40 Jahre Dorfsaal-Idee

Nicolas Jaquet-Anderfuhren

Mit der Wiedereröffnung des renovierten Landgasthofes leitete das Jahr 1978 die zweite Etappe der Betriebsgeschichte dieser seit 1951 bestehenden Riehener Gaststätte ein. In diesem Jahr waren es zudem 40 Jahre her, seit im Weiteren Gemeinderat erstmals die Idee der Schaffung eines Dorfsaales geäussert wurde. In einem kleinen Streifzug durch die Geschichte des Landgasthofes soll daher auf die wichtigsten Etappen seiner Entwicklung, die eng mit den Bemühungen um die Dorfkerngestaltung verknüpft ist, eingegangen werden.

Die Dorfsaal-Idee entsteht

Als die Gemeinde im Jahre 1933 das Areal der alten Taubstummen-Anstalt an der Schmiedgasse erwarb, sahen die Behörden vor, unter möglichster Schonung und Anpassung an bestehende Gebäude und Anlagen im Dorf einen passenden Dorfplatz mit den dazu gehörigen Einrichtungen zu schaffen. 1935 wurde von Dr. Karl Senn im Weiteren Gemeinderat ein Anzug betreffend die Schaffung von Vereins- und übungslokalen eingereicht und grundsätzlich der Idee zugestimmt, «auf dem erworbenen Areal solche, der öffentlichkeit und den Ortsvereinen dienende Einrichtungen und Lokale zu schaffen.»

Dieser Gedanke nahm konkrete Formen an, als die Gemeinde 1938 von der Bell AG eine an der Baselstrasse gelegene Parzelle erwerben konnte. Im gleichen Jahr wurde im Weiteren Gemeinderat von H. Schaad die Anregung gemacht, über einen Wettbewerb Ideen für den Bau eines grösseren, den Einwohnern und den Ortsvereinen dienenden Saales einzuholen.

Als ebenfalls 1938 die damaligen Basler Strassenbahnen die Absicht bekundeten, an der Stelle, wo heute der Landgasthof steht, eine Tramschlaufe zu bauen, lehnte der Weitere Gemeinderat dieses Ansinnen, welches das Dorfbild gestört hätte, kategorisch ab. 1941 kaufte die Gemeinde die gegen das Wettsteinhaus hin gelegene Wirtschaft «zum Tramstübli», denn man war der Ansicht, dass der Bau und der Betrieb eines Dorfsaales ohne eine dazu gehörige Wirtschaft seinen Zweck nicht erfüllen könnte. Um einen Landgasthof zu betreiben, brauchte man Wirtschafts-Patente. Später wurde der Gasthof Ochsen am Erlensträsschen, dort wo heute der Polizeiposten steht, dazu erworben in der Absicht, die beiden Wirtschaftspatente auf dem geplanten Landgasthof zusammenzulegen. Als 1944 noch die Liegenschaften Baselstrasse 40 und 44 dazu kamen, war das nötige Areal für den Bau eines Landgasthofes vorhanden.

Landgasthof im Dorfkern — Gestaltungs-Wettbewerb

Im September 1942 schrieb der Weitere Gemeinderat einen öffentlichen Wettbewerb zur Erlangung von Plänen für die Dorfkerngestaltung aus. Dieser beinhaltete einen generellen überbauungsvorschlag im Gebiet des ganzen Dorfkerns (umrahmt von der Baselstrasse-Bettingerstrasse-BahnhofstrasseSchmiedgasse), das Projekt für einen Saalbau und Landgasthof, das Projekt für einen Polizeiposten und die Aufteilung des übrigen Projektgeländes in einen Dorfplatz für Promenadenkonzerte und öffentliche Feiern und einen Park mit Kinderspielplatz.

Die Jury befürwortete in ihrem 1943 gefällten Entscheid diejenigen Lösungen, die eine Erschliessung des Landgasthof-Areals von den Rändern aus mit Stichstrassen vorsahen und so den parkartigen innern Teil des Areals dem Fussgängerverkehr reservierten. Sie erachtete es zudem als logisch, den Landgasthof an die als Hauptstrasse betrachtete Baselstrasse zu stellen. Schon damals war übrigens von einer als «Wiesentalstrasse» bezeichneten Umfahrungsstrasse die Rede. Das unter der Bezeichnung «Bei St. Martin» eingereichte Projekt von Architekt E. A. Christen erhielt den 1. Preis.

Baukommission klärt Bedürfnisfrage ab

Im gleichen Jahr verlangte Dr. Karl Senn in einem Anzug die Ernennung einer Baukommission und die Fortsetzung der Planungsarbeiten. An einen Bau war damals während der Kriegszeit aber noch nicht zu denken. Die Baukommission bat noch einmal die allenfalls an einem Landgasthof interessierten Kreise um ihre Stellungnahme hinsichtlich Bedürfnis. Von den 23 angefragten Vereinen und Organisationen sprachen sich vor allem die grösseren unter ihnen, wie Liederkranz, Mandolinengesellschaft, Musikverein, Turnverein, Verkehrsverein, katholischer Volksverein, Männerchor, Bürgerliche Vereinigung und Sozialdemokratische Partei für die Errichtung eines Saales aus. Andere hatten selbst kein Bedürfnis für einen grossen Saal, opponierten jedoch nicht dagegen.

Das erstprämierte Projekt war an sich sehr schön und zweckmässig, doch eine Kostenermittlung ergab, dass es für die damals noch nicht so finanzkräftige Gemeinde zu teuer war. Die Baukommission beauftragte hierauf die Architektengruppe Bräuning, Leu und Dürig mit der Ausarbeitung eines einfacheren Vorschlages. Am 20. April 1949 bewilligte der Weitere Gemeinderat den Kredit von 1,85 Mio Franken und unterstellte ihn dem obligatorischen Referendum. In der Volksabstimmung vom 22. Mai 1949 wurde der Bau des Landgasthofes mit 1025 Ja gegen 641 Nein bewilligt.

Wieso ein Landgasthof?

Neben dem Bedürfnis nach einem Saal für Vereinsanlässe stiess auch der Wunsch nach einem ländlichen Gasthof, der für kleinere Anlässe wie Hochzeiten oder andere Familienfeste dienen, aber auch Gelegenheit zum übernachten von Gästen bieten sollte, auf allgemeinen Anklang — mussten doch damals sehr oft Anlässe in der Stadt oder in basellandschaftlichen Vorortsgemeinden abgehalten und Gäste, die in Riehen zu übernachten wünschten, weggeschickt werden.

Am 30. Juni 1951 mittags wurde der Landgasthof mit einer offiziellen Feier eröffnet. Am Abend gab es einen «Abend der Dorfvereine». Vom Juni 1951 bis zum 30. März 1953 war das Ehepaar E. Kubli-Koller als Pächter auf dem Landgasthof, vom 1. April 1953 bis zum 30. September 1960 das Ehepaar G. Manella-Buser und schliesslich vom 1. Oktober 1960 bis zum September 1976 die Familie A. Egli-Kielar.

Renovation nach 25 Jahren

Nach einer Betriebszeit von etwas mehr als 25 Jahren drängte sich eine Gesamtsanierung des ganzen Komplexes, besonders der Küche, der sanitären Anlagen und der Oekonomie- und Personalräume auf. In etlichen Belangen waren die Einrichtungen veraltet und entsprachen nicht mehr den Erfordernissen einer modernen Betriebsführung und den gesetzlichen Vorschriften.

Der Gemeinderat unterbreitete deshalb dem Weiteren Gemeinderat im Jahre 1975 einen Projektierungskredit von 65 000 Franken für die Ausarbeitung eines Sanierungsvorschlages. Da darin zu sehr Gewicht auf die Renovation der Küche und der übrigen Diensträume gelegt wurde, verlangten Dr. M. Christ und Konsorten in einem Anzug, dass man in die Sanierung auch die für die Gäste bestimmten Räume einbeziehe. Gegen die Bewilligung des definitiven Baukredites von 1,8 Mio Franken wurde das Referendum ergriffen, unter anderem mit der Begründung, dass dieser Betrag allein für Küche und Diensträume, ohne Renovation der Gasträume zu hoch sei und dass die für die Bewirtung des Saales konzipierte Bankettküche nicht nötig sei. In einer Volksabstimmung vom 11./13. Juni 1976 wurde die Vorlage mit 2861 Nein gegen 2222 Ja abgelehnt.

Auf Ende August 1976 wurde der Landgasthof von den Gesundheitsbehörden geschlossen. Wenige Wochen nach dem negativen Volksentscheid beauftragte der Gemeinderat eine Kommission, eine neue Sanierungsvorlage auszuarbeiten. Eine von Fachleuten verfasste Betriebskonzeption ging unter anderem von der überlegung aus, dass der Landgasthof keinen Schwerpunkt für einen konstanten Umsatz habe, dass die Gaststube zu klein und der Betrieb zu weitläufig seien. Um diesen Missständen abzuhelfen, sah die Kommission in ihrem Vorschlag deshalb sehr starke bauliche Veränderungen vor. Beim Dorfsaal kam sie zum Schluss, dass der Saal vom Pachtbetrieb abgetrennt und zukünftig nicht mehr durch diesen bewirtet werden sollte. So empfahl die Kommission einen Sanierungsplan ohne Saal, der sich auf 3,3 Mio Franken belief.

Minimallösung dringt durch

Da in der Volksabstimmung ein Kredit von 1,8 Mio Franken abgelehnt worden war, erachtete es der Gemeinderat aus politischen Gründen als notwendig, diesem «Wunschprojekt» der Kommission eine Minimallösung für die Sanierung gegenüberzustellen. Seine Bemühungen gingen vor allem darauf aus, die vom Lebensmittelinspektorat abgesprochenen Teile zu erneuern, weshalb das Projekt besonders die Küche, das Buffet, die Ventilation, die Kühleinrichtungen und die dazu gehörenden elektrischen und sanitären Installationen beinhaltete und zusätzlich die Schaffung von Personalräumen und die sinnvollere Gestaltung der Betriebsabläufe vorsah. Der verbleibende Kreditbetrag war zur Auffrischung des ganzen Oekonomie-, Gäste- und Hoteltrakts und für Inventar-Ersatzanschaffungen vorgesehen. Dazu bewilligte der Weitere Gemeinderat am 22. Juni 1977 einen Kredit von 1,45 Mio Franken. Die Umbauarbeiten begannen im Herbst 1977.

Neben den erwähnten Arbeiten wurde im Dorfsaal die Bewirtungsmöglichkeit verbessert. Am früheren Standort der Garderobe entstand eine Getränkebar für Kaffee und Erfrischungen. Wenn Bankette stattfinden, kann die Bar geräumt werden und die Theke dient als Bankett-Office. Das bisherige Saal-Office wurde überflüssig und nahm die neue Garderobe auf. Die Kegelbahn blieb im bestehenden Raum, wurde aber durch eine neue Anlage ersetzt. Ferner erhielt sie einen direkten Zugang vom Frühmesswegli her.

Am 12. Mai 1978 organisierte das neue Pächterehepaar K. Sinsel einen Tag der Offenen Tür, an dem über 2000 Personen den renovierten Landgasthof besichtigten und sich an den neuen Einrichtungen und den mit bescheidenen Mitteln wieder hergestellten Räumen freuten.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1978

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