Schmiedeiserne Gittertore

Paul Hulliger

Gemeint sind die großen Hoftore, Meisterwerke der Schmiedekunst, auf die Riehen stolz sein darf. Von den drei Gegebenheiten des alten Riehen: Bauerntum, Rebbau und Landsitze, hat die letzte verhältnismäßig am besten standgehalten. Das bezeugen noch heute ihre großartigen Einfahrtstore mit dem herrlichen Baumbestand der hinter den gediegenen Wohnbauten sich dehnenden Herrschaftsgärten, die ihrerseits, wie auf dem Wenken und dem Bäumlihof, durch kunstvolle, schmiedeiserne Tore zugänglich sind.


Auch wenn ein Tor ein noch so großes Kunstwerk darstellt, wäre es verfehlt, es für sich allein zu betrachten. Es ist ein Teil des Zaunes, der das Herrschaftsgut bis in unsere Tage umschließt und nicht weniger ein Teil des Herrschaftshofes, zu dem es die Zufahrt ermöglicht; ja, es steht in Beziehung zum Leben, das sich vor 150, vor 200 und 300 Jahren auf dem Landsitz abspielte.


Der Mensch hat körperlich und geistig das Bedürfnis, sich zu kleiden, das heißt, sich zu schützen und zu umschließen. Das Haus gehört mit zu dieser Kleidung, auch der Garten. Dessen Umschließung mit einem Lebhag, einer Mauer, einem Holz- oder Eisenzaun verleiht uns Menschen das Gefühl, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch geborgen zu sein. Durch das Tor trete ich aus der Zerstreuung der Welt in eine Zone der Ruhe und Besinnung. Die gegenteilige Empfindung ist beim Ausgang nicht weniger deutlich wahrnehmbar.


Von gut zwei Dutzend Toren Riehens werden im Nachfolgenden anhand der photographischen Wiedergabe zwei der bedeutendsten besprochen.


Das Gittertor des Wettsteinhofes

Es ist das älteste aller Tore Riehens und geht zurück auf Johann Rudolf Wettstein selbst (1594-1666), als er seinen Sitz in Riehen, unser Wettsteinhaus, auszubauen begann. Zum Glück wurde seither am abwechslungsreich gestalteten Bauwerk wenig geändert.


Das Wettsteinhaus bildet einen der vier Eckpunkte des von der Kirche flankierten Dorfplatzes. Es besteht aus dem Vorderhaus mit anschließender, dem Kilchgäßlein entlang zum Hinterhaus führender, hofseits offener Laube. Weiter nach hinten folgt der zunächst auf beiden Seiten von hohen Mauern beschützte französische Garten, heute stark verwildert. Er geht über in den offenen englischen Garten mit schönstem Baumbestand; ganz hinten endet er im reizenden Känzeli mit Brünnlein.


Das überdachte, beinahe quadratische Eingangstor verbindet die Außenwand des Wettsteinhauses und die Innenwand des vorstehenden Gartenhäuschens. Es hat, gemeinsam mit der ganzen Hofumzäunung, stark abschließenden Charakter. An Stelle der die meisten übrigen Gartentore Riehens flankierenden, mit Kugeln oder Vasen bekrönten seitlichen Steinpfosten wird es auf drei Seiten von einem kräftigen, streng geradlinigen Rahmen aus angenehm bräunlich-rotem Sandstein umfaßt. Da wo dieser Steinrahmen am Boden aufsetzt, tritt je ein einwärts gerichteter, schuhähnlicher Prellstein vor. Wieder im Gegensatz zu allen andern Landsitzen gibt einzig die quadratische Toröffnung von außen her den Blick frei in den Innenhof, der durch die Entfernung der schweren Holzlaube und durch das Wiedereinsetzen der Erdgeschoßfenster des stadtwärts anstoßenden zweiten Wettsteinhauses, des Lüscherhauses, sehr viel mehr Leben erhalten hat.


Das zweiteilige, eigentliche eiserne Gittertor mit dem kräftigen Eisenrahmen ist in sechs Felder unterteilt. Zu beiden Seiten steigt ein Band mit kräftigen Mäandern empor. Die zwei quadratischen Felder unten stehen zu den rechteckigen über ihnen im idealen Größenverhältnis des Goldenen Schnittes. Ein besonderes Kunstwerk des hoch entwickelten Schmiedehandwerkes der Renaissance bildet die Innengestaltung der beiden quadratischen Torfelder. Lilienartige, in die vier Ecken vorstoßende Formen halten ein über Eck gestelltes, bogenförmig begrenztes, quadratisches Innenfeld mit vier flächigen Eckteilen fest, das mit 24 kleinen, gleichfalls über Eck gestellten, sternartigen Rechtecklein und einem runden Mittelstück besetzt ist. Das ist ein einziges, frohes Spiel der strengen Form, kaum wahrnehmbar mit dem scheinbar unbeteiligten Rahmenwerk des Eisentores verbunden, aber zufolge seiner Dichte von weitem als abgrenzende Schranke wahrnehmbar.


In den beiden oberen Feldern geht es viel einfacher zu: Je sieben Stäbe steigen auf, nur der mitüere mit stärkerer Beziehung zum Spiel unter ihm, alle 14 in halber Höhe mit einem feinen Querband verbunden, das aus stehenden Ovalformen, die nach oben und unten Flammen aussenden, gebildet ist. Oben angelangt, werden die Stäbe mit 16 Kringeln, offenen Ovalen mit eingerollten Enden, zum Torrahmen in Beziehung gebracht.


Der Glockenzug zur Linken, mit Gitterknauf, ruft einem reinen, hellen, durchdringenden Klang.


Das Gittertor des Iselingutes an der Baselstraße

Dem weit über 100 Jahre jüngeren Iselingut ist trotz größerer Regelmäßigkeit in der Anlage unverkennbar ein viel heiterer Charakter eigen als dem Wettsteingut. Das gilt für den Hof, für den anschließenden Park und für alle drei Gittertore: Das große erste an der Baselstraße, das zweite große am Ende des rechtwinklig zur Straße Richtung Wiese laufenden Hofes und für das dritte kleine, nicht weniger schöne, das in der Achse der beiden großen Hoftore weit hinten am Aubächlein liegt. Wesentlich anders ist auch die Umzäunung des Landsitzes.


Der rechteckförmige Hof liegt auf der Hauptachse des Gutes zwischen den beiden vornehmen Wohnbauten, dem Herrschaftshaus auf der Südseite und dem Dienstenhaus mit Remise und Stallung auf der Nordseite. Ihre hellen Farben tragen bei zur sich ohne weiteres einstellenden gehobenen Stimmung. Wir bemerken die viel kunstvolleren Türen und Oberlichtgitter beim Herrschaftshaus. Der 30 Meter lange Platz mißt in der Breite 12 m. Ringsum läuft ein gut zwei Schritt breites Kopf Steinpflaster; Feinkies bedeckt den übrigen, leicht gewölbten Boden des Hofes. Auf diesem Platz hielten die Droschken, wurde empfangen und verabschiedet. Das große Tor, dessen Flügelträger, wie der Gutsgärtner, Herr von Ballmoos, mir mitteilte, unten in einer blankgeschliffenen Kugel in entsprechendem Gehäuse enden, öffnete und schloß sich, von Menschenhand bewegt, mehrmals des Tages.


Die Offenheit des Landsitzes im Vergleich zum älteren Wettsteinschen zeigt sich in seiner Abschrankung der Straße zu. Die beiden Flügel des 3'/2 m breiten Eingangstores werden von zwei vorbildlich gegliederten, 50 cm breiten Sandsteinpfosten mit Zwiebelformen als oberem Abschluß gehalten. Ihnen zur Seite gestatten kleine Tore dem Fußgänger einen bequemen Durchgang. Beidseitig läuft eine niedrige Mauer mit Plattenabschluß und einer langen Folge von oben verbundenen, flammenartig endenden, kräftigen Vierkanteisenstäben den beiden äußeren Eckpfeilern (diesmal mit Kugelbekrönung) an der Baselstraße zu. Es sind hier zusammen über 150 stramme Gardisten, die aber den Blick in den Hof und das sich darin abspielende Geschehen vollkommen freigeben. ähnliche Stäbe, ältere vierkantige und jüngere runde, beide in scharfen Spitzen endend, halten im Verband mit Mauern das Gelände des Stamm- und Mutterhauses der Diakonissenanstalt zwischen Oberdorfstraße und Spitalweg umstellt. Zurück an die Baselstraße! Das große Eingangstor mit seinem 4 cm starken eisernen Rahmen weist nicht weniger als fünf Querbinder auf, drei konstruktive und zwei dekorative, drei geradlinige und zwei bogenförmige. Kringelformen (zu offenen Ovalen eingerollte Stabeisen) und eingerollte Wellen- und Kreuzformen sind zu dekorativen Bändern zusammengeschlossen. Am eindrücklichsten äußert sich bei diesem Tor die Freude an einem vollkommen freien Spiel in einem keineswegs bequemen Material auf und über dem schön geschwungenen oberen Torabschluß. Es sieht sich an wie ein Tanz von schäumenden Wellen auf hoher See, gestaltet mit Rocaillewerk und Zweigen, kulminierend in den die Tormitte betonenden drei Blumen.


Wie dieses Tor ist das ganze Gut ein einziges Kunstwerk, auf das unser Dorf stolz sein darf, gleich wie auf den Wettsteinhof. Von weiteren eisernen Gittertoren des La-Roche-, des Sarasin-Gutes u. a. soll vielleicht in einem spätem Jahrbuch die Rede sein.


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1966

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