Lebensraum im und am Gewässer

Daniel Küry

Tiere aus zahlreichen Gruppen sind an das Leben im Wasser ideal angepasst. Besonders artenreich sind in Riehen die Fische der Fliessgewässer, die Amphibien sowie die Wasserinsekten. Seit etwa 1980 hat sich der Artenreichtum deutlich erhöht. Künftige Projekte in der Wiese-Ebene sollen diesen Erfolg der Lebensraumaufwertungen fortsetzen.

Für uns Menschen ist das Leben unter Wasser nur schwer vorstellbar. Wer selbst taucht, kennt jedoch das schwerelose Schweben in diesem stützenden und Auftrieb verleihenden Medium. Tiere wie Fische, Krebse oder gewisse Wasserinsekten leben seit Jahrmillionen im Wasser und haben diese Anpassung perfektioniert. Zum Beispiel bei der Atmung: Der lebensnotwendige Sauerstoff ist im Wasser gelöst vorhanden und nicht gasförmig wie in der Luft. Echte Gewässertiere nehmen den Sauerstoff in gelöster Form über die Haut und Kiemen auf. Andere, sekundär ans Wasserleben angepasste Arten atmen gasförmigen Sauerstoff. Diese wasserliebenden Arten wie zum Beispiel Fischotter, Biber, Wasserkäfer oder Wasserwanze haben sich im Laufe der Evolution aus Landtieren entwickelt und müssen dauernd den Kontakt zur Wasseroberfläche aufrechterhalten oder einen Luftvorrat mit auf ihre Tauchgänge nehmen.

FISCHE – PRIMÄRE WASSERBEWOHNER
Fische gelten unter den Wirbeltieren als Urbewohner der Erde. Die heimischen Arten verlassen das Wasser während ihres gesamten Lebens nie und sind optimal an die Unterwasserwelt angepasst. Sie besitzen einen stromlinienförmigen Körper, der ihnen das elegante Schwimmen ermöglicht. Über die Kiemen erfolgt nicht nur der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid, sondern auch die aktive Aufnahme von Salzen, um die im Vergleich mit dem Wasser erhöhte Salzkonzentration im Körper aufrechtzuerhalten. Mit dem Seitenlinienorgan orientieren sich die Fische in Fliessgewässern und nehmen wahr, ob sie gegen die Strömung oder quer zu dieser schwimmen. Die Flossen schliesslich ermöglichen einen optimalen Antrieb, um unter Wasser rasch zu fliehen oder einer Beute nachzujagen. Unter den heimischen Arten gehörte der Lachs früher zu den begehrtesten Fischen, den auch die Riehener Fischer auf seiner Wanderung ins Wiesental fingen. Der international geförderte Langdistanzwanderfisch wird jedoch erst nach 2020 in den früheren Laichgebieten der Wiese zurückerwartet. Vor seiner Rückkehr müssen die Staustufen im Oberrhein zwischen Kembs und Strassburg durchgängig gemacht werden. Verborgen in den Fliessgewässern der Riehener Wiese- Ebene lebt bereits heute die ansehnliche Zahl von 16 Arten. Dies sind Bachforelle (Salmo trutta fario), Lachs – zum Bestandesaufbau eingesetzte Jungtiere (Salmo salar) –, Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss), Äsche (Thymallus thymallus), Alet (Squalinus cephalus), Barbe (Barbus barbus), Bitterling (Rhodeus amarus), Elritze (Phoxinus phoxinus), Gründling (Gobio gobio), Hasel (Leuciscus cephalus), Rotauge (Rutilus rutilus), Schmerle (Barbatula barbatula), Schneider (Alburnoides bipunctatus), Stichling (Gasterosteus aculeatus), Strömer (Telestes souffia), Aal (Anguilla anguilla), Groppe (Cottus gobio) und Bachneunauge (Lampetra planeri). Fünf davon gehören zu den Rote-Liste-Arten der Schweiz: Bachneunauge, Aal, Strömer, Schneider und Äsche.

AMPHIBIEN – BEWOHNER ZWEIER WELTEN
Wie ihr griechischer Name verrät, leben Amphibien sowohl im Wasser als auch an Land. Während des Larvenlebens im Wasser nehmen sie den lebensnotwendigen Sauerstoff über ihre Kiemen auf. Als ausgewachsene Salamander, Molche, Kröten oder Frösche entwickeln sie Lungen und atmen wie alle Landwirbeltiere atmosphärische Luft. Die Evolutionsbiologie betrachtet die Amphibien deshalb als eine Tiergruppe, die den Übergang vom ursprünglichen Leben im Wasser zum anspruchsvolleren Landleben vor Millionen von Jahren in ihrem Lebenszyklus beibehalten haben. Die Amphibien sind heute äusserst populär. Der Anlass für ihre Bekanntheit ist jedoch eher betrüblich. In den 1960er- Jahren stellten Naturschützer einen drastischen Amphibienrückgang fest. Wo man früher an Sommerabenden noch dem Konzert der Laubfrösche oder Wasserfrösche zuhören konnte, herrschte plötzlich Stille – oder nur noch das Rauschen des Verkehrs. Bald erkannte man, dass die wichtigste Ursache für diesen Rückgang das Verschwinden der stehenden Gewässer war. Diese wurden seit dem Zweiten Weltkrieg systematisch aus der Landschaft entfernt, um Kultur- oder Bauland zu gewinnen. Der Naturschutz handelte und so entstanden ab 1965 die ersten Weiherreservate, mit denen die Bestände der inzwischen bedrohten Amphibienarten wieder neue Laichgebiete erhielten. Riehen gehörte in der Region Basel zu den Pionieren, was den Amphibienschutz angeht. Im Gemeindegebiet leben heute elf Lurcharten. Dank diesen Bemühungen konnte in der Wiese-Ebene der ausgestorbene Laubfrosch (Hyla arborea) wieder angesiedelt werden. Der bedrohte Kammmolch (Triturus cristatus), der sich in der Wiese-Ebene und im Autal wieder fortpflanzt, verdankt seine Anwesenheit wohl ebenfalls den menschlichen Schutzbemühungen. Bemerkenswert ist auch das Vorkommen der Gelbbauchunke (Bombina variegata) in der Wiese-Ebene. In den 1990er-Jahren wurden Bestände des Feuersalamanders (Salamandra salamandra terrestris) entdeckt, der sich im Bettingerbach und im Nollenbrunnen fortpflanzt. Früher wurden auch Beobachtungen aus dem Autal gemeldet. Im Quell-Weiher des Nollenbrunnens und im Friedhof Hörnli pflanzt sich der ‹Glögglifrosch› fort, der auch unter dem Namen Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) bekannt ist. Neben den genannten Besonderheiten kommen in den Gewässern Riehens auch die Erdkröte (Bufo bufo), der Wasserfrosch (Pelophylax esculentus), der kleine Teichfrosch (Pelophylax lessonae), der Grasfrosch (Rana temporaria), der Bergmolch (Ichthyosaura aplestris) und der Fadenmolch (Lissotriton helveticus) vor. Nicht gelungen ist in den letzten Jahrzehnten die Förderung der Kreuzkröte (Epidalea calamita), für die das Reservat Weilmatten auf der rechten Seite der Wiese eigens angelegt wurde. Nachdem der grosse Bestand in der Kiesgrube Käppelin in Weil am Rhein zusammengebrochen war, gelang es nicht, die Art auf Schweizer Boden zu halten.

LANDBEWOHNER AUF DEM WEG ZURÜCK INS WASSER
Weit weniger angepasst an das Leben im Wasser sind Wirbeltiergruppen wie die Säugetiere oder die Reptilien, deren Vorfahren bereits vor Jahrmillionen die Landlebensräume erobert hatten. Der Biber (Castor fiber) beginnt nach seiner Rückkehr in die Region Basel auch in den Langen Erlen wieder heimisch zu werden. Es fanden sich erste Spuren im Bereich der Entenweiher in den Breitmatten. Das Säugetier mit dem dicken Ruderschwanz wurde lange Zeit wegen seines vermeintlich aphrodisierenden Drüsensekrets (‹Bibergeil›) und seines Fells gejagt. In unserer Gegend staut der Biber in der Regel keine Fliessgewässer, sondern gräbt seine Wohnbauten in die Flussufer. Auch die Ringelnatter (Natrix natrix) ist ein Landtier, bevorzugt jedoch gewässernahe Lebensräume. Die Schlangenart ist eine ausgezeichnete Schwimmerin und jagt ihre Beute mit Vorliebe im Uferbereich. Bestände der Art sind noch Übertreiüberall an den Gewässern der Wiese-Ebene, aber auch im Autal zu finden. Etwas mehr wasserliebende Arten gibt es bei den Vögeln. Besonders populär sind die Stockenten (Anas platyrhynchos), die im Frühling jeweils mit zahlreichen Jungtieren in Einerkolonne ans Wasser watscheln und in der gleichen Formation weiterschwimmen. Andere Wasservogelarten sind eher scheu und können nur mit einem Feldstecher im hinteren, geschützteren Bereich der Entenweiher beobachtet werden. Die Bestände des Graureihers (Ardea cinerea) waren nach 1970 stark eingebrochen, konnten sich aber in der Zwischenzeit wieder erholen – und so wird der stolze Vogel auch regelmässig als Gast an den Amphibienweihern in Riehen beobachtet. Wie ihr Name bereits verrät, hält sich die Wasseramsel (Cinclus cinclus) ebenfalls mit Vorliebe an Gewässern auf. Von ihrem Nest am geschützten Gewässerrand aus fliegen die Vögel zu den Flachufern kleiner Bachläufe und drehen geschickt die Kieselsteine um auf der Suche nach Gewässerkleintieren, ihrer bevorzugten Nahrung.

UNÜBERSCHAUBARE VIELFALT WIRBELLOSER GEWÄSSERKLEINTIERE
Zu den Kleintieren der Gewässer gehören zum Beispiel Kleinkrebse wie die in Waldbächen massenhaft vorkommenden Bachflohkrebse, kleine Wenigborsterwürmer, Egel, Schnecken und Muscheln sowie Wasserinsekten. Sie bilden in den Flüssen, Bächen und Weihern eine wichtige Nahrung für die Wirbeltiere und die grösseren wirbellosen Räuber wie Libellen oder Wasserkäfer. Es wurden sogar Süsswasserschwämme in den Riehener Gewässern gefunden. Unter den Insekten sind die Eintagsfliegen, Steinfliegen, Libellen, Wasserkäfer, Wasserwanzen, Köcherfliegen und verschiedene Fliegen- und Mückenfamilien mit zahlreibung chen Arten vertreten. Die schweizerische Rote Liste der Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen zeigte, dass einige Kleintierarten nur in Riehen vorkommen. Dazu gehört die Steinfliegenart Perla abdominalis, die im Jahr 2006 in der Wiese erstmals seit über 25 Jahren wieder in der Schweiz nachgewiesen wurde. Der letzte Nachweis stammt von 1980 aus dem Kanton Zürich, mehrere Funde der Art in der Westschweiz liegen noch weiter zurück. Der Bestand in der Wiese ist heute die einzige aktuell bekannte Population in der Schweiz. In den Gewässern der Wiese-Ebene lebt zudem die Köcherfliege Anomalopterygella chauviniana, eine Art, die sonst nur noch im Kanton Schaffhausen vorkommt und deren Verbreitungsareal gerade noch den Norden der Schweiz erreicht. Schliesslich kommt auch bei den Eintagsfliegen eine schweizweit besonders seltene Art in Riehen vor. Diese heisst Ecdyonurus insignis und ist eine Art der Tieflandflüsse Europas. In der Schweiz gibt es nur zwei ältere Nachweise der Art aus der Broye und dem Doubs.

BEDROHTE GEWÄSSERTIERE SCHÜTZEN UND FÖRDERN
Bis nach 2000 waren diese seltenen Wasserinsektenarten verschwunden. Ihre Rückkehr haben sie der verbesserten Wasserqualität zu verdanken – ein Ergebnis der langjährigen Gewässerschutzbemühungen. Eine weitere erfolgreiche Massnahme zur Förderung der Tiere in Flüssen und Bächen ist die Revitalisierung der Gewässer. Dank der Aufweitung der Fliessgewässer und der Förderung ihrer Dynamik entstehen Unterschiede der Wassertiefe und der Wasserspiegelbreite sowie eine Vielfalt verschiedener Strömungsverhältnisse. Am schnellsten reagieren die beweglichen Fische darauf, die neu entstehende Kleinlebensräume rasch besiedeln. Bei Kleintieren dauert diese Rückeroberung in der Regel etwas länger. Ohne Übertreibung darf jedoch gesagt werden, dass die Fliessgewässer der Wiese-Ebene bereits heute eine sensationelle Kleintierwelt beherbergen. In künstlich erstellten Stehgewässern – dazu gehören alle Weiher in Riehen – setzt nach wenigen Jahren eine Verlandung ein. Die Uferlinie bewegt sich Jahr für Jahr mehr in Richtung Gewässermitte. In Weihern intakter Flussauen wird diese Verkleinerung der Wasserfläche durch wiederkehrende Hochwasser wieder rückgängig gemacht. Die fehlende Dynamik muss in künstlich angelegten Stehgewässern durch regelmässiges Zurückschneiden der Vegetation und das Entfernen des abgelagerten Schlamms nachgeahmt werden, sonst wächst das Gewässer innert weniger Jahrzehnte vollständig zu und verliert seinen Wert als Lebensraum für Gewässertiere. Die Gewässer benötigen also eine fachgerechte Pflege, die heute an den Riehener Weihern von der Gemeinde, der Basler Stadtgärtnerei, den Industriellen Werken Basel und privaten Organisationen ausgeführt wird. Auch wenn die Vielfalt der Gewässertiere angewachsen ist, bleibt sie doch noch weit entfernt vom früheren Reichtum sowohl an Gewässertypen wie Gewässertieren. Projekte wie der ‹Landschaftspark Wiese›, die Revitalisierung der Wiese unter der Bezeichnung ‹Wiese-Vital›, aber auch das Projekt der Schaffung zahlreicher stehender Gewässer durch Pro Natura Basel sollen diese Vielfalt künftig noch näher an deren Zustand im 19. Jahrhundert bringen.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2018

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