauf das Dorf Bettingen und die Chrischona-Anhöhe. «Mit merklicher Eile ging nun Basel daran, den für sich gewonnenen Wallfahrtsort zu Ehren zu bringen. Es belohnte den Bruder zu St. Chrischona für die Auslagen, die er für die Messe lesenden und predigenden Priester über die Festtage gehabt hatte, es erstellte bessere Wege, liess eine Kostenberechnung für Neubau der Kirche aufstellen, bestellte bei der Seidenkrämerin, beim Schmied und beim Maler eine neue rosenrothe Fahne von Arriostoff mit seidenen Bändern zum Gottesdienst, und begann nun den Aufbau einer wirklichen Kirche, während vorher nur das Bruderhaus hier gestanden. So entstand ein einfacher spät-gothischer nicht völlig stylgemässer Bau mit einem Beinhaus beim Eingang und einer Treskammer beim Chor. Der Turm erhob sich über dem Eingangsportal, ragte nur wenig über das Dach hervor und hatte keine Glocke und keinen Dachreiter. Die Quadersteine tragen Steinmetzzeichen. Das Ganze war mit einer zinnengekrönten Mauer umgeben und durch zwei Portale verschliessbar. Im Jahre 1516 war der Bau vollendet, wie jetzt noch der Spruch aus jener Zeit auf einer Bühnenleiste bei der Kanzel bezeugt: ,In dem Jar da man zalt nach der Geburt des Herrn M und CCCCC und im XVI Jor bin ich usbereit Got zuo Lob und Erber leit' (= ehrbarer Leute).» So weit Linder in seinem Aufsatz über «St. Chrischona bei Basel» (S. 253 f.) Diese Bühnenleiste ist bei der Restaurierung von 1974/76 abgenommen und sichergestellt worden. Die im Ostchor zum Vorschein gekommene Jahreszahl 1509, die Linder offenbar nicht bekannt war, beweist jedoch, dass mit dem Bau der Kirche schon vor 1513 begonnen wurde, sehr wahrscheinlich aber mit tatkräftiger Unterstützung aus der Stadt, und es ist nicht ausgeschlossen, dass die Berühmtheit, die St. Chrischona nach der Grabesöffnung und Sicherstellung einer Reliquie durch Legat Peraudi erlangt hatte, ein Anreiz für die Stadt war, Bettingen und damit auch St. Chrischona zu erwerben. Riehen erwarb sich die Stadt bekanntlich erst neun Jahre später, Anno 1522.

Von der Wallfahrtskirche zum Stall Doch kaum war die neue Kirche erstellt, siegte 1528/29 auch in Basel die Reformation. Das dürfte mit ein Grund sein, weshalb bei der Restaurierung der Kirche von 1976 keine Wandbilder zum Vorschein kamen; noch bevor an die Ausschmückung des Gotteshauses gedacht werden konnte, hörte es — wenigstens offiziell — auf, eine Wallfahrtskirche zu sein. Dem «Liber Capitularis», aufbewahrt im Staatsarchiv, entnahm Linder folgende, vom Lateinischen ins Deutsche übersetzte Eintragung: «Riehen, grosse Pfarrei gleichen Namens, zu welcher das Dorf Bethigen und die Kirche der St. Christina hinzugekommen ist; in Letzterer hat der Pfarrer von Riehen öfters wegen grossen Zulaufs am ersten Tag nach den grossen Festen predigen müssen, damit der gefasste Aberglaube, bei der Jungfrau die Genesung vom Zahnschmerz zu erlangen, vertrieben und die wahre Religion Christi den fremden Leuten verkündigt werde» (S. 255).

Zur Kirche muss schon früh ein «Bruderhaus» gehört haben, aus dem sich mit der Zeit ein Bauernhof entwickelte; doch urkundlich wird es erstmals 1581 erwähnt, als der Hof an Matern Schlup von Bettingen verpachtet wurde. Unter den Pächtern, die ziemlich häufig wechselten, finden wir u. a. einen Hans Graf-Walker, einen Heinrich Frei von Arisdorf, einen Christen Eyhacher aus Schangnau, einen Heini Vogt von Reigoldswil und einen Fridli Bertschmann aus Bettingen. Während des Dreissigjährigen Krieges wurde die Kirche 1633 von den kaiserlichen Truppen und 1634 von den Schweden geplündert, wobei Letztere das Blei von den Kirchenfenstern nahmen, um daraus Kugeln zu giessen. Aber auch ohne diese kriegerischen Einflüsse verwahrloste die Kirche, in der nur noch am Oster- und am Pfingstmontag Gottesdienst gehalten wurde, mehr und mehr.

1818 wurde das Gut verkauft, währencc'.em die Kirche im Besitz der Stadt Basel blieb. Ein Teil ging an Jakob Bertschmann von Böttingen in Pratteln, ein Teil an Jakob Schaub von Bottmingen. «Unter ihm erreichten Kirche und Gut den höchsten Grad der Verwahrlosung. In der Kirche war Vieh einlogirt, der einzige Bankrott war gekommen» (Linder S. 259).

Der Retter in der Not Rückblickend auf jene Zeit, in der die Chrischonakirche sowohl als Bau wie auch als Gotteshaus der Verwahrlosung anheimfiel, darf Christian Friedrich Spittler, der Gründer der Pilgermission, als Retter in der Not bezeichnet werden. Bereits 1835 ersuchte er beim Staat um überlassung der Chrischonakirche, «um dort eine Bildungsanstalt für nach Nordamerika bestimmte Schullehrer zu errichten» (Linder S. 260). 1840 konnte sich die Pilgermission auf St. Chrischona etablieren. Der Staat überliess Spittler «allerlei Eisen und Holz und verschiedene alte Gegenstände aus dem Steinenkloster zur Wohnbarmachung des Thurms und zur Wiederherstellung des Innern der Kirche auf des Vereins Kosten» ; und aus der Peterskirche kam ein alter Taufstein in die Chrischonakirche. Im April 1859 kaufte die Gesellschaft der Pilgermission auch das Chrischonagut zum Preis von 44 000 Franken und vergrösserte das Lehenhaus. 1863 wurde die Kirchhofmauer repariert, 1864 schenkte der Staat eine 408 Pfund schwere Glocke aus dem Kloster Klingental. «Im Jahr 1871 verausgabte der Staat zur Herstellung des Platzes um die Kirche Fr. 500, wozu noch der äussere Abputz der Kirche kam, so dass die Gesamtkosten Fr. 1100 betrugen» (Linder S. 262). Im Riehener Jahrbuch 1970 hat Pfr. F. Hoch in seinem Beitrag über Ch. F. Spittlers Beziehungen zu Riehen und Bettingen auch die Gründung der Pilgermission dargestellt.

Unter dem Titel «Ein Besuch auf Chrischona» schildert in Nr. 20 des «Christlichen Volksboten aus Basel» vom 17. Mai 1843 ein unbekannter Verfasser das neu eingekehrte Leben im alten Gotteshaus; er schreibt u. a.: «Dass liebende Hände anfingen, Chrischona wieder herzustellen, das habe ich zwar schon vor einigen Jahren mit Freuden gesehen, als ich aber vor wenigen Tagen das altbekannte Kirchlein wieder betrat, da erstaunte ich doch nicht wenig über die freundliche Veränderung, die seither hier vor sich gegangen. Durch mannigfaltige Gaben der Liebe ist die Kirche wieder würdig ausgeschmückt; was da und dort auf Estrichen unbenützt gelegen, das hat sich hier zusammengefügt, um die Trümmer wieder freundlich und wohnlich zu machen. Die Fenster, die jetzt das Kirchlein zieren, gehörten einer uralten, noch bis auf unsere Zeiten erhaltenen Sektenkapelle an; die Stühle befanden sich im Betsale des alten Spitals . . . auch die kleine Orgel, die jetzt auf der Emporkirche ertönt, ist eine alte Bekannte.»

St. Chrischona oder St. Brictius?

Wohl kam bei den Grabungen von 1974 die frühmittelalterliche Grabkammer, die Legat Peraudi geöffnet und zur Attraktion der Wallfahrtskirche gemacht hatte, zum Vorschein. Aber das war nicht das einzige Grab. Es wurden 91 Bestattungen festgestellt, und der auffallend hohe Anteil von 56 Kindergräbern legte dem Kantonsarchäologen, Dr. R. Moosbrugger, folgende Vermutung nahe: «Aus der Legende der heiligen Chrischona lässt sich diese Sonderheit nicht erklären. Beachtet man, dass ehedem das Chrischonatal Britzigertal hiess, benannt nach dem abgegangenen Bauerngut .Britzighofen', so erhebt sich die Frage, ob die Kirche ursprünglich nicht dem heiligen Brictius geweiht gewesen sein könnte. Brictius war der Nachfolger des heiligen Martin, 397—444, auf dem Bischofsstuhl von Tours und hat als Attribut ein Wickelkind. Man verehrte ihn als Schutzpatron der Säuglinge und Kleinkinder.»

Moosbruggers These, dass an dieser Stelle ursprünglich gar nicht die heilige Chrischona, sondern der heilige Brictius verehrt wurde, erhält noch dadurch Gewicht, dass es neben der St. Chrischona-Legende ja auch noch eine Chrischona-Sage gibt. Linder erinnert daran in seinem Aufsatz über «St. Chrischona bei Basel». Es handelt sich um die Sage von den drei Jungfrauen, den Schwestern Margaretha, Chrischona und Ottilia eines Ritters auf dem Pfeffingerschloss, der nicht zulassen wollte, dass sich seine Schwestern mit den von ihm gehassten Rittern von Thierstein vermählten und deshalb diese anlässlich eines Besuchs auf dem Schloss Pfeffingen binden und vor den Augen seiner Schwestern enthaupten liess, worauf die Jungfrauen das Elternhaus verliessen und die Kirchen zu St. Margarethen in Binningen, auf dem Tüllingerberg und auf Chrischona gründeten. In einem alemannischen Gedicht hat L. F. Dorn, Pfarrer in Weil, die Sage der Nachwelt erhalten. Ein paar Zeilen seien daraus zitiert: «über e Rhistrom ziehn die andere Bed mitenander, Und d'Chrischone die wendet si rechts und findt uff de Berge, Wit eweg vum irdische Gwüehl, hoch drüber erhabe, Dert e Plätzli so still und einsam, wu si ihr Leid pflegt.» Rudolf Moosbrugger knüpft an seine überlegungen bezüglich des heiligen Brictius die Worte: «Trotz der Routine ist man auch als Ausgräber von Kirchen immer wieder von der Tatsache fasziniert, welch unerhörte Kräfte im Glauben ruhen, die Epoche um Epoche bewegen, diesem baulich Gestalt zu geben. Insofern stehen wir auf St. Chrischona in einer mehr als zwölfhundertjährigen Tradition, die bis in die Missionszeit hineinreicht. Wer hätte das vermutet?»

Die Restaurierung

Zwei Gründe rechtfertigten also die gründliche Restaurierung der Chrischonakirche, die unter der Leitung von Architekt Gerhard Kaufmann, Riehen, ausgeführt wurde: die Kirche als Gotteshaus der auch heute noch sehr aktiven Pilgermission, aber auch als historisch wertvolles Baudenkmal, dessen verschüttete und — vorübergehend — hervorgeholte Mauern das Wissen um die frühmittelalterliche Geschichte unserer Gegend wertvoll bereicherten, was die Laboruntersuchungen über die Funde, die Mitte 1977 noch nicht abgeschlossen waren, sicher bestätigen werden.

Nachdem 1966 die Chrischonakirche durch Grossratsbeschluss geschenkweise an die Pilgermission übergegangen war, wurde im Dezember 1968 Architekt G. Kaufmann mit der Planung der Restaurierung und der Bauvorbereitung beauftragt. Da nur vereinzelt Pläne vorhanden waren, erstreckten sich die Vorbereitungsarbeiten über die Jahre 1969/ 70, wobei u. a. der damalige Zustand in einer umfangreichen PhotoDokumentation festgehalten wurde. In die Jahre 1970/71 entfallen die Entwicklung des Umbau- und Restaurierungskonzeptes, die Abklärung der mit der neuen Orgel in Zusammenhang stehenden Fragen, die Besichtigung von Vergleichsobjekten und die Richtlinien des Denkmalpflegers Fritz Lauber für die Gesamtrestaurierung. Im Frühjahr 1972 konnten die eigentlichen Projektierungsarbeiten an die Hand genommen werden. Nachdem im November 1973 die Baubewilligung erteilt worden war, ging Architekt Kaufmann an die Detailprojektierung und kam dabei auf einen Kostenvoranschlag von 1,97 Millionen Franken. Im Juni 1974 wurden Beitragsgesuche beim Bund und beim Kanton Basel-Stadt eingereicht, mit dem Erfolg, dass folgende Subventionsbeiträge zugesichert wurden: vom Bund, der die Chrischonakirche zum Baudenkmal von nationaler Bedeutung erklärt hat, und vom Kanton Basel-Stadt je 450 000 Franken; ferner haben Riehen 50 000 und Bettingen 37 000 Franken an die Renovation beigesteuert. Für den immer noch beachtlichen Rest kommt die Pilgermission auf. Der Kostenvoranschlag konnte erfreulicherweise eingehalten werden. Im September 1974 erfolgte der Baubeginn, wobei mit einer Bauzeit von zwei Jahren gerechnet wurde. Das Programm konnte — trotz der ausgiebigen Grabungen im Winter 1974/75 — eingehalten werden, und am Bettag 1976 wurde die zu neuem Glanz auferstandene Kirche festlich eingeweiht.

Im Sinne des Auftrags, das bestehende Bauwerk unter grösstmöglicher Respektierung der überlieferten Bausubstanz zu sichern und zu erneuern, wurden fürs erste die aus der zweiten Hälfte des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts stammenden Ein- und Aufbauten entfernt, um die spätgotische Form wieder hervorzuheben. Mit einer neuen Orgel erhielt der Innenraum auch eine neue Orgelempore. Die Holzöfen wurden durch eine Warmwasserzentralheizung ersetzt, die alten Bänke durch Stühle, die eine bessere Benützung des Raums auch als Hochzeits- und Konzertkirche ermöglichen. Der Dachstock eignete sich zum Einbau von Archivräumen und zwar in einem Ausmass, das die Kontrolle von Dachkonstruktion und Dachhaut nicht behindert.

Besondere Probleme warf die Restaurierung des Turmes auf, zumal der Dachstuhl des Käsbissenturms wegendes unerwartet schlechten Bauzustandes vollständig ersetzt werden musste. Der Dachreiter, das heisst die Turmspitze, konnte nach erfolgter Zerlegung jedoch wieder verwendet werden, ebenso das Turmkreuz, das neu vergoldet wurde. Da die Turmkugel im Durchmesser von 60 cm durch Blitzschläge stark beschädigt war, wurde sie durch eine neue, mit eingebauter Dokumentenkapsel ersetzt. Der Turm selbst, in dem die Turmzimmer und die Aussichtskanzel mit dem herrlichen, weitreichenden Blick in alle vier Himmelsrichtungen neu erschlossen und gestaltet wurden, erhielt eine neue, das Kirchenschiff nicht tangierende Treppenanlage. Hingegen konnte das Vorhaben, das im Turm eingebaute Reservoir zu entfernen und im projektierten Fernsehturm unterzubringen, nicht verwirklicht werden, da die Erstellung des neuen Fernsehturms auf Anfang der achtziger Jahre hinausgeschoben wurde.

Auch verschiedene Umgebungsarbeiten wurden in die Restaurierung einbezogen; vor allem erwies es sich als notwendig, die Stützmauer, welche die baumbestandene Kirchenpfalz umgibt, zu erneuern und zu sichern. Im Zuge dieser Arbeiten wurden auch die Zugänge zur Kirchenpfalz erneuert und der Kirchenplatz zum Teil neu gepflästert.

In einer zweiten Bauetappe, deren Beginn für den Herbst 1977 geplant wurde, erfolgt die Erstellung eines geräumigen, zweckdienlichen Gewächshauses für den Gärtnereibetrieb der Pilgermission, so dass dann die unterhalb der Kirchenpfalz stehenden und diese beeinträchtigenden Schöpfe und Gewächshäuser entfernt werden können. Die Kirche wird dann noch mehr als bis jetzt den Eindruck erwecken, aus der Anhöhe herauszuwachsen; die Einheit von Kirche und Pfalz wird dadurch noch augenfälliger werden.

In seinem Exposé schrieb Gerhard Kaufmann: «Die Restaurierung eines historischen Gebäudes verlangt von allen Beteiligten ein grosses Mass an handwerklichem Geschick sowie die Beherrschung traditioneller, heute oft nicht mehr gebräuchlicher Baumethoden. Es war erfreulich, feststellen zu können, wie bei allen am Bau beschäftigten Handwerkern das Bestreben spürbar war, als Hand-Werker das Beste zum guten Gelingen der Restaurierung beizutragen.»

Die Pilgermission hat ein ihres Dienstes würdiges Gotteshaus erhalten, wir alle aber ein Baudenkmal, das sich wie ein leuchtendes, verheissungsvolles Zeichen auf Basels höchstem Punkt erhebt und uns dafür dankbar werden lässt, dass die Chrischona-Anhöhe als willkommenes, gern aufgesuchtes Naherholungsgebiet erhalten geblieben ist.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1977

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