Hüter von Feld und Wald

Stefan Suter

«Abgang morgens 4 Uhr ins Oberfeld dem Lättackerweg entlang bis fast zur Grenze, wo ich längere Zeit wegen der Bewohner an der Lörracherstrasse, hauptsächlich wegen Kaninchenfuttersuchen, aufpasste. Durch den Stettengraben zurück nach dem Hungerbach, den roten Graben über die Bosenhalde nach der Inzlingerstrasse, dieser nach bis zum Karth [ = Inzlingerstrasse Nr. 301], durch die Au gegen das Mittelfeld, durchs Moos über die Bünten, nach der Mohrhalde, über Lichsen nach dem Moor zurück.» Mit diesen Worten beginnt ein Rechenschaftsbericht des Riehener Bammerts Jakob Brütsch vom Juni 1918. Die Behörden hatten ihn bezichtigt, während der Arbeitszeit in seinem Garten an der Inzlingerstrasse gearbeitet zu haben. Er rechtfertigte sich mit dem vorliegenden Arbeitsrapport. Brütsch führte aus, dass er nach dem Frühstück wieder ins Mittelfeld zurückgekehrt sei und von dort über den «Rükken» sich ins Oberfeld begeben habe, «wo ich beim Kirschenabreissen zwei Knaben ertappte, die von mir gehörig heimgeschickt wurden». Während des gesamten restlichen Tages habe er sich schliesslich im Mittelfeld aufgehalten.

Das Schreiben von Bannwart Brütsch gibt uns einen Einblick in das Tätigkeitsgebiet des Bammerts zu Beginn unseres Jahrhunderts. In den vorausgegangenen Epochen galt es jedoch, auch weitere Aufgaben wahrzunehmen.

Der Bammert als Waldhüter

Aufsichtsorgane über Wald und Feld gab es mit Sicherheit schon seit alters. Da die Bewachung herrschaftlicher Forste von der Obrigkeit speziell gefördert wurde, trat der Bannwart in früheren Jahrhunderten hauptsächlich als Waldhüter auf. Es gilt als generelle Erscheinung, dass seit dem Mittelalter grosse Waldstücke dem Allgemeingebrauch entzogen und zu landesherrlichen Hochwäldern erklärt wurden. Den Untertanen standen fortan in der Regel nur noch Nutzungsrechte zu. Die Forsthoheit (jus foresti) wurde ein Regal, welchem sich alle Einwohner unterzuordnen hatten. In der Landschaft Basel machte die Stadt bereits seit dem 17. Jahrhundert ihre Rechte über die Wälder geltend und verbot bereits im Jahre 1600 ihren Untertanen, umherliegendes Holz aus den Wäldern zu nehmen. Die forsthoheitliche Obrigkeit in Basel erliess fortan nicht nur Bestimmungen über die eigenen Hochwälder, sondern auch über die den Privaten zustehenden Zinswälder. Dies hing mit dem im 16. Jahrhundert entstandenen Holzmangel zusammen, der für Heiz- und Bauzwecke gravierende Auswirkungen haben konnte.

Am 2. Februar 1756 wurde in Basel die sogenannte Waldkommission gebildet, welcher 1757 das für die Hochwälder bereits bestehende Waldamt einverleibt wurde. Die Waldkommission war Oberaufsichtsbehörde über sämtliche Waldgebiete des Standes Basel. Sie bewilligte das Bauholz und wies den Untertanen das Brennholz zu. Die Weisungen und Instruktionen dieser Waldkommission wurden in Riehen durch den Obervogt ausgeführt, beziehungsweise an die Unterbeamten weitergegeben. Im 18. Jahrhundert hat nachweislich ein Bannwart diese Aufgabe in den Riehener Waldungen wahrgenommen.

Die Verordnungen der Basler Waldkommission wurden aber nur teilweise zur Zufriedenstellung erfüllt. Anno 1761 rügte die Kommission den Riehener Landvogt Johann Ulrich Schnell, da im Wald immer noch die verbotene Geiss- und Schafweide geduldet würde. Die Geissenhaltung sei ohnehin nur für arme Untertanen erlaubt: «insonderheit, dass die überflüssigen Gaissen deren so nicht kundlich arm sind, zufolg der Ordnung abgeschafft werden.» Es war nun eine der vordringlichsten Aufgaben des Bannwartes, diesem Weideverbot in den Wäldern nachzukommen. Tatsächlich erwischte der Bammert im Januar 1762 drei Stiere beim Weiden im Wald. Der Fall wurde der Waldkommission angezeigt, welche verfügte, dass die beiden Besitzer der Stiere, Hans Wenk und Fridlin Hagist, mit dem Bannwart konfrontiert werden müssten. Wenk habe eine Busse von sechs und Hagist eine von drei Pfund zu tragen.

Im weiteren hatte der Bannwart den Instruktionen der Waldkommission nachzukommen und «Eichlen Gärten»

anzulegen. Diese hatte er «bey hoher Straf vor dem Vieh [zu] verwahren». Ferner war er vermutlich bei einer 1761 eingeleiteten Untersuchung der Waldkommission beteiligt. Diese hatte vernommen, dass die Untertanen dürres Holz in den Waldungen auflesen und «mehrenteils zuwider dero Befehlen hauend Geschirr bey sich tragen, und damit viel Grüenes Holtz zum Schaden der Waldungen umhauen und hinwegtragen».

Täglicher Umgang im ganzen Bann

Die Basler Waldkommission hatte die Wirren der französischen Besetzung überstanden und erliess zu Beginn des 19. Jahrhunderts verschiedene Verordnungen und Instruktio nen. Am 24. Herbstmonat (September) 1829 verfasste sie eine «Instruction für die Bannwarten der Gemeinde Riehen». Der Aufgabenbereich des Bammerts wurde ausdrücklich weit gefasst und beinhaltete die Aufsicht über sämtliche Liegenschaften im ganzen Gemeindegebiet. Die Arbeit wurde unter anderem wie folgt statuiert: «und soll immer einer von ihnen täglich einen Umgang halten.» Dem Wortlaut entnehmend ist also davon auszugehen, dass zwei Bannwarte den Dienst in Feld und Wald versahen. Dennoch stand für die Waldkommission primär die Aufsicht in den Waldgebieten im Vordergrund. Forstvergehen und andere Frevel sollten dem Gemeinderat oder dem Oberförster umgehend zur Kenntnis gebracht werden. Im weiteren hatten die Amtsinhaber «Steg und Weg» im ganzen Gemeindegebiet in Ordnung zu halten und Leute für öffentliche Gemeindearbeiten aufzubieten.

Die Aufteilung der Funktionen

Wie wir gesehen haben, war der Bannwart zwar für Wald und Feld zuständig, doch stand die Funktion des Holzbannwartes im Vordergrund. Dies hing damit zusammen, dass die Behörden den Schutz des Waldes als öffentliche Aufgabe ansahen, währenddem die Aufsicht über die Felder eher den privaten Eigentümern oblag. In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam es jedoch zu einschneidenden Veränderungen. Durch die revidierte Bundesverfassung von 1874 hatte die Eidgenossenschaft in Art. 24 die Oberaufsicht über den Wasserbau und die Forstpolizei erhalten. Der Schutz der Wälder, insbesondere der Schutzwälder in den Alpen, war eine vordringliche Aufgabe. Durch einen Bundesbeschluss von 1898 wurde die Geltung des Forstpolizeigesetzes von 1876 auf das ganze Gebiet der Schweiz ausgedehnt. Am 8. Oktober 1898 beschloss der Regierungsrat, alle baselstädtischen Wälder zu Schutzwäldern zu erklären. Fortan war jeglicher Kahlschlag ohne vorherige Bewilligung des Departements des Innern, der kantonalen Aufsichtsbehörde, verboten. Die in jener Zeit aufkommende Sensibilisierung für die Waldpflege verlangte auch in Riehen nach einem speziell geschulten Waldhüter. Von jener Zeit an verlor der Bannwart seinen Aufgabenbereich in den Riehener Wäldern.

Seit dem Jahre 1884 stellte die Gemeinde zusätzlich spezielle Feld- und Rebbannwarte ein. Diese nahmen ihre Tätigkeiten jeweils am 20. Juli auf und beendeten ihre Arbeit Ende Oktober. Bis zur Zeit der Traubenreife waren sie verpflichtet, abwechslungsweise jeden zweiten Tag den Hütedienst zu verrichten. Nach Einsetzen der Traubenreife bis nach Beendigung der Weinlese musste der Dienst jedoch ununterbrochen ausgeübt werden. Die Feldaufsicht war für diese Unteraufseher wohl eher Nebensache, da ihre Tätigkeit erst Ende Juli begann. Später wurde der Amtsantritt auf den 1. August verlegt.

Im Jahre 1897 wurde die Aufteilung der alten Funktionen des Bannwartes offiziell festgehalten. Verschiedene Reglemente des Gemeinderates belegen die Funktionsaufteilung in einen Flurbannwart, Dorfbannwart und Waldhüter. Darüber hinaus existierten, wie oben erwähnt, im Sommer zwei Reb- und Feldbannwarte. Diese unterstanden der Aufsicht des Flurbannwarts, der hauptamtlich beschäftigt war. Jener hatte, neben der Aufsicht über Feld und Flur, im Winter unter anderem auch die Badeanstalt zu überwachen. Der Dorfbannwart hingegen stellte eine Art Dorfaufseher dar, welcher den diversen öffentlichen Arbeiten vorstand. 1907 stellte man zusätzlich zwei weitere Rebbannwarte an und anno 1909 kam noch ein speziel 1er Kirschenbannwart dazu. Dies hatte zur Folge, dass zusammen mit dem Waldhüter zeitweise insgesamt acht Bannwarte existierten.

Geringer Lohn

Als im Jahre 1829 die Waldkommission von den beiden neuen Bannwarten Theobald Schäublin und Niclaus Löliger den Amtseid abnehmen wollte, erklärte Löliger, «dass er auf die enthaltene Bedingnisse und Vorschriften nicht angeloben könne u. vorziehe, den Dienst auf Martini wieder abzugeben, indem es sich für den geringen und unbestimmten Lohn nicht der Mühe lohne, die enthaltenen Verpflichtungen auf sich zu nehmen». In der Tat bestand die Entlohnung nur aus unsicheren Forderungen gegenüber den Landbesitzern. Die Waldkommission war bereit, eine kleine Anhebung des Gehalts ins Auge zu fassen. Sie sahen in ihrer «Instruction» von 1829 vor, dass die beiden Bannwarte von jedem Bauer gemeinschaftlich «zwey Korn und zwey Haber oder Gersten Garben» beziehen durften. Von den Mindervermögenden konnten sie insgesamt etwa 450 Garben erhalten. Eine Definition, was unter Mindervermögenden zu verstehen war, wurde jedoch nicht mitgehe fert. Die Annahme liegt nahe, dass diese Bestimmung Anlass zu Streit gab, musste der Bannwart seinen Lohn doch selbst eintreiben. Von den auswärtigen Waldbesitzern erhielten die Amtsinhaber damals zirka 50 Franken beziehungsweise drei Batzen pro Juchart. Im übrigen waren die Bannwarte auch an den Bussengeldern beteiligt. Sie waren überdies von sämtlichen Fron-, Wacht- und Milizdiensten befreit. Die Entlohnung blieb aber trotz allem gering.

Im Pflichtenheft des Bannwartes stand unter anderem auch der Unterhalt der Wiesenböschung. Gerade im Winter war diese Arbeit hart, da man zum Teil im kalten Wasser stehen musste. Der Bannwart Johann Georg Schultheiss (siehe auch Seite 163-165) richtete am 27. Januar 1884 ein Begehren um Lohnerhöhung an die Gemeindebehörde. Er begründete sein untertänigst verfasstes Schreiben damit, dass die Arbeit an der Wiese «besonders zur Winterszeit, nicht nur eine schwere, Kleider u. Schuhe mehr in Anspruch nehmende, sondern vor Allem die Gesundheit gefährdente [sei], wie ich letztes Jahr zu Genüge erfahren musste». Eine Lohnerhöhung für die «aussergewöhnliche Kleider und Gesundheits Abnutzung» sei angebracht.

«Heimliches Lauern» verboten

Die Aufsicht über Feld und Wald war in früheren Zeiten keine einfache und zeitweise auch gefährliche Arbeit. Vor allem ein Zusammentreffen mit in flagranti ertappten Holzfrevlern konnte in Schlägereien und Bedrohungen ausarten. Dies zeigte sich auch in einem Schreiben von Niclaus Sieglin, dem Präsidenten der Riehener Waldkommission, an den zuständigen Statthalter. Jene Kommission wurde im Jahre 1833 gewählt und hatte die Anordnungen der Basler Waldkommission auszuführen. Die Holzdiebstähle hatten in jener Zeit in den hiesigen Waldungen ein grosses Ausmass angenommen. Die Riehener Waldkommission und mit ihnen die beiden Bannwarte schreckten jedoch vor schärferen Kontrollen zurück, denn mehrmals hatten die Frevler aus Rache anschliessend deren Privatwälder mutwillig beschädigt. Der Kommissionspräsident verlangte deswegen, dass jeder Familienvater an diesen Holzverlusten mittragen und eine Vergütung bezahlen müsse. «Falls aber keine Vorkehrungen von der Art getroffen werden, so wird man uns doch wohl nicht zumuthen wollen, dass wir unser Eigenthum ins Spiel setzen sollen», meldete Niclaus Sieglin. Schliesslich berichtete er, dass er vor kurzem vom Hackberg aus einen Waldfrevel beobachtet hatte. Er verzeigte den Täter, der als Strafe zu mehrtägiger Strassenarbeit verurteilt wurde. Als der Delinquent wieder auf freiem Fuss war, wollte er an seinem Denunzianten Rache nehmen und führte in dessen Wald «an der Krenzacher Grenze» einen grösseren Holzdiebstahl durch. Obwohl der Täter bekannt war, wollte ihn niemand verzeigen, «weil er allgemein gefürchtet ward» und «ein berüchtigter Holzdieb von Bettingen war».

In den folgenden Jahrzehnten wurde der Beruf des Bammerts geachteter und angesehener. Bei den jeweiligen Ausschreibungen meldeten sich etliche Kleinbauern, die sich den zusätzlichen Verdienst und den Prestigegewinn in der dörflichen Gesellschaft zu eigen machen wollten. Die - allerdings beschränkte - Strafgewalt der Bannwarte brachte eine gewisse Machtfülle. Im 18. Jahrhundert hatten die Bannwarte die eingezogenen Bussengelder der Basler Waldkommission abzugeben. Seit Beginn des folgenden Jahrhunderts wurden sie hingegen an den eingezogenen Strafgeldern beteiligt. 1829 erhielt der Bannwart von jedem Frevler, der einen Schaden unter einem Franken angerichtet hatte, drei Batzen zu seinen Gunsten. überstieg der Frevel die Grenze von einem Franken, so war sein Anteil sechs Batzen. Für die seit 1884 im Sommerhalbjahr angestellten Feld- und Rebbannwarte galt, dass sie für kleinere Vergehen 50 Rappen einziehen durften. Grössere Schäden waren jedoch dem Einzelrichter anzuzeigen. Es versteht sich, dass die Bannwarte des höheren Einkommes wegen möglichst viele kleinere Frevel aufzudecken versuchten. Der Willkür waren aber doch gewisse Grenzen gesetzt, denn die «Instruktionen» für die Bannwarte sahen vor, dass «das heimliche Lauern auf Leute und das Büssen solcher, welche voraussichtlich in folgender mangelnder Kenntnis unerlaubte Pfade betreten» verboten sei. Dennoch kam es zu häufigen Klagen über willkürliche Bestrafungen. Anno 1894 schaltete sich deswegen der Vorsteher des Polizeidepartementes, Regierungsrat Isaak Iselin, ein und stellte zu Händen des Gemeindepräsidenten klar, dass den Bannwarten keine Strafbefugnis zukomme. Eine gesetzliche Grundlage fehle. Fortan war jegliches «Büssen oder Pfänden» untersagt.

Neuere Entwicklung

«Obwohl das offene Feld heute bedeutend kleiner ist als vor zwanzig bis dreissig Jahren, bei einer gleichen Anzahl Bannwarte», sei es in den Wiesenmatten zu Kirschenfreveln gekommen. Dies ist einer Beschwerdeschrift zu entnehmen, die am 25. Juni 1918 an den Gemeinderat gerichtet wurde. Bekanntlich hat die offene Flur in den folgenden Jahrzehnten weiter abgenommen. Die traditionsreiche und verantwortungsvolle Funktion eines Bannwartes wurde dennoch weitergeführt, wenngleich die hohe Anzahl von bis zu acht Stelleninhabern nicht mehr nötig war. In neuerer Zeit führte ein Bannwart die Aufsicht über die offene Flur, währenddem ein sogenannter Parkwächter den Dienst in den öffentlichen Parkanlagen versah. Im Jahre 1983 trat der letzte Riehener Bammert, Hans Sulzer, in den Ruhestand. Seither amtiert alleine der Riehener Parkwächter, welcher zum Teil die geschichtlich gewachsenen Funktionen des Riehener Bammerts weiterführt.

 

Ungedruckte Quellen:

StABS: Gemeindearchiv Riehen C 4; Waldkommission in den Landgemeinden A 9 (1833 bis 1856); Land- und Waldakten H 3 (1537 bis 1800); Land- und Waldakten L 1

 

Literatur: 

Gemeinderat Riehen: «Pflichtenheft für den Parkwächter/Flurbannwart vom 5. Juni 1985» Christian Gilgen: «Die Ausführung der Eidgenössischen Forstgesetzgebung im Kanton Basel-Stadt von 1897 bis 1966», Zürich 1977 (Semesterarbeit) Nikiaus Röthlin: «Das Basler Forstwesen im Ancien Régime», Basel 1973 (Lizentiatsarbeit)

 

Personen:

soweit nicht im RRJ oder in der Liste «Die Bannwarte von Riehen seit 1800» erwähnt: Friedlin Hagist: siehe S. 57 Isaak Iselin (1851-1930), Dr. iur., Notar, Präsident Zivilgericht, Grosser Rat und Kirchensynode, Vizepräsident Kirchenrat, Mitglied Regierungsrat und Nationalrat, Korpskommandant.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1989

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