Glauben ist eine Herzenssache

Franz Osswald

Seit einem Jahr arbeitet der Laientheologe Christoph Schneider in der Pfarrei St. Franziskus Riehen-Bettingen

Christoph Schneiders Weg zum Theologen ist alles andere als gerade - doch wie heisst es so schön: Gott kann auch auf krummen (Lebens-)Linien gerade schreiben. Von Gott wollte Christoph Schneider in jungen Jahren indessen noch wenig wissen. In der Pubertät war er ein Revoluzzer, der sich gegen die bürgerliche Welt auflehnte. «In dieser Zeit habe ich alles in Frage gestellt», erzählt Schneider, während er gemütlich im Besuchszimmer im Pfarrhaus in Riehen sitzt.


Das Licht der Welt erblickte Christoph Schneider in Basel. Nach einem halben Jahr zog die Familie nach Oberwil. Dort verbrachte Christoph Schneider seine Kindheit und Jugendzeit. «Getauft wurde ich von Andreas Cavelti, dem stadtbekannten Pfarrer von St. Anton und späteren Domherrn.» Ob da wohl doch schon in der ersten Stunde etwas angelegt wurde, was viele Jahre später zum Tragen kam? Mit Sicherheit nicht prägend war für Christoph Schneider sein Mittun bei den Ministranten, wie er diese Zeit selbst beurteilt. Es gehörte wohl einfach dazu wie die Zugehörigkeit zur Pfadi.


Ein entscheidendes Erlebnis hatte der Laientheologe im Alter von zwanzig Jahren. Damals machte er sich auf nach Indien. Ein Idol hatte er, nämlich Mahatma Gandhi, ansonsten nur ein Flugticket und seinen Rucksack. Und was Schneider in Indien sah, das schockierte ihn zutiefst. Krasser hätte der Unterschied zwischen der bürgerlichen Welt, aus der er kam, und dem von absoluter Armut geprägten Indien mit seinem Kastenwesen nicht sein können. Das geistige Unwohlsein fand in physischer Form seine Entsprechung: Der junge Weltreisende wurde schwer krank. Nur mit Not fand Christoph Schneider einen Arzt, der sich seinem Leiden annahm, «ich spürte existenzielle ängste, es ging mir ans Lebendige». In dieser Situation habe er Gott erfahren und sich auf seine eigenen Wurzeln zurückbesonnen.


Die Erleichterung über die Genesung war nach der Rückkehr gross. Sie machte sich in einer Begeisterung für den christlichen Glauben bemerkbar. Jeden Tag besuchte Christoph Schneider fortan die Messe in Oberwil oder in der Klosterkirche von Mariastein. Nun galt es, wieder Boden unter den Füssen zu erlangen und seinen Platz zu finden. In der «Arche» in Hochwald arbeitete Schneider mit Behinderten zusammen. Eine Arbeit, die ihm erstmals jenen Sinn im Leben gab, den er so lange gesucht hatte.


Ein Mensch, der ihm in dieser Zeit oft beistand, war Pfarrer Warnebold in Oberwil. Er ist wohl dafür verantwortlich, dass Christoph Schneider sich zum Theologiestudium in Luzern entschloss - Priester wollte er werden. Drei Jahre verbrachte er im Priesterseminar St. Beat, dann wechselte er an die Universität Friburg. Und dort machte sein Lebensweg nochmals eine Wendung, denn in der Saanestadt lernte der

Theologiestudent seine Frau kennen. «Für mich war zwar immer klar, dass, wenn ich Priester werde, das Zölibat damit verbunden ist. Das akzeptiere ich auch so.» Ebenso klar war für ihn aber auch , dass er sich ein Leben mit Familie vorstellen konnte.


Nach dem Studium, das Christoph Schneider mit einer Lizenziatsarbeit über Sören Kierkegaard abschloss - ebenfalls einem zeit seines Lebens nach Gott Suchenden -, fühlte er sich noch nicht vorbereitet für die Arbeit in einer Pfarrei. So arbeitete er als Buchhändler, ein Berufswunsch, den er als Jugendlicher einst hatte. Quer durch die Schweiz waren Schneiders Arbeitsstellen als Buchhändler verstreut. Vom Kanisius-Verlag in Fribourg über weitere Stationen bis in eine Buchhandlung in Chur, wo er zuletzt als Geschäftsführer tätig war. In dieser Zeit lernte er das «richtige» Arbeitsleben in der Wirtschaft kennen, das Fundament für einen Wechsel in eine Pfarrei war gelegt. Denn eines war für Christoph Schneider immer wichtig: «Der Glaube muss einen Weg ins Leben aufzeigen und darf nichts Weltfremdes sein.»


In der Pfarrei St. Franziskus macht Christoph Schneider nun die ersten Schritte, ein zweijähriger Einführungskurs wird ihm zudem die Grundlage für seine spätere Arbeit als Laientheologe geben. An Arbeit fehlt es Schneider zurzeit nicht, denn die krankheitsbedingte Abwesenheit des Pfarrers verlangt von ihm vollen Einsatz. In dieser Situation erlebt er hingegen, dass ein Laientheologe zwar über die gleiche theologische Ausbildung verfügt wie ein Pfarrer, dass es ihm aber verwehrt ist, all dessen Aufgaben auszuführen. Das ist für ihn zwar manchmal schmerzlich, aber dennoch kein Grund, deswegen zu lamentieren. «Ich bin für den Glauben da, nicht für die Kirchenstrukturen», fasst er zusammen.


Schneider verweist auf Frère Roger, den Gründer von Taizé. «Seine Theologie bestand in der Versöhnung und der Liebe. Er sah das Schöne am Glauben und forderte insbesondere die Jugendlichen auf, in ihre Pfarreien zu gehen und diese Botschaft dort zu leben.» Frère Roger habe sich gegenüber der Institution Kirche immer loyal verhalten, wobei Kirche für ihn nie einengend und abgrenzend definiert war.


Den Glauben auf diese Art und Weise weiterzugeben, ist für Christoph Schneider zentral. «Glaube ist Beziehung», sagt er und Glaube sei auch Emotion. Schade sei, wenn das Wort «charismatisch» oft vorschnell in die konservative Ecke gestellt werde. Bildlich gesprochen, möchte Christoph Schneider den Glauben vom Kopf ins Herz ziehen.


Eine «Herzens- und Glaubenssache» ist für Christoph Schneider gleichfalls der FC Basel, zu dessen Fangemeinde er sich seit seiner Jugend zählt. In seiner Freizeit ist der Theologe deshalb oft im St. Jakob-Park anzutreffen. über Gott und die Welt spricht er gerne mit seiner Frau, «wir sind eine richtige Liebes- und Freundschaftsgemeinschaft». Viel Zeit für weitere Hobbys bleibt nicht übrig, denn: «Beziehungen zu leben - zu Hause und in der Pfarrei -, braucht Zeit.» Und die will sich Christoph Schneider nehmen.


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2007

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