Das Wettsteinhaus - eine alte Bauanlage und ihre Restaurierung

Helmi Gasser

Die Bezeichnung «Landsitz» ist auch in vergangenen Zeiten ein recht dehnbarer Begriff gewesen, dessen Spannweite vom Schloss bis zum Bauernhaus reichte. Solche Gegensätzlichkeit, solche Mischung von Ländlichkeit und Repräsentation mag ein Stück weit sogar in einem jeden Landsitz stecken. Ausserhalb der mauerumschlossenen Stadt mit ihren engen Begrenzungen und Bindungen — in landschaftlicher Weite ■— scheint sich ein Gutsbesitzer unumschränkter als freier Herr gefühlt zu haben, der sich hier nach eigener Façon ein kleines Königreich einrichten mochte.


Die breite Ausfächerung der verschiedenen Landhaustypen hat sich jedoch erst in der neueren Zeit vollzogen. Landwirtschafts- und Gartenbesitz ausserhalb der Stadt stellte zwar für begüterte Basler Bürger schon im 13. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit dar. Seltener aber war damit eine herrschaftliche Behausung verbunden: es handelte sich dann um eine Burg oder ein befestigtes Wasserschloss. Noch im 16. Jahrhundert bildeten jene auf knappem Grundriss in die Höhe steigenden, mit Zinnengiebeln versehenen Weiherhäuser die für ein Herrschaftshaus auf dem Lande übliche Bauform. Im Umkreis Basels gruppierten sich diese vorweg im Südwesten, um den Fuss des Bruderholzes, in Bottmingen, Binningen und jener ganzen «Wasserschlösschenkolonie» von Gundeldingen.


Die Entwicklung von Landhäusern, welche das Wehrbauschema verlassen und als herrschaftliche Anlage in Umgebung und Landschaft gestellt werden, ist in unsern Regionen eine Leistung des Barock. Sie hat im 17. Jahrhundert begonnen und im 18. Jahrhundert ihre vielgestaltige grossartige Entfaltung erlebt. An diesem Wandel der Baugesinnung wie dem damit zusammenhängenden veränderten Verhältnis zur freien Natur war das schwindende Vertrauen in das Schutzvermögen der städtischen Mauern nicht unbeteiligt.


Mit der neuen Bauform ging auch ein Wechsel der Standorte einher: vom gewässerreichen Südwesten nach Nordosten, in die sonnige Gegend von Riehen. Im Barock ist Riehen die Sommerresidenz der Stadt

Basel geworden. Und da in Basel ein Patriziat tonangebend war, äusserte sich dies nicht in einer einzelnen imposanten Schlossanlage, sondern in einer Mehrzahl herrschaftlicher Sitze. Rund zwanzig hat Riehen schliesslich in seiner Gemarkung aufgewiesen. Kein anderes Schweizerdorf könnte mit einer derart hohen Zahl aufwarten. Gründe dafür gibt es zur Genüge.


Einmal mögen landschaftliche aber auch landwirtschaftliche Vorzüge das Wohlgefallen der Städter auf sich gelenkt haben: die sanft ansteigende, milde und liebliche Lage in der Weite des vorderen Wiesentals, die grosse Fruchtbarkeit des Bodens, das Gedeihen köstlichster Baumfrüchte und — ein Punkt von allergrösster Wichtigkeit: das Dorf war ein hervorragendes Rebbauzentrum, aus dem der anerkannt beste Baslerwein hervorging. Ins Gewicht gefallen dürfte im weitern sein, dass Riehen Sitz einer Landvogtei war und somit das städtische Eigentum auch bei Abwesenheit des Besitzers unter ständiger obrigkeitlicher Aufsicht stand. Die starke Hand der «Gnädigen Herren» blieb um so spürbarer, als Riehen die stadtnächste der grossen Vogteien war. Und bei überfällen mochte die mit einem Speicherwall umgebene Kirchenburg noch immer einen gewissen Schutz bieten. Ein anderer Vorteil bestand in der Stadtnähe, der guten Erreichbarkeit — zu Fuss eine Wegstunde, und mit dem Pferd hat man kaum länger gebraucht als heute mit dem Tram. Dabei erwies es sich noch als besonders günstig, dass eine ebene, gut befahrene Landstrasse nach Riehen führte, die zudem vom Riehentor wie vom Dorf her auf lange Strecken überblickbar blieb und auch nirgends durch dunkle Wälder oder sonstige Räuberhorste führte, selbst das Galgenfeld (bei der heutigen Allmendstrasse) lag in dezentem Abstand. Gefördert wurde indessen die Errichtung von Landsitzen in und um Riehen schon im 16. Jahrhundert auch von der Basler Regierung, die den Ankauf von Grundbesitz dort Basler Bürgern vorbehielt und diesen erst noch von Steuerabgaben befreite. Gar nicht so unwesentlich war auch, dass Riehen schon früh ein habliches Dorf mit recht ansehnlichen Bauernhäusern war — in eine schäbig oder armselige Umgebung nämlich hätte man seinen feinen Landsitz gewiss nicht stellen mögen. Kam des weitern noch dazu, dass die Einheimischen als von nicht auflüpferischer Wesensart galten. Und schliesslich war Riehen — wie das ja auch heute mit ganzen Quartieren so geht — einfach eine gute, ja die beste Adresse geworden, womit sich die Landsitze nun erst recht mehrten.


So kam es, dass Riehen und Umgebung eine solche Anzahl und Vielgestalt von barocken Landhäusern besass und zum Teil heute noch besitzt, dass man deren Entwicklungsgeschichte und deren Differenzierungen eigentlich anhand dieser Riehener Beispiele beschreiben könnte. Von solchen Herrschaftshäusern wird denn auch das Ortsbild wesentlich mitbestimmt. Dies gilt insbesondere für den Dorfkern mit dem Klösterli, dem Rüedinhaus, der Landvogtei und den beiden Wettsteinhäusern, deren eines hier nun etwas näher betrachtet werden soll.


Das erste Haus, das Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein sich in Riehen erwarb (heute Baselstrasse 34) gehört, wie alle eben aufgezählten Herrschaftshäuser im Zentrum, zu den ältesten Riehemer Landsitzen. Es steht am Ende der alten Landstrasse von Basel und am Eingang zum heutigen Dorfplatz, dessen unterer Abschluss es gemeinsam mit dem auf der andern Strassenseite liegenden «Hus bi der Linden» bildet.


Der Landsitz Wettsteins ist auf einem Geviert errichtet, das an die Baselstrasse in einer Breite von 25 Metern anstösst und sich auf eine Tiefe von ca. 112 Metern erstreckt, also mehr denn viermal solang wie breit ist und ca. 2 800 m2 beinhaltet. Dieses Areal wird dabei in einzelne Zonen unterteilt: die Strassenzone wird einerseits gebildet durch das Haupthaus am Eck zum Dorfplatz, das etwa die Hälfte der Parzellenbreite ausfüllt, baselwärts schliesst sich das zweiflüglige Hoftor an und — gegen die Strasse ausspringend —- ein kleines Kabinett, dessen Rückfront auf der Flucht der Hauptfassade steht. Auf diese Bauten folgt ein weiter, etwa 30 m tiefer Hofbereich, der gegen das Kilchgässli durch eine Laubenbaute abgeschlossen wird, und auf der Gegenseite durch die Giebelfront des angrenzenden zweiten Wettsteinschen Landsitzes. Am rückwärtigen Ende riegelt das langgestreckte, die ganze Parzellenbreite einnehmende Hinterhaus den Hofbezirk ab. Hinter dieser Gebäulichkeit setzt dann der grosse Garten an.


Der Ausbau dieser Gesamtanlage geht, wie eingehauene Jahreszahlen, aber auch künstlerische Ausstattungselemente belegen, mit Ausnahme von Gittertor und Kabinett auf die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Will man sie sich also besonders authentisch vorstellen, muss man das Gittertor durch zwei Holzflügel und das Kabinett durch eine schlichte Mauer ersetzen. Wenn diese Anlage zwar keine eigentliche Befestigung mehr aufweist, werden ihre Umgrenzungen doch durchgehend von Mauerfluchten — Gebäudefronten oder Hofmauern — gebildet, was diese Hofstätte als in sich abgeschlossen erscheinen lässt.


Ihre Abfolge : strassenseitiges Haupthaus mit Verbindungslaube, Hof, Hinterhaus, Garten, sowie die strenge Trennung der einzelnen Bezirke entspricht dem Aufbauschema der Anlage der grossen städtischen Hofstätten, wie sie sich etwa am Nadelberg schon im 16., aber auch noch im 17. Jahrhundert darboten.


Man hat in jener Frühzeit des barocken Landsitzes, als es darum ging, anstelle der altmodischen Weiherhäuser eine neue Konzeption zu finden, gleichsam das Grundrissschema eines grossen städtischen Patriziersitzes hinaus aufs Land versetzt. Und wenn die Proportionen — Grundstücktiefe etwa viermal länger als Strassenbreite — durchaus städtischen Verhältnissen entsprachen, hat man die Gesamtdimension eher noch etwas grösser als selbst in den ausgedehntesten städtischen Patrizierhöfen bemessen. Die Grösse dieser Anlage des Wettsteinhauses muss auf den Städter sehr beeindruckend gewirkt haben und erst recht natürlich auf den Bauersmann.


Wiewohl der grundrissliche Aufbau aus der Stadt entlehnt wurde, hat dieser bei seiner Verpflanzung aufs Land doch auch einige Veränderungen durchgemacht: während in der Stadt die Freiräume, Hofund Gartenbezirk, klein gehalten werden, die Baukuben eindeutig das Ubergewicht haben, verhält es sich hier im Wettsteinhof gerade umgekehrt: die Freiflächen dominieren: der grosse Hof räum muss dem Städter von verschwenderischer Weite vorgekommen sein, und ebenso wird die Grösse des Baumgartens seine Bewunderung erweckt haben. Solche Priorität der Freiräume wird nun noch dadurch herausgehoben, dass die ganze Bebauung bloss zweigeschossig ist, während eine städtische Hofanlage jeweils dreigeschossig überbaut war. Noch etwas anderes hat sich gegenüber dem städtischen Vorbild verändert: die Umgrenzung der Gesamtanlage verläuft nicht straff und geradlinig, sie springt sowohl an der Baselstrasse, im Kabinettlein, aus, desgleichen am Kilchgässli in der Flucht der Nebenbauten. Hierdurch erhält die Umrissführung, ungeachtet ihres muralen Charakters, eine gewisse bewegte Lokkerheit. Und da auf dem Land zudem die Gesamtanlage nicht wie in der Stadt einem gleich organisierten Verbände eingespannt ist, sondern in einer völlig anders gearteten Umgebung steht, erlangt das übernommene Schema auch eine völlig andere Wirkung und Entfaltung.


In dieser grösseren Weite zunächst der eigenen Freiräume wie auch der freieren landschaftlichen Umgebung kommen insbesondere die verschiedenen Baukörper als solche wie ihre gegenseitige Bezugnahme zu stärkerer Geltung, wird vor allem der grosse Reichtum verschiedener Bauformen besser überschaubar. Es handelt sich im wesentlichen um eine lagernde Baugruppe. Die Längenerstreckung übertrifft allseits die Höhenausdehnung; einzig die beiden Treppentürme am Hauptund am Hinterhaus setzen, einmal eher in Hausmitte einmal am Gebäudeende, spannungsvoll verteilte Vertikalakzente.


Das gedrungene, das vordere Eck des Hofraumes einnehmende Haupthaus erlangt, freigestellt, eine ausgeprägte Plastizität. Es hält seine dominierende Stellung innerhalb der Gesamtanlage nicht nur durch seine stattlichen Proportionen, sondern auch durch seine Höhe, welche alle anderen Bauten etwas übertrifft. Das ihm an der Strasse beigeordnete Kabinett, ein kleiner, eingeschossiger Rechteckkörper mit straffem Walmdach, vermag diese behäbige Breiten- und Tiefenentwicklung des Hauptbaus noch kontrasthaft zu steigern. Das Hinterhaus, das dem Hofgiebel des Haupthauses gegenübersteht und den Hofraum abgrenzt, tritt in seiner langgestreckten Fassadenfront vorweg wandhaft in Erscheinung; auch der an seinem Ende -ausgestellte Turmschaft scheint mehr eine abschliessende, umleitende Eckfunktion zu übernehmen, ähnlich der am andern Ende ansetzenden Verbindungslaube zum Haupthaus. Diese, etwas niedriger, wirkt in ihrer langgestreckten Schmalheit und der transparenten Gerüsthaftigkeit ihres Aufbaus geradezu «leichtgewichtig», weniger körperhaft.


Alle diese Bauten haben nicht nur anders bemessene Gesamtproportionen, sondern unterscheiden sich auch im stark wechselnden Verhältnis von Mauer- und Dachhöhe, im verschiedenen Grad ihrer plastischen Wirkung, in der Gegensätzlichkeit von hellen Mauerflächen und farbigem Riegelwerk, wie in der Vielfalt der Dachformen. So zeigt die um einen Binnenhof angeordnete Baugruppe einen lebendigen Formenreichtum, in dem indessen ein sicheres Gefühl für Mass und Proportionen waltet ■— kein bewusstes Kalkül freilich — welches das Haupthaus zum bestimmenden Ausgangspunkt nimmt. Sowohl von innen wie von aussen bilden sich im Zusammenspiel dieser Baukörper, an dem sich ja auch das zweite Wettsteinhaus beteiligt, die reizvollsten Ansichten, die sich mit der Standortveränderung unentwegt wandeln. Zu dieser malerischen Ensemblewirkung trägt jedes dieser Gebäude mit seiner besonderen Eigenart bei.


Dies gilt an erster Stelle für das gedrungene Haupthaus, dessen Dachhöhe (ca. 7 m) etwas grösser ist als jene seines Mauerkubus (ca. 6 m). In seinen vier Seiten zeigt es gleichsam vier Gesichter: wiewohl das Gebäude tiefer (ca. 17 m) als breit (ca. 12,2 m) ist, sich in den Hofraum hineinentwickelt, glaubt man zunächst, die auf die Strasse blikkende, eigenwillig verzogene Giebelfassade mit ihrem Rundbogentörlein, der grossformatigen Fensterreihe im ersten Stock, der Quadereinfassung an der Ecke des Kilchgässli, bilde die «Hauptbreitseite». Ihre Breitenentwicklung wird einesteils betont durch den tief ansetzenden, in flacher Neigung zurückweichenden Halbwalm, aber auch dadurch, dass die Mauerfront am Fassadenende gegen das Hoftor um mehr denn 2,5 Meter über das eigentliche Gebäudeeck weitergezogen wird. Aus dieser Verlängerung ergibt sich im übrigen auch die Ungleichschenkligkeit der beiden Dachschrägen und damit die einprägsame Umrissform. Der Breiteneindruck dieser Hauptfassade wird erst noch herausgestrichen durch das kleinbemessene Kabinett, das im übrigen im Walmschild den Halbwalm des Haupthauses keck variiert.


Besagte Strassenfassade wird nun gleichsam noch durch einen weiteren «Kunstgriff» in ihrer Stellung als Hauptschauseite gestärkt: indem nämlich die an sich langgestrecktere Trauffront am Kilchgässli zum Teil von einem ihr angehängten Fachwerkanbau überlagert ist, also nur reduziert zutage tritt. Auch ihre spärliche Befensterung, im ersten Stock zwei in weitem Abstand gesetzte Zweiflügelfenster, trägt dazu bei, dass hier der Akzent bloss auf der zurückweichenden ausgedehnten Dachfläche liegt, und die strassenseitige Giebelfassade ihre Führerrolle behält. An der Dorfplatz- bezw. Kilchgässlifront verlagert sich die gestalterische Betonung vorab auf die farbige Riegelstruktur der Nebenbauten. Wiederum ganz anders schaut die gegenüberliegende baselwärtige Trauffront aus. Sie wird durch einen hoch hinaufsteigenden Treppenturm, welcher Traufe und Dachfläche durchschneidet und in seinem wimpelbesteckten Zeltdach beinah die Haupthausfirsthöhe erreicht, in zwei ungleiche Hälften geteilt. Zur linken setzt an ihm im 1. Stock eine mit feingedrechseltem Balustergeländer versehene Terrassenlaube an, der nun jene bloss vorgeblendete Verlängerung der Strassenfront als seitliche Abschlusswand dient. In dem beinah doppelt so langen Fassadenabschnitt rechterhand des Treppenturms befindet sich das breitrechteckige Eingangstor mit rosettenverzierter Tür.


Während bis hierher das Haupthaus einen rein muralen Charakter aufweist, zeigt sich die Rückfassade im wahren Sinne des Wortes nochmals von einer völlig anderen Seite: im Erdgeschoss eine schmale Tür zwischen einem Drei- und einem Zweiteilerfenster, im 1. Stock drei grosse Zweiflügelöffnungen; darüber erhebt sich ein Steilgiebel, der wiederum eine ungleichmässige Umrissform aufweist: während am freistehenden Eck die Dachschräge erst tief, beinah am Traufansatz in die flache Neigung der Traufe ausknickt, erfolgt diese Auswinkelung auf der anderen Seite schon im Bereich des oberen Estrichs, hat das Dach doch hier gegen das Kilchgässli sich noch über den vorkragenden Anbau auszudehnen. Dieser unverkennbar eigentümlichen, fast eigenwillig scheinenden Silhouette liegt also, wie dies bei alten Bauten stets der Fall ist, eine bauliche Funktion zugrunde. Der Giebel ist in Fachwerk errichtet, dem Brauche entsprechend geschossweise abgebunden. Die grossfeldrige Riegelkonstruktion wird im Mittelbereich — unter, um und über den öffnungen — durch Andreaskreuze, und seitlich durch spiegelbildlich sich entsprechende schräge Streben verstärkt und ausgeziert.


Das Hinterhaus hat langgestreckte (20 m) und schmale Ausmasse, seine Tiefe von 7 m entspricht der Höhe des Mauerkörpers. Das Dach erreicht, indem es ungefähr den gleichen Neigungswinkel aufweist wie das des Haupthauses, nur etwa die halbe Höhe des Mauerkubus. Der am unteren Ende vortretende polygone Treppenturm bleibt der Gebäulichkeit stark eingebunden, weil sein Mauerschaft mit der Hauswand abbricht, und sein Zeltdach genau auf der Trauflinie anhebt. Im gemauerten Erdgeschossbereich dominiert das Türmotiv: es hebt an im Treppenturm, setzt sich unmittelbar daneben in einer hochrechteckigen Zweiflügeltür fort, und während es etwa in Gebäudemitte in einem mächtigen Rundbogentor — es trägt im Scheitel die Jahreszahl 1651 — seine hervorstechendste Ausformung findet, klingt es seitlich in einem schmalen Bogentürlein mit Rechteckoblicht aus.


Das in Fachwerk aufgeführte Obergeschoss zeichnet sich aus durch einen stark logisch durchorganisierten Aufbau, in dem auch die ganze Innenraumdisposition klar ablesbar wird: Auf der Grundschwelle treten in regelmässigen Zwischenräumen die Köpfe jener Geschossbalken zwischen Parterre und 1. Stock hervor, über welche die Saumschwelle gelegt ist, der man ein profiliertes Gesimse vorgeblendet hat. Auch den Abschluss gegen den Dachansatz übernimmt ein solcher mit Schwellen gleichermassen gerahmter Saum. Die horizontalen Zwischenriegel sind auf der Höhe der Gesimsbänke, der Kämpferhölzer und der Stürze der Fenster durchgezogen, sodass sich ein ganz straffes Gerüst von Horizontalbändern ergibt, wobei jedoch die Höhe ihrer Abstände spannungsvoll variiert. Die vertikalen Hölzer sind so angeordnet, dass sie gleichzeitig die Gewände der Fenster bilden. Zwei besondes breite Ständer — Bundstiele — zeigen im übrigen Anfang und Ende des grossen Mittelsaales an. Die Felder zwischen den öffnungen werden nicht nur durch die drei Horizontalbalken gegliedert, sondern auch zusätzlich durch grosse Andreaskreuze oder Streben, während die Brüstungsfelder neben einem Mittelstiel mit kleinen Andreaskreuzen oder Scheren ausgelegt sind. Aus diesem Riegelgefüge wächst in Gebäudemitte — diese nochmals betonend — ein die Dachtraufe unterbrechender hoher Aufzuggiebel empor, der von einem vorwitzig hinausragenden, durch Büge abgestützten, flachen Walmdach bedeckt ist. Mit ihm, dem Zeltdach des Turmes und dem Satteldach des Hauses selbst finden sich allein an diesem Hintergebäude drei verschiedene Dachformen beieinander.


überraschend anders bietet sich dieses Gebäude wiederum von der Gartenseite dar, wiewohl die farbige Fachwerkzeichnung genau identisch ist mit jener der Vorderfassade. Hier hat dies Haus sein Eingebundensein in eine Hofstätte abgestreift, hier steht es, in seinen ganzen Umrissen überschaubar als ein Landhaus frei in der landschaftlichen Umgebung. Eingefangen in seine schlichte Gestalt, erlangt die Fachwerkstruktur, die ochsenblutfarbenen Hölzer, begleitet von den heller roten Feldereinfassungen, eine eindringliche Ausstrahlungskraft. Und wiewohl es seiner Zeit stärkstens verhaftet bleibt, scheint es bereits hinzuweisen auf das frei in die Natur gestellte Landhaus, sind in ihm die vielleicht zukunftsträchtigen Züge dieser Anlage enthalten.


Jene an der Gesamtanlage festgestellte Verbindung städtischer mit gewissen ländlichen Elementen lässt sich auch an den einzelnen Baukörpern beobachten: Als — für das 17. Jahrhundert — ländlich wirkt die Gedrücktheit des Haupthauses, ebenso die grössere Höhe des Dachs als des Mauerkörpers. Desgleichen wäre für innerstädtische Verhältnisse unüblich, dass das Haus zur Hauptstrasse giebelständig steht. Dörflich wirken auch die verzogenen, sich einseitig über Zubauten ausdehnenden Giebelformen. Ländlich mutet — für ein Haupthaus — auch der Fachwerkgiebel an der Rückfront an; unverkennbar städtisch dagegen

— fürs 17. Jahrhundert jedenfalls — der rein murale Charakter der Strassen- und Trauffronten. Auch die durchwegs grossen Fensterformate, insbesondere im 1. Stock, geben sich städtisch, und selbstverständlich wurde auch der mehreckige Treppenturm aus der Stadt importiert, wo es gerade im 17. Jahrhundert fast zum guten Ton gehörte, jeden ansehnlicheren Patriziersitz mit einem solchen auszustaffieren. Und richtiggehend Mode war es auch, diesen Türmchen balusterverzierte Laubenterrassen anzuhängen, wie hier am Wettsteinhaus. Gleichwohl ist zu vermerken, dass sowohl Treppenturm wie Laubengeländer im Dekorativen äusserst zurückhaltend bleiben; dies gewiss in Anbetracht der dörflichen Lage. Eminent städtisch ist sodann jene der Scheidmauer entlanglaufende Verbindungslaube zum Hinterhaus. Ländlich berührt indessen deren gänzlich schlichte Gestaltung — die Brüstung ist als blosse Verbretterung gehalten und die Stützpfeiler zeigen einfachste Form.


Was das Hinterhaus betrifft, so ist für Hofgebäude Riegelbauweise in der Stadt noch bis ins 18. Jahrhundert üblich. Und jedenfalls scheint die überaus klare und schöne Riegelkonstruktion einen geübten städtischen Zimmermeister zu verraten, auch die Verkleidung von Hauptschwellen mit profilierten Gesimsen zeigt die verfeinerte Baugesinnung der Stadt. Treppenturm und Aufzuggiebel entstammen desgleichen dem dortigen Repertoire. Anleihen an das Ländliche liegen indessen auch hier vor: Die Langgestrecktheit des Gebäudes scheint an Oekonomiebauten anzuknüpfen. Die traufständige Anordnung zum giebel ständigen Haupthause mag zudem an gewisse bäuerliche Hofstätten gemahnen. Insbesondere als ländlich weist sich die Mehrzweckfunktion des Gebäudes aus, — das Erdgeschoss wurde weitgehend für landwirtschaftliche Verrichtungen genutzt und selbstverständlich auch der grosse 5 m tiefe Keller —, es stellt wie manche bäuerliche Bauten ein geschossweise unterteiltes Mehrzweckhaus dar. Als städtisch und herrschaftlich, als äusserst luxuriös sogar, sind dagegen die beiden im Hofe plätschernden Brunnen anzusprechen, und natürlich auch das — freilich einer späteren Zeit angehörende — Kabinett. Städtischer Wohnkultur entspricht auch die reiche Innenausstattung, wenngleich selbst hier eine gewisse Zurückhaltung offensichtlich ist.


Gesamthaft dürften also die städtischen Komponenten überwiegen, wiewohl diese alle unter dem Einfluss der ländlichen Umgebung, in etwas «gedämpfter» Form auftreten und sich ihnen auch stets wieder bäuerliche Elemente untermischen.


Wiewohl die Anlage in ihrer heutigen kubischen Ausformung zur Hauptsache auf die Mitte des 17. Jahrhunderts, auf Bürgermeister J. R. Wettstein zurückgeht, wie dies u. a. drei Jahreszahlen im Hinterhaus: 1651, 1652, 1652 und entsprechende Ausstattungselemente des Vorderhauses belegen, sind in ihr auch sowohl ältere wie jüngere Elemente enthalten. Der älteste Kern steckt im strassenseitigen Haupthause, was vor allem an der Struktur des Erdgeschossinnern ablesbar wird. Entgegen den sonstigen Usanzen im alten Hausbau sind hier die meisten Zwischenwände nicht in Fachwerk, sondern in Bruchsteinmauern errichtet. Insbesondere wird die gegen das Kilchgässli gehende Gebäudehälfte durch eine starke, gässleinparallele Mauer von den anderen Räumlichkeiten abgetrennt (cf. Lucas Frey, Das Wettsteinhaus, z'Rieche 1962, 31). Drei Fensteröffnungen, welche in ihr anlässlich der Restaurierung festgestellt werden konnten, belegen ihr höheres Alter, worauf im übrigen auch die grössere Mauerstärke hinweist. Es fällt auch auf, dass hier im Erdgeschoss die strassenparallel laufenden Deckenbalken nicht durchgehen. Jede der beiden Gebäudehälften besitzt vielmehr eigenes Gebälk, das in der erwähnten Trennmauer abbricht, im Gegensatz zum oberen Geschoss, wo die Deckenbalken von Traufmauer zu Traufmauer sich über die ganze Gebäudebreite erstrecken. Jenes Geviert am Kilchgässli unterteilt nochmals eine ansehnliche Bruchsteinmauer in einen strassenseitigen Raum und ein ausgedehnteres hofwärtiges Abteil. Dabei ist auch deren Bodenniveau verschieden: es liegt im hinteren Bereich, der als einziger Teil des Gebäudes unterkellert ist, um zwei Stufen höher. Eine solche, den kilchgässleinwärtigen Gebäudeabschnitt quer unterteilende Bruchsteinmauer hat sich im übrigen auch im ersten Stocke erhalten, hier oben freilich als einzige Spur eines früheren Zustandes. Damit setzt sich also dieser ältere Teil wiederum aus zwei nicht unbedingt gleichzeitig entstandenen Kompartimenten zusammen und wiewohl der vordere Raum die grössere Mauerstärke aufweist, möchte man eher im anschliessenden Keller die Urzelle dieser Hofstätte vermuten. Kellern ■— mit oder ohne darüberbefindlichen Häusern — kommt in der Entwicklung des mittelalterlichen Steinbaus eine elementare Rolle zu. Und da gerade ein ländliches Haus zur Lagerung der Feldfrüchte auf einen solchen angewiesen war und im Dorfe Riehen solche Speicherkeller (und zwar keineswegs nur jene im Kirchhofe) urkundlich schon 1238 nachgewiesen sind, zwickt es einem, im Keller des Wettsteinhauses einen jener ältest bekannten Riehemer Keller zu vermuten.


Zur Datierung des vordem — nicht unterkellerten — Teils zeigten sich anlässlich der Restaurierung einige zeitlich enger fixierbare Anhaltspunkte: Es fanden sich Bruchstücke einer noch spätgotischen Dekoration — Grauband, von schwarzem Perlstab gesäumt. In Verbindung mit einem Grauband tritt dieses Motiv vorab in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts auf. Dies kleine Riehemer Steingebäude muss also zum damaligen Zeitpunkt schon gestanden haben. Und das Mauerwerk, dessen Kalksteinschichten kaum Einschüsse von Sandstein oder Ziegeln enthalten, steht jedenfalls den mauertechnischen Gepflogenheiten des früheren 15. Jahrhunderts näher denn jenen des 16. Auf dem Hans Bockschen Vogelschauplan des Dorfes Riehen von 1620 erscheinen anstelle des Wettsteinhauses zwei aneinandergeschobene Gebäulichkeiten, das vordere an der Landstrasse schaut giebelständig baselwärts, die anschliessende niedrigere speicherhafte Baute hingegen ist traufständig angeordnet. Man ist versucht, das vordere Haus mit dem strassenseitigen Räume, das niedrigere, langgestrecktere mit dem unterkellerten Hofabteil zu identifizieren.


Gewisse Anzeichen deuten alsdann darauf hin, dass das Gebäude schon vor Wettsteins Zeiten auf die Flucht des heutigen baselwärtigen Haupteingangs erweitert worden sei. Jedenfalls wird auch dieser jüngere Trakt durch Bruchsteinmauern quergeteilt und auffallenderweise liegt das Bodenniveau hier im hofwärtigen Räume beträchtlich tiefer. Als «Kronzeugen» für diese Annahme müsste ein Unterzugspfosten angesprochen werden, der heute — wohl nicht mehr in situ — im strassenseitigen Eckraum dieser jüngeren Gebäudehälfte steht. Sein Sandsteinsockel weist ihn als Erdgeschosspfosten aus. Und da man zu früheren Zeiten rigoros darauf achtete, alte Bauteile am betreffenden Hause selber wiederzuverwenden, gehört er mit Gewissheit zum alten Bestand. Sein sechseckiger Schaft wird an den Enden durch Wulstringe markiert. Der übergang vom Sechseck zum Viereck der blockhaften Kämpferund Sockelzone vollzieht sich dabei in noch stark gotisierender Weise: eine Sechseckseite stösst jeweils in das Eck hinein und mündet in einer aufgetreppten Schildchenform aus. Wenn Sechseckpfeiler zwar eine langlebige Stützenform darstellen, so schliessen doch die verschliffenen Ubergänge wie die Wulstringe eine Entstehung nach 1600 aus. Im weiteren weisen auch Täferüberreste aus derselben Stube (heute im Wettsteinhaus deponiert), die bescheidenste Intarsienfigurationen — Portalbogen — enthalten, stilgeschichtlich noch ins späte 16. Jahrhundert. Schliesslich verraten auch die teils recht unterschiedlichen Profile der Fassadenöffnungen, dass sie nicht in einem einheitlichen Bauvorgang angebracht worden sind. Solches ist selbst am Hinterhaus zu beobachten. Dass hier immerhin die gefasten Gewände überwiegen, mag ein Hinweis dafür sein, dass diese Profilierung zur Zeit Wettsteins beigezogen wurde.


Neben jenen älteren baulichen Bestandteilen, welche im äusseren Erscheinungsbild freilich nicht mehr hervortreten, gibt es noch einen «Spätling» zu erwähnen, das Kabinett. Eingeschossig enthält es an der gegen die Strasse vorgeschobenen Längsseite zwei hohe Rechteckfenster. Ein reichgestuftes Kranzgesimse trägt den eleganten Walm. Die strengen, geradlinigen Formen weisen in den beginnenden Klassizismus. Vergleicht man es jedenfalls mit einem andern, in Riehen an der Landstrasse stehenden Gartenkabinett, dem 1783 noch in stark rokokohaften Formen errichteten Cagliostropavillon, so scheint zwischen beiden Bauten eine Distanz zu bestehen, die nicht allein auf einer anderen Architektenpersönlichkeit, sondern auch auf einer veränderten Zeitgesinnung beruht. Auf dem Plan des Dorfes Riehen von 1786 ist das Wettsteinkabinett noch nicht eingezeichnet, wird indessen im Brandlagerbuch von 1807 vermerkt. Und da für das Jahr 1794 Bauvorgänge im Wettsteinhaus bezeugt sind (Jahreszahl im Gipsplafond des Hinterhaus-Treppenturms, auf 1794 datierter, mit «Pack» signierter Louis XVI Cheminéeriss (Staatsarchiv U 4,76), möchte man auch den Kabinettbau in diesen Zusammenhang stellen. Dabei liegt es nahe, ihn jenem Meister zuzuschreiben, der sich im Kaminentwurf zu erkennen gibt, dem Steinmetz- und Maurermeister Jacob Christoph Pack (1768— 1841). Einer alten Kleinbasler Steinmetzdynastie entstammend, nahm dieser neben seinem Berufe lebhaften Anteil am politischen Leben seiner Vaterstadt, stieg in der Folge zum Rebhausmeister und Ratsherrn auf. Die Universitätsbibliothek verwahrt von ihm eine lokalpolitischen Ereignissen geltende Chronik sowie eine Dokumentensammlung.


Die kunst- und kulturhistorische Bedeutung des wettsteinischen Landsitzes liegt aber nicht nur in der architektonischen Ausformung der Anlage, sondern auch in der bemerkenswerten künstlerischen Ausstattung. Wenn sich deren Schwerpunkte zwar vorab in den Innenräumen befinden, so verdienen auch einige Zubehörden des äusseren eine kurze Würdigung. So die beiden Brunnen, die freilich nicht mehr jene Gestalt zeigen, welche zu den für sie erstüberlieferten Jahreszahlen 1645 und 1647 passen würden. Der eine ist ein unter der Laube angebrachter kalksteinerner Wandbrunnen — das Becken eine Halbmuschei, der Stock ein Obelisk — der im Spätbarock entstanden sein dürfte. Der eigentliche Hofbrunnen hat einen streng gebauten Stock, mit Kannelüren, schweren, hängenden Lorbeergewinden, der bekrönt wird von einer Deckelurne. Er stellt eine Kopie des im Zopfstil (um 1785) errichteten Schöneckbrunnens in der St. Albanvorstadt dar und ist erst 1892 angefertigt worden, am Trog das Wappen der Auftraggeber, Heusler-Christ. Bis dahin stand — durch ein frühes Photo und Grundrisspläne bezeugt — ein Obeliskenbrunnen mit quadratischem Trog im Hofe. Solche Obelisken, zunächst zum Plastikarsenal der französischen Gartenbaukunst gehörend, erfreuten sich im späteren 18. und beginnenden 19. Jahrhundert als Brunnenstöcke auf Landsitzen grosser Beliebtheit, erinnert sei an jenen des Bäumlihofes und des Zäslingutes (heute vor dem neuen Gemeindehaus). Der Obelisk wurde schliesslich auch für öffentliche Dorfbrunnen ein viel beigezogenes Stockmotiv, so auch auf dem Dorfplatz von Riehen und an der Oberdorfstrasse (cf. Paul Hulliger: Alte Brunnen in Riehen, in: z'Rieche 1965). Als farbiges Detail mag im übrigen noch erwähnt werden, dass das Abwasser dieses Brunnens im Wettsteinhof noch weit ins 19. Jahrhundert als kleines Rinnsal unter dem Gittertor hindurch auf die Landstrasse, in den dort vorbeiziehenden Immenbach lief.


Ein prächtiges und vielbewundertes Zierstück bildet das schmiedeiserne Gittertor, das den Hof zwischen Haupthaus und Kabinett durchlässig abschliesst. Es ist ohne Zwischenfries in eine untere und eine obere Zone unterteilt. Im oberen ausgedehnteren Feld herrscht die Stabteilung vor. Das dekorative Hauptgeschehen dagegen konzentriert sich auf die niedrigen, beinahe quadratischen Sockelfelder der beiden Türflügel. Sie werden bestimmt von einem Milieu, das sich einer Raute einbeschreiben lässt, deren Ecken freilich ausgerundet sind und deren Seitengeraden sich in konkave Einbuchtungen auflösen. So ergibt sich eine zwar vielfach bewegte, aber gleichzeitig streng symmetrische Umrissform. Dieses Mittelfeld wird in seiner formalen Aussage verdichtet durch eine enge Vergitterung, deren Kreuzungsstellen Rosettchen besetzen. Die Mittelfigur umgeben lockere, beschwingtere, aber nicht minder symmetrisch gebildete Schlaufen und Volutenformen und Akanthusblüten. Die streng symmetrische Komposition, jener ebenso viel teilige wie geometrisch klare Mittelspiegel, dessen rosettenverzierte Vergitterung, das Fehlen von asymmetrischen Rocaillen, zeigen an, dass dieses Schmiedeisenwerk noch dem Régencestil zugehört und um oder nach 1730 entstanden sein dürfte. Aus dieser Zeit gibt es beispielsweise gestalterisch recht verwandte Oblichtgitter in der Sammlung des Kirschgartenmuseums. Die Plättchen an den Milieuecken der aufgetriebenen Mittelteller stellen indessen spätere Zufügungen dar, auch die Rosetten sind grossenteils flach ergänzt. Es fällt zudem auf, dass die beiden Türflügel unüblicherweise breitenmässig nicht die ganze öffnung füllen, sondern ihnen seitlich zwei schmale Beistösse zugesetzt sind, die zudem noch von eckig gebrochenen Mäanderformen durchzogen werden, die je eine Kreisrosette abschliesst — beides Motive, die nicht in der Régence, sondern erst im Klassizismus auftreten. Es ist demnach anzunehmen, dass das Gittertor nicht ursprünglich für seinen jetzigen Standort angefertigt wurde, sondern frühestens bei der Erstellung des Pavillons, 1794, hierher versetzt wurde. Dies bestätigt auch die ziegelbedeckte Torüberdachung, an welcher das Kabinettkranzgesims architravhaft weitergeführt ist. Solchen überdeckten Torkonstruktionen sind sonst auch stets Holztüren eingefügt. In dieser «Sonderform» des Wettsteinhauses wird einesteils die hofstättenhafte murale Geschlossenheit der Anlage gewahrt, während anderseits das Gittertor in seinem kunstvoll figurierten Netze doch einen Ausschnitt auf das reizendste preisgibt.


Als Werk der Bildhauerkunst ist ein im Garten aufgestelltes Gedenkmonument erwähnenswert, eine vor einer Urne sitzende Frauenfigur, das J. A. M. Christen (1769—1838), dem angesehenen innerschweizer Bildhauer zugeschrieben wird (cf. Lucas Frey, Das Wettsteinhaus, z'Rieche 1962). Während also die künstlerischen Zierstücke des äussern nachwettsteinischer Zeit entstammen, birgt das Innere, von weniggen Ausnahmen abgesehen, noch weitgehend Ausstattungsbestandteile aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Das wird schon beim Eintreten augenfällig in der grossen Eingangstür, deren sechs Felder je eine geschnitzte Rosette schmückt. Diese sind noch nach spätgotischer Manier als Hagrosen gebildet, mit einem zweifachen Kranz aus zweilappigen Blüten- und spitzen Laubblättern. Es dürfte dieses Motiv, das als Basler Haustürenzierde sich bis in den Spätbarock hinein grösster Beliebtheit erfreute, hier im Wettsteinhaus nicht nur seine reichste, sondern zugleich auch seine ältest erhaltene Ausformung zeigen, die altertümliche Gestaltungsart deutete zugleich darauf hin, dass es bereits damals auf alter Tradition fusste.


Dir Türblätter des Inneren, zumeist aus Tannenholz gefertigt, mit sehr schlichten Zweifelderfüllungen, eingepasst in geohrte, architravüberdeckte Türgestelle, wurden mit Hilfe des Malers mit einem kostbaren gemaserten Furnier versehen. Mittels einer originellen Kleistertechnik liessen sich nicht nur kastanienbraune Maserierungen wie von kostbaren exotischen Hölzern hervorzaubern, sondern auch frieshafte Einlegearbeiten, ja selbst eine illusionistische Plastizität. Die auch technisch interessante Imitationsmalerei wurde anlässlich der Restaurierung des Wettsteinhauses erstmals aufgedeckt und stellt bis heute in unserem Umkreis das einzig bekannte Beispiel dar. Dieses Erscheinungsbild edelsten Holzwerks wird nun gleichsam noch vervollkommnet durch zinnern schimmernde Beschläge, die in ihren durchbrochenen Formen, kostbar und erlesen wie Schmuckstücke anmuten. Die Türgriffe mit ihren reich verzierten, gravierten Schilden, die grossen Sförmig geschwungenen Angelbänder, die mächtigen, langgezogenen Schlösser, deren Kästen machmal kleeblattförmig enden, deren Schliessmechanismus oft aber auch freiliegt — nur ein knappes, gleichfalls graviertes Deckblatt ist aufgesetzt — und schliesslich die als Blattgroteske gebildeten Schlüsselschilder, sie alle zeigen prachtvollstes Basler Schlosserkunsthandwerk aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.


Besonderes Gewicht kommt im Wettsteinhaus einer anderen kunsthandwerklich gestalteten Zubehörde zu, den öfen. Der Sitz enthält 4 frühbarocke öfen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich nicht um jene buntglasierten grossen Turmöfen, welche damals von auswärts, vorab von Winterthur bezogen wurden, sondern um Erzeugnisse des einheimischen Ofenbaus: bloss eingeschossige, auf Balusterfüssen stehende Körper, deren obere Abschlussplatte von einem Kranzgesims getragen wird. Einer ist als schlicht langrechteckiger Kastenofen an die Wand gestellt, die drei anderen ragen hufeisenförmig rechtwinklig in den Raum hinein. Diesen ist seitlich, bis zur Zimmerecke eine Ofen-Kunst beigegeben. Der eine weist grünglasiert reliefierte Kacheln mit kranzumwundenem Buckeloval auf, die Zwickel sind mit weiblichen Genien und Schwänen ausgefüllt, am Fries des Kranzgesimses findet sich Beschlagwerk. Bei den drei anderen öfen sind die Kacheln plan gehalten; ihre Musterung hebt sich vorab durch den Wechsel von schwarzer und grüner Glasur ab. Die Kacheln setzen sich zu einer kontinuierlichen Musterung von Rosettenmotiven zusammen, wobei schwarz als Grundfarbe, grün für die stilisierten Blumenformen angewendet wird. Den Kranzfries belebt eine ganze Reihe von Taubenpärchen. Die hier aufgegriffenen Dekorationsformen gemahnen stark an Behangdamaszierungen. Solche Bezugnahme dürfte sehr bewusst getroffen worden sein, man wollte eine harmonische Einheit der Innenausstattung schaffen, in welcher öfen, Vorhänge und Wandbespannung farblich und dekorativ zusammenstimmten. Vergegenwärtigt man sich, dass sich in der Stadt nur mehr etwa zwei solcher Basler öfen des 17. Jahrhunderts noch an ihrem angestammten Orte befinden, und rechnet man dann noch die beiden etwa gleichzeitigen öfen des anderen Wettsteinhauses (deren einer datiert 1663) hinzu, so ergibt sich, dass heute im Wettsteinhaus zu Riehen das Zentrum solcher Basler öfen vorliegt.


Mit ihnen ist das Ofenthema übrigens noch keineswegs erschöpft. Im 1. Stock des Hinterhauses, in der Täferstube, befindet sich noch ein erlesener weiss-seegrüner Spätbarockofen. Er hat nicht mehr jene Rokoko-Form mit hohem Oberbau, sondern ist als ein auf streng geraden Füssen stehender, gedrungener Zylinderkörper gebildet, mit Blumengirlanden behängt, den eine Kuppelglocke abschliesst, auf der als Bekrönung eine Henkelvase mit herausguckender Artischocke steht. Der Gesamtaufbau zeigt bereits den frühen Louis XVI Stil, auch gewisse Dekorationselemente wie Kannellüren, Ketten mit kugeligen und länglichen Perlen. Die Vasenbekrönung mit ihren akanthusblätterhaften Henkeln, in der vegetabile und amorphe Formen ineinander übergehen, reicht dagegen ins Louis XV zurück, wiewohl gerade in ihrer zarten bildnerischen Gestaltung im wahren Sinne des Wortes der künstlerische Höhepunkt vorliegt; jene subtil dargestellten übergänge und Unterschiede von zartem Blattwerk, bewegtem Tuch und festerer Vasenform erreichen, sowohl kompositorisch wie gestaltungsmässig, höchste Vollendung. Die Artischocke in der Schüssel wirkt überdem als witzige Persiflierung jener etwas älteren Gepflogenheit, einen Ofen mit einem Artischocken-Knopf zu bekrönen. Hier ist ein überlegener Entwerfer am Werk gewesen, der aus einer früheren Zeit herkommend den Schritt ins Louis XVI getan hat. Im Aufbau besteht eine gewisse Verwandtschaft mit einem Ofen aus dem ehemaligen Wasserschloss GrossGundeldingen, insbesondere aber mit jenen von Werenfels konzipierten des Segerhofs, wobei freilich diese die Louis XVI-Elemente noch um einen Grad konsequenter durchhalten. Der Ofen aus dem Wettsteinhaus dürfte demnach in den achtziger Jahren des 18. Jh. entstanden sein.


Da seine an Ringen aufgehängten Blumengirlanden ein Motiv darstellen, das Werenfels ausgesprochen bevorzugt hat und deren Wechsel von Rosen, Margueriten, Eichenlaub grosse übereinstimmungen besitzt mit jenen gleichfalls von Werenfels entworfenen Vestibülschnitzereien des Stadthauses, im weiteren sich auch für die Vasenbekrönung Verbindungen zu Werenfelsöfen herstellen (Haus zum Delphin), möchte man in diesem Meister auch den Autor des Wettsteinofens sehen. Und da nicht nur der Entwurf auserlesen erscheint, sondern auch die handwerksmässige Realisierung sich höchst anspruchsvoll gestaltet haben muss, könnte man annehmen, er sei in derselben Werkstätte wie die Segerhoföfen, bei Hafnermeister Alexander Mende gefertigt worden, von dem bekannt ist, dass er sich seine Kenntnisse im FayenceOfenbau in ausländischen Ateliers erworben hatte.


Was die Innenraum-Ausgestaltung anbelangt, treten zwei verschiedene Konzeptionen auf: bei der ersten wird die Stube mit einer Holzverschalung ausgekleidet, sei es in Form des noch auf die Gotik zurückgehenden Leistentäfers (hier im Wettsteinhaus mit barocken Flachprofilen) oder in jenen für den früheren Barock noch typischeren Felderdecken. Bei ihnen wird die Deckenverbretterung mittels längs wie querlaufender, fast rippenhaft kräftiger Leisten in rechteckige Felder unterteilt. Dabei ruht dieser Raumdeckel auf einem Wandgesimse auf mit Zahnschnittsaum und einem Triglyphenfries, der applizierte Flachschnitzereien — streng symmetrisch sich entwickelnde beschläghafte Maureskenfigurationen — enthält. Solche Felderdecken lassen sich in alten Basler Häusern noch hin und wieder antreffen. Es handelt sich zwar nicht um eine prunkvolle, aber doch dem gehobenen Bürgertum entsprechende Ausgestaltung. Da an einer gleichfalls mit Triglyphenarchitrav ausgestatteten Tür die Jahreszahl 1652 angebracht ist, dürfte dieses Datum auch für die Felderdecken des Wettsteinhauses Geltung haben.


Ein Bereich des Raumes indessen — die Ofenecke — durfte der Feuersgefahr wegen weder vertäfert noch mit Tüchern ausgehängt werden. Man machte aus dieser Not schon früh eine Tugend und malte sie bald mit dekorativen, bald mit figürlichen Darstellungen aus. Da sich zumeist auch eine Kunst hier befand, konnte der Ofenhocker sie in Musse aus nächster Nähe betrachten. Eine solche Ofeneckenmalerei hat sich in der Täferstube des Hinterhauses erhalten (cf. Einbanddecke). Wegdenken muss man den feinen Louis XVI-Ofen und an seine Stelle einen schwarzgrünglasierten Hufeisenkasten setzen. Hier bauschen sich in langen Röhrenfalten tiefgrüne Sammetvorhänge. Und kein einziges der gleissenden Ringlein fehlt, mit denen sie an einem eisernen Vorhangstab befestigt sind. Man hat also genau das hingemalt, was in Wirklichkeit aufzuhängen streng verboten war. Einer dieser Vorhänge ist etwas hochgeschoben und gibt — wie auf einer Bühne — den Blick frei auf den Giggishans, das getreue Faktotum des Bürgermeisters Wettstein. Da sitzt er, hinter einem Tisch, der kugelig gedrechselte Balusterfüsse hat und mit einem feinen Leinenlaken bedeckt ist. Darauf breiten sich gute Dinge aus, Käse, Brot, auf einem Zinnteller Messer und Wurst, daneben als leckere Würze eine Zitrone aus dem fernen Italien. Von einer Bank im Vordergrund erklettert ein junges Tigerkätzchen -— genau auf der Höhe eines Wursträdchens — den Tisch, um sich auch einen Happen wegzufischen und schliesslich steht, diskret ganz in den Winkel geschoben eine zinnene, wahrhaft gut dimensionierte bauchige Deckelkanne. Giggishans stützt sich mit beiden Armen auf das Tischblatt, angetan mit grauen Beinkleidern, einem gegürteten dunkellilanen Wamse, das mit einer dichten Knopfreihe versehen ist. Aus den geschlitzten ärmeln tritt das feinst gefältelte weisse Hemd hervor, sogar eine vornehme Halskrause hat er umgelegt. Mit seiner linken Tatze fasst er den Tellerfuss eines hauchdünnen, hochstieligen Spitzkelchglases, in dem es rötlich golden funkelt. Sein schon etwas verwittertes, gut gerötetes Gesicht wird von einem nicht ungepflegten dunklen Vollbart umrahmt. Er scheint hier hinter dem Ofen richtiggehend ein Herrenleben zu führen. Und hält man daneben ein Porträt seines Herrn, so besteht in der gediegenen Gewandung und im äusseren Habitus kaum ein Unterschied, bloss, dass dem Giggishans eine Haartolle in die Stirn fällt. Und rechnet man noch den feingedeckten Tisch dazu, dann weiss der geneigte Betrachter: hier ist in satirischer Weise der Diener als Herr verbildlicht. Auch die Beischrift spottet: «O wie bin ich ein ubelzeitger Mann/Hanns Jäckhlin von Basel, genanth/ Giggis Hans/1654.» Jedenfalls zeigt jene zweite Darstellung des Giggishans, an der Kellertüre des andern Wettsteinhauses, sowohl in punkto Kleidung wie Aussehen eine sehr gegensätzliche Erscheinung.


Man mag diesem Gemälde, legt man an ihm die strengen Massstäbe grosser Kunst an, wohl einiges vorwerfen können, u. a. etwa die teigig, formal verschwommen gemalten Hände. Auch wären perspektivische Regelverstösse unschwer nachzuweisen, wenngleich in dem emporkletternden Kätzchen wie in der Anordnung des Tischblattes durchaus eine gewisse Tiefenraum Vorstellung erzielt wird. Auch die mittels Lichtschattenwirkungen erreichte kräftige Plastizität der verbildlichten Gegenstände vermag die räumliche Anschaulichkeit herauszuheben. Der Zecher mit dem Glase sowie das Tischtuchstilleben verraten im übrigen, dass dem Maler die zeitgenössischen Werke der Holländer nicht ganz unbekannt gewesen sein müssen. Seine grösste Stärke liegt indessen deutlich in der farblichen Behandlung, die ausgesprochen bemerkenswert ist. Die Farbkomposition baut sich aus zwei Diagonalfeldern auf: unten in Tischtuch, Brot, Käse, Zitrone, Tigerkatze, Teller, Kanne, Hose, Wams, Hemd, eine reiche Variation von weiss, gelb, grau und dunkellila. Und da der Maler diese an sich schon verwandten Töne nicht rein, sondern zumeist mit Beimischung von grau, verwendet hat, ergibt sich eine besonders feine Eingestimmtheit. In solchem eher zurückweichenden, zurückhaltenden Farbenkomplex glühen einige Flekken Rot auf, der rotgoldene Wein, die karminhafteren Wurstscheiben und das hitzig gerötete Gesicht, aus dem dann wiederum das wässrige Blau der Augen sich abhebt. Dieser Farbengruppe setzt sich im obern Bilddreieck das schwere, samthaft glänzende Grün des Vorhangs gegenüber, ein satter Kontrast, der die farbige Gesamtwirkung zu intensivieren vermag. Der Maler hat zur Farbe offensichtlich eine elementare Beziehung gehabt, die sicher gesetzten Glanzlichter und Schlagschatten weisen ihn auch als einen in der Wandmalerei wohlbewanderten Künstler aus. überdem versteht er es, den Dargestellten in recht lebensvollen Gesichtszügen zu charakterisieren. Das Motiv des hochgehobenen Vorhangs ist für eine Porträtdarstellung in der Jahrhundertmitte allerdings nicht mehr ganz jung — Hans Bock d. ä (f 1623) hat es mit Vorliebe angewendet. Es dürfte vielleicht einen gewissen Hinweis in sich bergen, dass der Künstler wohl in einem damals schon etwas bestandeneren Meister zu suchen wäre. Da man aber von den Werken der zu dieser Zeit tätigen Basler Maler nur recht verschwommene Kenntnisse hat, wagt man nicht, es mit einem bestimmten Künstlernamen in Verbindung zu bringen. Das Giggishans-Bild stellt immerhin das einzige erhaltene Basler Wandgemälde aus der Jahrhundertmitte dar und darf als eines der farbigsten, anschaulichsten und volkstümlichsten Dokumente der Basier Malerei dieser Zeit bewertet werden.


Im Vorderhaus liess sich während der Restaurierung eine weitere bemalte Ofenecke hervorholen : hier ist in grün und schwarz eine tuchene Wandbespannung gemalt, die in ihrer stilisierten Rosettenmusterung das Ofendekor — bloss in verwechselten Farben — aufgreift, offensichtlich auf es Bezug nimmt. Diese Wandbehandlung strebt bereits auf die gemalte Tapete zu. über ihr hängen nun wieder sammetgrüne Vorhänge herunter, und da nicht nur ihr Faltenwurf jenem beim Giggishans ähnlich sieht, sondern auch ösenringlein und Vorhangstangen sich gleichen wie ein Ei dem andern, sind sie gewiss vom selben Maler und ungefähr zur selben Zeit, anno 1654, gemalt worden.


Malerische Dekorationen wurden aber insbesondere auch an jenem Typus der Innenraumgestaltung angebracht, der unverschalt verblieb. In ihm pflegte man bis gegen das ausgehende 17. Jahrhundert nicht nur die Deckenkonstruktionen (Balken und Deckbretter) zu zeigen, sondern auch das Fachwerkgerüst der Binnenwände. Dabei schmückte man vorab diese Konstruktionselemente farbig aus. Eine sehr schlichte Form bestand im Bemalen des Riegelwerks und im farbigen Einfassen der verputzten Zwischenfelder. Der Geschmacksrichtung des 17. Jahrhunderts entsprachen insbesondere dunkle Ochsenbluttöne, eine Farbe, welche noch gewisse Reminiszenzen an den Sandstein enthält. Solch dunkelrotes Holzwerk liess sich im Haupthaus, in der Halle des 1. Stocks, im Anbau etc. feststellen; es wird in den Putzfeldern begleitet von einem helleren lilastichigen Rot (caput mortum), eine Kombination also, wie sie auch am Gebäudeäusseren aufgefunden wurde. Dass es sich um eine zur damaligen Zeit weitverbreitete Dekorationsform handelt, belegen zahlreiche gleiche oder ähnliche Beispiele, welche in den letzten Jahren in alten Basler Häusern bei Verputzuntersuchungen zu Tage traten.


Das Bestreben, den Materialcharakter des Holzes mittels dekorativer Bemalung zu verwandeln, kommt recht augenscheinlich in einer gleichfalls neu freigelegten Decke des Erdgeschosses zum Ausdruck. Balken wie Deckbretter werden mit Graubändern eingefasst, die alternierend ein weisser oder schwarzer Abschlußstrich begrenzt; die Zwischenfelder sind in einer grisaillehaften Schummertechnik hell und dunkel gesprenkelt. Die glanzvollste Ausmalung indessen, welche anlässlich der Restaurierung entdeckt worden ist, befindet sich in dem zwei Fenster enthaltenden, fast saalhaften hofseitigen Räume des 1. Stocks. Sie empfängt den Besucher mit einem prachtvollen Farbakkord: Leuchtend blau die Einfassungsbänder, weiss die Putzfelder und die Deckengrundierung, weinrot die Fachwerkkonstruktion, sandsteinfarben die Scheinarchitekturen, die vorab öffnungen, Fenster und Türen, einrahmen.


Um den ganzen Raum läuft ein illusionsistisch gemalter Sandsteinsockel. An der Fassadenmauer wird der Wandstreifen zwischen den hochsteigenden Fensterleibungen und der Decke von einem gemalten Gesimse eingenommen, das in der Mitte von einer mit Lorbeerzweigen besteckten gemalten Sandsteinkonsole gestützt wird. Den Fenstergewänden entlang zieht stark beschläghaft gebildetes, gleichfalls sandsteinfarbenes Rollwerk, das einerseits in einer männlichen, andererseits in einer weiblichen Herme gipfelt, welche in Atlantenfunktion das obige Gesimse gleichfalls stützen (den Damen scheint man noch ein — inzwischen verlorengegangenes Kissen — untergeschoben zu haben). An dieser in ihren bewegten Formen eine starke Plastizität entfaltenden Rollwerkarchitektur stecken zartgrüne Blätterzweige, hängen schwere köstliche Fruchtgewinde mit Trauben, Birnen, äpfel und Kürbis, an denen sich ein eben wegflitzendes Vögelchen gewiss verköstigt hat.


Die gemalten Türeinfassungen sind ihrer Bedeutung gemäss malerisch recht unterschiedlich behandelt. Auf dem hölzernen Architrav der Nebentür sitzt nur eine bescheidene Doppelvolute mit Löwenfratze. Die Haupteingangstür hingegen wird eingefasst von Sandsteinpfeilern, welche in plastischer Kräftigkeit dargestellt sind. Sie tragen als Aufsatz ein imposantes Giebelgebilde: einem gebrochenen, abgewinkelten Hauptgiebel, der reich profiliert und mit einem ornamentierten Friese versehen ist, sind zwei Giebelsegmente vorgelegt, die sich nun in einer Gegenbewegung diagonal nach vorn entwickeln. Die heftigen Tiefenwirkungen und überschneidungen ergeben ein architektonisch interessantes Erscheinungsbild, dessen Formenreichtum noch dadurch gesteigert wird, dass der perspektivische Darstellungsstandort seitlich gewählt wurde.


Die fraglos gewichtigste Architekturmalerei war jedoch nicht diesem Haupteingang zugedacht, sie befindet sich vielmehr an der kilchgässleinwärtigen Zimmerwand. Hier muss sich das bedeutendste Ausstattungselement des Raums befunden haben. Es wurde seitlich gerahmt von je einem mächtigen, diamantierten Postament, auf dem sich ein gedrungener Sandsteinpfeiler mit blauer Füllung aufbaut. Sein kräftig ausladendes Gesimse dient einem Putto als Basis, der auf einer Bank sitzend in einem Buche blättert und von Bienen umgeben ist. Diese fragmentarisch erhaltene Darstellung dürfte emblemhaften Charakter haben und zweifellos auf jenen Gegenstand Bezug nehmen, den sie flankiert hat. Bienen gelten u. a. als Symbol der Bildungsfähigkeit, des Fleisses, sind im übrigen auch ein Attribut der Bourbonen. Wenn man nun noch einige Spekulationen darüber anstellen möchte, was hier architektonisch so nachdrücklich, ja feierlich ausgezeichnet wurde, so liefert ein nach innen anschliessender breiter, plan gemalter Rechteckrahmen einen Hinweis. Es kann hier also weder ein Ofen noch ein Kasten gestanden haben, auch ein Durchgang fällt auf Grund dieses inneren Rahmens ausser Betracht. Es muss sich am ehesten um ein Tafelgemälde gehandelt haben, das hier eingefügt war. Vielleicht ein Ehrengeschenk, das Wettstein anlässlich einer seiner politischen Missionen übergeben worden war, vielleicht mag auch die Vermutung, es könnte hier ein Konterfei des Bürgermeisters gehangen haben, im Hinblick auf das Giggishans-Bild in der Ofenecke so abwegig nicht sein.


über diese Wandarchitektur, ihre intensive Farbigkeit und Plastizität spannt sich nun auch ein bemalter Deckenhimmel. In den blauen Einfassungsbändern wird ein Hauptmotiv der Wanddekoration fortgeführt. über die weissgrundierten Binnenfelder von Balken und Bretterbahnen ziehen schwadenweise Agglomerate von Kreisen und Ovalen. Die einzelnen Formtrauben sind jeweils als farbliche Einheit behandelt und heben sich in drei Tönen, blau, korallenrot, grün voneinander ab. In der unablässigen Variation dieses Formenthemas ergibt sich ein Bild von farblich grösster Duftigkeit. Jene Kreisformen bergen zwar noch immer eine gewisse Erinnerung an Holzwerk, an Astlöcher oder Stammquerschnitte, doch gemahnt die gestalterische Behandlung stärker an die Strukturen seltenen Buntmarmors. In Basel haben sich drei weitere Decken dieser Art erhalten, im Offenburgerhof und im Schönen Hause. Letztere weist soviel ähnlichkeit auf, dass sie vielleicht vom selben Maler stammen könnte. Einzig die dritte Decke kann es inbezug auf aetherische Duftigkeit mit dieser hier aufnehmen. Sie befindet sich im Festsaal des wettsteinschen Hinterhauses. Sie ist neben Grün, Korallenrot, Blau um einen vierten Ockerton bereichert und wird von silberblauen Bändern eingefasst. Diese Decke in dem 1651/52 aufgebauten Hinterhause weist denn auch eine Entstehung in der Wettsteinzeit aus. Rein stilgeschichtlich hätte man sie wohl etwas früher angesetzt, dies gilt auch für die Schemarchitekturen der Wände. Bloss die stark auskragenden Gesimse und die aufgesprengte Giebelformation verraten, dass sie nicht mehr ins 16. Jahrhundert gehören.


Mit Ausnahme des Hinterhaus-Erdgeschosses enthalten sämtliche Räume grossenteils jene Ausgestaltung, die sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts bekommen haben. Hierin stehen sie nicht nur zu dem grössten Schweizer Staatsmanne dieser Zeit in persönlicher Verbindung, sie stellen vielmehr auch das geschlossenste und bedeutendste, an Ort und Stelle erhaltene Ensemble baslerischer Wohnkultur dieser Jahrhundertmitte dar.


Wenn dem Wettsteinhaus diese Bedeutung heute zugesprochen werden kann, so muss man beifügen, verdankt es dies der kürzlich durchgeführten Restaurierung. Durch sie Hessen sich jene Werte, die hier geschildert worden sind, recht eigentlich wiedererschliessen, ja zurückgewinnen. Vorher nämlich zeigte der Landsitz von aussen wie von innen ein recht unscheinbares Aussehen. über die alten Strukturen hatten sich gleichsam graue Gips- und Staubschichten gelegt, rupfenbespannte Wände gab es und kahle Gipsplafonds, und selbst die unverdeckten Ausstattungsteile zeigten solch erloschene Oberflächen, dass man sie kaum mehr wahrnahm. Vor allem drei Faktoren waren es, die dem Wettsteinhaus zugesetzt hatten: starkes Verwohntsein, Unterhaltsmängel und eine 1892 stattgehabte Instandstellung, die den ursprünglichen Bestand zum Teil verändert, diesen vorab in der dekorativen Ausgestaltung neobarockisiert hatte. Der Erhaltungszustand des Wettsteinhauses war, als es 1958 von der Gemeinde Riehen erworben wurde, kein guter mehr, eine Instandsetzung tat Not: am Mauerwerk machten sich Feuchtigkeitsschäden bemerkbar, die Verputzhäute waren lose und fielen stückweise herab, das Stockwerksgebälk hatte verfaulte Auflager, so dass örtliche Einsturzgefahr bestand. Und auch die Dachkonstruktion des Haupthauses befand sich dem Verfall nahe. Es flammte deshalb sogar eine Diskussion um den Abbruch des Wettsteinhauses auf. Das Restaurierungsvorhaben, das der Riehener Gemeinderat bei Architekt Gerhard Kaufmann, Riehen, in Auftrag gab, nahm für Projektierung und Ausführung eine Zeitdauer von rund 3 Jahren in Anspruch (1967— 1970). Die Kosten beliefen sich auf Fr. 1,45 Millionen, woran sich die Eidgenossenschaft entsprechend der Bedeutung dieser Bauanlage mit einem sehr namhaften Beitrag beteiligte. Die Restaurierung wurde nach den Richtlinien des Basler Denkmalpflegers, Architekt Fritz Lauber, durchgeführt, der auch in seiner Funktion als Experte und Vizepräsident der Eidg. Kommission für Denkmalpflege die Arbeiten überwachte und mitbestimmte. Auch für die gestalterische Detailausführung blieb eine als ideal zu bezeichnende Arbeitsgemeinschaft zwischen Architekt und Denkmalpfleger aufrechterhalten.


Es sei hier versucht, die denkmalpflegerischen Gesichtspunkte, die für diese Restaurierung massgebend waren, kurz darzulegen. Ein Aus

spruch des Basler Denkmalpflegers heisst: das Bauwerk restauriert sich selbst. Das besagt natürlich nicht, dass die Arbeit von alleine geht, sondern, dass es stets das Bauwerk selbst ist, das in seiner Individualität und eigengesetzlichen Struktur die Restaurierungsmassnahmen diktiert. Und Ziel einer Restaurierung dürfte unter anderm sein, diese zu bewahren, respektive verstärkt wieder hervorzuholen. Als Ausgangslage dienten denn auch hier beim Wettsteinhaus eine eingehende baugeschichtliche Analyse, eine breite photographische Dokumentation und systematisch an der ganzen Anlage durchgeführte Bauuntersuchungen.


Die Restaurierungsmassnahmen als solche lassen sich wohl in drei Hauptgruppen einteilen: 1. Konservierungs- und Sanierungsmassnahmen, 2. Wiederherstellungsarbeiten, 3. Wiederbelebungsdispositionen. Dabei versteht sich, dass diese Problemkreise nicht isoliert betrachtet werden können, sondern unentwegt gegeneinander abzuwägen sind.


1. Von den zahlreichen Konservierungs- und Sanierungsmassnahmen seien genannt: Mauerwerksentfeuchtung, Behandlung des Holzwerkes gegen Amöbenbefall, Rostschutz für Schmiedeisenarbeiten, Erneuern des schlechten Aussenverputzes, Auswechseln von defekten Sandsteinwerkstücken an den öffnungseinfassungen und den Turmstiegen, Ersetzen der verfaulten Balkenköpfe im Haupthausinnern, Reparieren oder Erneuern schlecht schliessender Türen und Fenster, überholung des Täfers, Neuverlegung von allzu ausgetretenen Dielen- und Tonplättchenböden. Wo der Verfall schon so weit fortgeschritten war, dass die Sanierung eine Neuanfertigung erheischte, hatte diese als Kopie auch in Materialbeschaffenheit und Oberflächenbearbeitung mit der Vorlage, die sie ersetzte, übereinzustimmen. So musste der Dachstuhl des Haupthauses, dessen zerstörtes Holzwerk bedauerlicherweise nicht mehr reparabel war, durch eine solche Kopie erneuert werden. Sämtliche Dächer wurden umgedeckt, unter Verwendung alter, handgemachter Nasenziegel, welche den Dachflächen jene unvergleichliche Lebendigkeit verleihen.


2. Bei den Wiederherstellungsarbeiten im engern Sinne, welche nicht in erster Linie der Gesundung des Bauwerks gelten, sondern seinem baukünstlerischen Erscheinungsbilde, sind vorab Freilegungsarbeiten zu erwähnen und — in bescheidenem Umfang — kleinere rekonstruktionsmässige Ergänzungen und einige Entfernungen von beeinträchtigenden späteren Zufügungen. Da die Gesamtanlage des Wettsteinschen Landsitzes, die architektonische Gestalt der Gebäude wie ihre Innenstruktur weitestgehend der Mitte des 17. Jahrhunderts entstammt, schien es auch naheliegend, die aufgespürten originalen farbigen Oberflächendekorationen, die Aussehen und Charakter dieser Häuser seinerzeit wesentlich mitbestimmt haben, wieder anzubringen. Dies betraf am äusseren vorab die farbige Fassung der Riegelstruktur. Diese — ochsenblutgefärbtes Holzwerk, Verputzfelder mit Einfassungsbändern in caput mortum — konnte sowohl am Giebel des Haupthauses wie am Hinterhaus festgestellt werden. Da jedoch dieser alte Verputz nur mehr stückweise und in recht brüchigem Zustand vorhanden war, musste er entfernt werden. Seine schlichten Dekorationsformen hat man jedoch genauestens auf die neue Wandhülle übertragen. Und um den Beschauer die Existenz und den Erhaltungszustand dieser alten farbigen Verputzeinfassungen möglichst nahe vor Augen zu führen, auch, damit er sich selbst davon überzeugen kann, dass sie genau entsprechend wiederangebracht wurden, hat man eine solche alte Verputzdekoration im Anbau, unmittelbar linkerhand des Laubenausgangs, in unrestauriertem Zustand stehen lassen. Jene Ochsenblutfarbe fand sich im übrigen auch auf den sandsteinernen öffnungseinfassungen vor und ebenso war das Dunkelgrün der Klappläden auf einem alten Exemplare erhalten.


Im Inneren fiel der Entscheid über das Freilegen von bemalten Decken und Wänden umso leichter, als bloss plane Gipsdecken und ebensolcher Wandverputz wegzuschlagen war. Eine Konfliktsituation entstand einzig im 1. Stock des Hinterhauses, wo man vorgesehen hatte, die klassizistische Zimmerunterteilung zu belassen, insbesondere, weil eine der beiden Stuben mit einer frühen Empiretapete, also mit einem jener ältesten gedruckten Wandpapiere ausgekleidet war (übereckgestellte blaue Carrés, auf grauem Grund wechselweise drei karminfarbene Motive — Henkelvase, Musikembleme, Kreisrosette), hergestellt von einer Pariser Tapetenfirma. Da stellte es sich heraus,' dass hier in der Wettsteinzeit ein grosser Saal bestanden hatte, dessen originale Deckenausmalung zum Vorschein kam. Der Umstand, dass dieser Saal in dem 1651/52 aufgebauten Hause den zeitgleichen innerräumlichen Hauptakzent gebildet hat, die gesamte Innenausstattung überdem weitestgehend jenen frühbarocken Zustand zeigt und die malerische Gestaltung der Decke als solche eine bemerkenswerte Qualität aufweist, senkten die Waage zugunsten der Freilegung; den Ausschlag gab schliesslich, dass die Saalvariante auch museumstechnisch sehr grosse Vorzüge bot. So wurde die Tapete sorgfältig abgenommen und verwahrt und auch vom Plafond ein Stück des schlichten Deckeneckprofils aufgehoben, sodass die Wiedereinrichtung der beiden Stuben, sofern einmal gewünscht, durchaus möglich wäre, umso mehr als auch die zugehörigen klassizistischen Zweifüllungstüren noch vorhanden sind (in der Wohnung des Haupthaus-Dachgeschosses wiederverwendet). Zu jenem Wiederhervorholen der alten Oberflächenerscheinung ist auch das Abdecken der gemalten Türmaserierungen zu rechnen sowie das Ablaugen von späteren Farbanstrichen in den Täferstuben.


Unter die Ergänzungsarbeiten fallen das Ersetzen eines Betonbodens durch einen Tonplättchenbelag, beziehungsweise von Fischgratparkett durch breite Tannendielen, den sogenannten Fegböden — artfremde Materialien und Strukturen setzen in alten Räumen einen groben Misston. Komplettiert hat man auch den Beschlägebestand und fehlende Einzelstücke (insbesondere Türschilder und Fensterbänder) gemäss der am Bau selber enthaltenen Vorlagen neuangefertigt, bilden doch auch diese für das alte Bauwerk unentbehrliche und reizvolle Details. Teilweise rekonstruiert wurden schliesslich die hölzernen Kreuzstöcke an den Fenstern des Ersten Stockes des Hinterhauses, deren Endstücke sich unter späteren Fensterverkleidungen erhalten hatten und beim Freischälen des Riegelwerkes wieder zum Vorschein kamen.


Neben diesen Ergänzungen wurden vereinzelt auch bauliche Zufügungen, die den originalen Bestand beeinträchtigten, entfernt. Nicht jeder Baufloh, den irgendein Besitzer gelegentlich gehabt hat, ist für die Nachwelt unbedingt konservierungswürdig. Abgebrochen wurde der 1892 zwecks Verbauung des vis-à-vis errichtete Laubenvorbau längs der Giebelseite des benachbarten zweiten Wettsteinhauses. Entfernt wurde auch am Hinterhaus ein etwas massiges Vordach über der Tür neben dem Treppenturm, welches das klare Sich-voneinander-Absetzen von Turmschaft und Gebäudefront aufhob. Auch eine in unserem Jahrhundert an der Gartenfassade des Hinterhauses angebrachte Terrasse, welche der authentisch erhaltenen Fassadengestalt des 17. Jahrhunderts augenscheinlich zum Nachteil gereichte, wurde wieder abgetragen. Ausgebaut wurde alsdann im Erdgeschoss des Haupthauses eine gleichfalls nachträgliche Verschalung des Kellerabgangs und der ursprünglich offene, mit einer Bodentür zuklappbare Abstieg wiederhergestellt, womit nicht nur die übersichtlichkeit der Grundrissstruktur gewonnen hat, sondern auch für den Museumsbetrieb günstigere Bedingungen geschaffen wurden. Ausgewischt hat man schliesslich einige etwas allzu aufdringliche malerische Neugestaltungen der neobarockisierenden Renovation von 1892. Zu dieser Zeit nämlich wurden in der Halle des ersten Stockes des Wohnhauses sowie in einem seiner strassenseitigen Zimmer und auf der Laube stilisierte Rankenmalereien angebracht, die nun in einem recht seltsamen Gegensatz abstachen von den zahlreichen originalen Dekorationen, die anlässlich der jüngsten Restaurierung aufgedeckt werden konnten, umso mehr, als Rankenmalereien für jene hier im Wettsteinhaus verbindliche Stilphase der Zeit um 1650 noch keineswegs kennzeichnend sind.


3. Wenn Sanierungs- und Wiederherstellungsarbeiten naturgemäss den alten Bestand wahren, zieht das Herrichten für eine neue Aufgabenüberbindung, wie es für ein altes Bauwerk von ebenso lebenswichtiger Bedeutung ist, zumeist gewisse Einbussen und Veränderungen mit sich. Erfreulicherweise konnten diese im Wettsteinhaus auf ein Mindestmass beschränkt bleiben. Im Haupthaus blieb die grundrissliche Struktur weitestgehend unangetastet, nur im Hinterhaus waren einige weniger schwerwiegende Eingriffe erforderlich. Hier mussten im Erdgeschoss für die Museumskonzeption und für Vortragsveranstaltungen eine Remise und ein kleiner Gartensaal — der indessen über keine alte Ausstattung mehr verfügte — zusammengelegt werden (da alle Anhaltspunkte über die alte Ausgestaltung fehlten, wurde hier die spätklassizistische Lamperie des Gartensaals für den Gesamtraum übernommen und die klassizistische Note auch in der Tapetenmusterung diskret angetönt). Daneben war für die Museumsbesucher auch ein neuer Kellerabgang (ausserhalb des eigentlichen Kellerraumes) herzustellen, da die steile, leiterhafte Blocktritt-Treppe — die altertümlichste der Basler Treppenformen — eine doch etwas halsbrecherische Klettertour geboten hätte. Sie wurde jedoch an Ort und Stelle belassen. Dank eines neuen Zwischenkellers unter der Laube, in welchem die Heizanlage verstaut wurde, konnten nicht nur sämtliche Räume, sondern auch die Keller des Vorder- und Hinterhauses für Museumszwecke zur Verfügung gehalten werden. Es sei noch erwähnt, dass im Rahmen dieser Nutzbarmachung auch Heiz- und Beleuchtungskörper ebenso schonungsvoll wie funktionstüchtig dem alten Bestände eingefügt wurden.


Mit der Aufgabenüberbindung als Spielzeug- und Dorfmuseum ist (im Gegensatz zu einem ersten Projekte, welches das Hinterhaus als Landgasthof-Dépendance vorsah) die Einheit der Anlage gewahrt worden. Sie bleibt dem Beschauer in einer kontinuierlichen Abfolge zugänglich, und an den zufriedenen Mienen der Besucher glaubt man ablesen zu dürfen, dass diese Verbindung von Baudenkmal und Museum geglückt ist. Mag aus diesen knapp resümierenden Darlegungen auch hervorgehen, wie viel und wie gute Arbeit hier geleistet wurde, wie die schwierige und schöne Restaurierungsaufgabe gleichsam jeden der Beteiligten angespornt hat, im Dienste der Sache sein Bestes zu geben.


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1972

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