Die zweite Ausstellung Riehener Künstler

Hans Krattiger

Vom 10. bis 26. Mai 1974 beherbergte der Bürgersaal des Gemeindehauses zum zweiten Mal eine Ausstellung von Werken in Riehen wohnhafter Künstler. Damit hat die von Gemeinderat Dr. Paul Meyer präsidierte Kunstkommission ein Vorhaben verwirklicht, das sie schon vor zwei Jahren — bei der Organisation der ersten Ausstellung «Riehener Künstler» — ins Auge gefasst hatte; denn damals wurde deutlich, dass man unmöglich alle Riehener Künstler und Künstlerinnen in einer Ausstellung vereinigen kann, es sei denn nur mit zwei, höchstens drei Arbeiten pro Künstler. Und das war weder im Interesse der Ausstellung noch in demjenigen der Künstler.


So wie für die erste Ausstellung im Riehener Jubiläums-Jahr 1972 eine Auswahl getroffen werden musste, so auch für die zweite; denn ausser so bekannten Künstlern wie Nikiaus Stoecklin, Christoph Iselin, Gustav Stettier, Karl Flaig, Dorette Huegin, Vater und Sohn Hans und Ruedi Schmid, um nur diese zu nennen, wohnt in Riehen eine Anzahl von Künstlern und Künstlerinnen, die wenig bekannt und in ihrer Wohn-, zum Teil auch Heimatgemeinde Riehen noch nie mit ihren Arbeiten an die öffentlichkeit getreten sind. Die Kunstkommission erachtet es als eine ihrer Aufgaben, auch diesen «Stillen im Lande» Gelegenheit zu geben, aus der Anonymität und Verborgenheit hervorzutreten. Das gilt für sieben der neun Künstler, die zur Teilnahme an der zweiten Ausstellung «Riehener Künstler» eingeladen worden sind, nämlich für Hans Behret, Ernst Giese, Albert Meyer, Paul Müller, Emil Sauter, Hedy Sutter und RudolfWild, während die beiden Riehener Zeichenlehrer Hans Ackermann und Eduard Meier vor ein paar Jahren im Wasserstelzen-Schulhaus eine gemeinsame Ausstellung durchgeführt haben. (Hans Ackermann zeigte — fast gleichzeitig mit der Ausstellung im Gemeindehaus — eine grössere Auswahl seiner Bilder abermals im Wasserstelzen-Schulhaus.)

Gemeinsam haben acht der neun Künstler, dass sie primär nicht von ihrem künstlerischen Schaffen leben, sondern einen sogenannten «bürgerlichen» Beruf ausüben: Hans Ackermann und Eduard Meier als Lehrer, Hans Behret als Restaurator, Albert Meyer als Heizungsmonteur,

Emil Sauter als Verleger und Buchhändler, Hedy Sutter als Hausfrau; Ernst Giese, der jahrzehntelang Reklamechef im «Globus», und Rudolf Wild, der Posthalter in Riehen war, sind pensioniert und haben nun mehr Zeit für ihr künstlerisches Schaffen. Einzig Paul Müller, der nur aushilfsweise Zeichenunterricht an Schulen erteilt, gehört zu den freischaffenden Künstlern.


Dem unvoreingenommenen Betrachter hat aber die Ausstellung deutlich gemacht, dass die ausgestellten Bilder von Leuten stammen, die eine solide künstlerische Ausbildung genossen haben und — schon rein handwerklich — mit Pinsel und Palette umzugehen verstehen. Von Dilettantismus konnte also wahrlich nicht die Rede sein. Dessen sind sich Hans Behret und der Schreibende, die von der Kunstkommission mit der Organisation der Ausstellung beauftragt worden waren, schon beim Besuch in den Heimen und den Ateliers der eingeladenen Künstler bewusst geworden.


Die Ausstellung, die sich nicht minder gut als die vorausgegangene präsentierte, darf als buntes Mosaik bezeichnet werden. Und wenn sie auch den Eindruck einer «heilen Welt» erweckte, wie eine Basler Tageszeitung schrieb, so war doch nicht zu übersehen, dass die Bilder von Menschen stammen, die die Probleme und Nöte unserer Zeit kennen und sich mit ihnen auseinandersetzen, wenn es auch nicht in allen Bildern so prägnant zum Ausdruck kommt wie etwa in Emil Sauters «Zauberlehrling» und den Porträt-Zeichnungen von Menschen, denen er da und dort begegnet ist und in deren Antlitz Enttäuschung und bittere Erfahrung, Kummer und Zerfall geschrieben sind, oder in Zeichnungen wie der «Pestsäule 1973» von Paul Müller oder in Bildern wie «Inferno», «Der Prophet» und «Kreuzigung» von Albert Meyer. Niederschläge von Auseinandersetzungen mit Gegenwartsfragen fanden sich aber auch in den abstrakten Kompositionen von Hedy Sutter und in den figürlichen Darstellungen wie «Zwölfjähriger Jesus im Tempel» und «Zwischen den Banken» von Ernst Giese. Dass aber Landschaften und Stilleben überwogen, ist doch wohl darauf zurückzuführen, dass die neun Künstler in ihrem Beruf und ihrem Alltag ständig mit Zeitproblemen konfrontiert werden und dass ihr künstlerisches Schaffen in die oft spärlich bemessene Zeit fällt, die wir Frei-Zeit nennen, die wir alle brauchen als Ausgleich zur täglichen Arbeit und die andere Menschen in ihrem Pflanzlandgärtchen, bei Spiel oder sportlicher Betätigung verbringen. Eine Landschaft oder ein Stilleben zu malen, bedeutet also nicht Flucht vor der Wirklichkeit, bedeutet nicht Blindheit gegenüber dem Zeitgeschehen, sondern Beschäftigung mit der da und dort noch unberührten, doch von allen Seiten bedrohten Natur, Beschäftigung mit dem Einbruch des Menschen in die Natur, wie es in den Steinbruch-Bildern von Hans Behret zum Ausdruck kommt. Und ist es denn ein Verbrechen, sich von der Schönheit der Natur, von den unterschiedlichen Reizen der Jahreszeiten faszinieren zu lassen, den Pinsel zur Hand zu nehmen, um einen Blütenzweig (Hans Behret), ein paar leuchtende Blumen in einer Vase (Eduard Meier), einen Apfel und einen Kerzenstock (Rudolf Wild) auf die Leinwand zu bannen? Kann es — in einer Zeit der Naturbedrohung und der Umweltverschmutzung — nicht gerade eine Aufgabe des Künstlers sein, mit stimmungsvollen Landschaften und farbenfrohen Stilleben dem Betrachter die Augen zu öffnen und ihn zu ermahnen, Sorge zu tragen zu Werten und Schätzen, die wir nicht ungestraft dem Verderben preisgeben?


Was die Ausstellung des weitern interessant machte, war die offenkundige Verschiedenheit der Temperamente. Das Spektrum der künstlerischen Auffassungen reichte von den fauvistischen, farbig überaus expressiven Bildern Albert Meyers bis zu den formal und farbig streng ausgewogenen Kompositionen von Paul Müller, von den realistischen Porträtzeichnungen Emil Sauters bis zu den in Farbklänge übersetzten Natureindrücken von Hedy Sutter, von den zarttonigen Landschaften eines Hans Behret und Eduard Meier bis zu den in leuchtenden Farben gemalten Bildern von Hans Ackermann, während bei den «Senioren» Ernst Giese und Rudolf Wild die Herkunft von der dunkeltonigen Basler Schule (Paul Basilius Barth, Donzé etc.) unverkennbar ist.


Neun Künstler in einer Ausstellung, wie sie im Bürgersaal, inklusive Foyer des Gemeindehauses möglich ist, zu vereinigen, ist die oberste Grenze, und die Auswahl von 10 bis 12 Arbeiten (im ganzen waren es genau 100 Werke) bildet das Minimum für eine einigermassen repräsentative Darstellung der künstlerischen Auffassung und Malweise der einzelnen Künstler. Es war deshalb den Organisatoren der Ausstellung ein Anliegen, die Auswahl der Bilder so zu treffen, dass auch die Entwicklungsstufen wenigstens angedeutet werden konnten. Das wurde besonders evident bei Ernst Giese, bei dem «Mutter und Kind» und «Zwischen den Banken», bei Hans Behret, wo «Steinbruch» und «Blühende Bäume», bei Emil Sauter, bei dem «Seinebrücke in Paris» und «Bei den Sümpfen» aufschlussreiche Pole früheren und gegenwärtigen Schaffens bildeten.


Interessant war die Ausstellung auch unter dem Aspekt der Mal-Techniken. Wohl waren es zur Hauptsache ölbilder, doch fehlten auch nicht die Malmittel Casein und Tempera, während das Aquarell — leider — sehr schwach vertreten war. Die von den Kubisten in den zwanziger Jahren «entdeckte» und in letzter Zeit wieder en vogue gekommene Collage war in Arbeiten von Paul Müller zu sehen. Und mit einer ganz ungewohnten Technik, nämlich einem Malen mit Bienenwachsfarben, denen eine eigene Leuchtkraft zu eigen ist, machten uns die Kompositionen von Hedy Sutter vertraut; sie beherrscht diese, dem Pastell verwandte Technik meisterhaft. Eine willkommene Ergänzung zu den Bildern bildeten die Bleistift- und Federzeichnungen der Zeichenlehrer Hans Ackermann und Eduard Meier, die teils in den Bündner Bergen, teils im Häusergewirr von Locamo entstanden sind, streng und genau die Struktur einer Landschaft festhaltend die einen, spontan und doch mit sicherem Strich die andern, sowie die bunten Scheiben von Rudolf Wild. Die Porträtzeichnungen, zum Teil laviert, von Emil Sauter sind nicht in der direkten Begegnung mit den Porträtierten entstanden, sondern als Reflexion, als Niederschlag dessen, was sich dem Künstler beim Anblick dieses und jenes Menschen eingeprägt hat; und gerade deshalb waren sie so ausdrucksstark, weil der charakteristische Gesamteindruck festgehalten wurde.


So darf denn auch diese zweite Ausstellung «Riehener Künstler», die 16 Tage dauerte und von über 1500 Personen besucht worden war, als ein geglücktes Unternehmen bezeichnet werden. Und da. wie eingangs erwähnt wurde, auch für diese zweite Ausstellung noch nicht alle Kunstschaffenden, die in Riehen zu Hause sind, berücksichtigt werden konnten, ist damit zu rechnen, dass die Kunstkommission in absehbarer Zeit eine dritte derartige Ausstellung veranstalten wird.


Um den Kunstbesitz der Gemeinde Riehen zu bereichern, sind auf Antrag der Kunstkommission folgende Bilder angeschafft worden: Hans Behret: Blick nach Oetlingen (Tempera) Ernst Giese: Blick zwischen den Bergen in die Po-Ebene (Oel) Eduard Meier: Reitschule (Oel) Hedy Sutter: Wind-Sand-Gras (Bienenwachs) Rudolf Wild: Piazetta in Venedig (Oel).


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1974

zum Jahrbuch 1974