Energiestadt Riehen Ein Label, das verpflichtet

Fritz Weissenberger

Riehen wurde am 31. März 1999 vom Bundesamt für Energie ehrenvoll als Energiestadt ausgezeichnet. Gemeinderat Fritz Weissenberger, Präsident der Energiekommission, formuliert Vorschläge, um das Label zu behalten.

Energiestadt Riehen: Ein Label, das verpflichtet Energiestadt kann jede Schweizer Gemeinde werden, wenn sie in den Bereichen Bau und Planung, Energieversorgung, Wasser und Abwasser, Verkehr und öffentlichkeitsarbeit eine vorbildliche Energiepolitik betreibt. Seit 1997 vergibt das Bundesamt für Energie diese Auszeichnung. Das Label ist indessen kein Geschenk für alle Zeiten. Nach der ersten Auszeichnung muss nun ständig mit Innovationen im Energiesektor um ihre Erhaltung gekämpft werden.

Mit der Nutzung der Geothermie für den Wärmebedarf im Wärmeverbund Riehen hat sich die Gemeinde über die Kantons- und Landesgrenze hinweg als Pionierin im Energiebereich einen Namen gemacht. Die Energiepolitik der Gemeinde Riehen beschränkt sich aber keineswegs nur auf die Realisierung des Geothermie-Wärmeverbundes als Einzelprojekt. Für Riehen ist vielmehr die Konsequenz bezeichnend, mit welcher die rationelle Verwendung von Energie, vor allem der Einsatz erneuerbarer Energieträger, aktiv gefördert wird.

Dies gilt natürlich nicht nur für die Gemeinde als Behörde. Man hat sich vielmehr zur Aufgabe gemacht, als Vorbild auch Private zu Energiesparmassnahmen zu ermutigen. Erfreulicherweise ist dies im grossen Mass gelungen. Trotz relativ hohen Investitionen und geringer Wirtschaftlichkeit wurden in Riehens Privatbereich überdurchschnittlich viele Energiesparanlagen und Anlagen zur Substitution von fossilen Brennstoffen installiert.

 

Wie bereits erwähnt, ist das Label «Energiestadt» nicht als einmalige Auszeichnung zu verstehen. Vielmehr ist es eine zukunftsgerichtete Herausforderung, laufend Verbesserungen im Energiesektor zu realisieren. Deshalb hat der Gemeinderat im Februar 2000 ein Energiekonzept erstellt, welches die zukünftigen Ziele im Energiesektor aufzeigt. Nachfolgend werden das Erreichte und die Zielsetzungen im Energiebereich der Gemeinde Riehen umschrieben.

Wärme aus erneuerbarer Energie

Herausragende Leistung der Gemeinde Riehen ist zweifellos die realisierte Geothermie-Nutzung, welche seit 1994 an den Wärmeverbund Riehen angeschlossen ist. Seither werden rund 50 Prozent der Energie für Heizung und Warmwasser im Bereich des Wärmeverbundes durch Geothermie abgedeckt. Aus einer Tiefe von 1547 Metern werden aus dem Brunnen am Bachtelenweg 20 Liter Wasser pro Sekunde mit einer Temperatur von 64 Grad gefördert. Das warme Wasser wird an einem Wärmetauscher vorbeigeführt und einen Kilometer davon entfernt, im Stettenfeld, mit 25 Grad Celsius wieder in eine Tiefe von 1247 Metern gepresst. Die jährliche Einsparung an Heizöl beträgt rund 1300 Tonnen. Der Ausstoss von Luftschadstoffen verringert sich im Fernwärmegebiet um 78 Prozent. Zwei weitere Wärmeverbundanlagen sind im südlichen Teil Riehens (Wasserstelzenschulhaus und Wärmeverbund Niederholz) in Betrieb.

Die Wärmeverbundanlagen sind längerfristig auszubauen. Das Energiekonzept sieht ausserdem vor zu prüfen, ob im südlichen Teil Riehens mit einer weiteren Geothermie-Anlage noch mehr fossile Brennstoffe durch Erdwärme ersetzt werden könnten.

Heizen mit Holz

Der Brennholzanfall der Riehener Wälder reicht aus, um mehrere Heizungen mit Holzschnitzelfeuerung zu betreiben. Mit dem Einsatz von Holz als Energieträger werden nicht erneuerbare Energien wie öl und Gas ersetzt. Die Wälder von Riehen und Bettingen können bei nachhaltiger Nutzung jährlich zwischen 2200 und 2500 Kubikmeter Holzschnitzel liefern. Da das Holz dort verwertet wird, wo es anfällt, werden umweltbelastende Transporte überflüssig - ein zusätzlicher ökologischer Nutzen von Holzfeuerungen gegenüber anderen Energieträgern.

Deshalb hat der Gemeinderat schon 1988 im Freizeitzentrum Landauer und 1991 auf dem Sportplatz Grendelmatte Holzschnitzelheizungen installiert. Der Kanton Basel-Stadt ist 1998 diesem Beispiel mit dem Bau einer weiteren Holzschnitzelanlage im Hebel- und Niederholzschulhaus gefolgt. In diesen drei Anlagen werden jährlich 1500 Kubikmeter Holzschnitzel verbrannt. Die Erfahrungen mit diesen drei Anlagen werden den Gemeinderat ermutigen, weitere Anlagen ins Auge zu fassen. Das im Energiekonzept festgehaltene Ziel des Gemeinderates, alles Abfallholz aus dem Riehener Wald in Riehen in Wärme umzusetzen, ist durchaus realistisch.

Sonne für warmes Wasser

Die Sonnenenergie stellt die wichtigste Energiequelle der Zukunft dar. Sie ist eine der wenigen Energiequellen, die nachhaltig genutzt werden kann. Die Umwandlung der Sonnenenergie zur Erwärmung von Wasser ist für den Warmwasserbedarf die einfachste der technisch möglichen Nutzungen. Diese Solartechnik ist inzwischen ausgereift. Es existiert ein grosser Markt.

Sehr erfreulich ist der grosse Anteil solcher Anlagen im privaten Bereich. Viele Riehener Hausbesitzer haben bei der Aktion «222 Solardächer» der Industriellen Werke Basel mitgemacht und solche Anlagen installieren lassen.

Die Gemeinde Riehen hat beim Bau des Garderobengebäudes Grendelmatte und der Dreifachturnhalle Niederholz Solaranlagen für die Warmwasserboiler installiert. Sie wurden 1999 durch eine weitere Anlage für die Warmwasseraufbereitung im Gemeindehaus ergänzt.

Sonne für Strom

Die Umwandlung von Solarenergie in elektrische Energie (Photovoltaik) ist die interessanteste Entwicklung im Energiesektor. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich die weltweite Forschung auf diesen Sektor konzentriert. Die heute im Handel erhältlichen Photovoltaik-Anlagen befinden sich von der Wirtschaftlichkeit her leider noch nicht im Konkurrenzbereich gegenüber anderen Energieträgern.

Die beiden Photovoltaik-Anlagen der Gemeinde Riehen im Werkhof und im Freizeitzentrum Landauer wurden 1991 und 1998 in Betrieb genommen. Die Anlage im Werkhof liefert den Strom für die gemeindeeigenen Elektrofahrzeuge, die Anlage im Freizeitzentrum Landauer ist als Stromlieferantin für die Stromtankstelle für LeichtElektrofahrzeuge am Otto Wenk-Platz gedacht.

Auch bei dieser Solartechnologie darf man eine sehr starke Beteiligung der Riehener Hausbesitzer im privaten Bereich feststellen. Die im kantonalen Energiegesetz verankerte Solarstrombörse wird einen weiteren Impuls zu mehr Sonnenstrom vermitteln, da damit eine errechenbare Wirtschaftlichkeit (Vergütung der effektiven Stromkosten) angezeigt ist.

Ziel des Gemeinderates ist es, die weitere Entwicklung auf dem Gebiet der Photovoltaik aufmerksam zu verfolgen, um möglichst bald auch eine Anlage der nächsten Generation dieser Technologie, wie sie zum Beispiel an der ETH Lausanne mit Titandioxid-Zinnoxid-Zellen entwickelt worden ist, anwenden zu können. Mit der neuen Zellengeneration dürften Wirkungsgrade von 30 Prozent möglich sein, während die heute im Handel erhältlichen Photovoltaik-Zellen lediglich 10 bis 15 Prozent Wirkungsgrad erreichen.

Energieverbrauchszahlen

Die Energiebuchhaltung ist ein wichtiger Teil der Energiesparbestrebungen. Zu wissen, welche Energiemengen für welche Betriebe verbraucht werden, ist die Grundlage sämtlicher Bemühungen.

Nur die Vergleiche mit dem Vorjahr und mit den Verbrauchsmengen vor und nach einer Massnahme ermöglichen eine genaue Erfolgsanalyse. Um die Energiespar massnahmen glaubhaft durchsetzen zu können, müssen Erfolge oder Misserfolge von eingeleiteten Massnahmen oder Investitionen gemessen und kommuniziert werden können.

Der Energieverbrauch in den gemeindeeigenen Liegenschaften wird seit Jahren laufend überwacht. Die aus den Verbrauchszahlen errechneten Energiekennzahlen werden mit den Sollwerten der SIA-Empfehlungen verglichen. Daraus kann abgeleitet werden, ob sich Energiesparmassnahmen aufdrängen oder bei welchen Gebäuden sich das grösste Energiesparpotenzial verbirgt.

Energiesparend sanieren

Ein grosses Energiesparpotenzial liegt immer noch im Wohnungsbau. Die Heizenergie lässt sich vor allem bei älteren Bauten durch gezielte Sanierung erheblich reduzieren. Die Gemeinde Riehen hat den Energieverbrauch für Heizungen in ihren Liegenschaften um ungefähr 30 Prozent reduzieren können. Mit wärmetechnischen Sanierungen von Fassaden, Estrich, Dach und Kellerdecken sowie durch den Ersatz von Fenstern konnte dieses gute Ergebnis erreicht werden. Die meisten der Gemeindeliegenschaften sind inzwischen saniert.

Pioniertaten beim Verkehr

Die Label-Jury hat speziell das grosse Engagement der Gemeinde Riehen für den öffentlichen Verkehr gewür digt. Besonders beeindruckt haben die von der Gemeinde finanzierten Ergänzungen zum Angebot der kantonalen Verkehrsbetriebe. Die Kleinbuslinien 35 und 45, welche eine Feinverteilung durch öffentliche Verkehrsmittel gewährleisten, sowie die Verlängerung der Tramlinie 2 in Stosszeiten werden als Pioniertaten beurteilt. Dazu kommt die Einrichtung eines Ruftaxis. Heute liegt für sämtliche Verkehrsmittel in Riehen die nächste Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels innerhalb eines Umkreises von 350 Metern. Das Energiekonzept sieht nun vor, dass diese Dichte beibehalten wird, damit die maximale Marschzeit für Fussgänger bis zur nächsten Tramoder Busstation in der Regel nur fünf Minuten betragen soll.

Das gesündeste und umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist zweifellos das Velo. Die Gemeinde Riehen trägt dieser Tatsache mit einem gut ausgebauten Velowegnetz Rechnung. Durch die Langen Erlen, entlang der Deutschen Bahn und auf separatem Trassee neben der Tramlinie 6 bieten die Velowege eine schnelle und sichere Verbindung nach Basel und in die benachbarten Gemeinden.

Das Konzept hat zum Ziel, die Bekanntheit des bestehenden Angebots zu erhöhen sowie die Velo- und Fusswegverbindungen weiter zu verbessern. Ausserdem wird durch die Gemeindeverwaltung Kilometergeld für die Benutzung des privaten Velos entrichtet.

Im Bereich des individuellen Verkehrs nimmt der Durchgangsverkehr einen besonderen Stellenwert ein. Viele hoffen, dass sich durch die zollfreie Umfahrungsstrasse diese Situation verbessern wird. Doch kann zurzeit noch nicht gesagt werden, ob und wann diese Strasse erstellt werden wird.

Die flächendeckenden Niedriggeschwindigkeitszonen sind erst im Niederholzquartier realisiert. Der Wille der Gemeinde, flächendeckend Tempo 40 einzuführen, wurde mit grundsätzlichen Argumenten boykottiert.

In Bezug auf den ruhenden Verkehr wird für die Erhaltung des Labels ein Parkingkonzept gefordert. Dies stellt den Gemeinderat vor eine dringende Aufgabe. Das Parkhaus an der Gartengasse ist in der Zwischenzeit in Betrieb. Das Parkplatzkonzept muss nun aber abwägen zwischen minimaler Parkmöglichkeit, weniger Verkehr, Vermeidung von massivem Suchumschwung und Beeinträchtigung des örtlichen Gewerbes. Ausserdem wird im Energiekonzept gefordert, dass Gefahrenstellen im Verkehrsnetz bezüglich Sicherheit von Fussgängern und Velofahrern zu entschärfen sind.

Leicht-Elektrofahrzeuge

Das Bundesamt für Energie initiierte einen Grossversuch mit Leicht-Elektrofahrzeugen in verschiedenen Schweizer Gemeinden. In der Region Basel haben sich an diesem Versuch die Gemeinden Muttenz und Riehen beteiligt.

In Riehen sind bis heute über 30 Fahrzeuge mit Elektroantrieb von Privaten erworben worden. Sie haben von einem Subventionsbonus von 40 Prozent des Anschaffungspreises profitieren können. Es ist gelungen, in den erwähnten Solaranlagen genügend Strom für diese Fahrzeuge zu erzeugen. Der Strom wird an den beiden Stromtankstellen beim Gemeindehaus und am Otto Wenk-Platz gratis abgegeben. Der Grossversuch läuft allerdings im Laufe des Jahres 2000 aus. Es gilt nun, sich zu überlegen, ob er nur auf der Ebene der E-Fahrzeuge weiterverfolgt werden soll oder ob man auch andere Niedrigenergiefahrzeuge ins Förderprogramm integrieren will.

Energiesparprogramme

Die eingesparte Energie ist die billigste Energie. Es ist deshalb verständlich, dass die Label-Jury diesem Punkt ein besonderes Augenmerk widmet. Das Potenzial zum Energiesparen im privaten und geschäftlichen Umfeld ist immer noch sehr gross. Die Gemeinde hat zwar nicht direkten Einfluss auf die Energiekonsum-Gewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner, sie kann aber Anreize schaffen und im Bereich der Gemeindeverwaltung als Vorbild auf dieses Sparpotenzial aufmerksam machen. So sind zum Beispiel schon bei der Anschaffung von Elektrogeräten, Büromaschinen und Fahrzeugen die verbrauchsentscheidenden, richtigen Abklärungen wichtig. Ausserdem ist vorgesehen, durch Aktivsparwochen in der Gemeindeverwaltung das gemessene Sparpotenzial aufzuzeigen und eventuell durch besondere Anstösse attraktiv zu machen.

Öffentlichkeitsarbeit

Der öffentlichkeitsarbeit kommt bei der Erhaltung des Labels «Energiestadt» sehr grosse Bedeutung zu. «Tue Gutes und rede davon»: So muss das Motto heissen! Die heutigen Energiepreise sind relativ tief, sodass die finanziellen Anreize beim Energiesparen zu klein sind. Für die Motivation braucht es noch immer mehr ökologisches als wirtschaftliches Interesse. Die öffentlichkeit und damit auch die Gemeinde Riehen müssen sich bemühen, besser über die Nachhaltigkeit der Sparbemühungen und über die Ergebnisse zu informieren.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2000

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