Aus dem ‹Bammert› wird ein ‹Ranger›

Christine Kaufmann

Mit ‹Landschaftspark Wiese› wird heute das grenzüberschreitende Naherholungsgebiet entlang dem Flusslauf der Wiese zwischen Eglisee und der Landesgrenze zu Lörrach im Norden bezeichnet. Im ehemaligen Schwemmland stand früher die landwirtschaftliche Nutzung im Vordergrund, heute ist es Freizeitraum und Naturschutzgebiet, dient der Trinkwassergewinnung und auch immer noch der Land- wie der Waldwirtschaft. Seit dem Frühjahr 2019 kümmert sich ein Parkranger-Team um das Gebiet.

In vergangenen Jahrhunderten wurde die Flur in Riehen von Bannwarten kontrolliert. Sie hatten die Aufgabe, darüber zu wachen, dass sich niemand an fremdem Gut wie Holz oder Früchten vergriff oder das hohe Gras vor dem Mähen zertrampelte. Im ‹Jahrbuch z’Rieche› 1989 sind relativ grimmig dreinblickende Herren mit der Büchse unter dem Arm abgebildet, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts diesen Dienst versahen.1 Der letzte Flurbannwart, Hans Sulzer, ging 1983 in Pension. Seither nimmt ein Mitarbeiter der Gemeinde diese Aufgabe wahr, die sich hauptsächlich auf die Überwachung der Parkanlagen im Siedlungsgebiet konzentriert und kaum Zeit für die Kontrolle der freien Flur lässt. Gleichzeitig nahm der Publikumsverkehr im Gebiet von den Langen Erlen bis Weilmatten enorm zu. Deshalb wurde immer wieder eine stärkere Kontrolle der Aktivitäten im sogenannten ‹Landschaftspark Wiese› gefordert, unter anderem auch bezüglich der zahlreichen Spaziergängerinnen und Spaziergänger mit Hunden.

ALLE HUNDE AN DIE LEINE
«Bald kommt die Leinenpflicht für Hunde», titelte die ‹Basler Zeitung› am 20. Juni 2013.2 Auslöser dafür war folgende Mitteilung «Aus dem Gemeinderat»: «Der Landschaftspark Wiese ist ein äusserst beliebter Ort für Erholungssuchende aller Art. Eine besondere Anziehungskraft hat dieses Gebiet für Spaziergänger mit Hunden. Dies führt wiederholt zu Konflikten mit anderen Erholungssuchenden bezüglich Hygiene, Kindern, Fischern, Radfahrern und anderen. Eine regionale Arbeitsgruppe ist nun auf der Suche nach Lösungen. In diesem Zusammenhang unterstützt der Gemeinderat die IWB in ihrem Anliegen, den Leinenzwang für Hunde im gesamten Gebiet des Landschaftsparks Wiese während der Brut- und Setz-Zeit einzuführen.» Die ‹Basler Zeitung› postulierte: «[S]o viel steht fest: Die Pflicht, die Hunde an die Leine zu nehmen, wird kommen.» Der Artikel rief emotionale Reaktionen hervor. Die damals für den Bereich Umwelt zuständige Gemeinderätin Irène Fischer-Burri (SP) musste sich einiges anhören, wie sie erzählt: «Ich erhielt einige sehr unfreundliche E-Mails, interessanterweise vor allem von auswärtigen Hundehaltenden, die in die Langen Erlen zum Spazieren kamen. Sie meinten gar, jemand wie ich sollte nicht mehr gewählt werden.» Auch in der Leserbriefspalte der ‹Riehener Zeitung› wurde das Thema aufgenommen. Hier richtete sich die Aufmerksamkeit aber auch noch auf andere Aspekte der vielfältigen Nutzung in den Langen Erlen, wie zum Beispiel das Velofahren auf unbefestigten Wegen und das unzulässige Betreten der Grundwasserfassungsbereiche. Der Autor des BaZ-Artikels folgerte am Schluss: «Selbst wenn der Leinenzwang kommt, dessen Durchsetzung dürfte die Behörden vor Probleme stellen. Eigentlich hätten das die Parkranger tun können, doch wann diese die Arbeit aufnehmen – ja, ob sie es überhaupt tun –, ist alles andere als sicher. Das Parkrangerprojekt ist zurzeit auf Eis gelegt.» Inzwischen liegt das Projekt nicht mehr auf Eis, sondern ein Ranger bewegt sich quicklebendig im Landschaftspark Wiese. Und es beschäftigt ihn mehr als nur das Thema Hunde.

DIE WIESE-INITIATIVE ALS URSPRUNG
Wie ist es dazu gekommen, dass heute grüngewandete «Flurpolizisten» in den Langen Erlen dies- und jenseits der Grenze unterwegs sind? Nach meinem Amtsantritt in der Legislatur ab 2014 war das Thema Leinenpflicht nach wie vor virulent. Es gab aber auch anderes Konfliktpotenzial: illegale Partys und Abfälle, Radfahrende im Fahrverbot, Trampelpfade quer über die Felder, Sonnenbadende im hohen Gras, um nur das Wichtigste zu nennen. Naherholung, Naturschutz, Trinkwassergewinnung, Land- und Waldwirtschaft: Die vielen Ansprüche an die Wieseebene beschäftigten alle am Landschaftspark Wiese beteiligten Gebietskörperschaften gleichermassen – Basel-Stadt, Riehen und Weil am Rhein. Der Versuch einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit über die lokalen Medien erreichte und sensibilisierte vielleicht die Bevölkerung vor Ort. Die vielen Besucherinnen und Besucher aber, die von auswärts in die Langen Erlen strömen, bekamen von diesen Anstrengungen wenig mit. Um sie zu erreichen, muss jemand vor Ort sein wie früher der Bannwart. Am Anfang dieser Geschichte stand die Wiese-Initiative: Aus dem Widerstand gegen den Bau der Zollfreien Strasse geboren, wurde die Initiative «Zum Schutze der Naturgebiete entlang des Flusslaufs der Wiese als Lebensraum wildlebender Pflanzen und Tiere sowie als Naherholungsraum » am 12. Februar 2006 mit 58,2 Prozent Ja-Stimmen im Kanton Basel-Stadt angenommen – wenige Tage, nachdem die Arbeiten für die Zollfreie Strasse begonnen hatten. Die Regierung tat sich schwer mit der Ausarbeitung einer Vorlage zu dieser Initiative und beschränkte sich zunächst darauf, dem Grossen Rat als konkrete Massnahmen verschiedene Revitalisierungsprojekte in der Wiese- Ebene vorzulegen, wollte jedoch nicht wie verlangt einen weitergehenden Schutz des Gebietes gesetzlich verankern. Der zum Ratschlag3 berichtenden Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission (UVEK) des Grossen Rates ging das zu wenig weit. Sie forderte, dass der bereits 2001 erlassene Richtplan ‹Landschaftspark Wiese› in den nächsten Zonenplan zu integrieren sei. Das beschloss der Grosse Rat so am 12. November 2008. Zudem wollte das Parlament ein konkretes Konzept zur Erholungsnutzung und zur ökologischen Aufwertung im Landschaftspark. Der Regierungsrat legte dem Grossen Rat am 12. Januar 2011 das Erholungsnutzungskonzept vor.4 Erarbeitet hatte es die grenzüberschreitende Arbeitsgruppe ‹Landschaftspark Wiese› unter der Leitung von Franz L. Schmidli vom Hochbau- und Planungsamt Basel- Stadt. Der Kanton, die Gemeinde Riehen und die Stadt Weil am Rhein beschlossen es behördenverbindlich. Das Erholungskonzept nennt als übergeordnete Zielsetzung: «Durch die Steuerung der Erholungsnutzung soll die regionale Bedeutung des Landschaftsparks Wiese erhöht und der gemeinschaftliche Zusammenhalt gefördert werden.»

DER RANGER: EIN MODERNER FLURBANNWART
In diesem Papier taucht zum ersten Mal der Begriff ‹Ranger› auf. Im regierungsrätlichen Schreiben an den Grossen Rat heisst es: «Für verschiedene Aufgaben (Besucherbetreuung, Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Pflegeund Reparaturarbeiten, Überwachung und Schutz, wissenschaftliche Arbeiten) innerhalb des Landschaftspark Wiese ist der Einsatz von Rangern zu prüfen.» Ein eigener Punkt ist dem «Koordinationsthema Hunde» gewidmet. Wie soll mit den Vierbeinern umgegangen werden: generelle oder punktuelle Leinenpflicht, Spezialgebiete oder gar keine Regelung? Schliesslich wird ein zweistufiges Vorgehen vorgeschlagen. Zuerst soll sensibilisiert, verstärkt kontrolliert und dabei auf die Durchsetzung der bestehenden Regelungen wie der Kotaufnahmepflicht geachtet werden. Erst wenn diese Massnahmen versagen, sollen restriktivere Gebote oder Verbote erlassen werden. In der ersten Stufe – Sensibilisierung, Aufklärung und Kontrolle – spielt der Ranger eine wichtige Rolle. Auch für andere Konfliktthemen wurde er zum Hoffnungsträger. Zunächst galt es aber erst einmal, die Finanzierung eines solchen Rangerdiensts zu gewährleisten. Da die nötigen Beschlüsse nicht in der Kompetenz der Arbeitsgruppe lagen, wurde im Jahr 2016 ein politisches Steuerungsgremium für den Landschaftspark Wiese eingesetzt. Sie besteht aus Regierungsrat Hanspeter Wessels (BS), Gemeinderätin Christine Kaufmann (Riehen; Vorsitz), Bürgermeister Christoph Huber (Weil am Rhein) sowie bis 2018 Bürgermeister Michael Wilke (Lörrach) respektive seiner Nachfolgerin Bürgermeisterin Monika Neuhöfer- Avdic. Die von der politischen Steuerung verabschiedete Vorlage für das Projekt ‹Ranger› wurde vom Gemeinderat Riehen, dem Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt und dem Gemeinderat Weil am Rhein im Herbst 2017 bewilligt. Die Summe von 360 000 Franken für die Finanzierung von 100 Stellenprozent während 3 Jahren inklusive Arbeitsplatz und Ausrüstung tragen zu 60 Prozent der Kanton Basel- Stadt und zu je 20 Prozent die Körperschaften Riehen und Weil am Rhein. Freilich stiess das Vorhaben nicht nur auf Wohlwollen, sondern die Installation eines «Umweltpolizisten » rief teilweise auch Skepsis hervor.5 Die Ausschreibung des Dienstleistungsauftrags für den Rangerdienst hatte den gesetzlichen Anforderungen sowohl schweizerischer wie deutscher Grundlagen zu entsprechen – ein zweistufiges, offenes Verfahren nach GATT / WTO mit entsprechend hohen formellen Hürden. Mit der Offerte zu überzeugen vermochte die Firma Hintermann & Weber AG aus Reinach BL. Sie konnte mit dem Hauptranger Yannick Bucher einen erfahrenen Parkranger mit den nötigen Qualifikationen stellen, der bereits in zwei vergleichbaren Gebieten – Greifensee und Reinacherheide – tätig gewesen war. Unterstützung sollte er von zwei Mitarbeitenden des Trinationalen Umweltzentrums (TRUZ) erhalten. Als vorgesetzte Stelle und Ansprechpartnerin in der Verwaltung wurde die Fachstelle Umwelt der Gemeinde Riehen (Salome Leugger) gewählt. Nach der Auftragsvergabe folgte in der zweiten Jahreshälfte 2018 eine intensive Vorbereitungsphase. Sie beinhaltete einerseits die Erarbeitung von grenzüberschreitend anwendbaren Einsatzrichtlinien: Welche Verstösse und unerwünschten Verhaltensweisen sind im Landschaftspark Wiese zu erwarten? Welche Befugnisse haben die Ranger, wie reagieren sie wann? Welche Netzwerkpartner sind einzubinden und wann sind welche anzusprechen? Welche gesetzlichen Grundlagen gelten in der Schweiz, welche im deutschen Gebiet? Andererseits nutzten die Ranger die Zeit, sich allen Beteiligten vorzustellen und bereits vor ihrer ‹aktiven Phase› das professionelle Netzwerk aufzubauen. Das war nicht zuletzt deshalb wichtig, weil die Ranger keine polizeilichen Befugnisse haben und bei Bedarf rasch auf die zuständigen Stellen zurückgreifen müssen. Am Wochenende vom 23./24. Februar 2019 war es dann so weit: Die Ranger Yannick Bucher und Raphael Böhm sowie die Rangerin Martha Koelbing präsentierten sich an zwei Anlässen der Bevölkerung und informierten zum ersten Mal aus erster Hand über ihre Tätigkeit. Am 1. März traten sie ihren Dienst offiziell an. Der Start der Projektumsetzung wurde weitherum in der Presse reflektiert, insbesondere die Einmaligkeit eines grenzüberschreitenden Rangerdiensts fand Beachtung.6

DIE ERSTEN ZEHN WOCHEN IM DIENST
Zum Abschluss lassen wir Yannick Bucher berichten, wie er die ersten zehn Wochen im Amt erlebt hat: «Wir sind gut gestartet, und es hat sich sehr ausbezahlt, dass wir uns Zeit gelassen haben für die Vorbereitung mit vielen Gesprächen und Kontakten. So konnten wir uns schon ein Bild machen über die Hauptsorgen der Akteure im Landschaftspark Wiese. Zum Beispiel haben wir alle Bauern, die auf Schweizer Gebiet Land bewirtschaften, getroffen. Dabei haben wir gehört, dass die Trampelpfade quer durch die Felder ein grosses Problem darstellen, und können jetzt Personen gezielt darauf ansprechen und sie dafür sensibilisieren, dass von diesen Feldern eben geerntet wird. Dasselbe gilt für die Trampelpfade entlang den Bächen mit ihren sehr sensiblen Uferzonen. Ein weiteres grosses Thema sind die Velofahrer auf Wegen mit Fahrverbot, auch Hunde, die frei laufen gelassen werden, wo sie das nicht sollten. Mit illegalen Partys oder deren Hinterlassenschaften sind wir natürlich auch konfrontiert. Und immer müssen wir natürlich wissen, was nun wo genau gilt, es gibt kaum Regeln, die einfach über das ganze Gebiet gelten. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus unseren Aufgaben – wir sollten uns um sehr vieles kümmern, und daneben schauen, dass die Vermittlungsund Umweltbildungsarbeit nicht zu kurz kommt. Aber uns fällt auf, dass uns Rangern hier mit grossem Respekt begegnet wird, das ist in anderen Gebieten anders.» Sicher bis 2021 sind die Ranger nun in der Wieseebene unterwegs. Ob die Weiterführung des Projekts Sinn macht, soll eine begleitende Evaluation aufzeigen. Auch wenn der ‹Bammert› heute als Ranger und ohne Gewehr durch das Gebiet streift, die Aufgaben gehen ihm oder ihr vorläufig nicht aus.7

1 Hans Schultheiss: Vom Bämmertli Jerg, Stümpli
Sämi und andere Bammert, in: z’Rieche 1989,
S. 162–171.

2 Mischa Hauswirth: Bald kommt die Leinenpflicht
für Hunde, in: Basler Zeitung,
20.06.2013, URL: www.bazonline.ch/basel/stadt/
bald-kommt-die-leinenpflicht-fuer-hunde/
story/12282539, Zugriff: 22.07.2019.

3 Ratschlag zur Umsetzung der unformulierten
Initiative «Zum Schutz der Naturgebiete
entlang des Flusslaufs der Wiese als Lebensraum
wildlebender Pflanzen und Tiere sowie als
Naherholungsraum» und Bericht der UVEK,
12.11.2008, URL: www.grosserrat.bs.ch/de/
geschaefte-dokumente/datenbank?such_
kategorie=1&content_detail=200102356,
Zugriff: 22.07.2019.

4 Regierungsratsbeschluss vom 12.01.2011,
Umsetzung der unformulierten Initiative «Zum
Schutz der Naturgebiete entlang des Flusslaufs
der Wiese als Lebensraum wildlebender
Pflanzen und Tiere sowie als Naherholungsraum
» (Wiese-Initiative), URL: www.grosserrat.
bs.ch/dokumente/100371/000000371243.
pdf?t=156112035820190621143238, Zugriff:
22.07.2019.

5 Alexander Müller: Basel erhält eine Umweltschutzpolizei,
in: Basler Zeitung, 19.10.2017,
URL: www.bazonline.ch/basel/stadt/baselerhaelt-
eine-umweltschutzpolizei/
story/23600214, Zugriff 22.07.2019.

6 Darunter Radio SRF, Regionaljournal Basel
Baselland, 01.02.2019, URL: www.srf.ch/play/
radio/regionaljournal-basel-baselland/audio/
ein-binationales-rangerteam-fuer-denlandschaftspark-
wiese?id=74bffd23-60af-
49b5-a3c0-5a12f1c84edb, Zugriff: 22.07.2019.

7 Aktuelle Informationen finden sich auf der
Website www.landschaftsparkwiese.info.
Ein grosser Dank geht an Silvan Aemisegger,
Projektleiter im Planungsamt des Bau- und
Verkehrsdepartements Basel-Stadt und
profunder Kenner des Landschaftsparks Wiese,
für die sorgfältige und ausführliche Dokumentation,
ohne die dieser Artikel nicht hätte
entstehen können.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2019

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