Nur Steine

Fritz Behret

Wer das Glück hat, dem Mann mit den grossen, harten Händen zu begegnen und wem es gelingt, geduldig zu warten bis irgendwann sich die rauhe äussere Schale wenig öffnet, der findet mit Staunen und Freude einen sensiblen, begeisterten Künstler.

Fritz Behret, der Basler Münster-Bildhauer, der seit Jahrzehnten in Riehen wohnt, ist von seiner Aufgabe, die er nun bald vierzig Jahre betreut, so durchdrungen und begeistert, dass man tief beeindruckt von einer wirklichen Berufung sprechen kann. Doch lesen wir, was er bescheiden — mir scheint allzu bescheiden — über sich selbst schreibt. Th. Sch.

Im heissen Sommer 1921 stand ich in der Kühle des Durchgangsgewölbes vom St. Johanntor. Vom Baudepartement der Stadt Basel hatte ich den Auftrag, eine Copie der schadhaften Basilisken am Erker auszuführen.

Da kam überraschend der Kantonsbaumeister und frag, ob ich nicht Lust hätte, am Münster beschäftigt zu werden.

So kam ich zu meiner späteren Arbeit am Basler Münster.

In den Jahren 1921-1924 gab es Ausbesserungen, hauptsächlich an den Reiterfiguren Ritter Georg und St. Martin.

Inzwischen hatte sich eine Münsterbaukommission gebildet. Im Jahre 1925 begann dann die umfassende grosse Renovation des Münsterbaues.

Der Georgsturm war bis zur obersten Kreuzblume eingerüstet. Auf der Pfalz, zwischen zwei Strebepfeilern am Chor, wurde die Werkhütte errichtet, just in der richtigen Atmosphäre des Münsters.

Während der Renovation in den 1880er Jahren, wurden Einzelpläne des ganzen Münsterbaues angefertigt, jedoch abgenommene Originale oder Abgüsse waren keine vorhanden, die als Unterlagen für die Renovation brauchbar gewesen wären.

In einem Raum der alten Frauenarbeitsschule am Stapfelberg lagen zusammenhanglose Bruchstücke und Fragmente.

Es war nun meine Aufgabe, systematisch die Vorlagen für die neuen Werkstücke zu schaffen. Von allen Bauteilen wurden vorerst Abgüsse sämtlicher Figuren und Ornamente mit den verbindenden Architekturteilen erstellt.

Die Arbeiten am Helm des Georgsturmes waren äusserst interessant. Zu jeder Krabbe wuchsen in den Helmrippen, dem Motiv entsprechend, die reichhaltigen Ornamente empor, bis zur eleganten obersten Kreuzblume.

Auf der Höhe der Helmgalerie entwickelten sich die Endkrabben aus figürlichen Darstellungen: Engel auf Wolken, Tiergesichter, Teufelsfratze und dergleichen.

Im Octogon die beiden Baldachine, am Turm die Kranzgesimse mit den riesigen Blumen und Masken. Tiefer an den Turmecken die grossen Drei hl. Könige, zur Anbetung schreitend. Darunter die vier kleinen Könige, weiter hinüber zum Westgiebel Kaiser Heinrich und seine Gemahlin Kunigunde und darüber die über den Wolken thronende Maria mit dem Kinde. Sie alle habe ich eingefangen. Es war eine Freude, diesen überraschenden Reichtum in den Abgüssen für alle Zeiten geordnet festzuhalten.

Des weiteren wurde die Renovation am Martinsturm ausgeführt, mit den hohen, reichen Fialen und der Bekrönungsblume, welche in der Diagonale 2.40 m misst.

Sämtliche abgenommenen Originale am Münster sind durch Copien im ursprünglichen Geist verjüngt wieder erstanden.

Nun wurde mir inzwischen, in Verbindung mit der Münsterbaukommission, die Festlegung der jährlichen Renovationsprogramme, die Ueberwachung der Steinmetzen und der übrigen Arbeiten, neben meiner bildhauerischen Tätigkeit, übertragen.

In Mülhausen, bei der Renovation der Stefanskirche auf dem Rathausplatz, habe ich mir schon als junger Mensch das Rüstzeug für diese umfassenden Aufgaben geholt.

Das Sonderbare: als ich damals einmal vorübergehend in Basel tätig war, pilgerte ich in der Mittagspause zur Pfalz und zeichnete einige Chorkonsolen in mein Skizzenbuch. Wie eine Vorahnung hatte es mich dort hinaufgezogen.

Die Renovationsarbeiten am Münster schritten programmässig in den Bauabschnitten weiter und überall wurden folgerichtig die Abgüsse bis zur vollständigen Sammlung angefertigt. Die jährlichen Arbeiten wurden sorgfältig in Plänen vermerkt und in einem Bericht erläutert.

Die acht Tierfiguren am Chor Sechs Tierfiguren standen im Historischen Museum, ich entwarf die beiden Fehlenden: einen grossen und einen kleineren Elefant. Wir setzten nun die Modelle der zwei grossen Elefanten bei dem mittleren Chorfenster an ihren früheren Standort, wo dieselben komischerweise damals durch rechteckige Klötze ersetzt wurden.

Mein Entwurf, der männliche, der Abguss vom Original, das weibliche Motiv, wurden am mittleren Chorfenster eingesetzt. Man fand allgemein, die Tiere sind an ihrem richtigen Platz. Nun habe ich die 8 Figuren in Degerfelder Sandstein ausgeführt und bei den Chorfenstern eingesetzt, sie haben dem äusseren Chor die richtige Atmosphäre wiedergegeben.

Im Jahre 1939 wurde im kleinen Klingental das Münstermuseum errichtet. Die zahlreichen Abgüsse und abgenommenen Originale füllten zum grossen Teil die Räume des Baues.

In den Depots liegen geordnet weitere Originale und Abgüsse, zum Studium und als Vorlage für spätere Renovationsarbeiten.

Es wäre noch zu erwähnen: die Neuanfertigung der Reiterstatue des Hl. Georg, welche im Jahre 1963 an der Westfassade aufgestellt wurde.

Noch in Arbeit befindet sich die Reiterstatue des Hl. Martin in meinem Atelier am Grenzacherweg in Riehen.

Ausser diesen Arbeiten am Münster schuf ich u.a. den neuen Holbeinbrunnen beim Spalentor, den Brunnen in der Augustinergasse und im historischen Stadtteil von Rheinfelden den Albrechtbrunnen.

Daneben habe ich als freier Künstler Aufträge ausgeführt. Seit dreissig Jahren arbeiten auch meine Söhne Kurt und Rolf an meiner Seite.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1971

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